Der Waffenschmied von Worms - Biedermeierliches von Lortzing

  • Lortzings Oper „Der Waffenschmied“ wurde zwar in einigen Threads schon mehrfach erwähnt, hatte aber bisher keinen eigenen Thread.
    Allerdings ist er im Tamino-Opernführer verzeichnet, nämlich hier:


    LORTZING Gustav Albert: DER WAFFENSCHMIED


    Die Tatsache, dass in diesen Tagen endlich eine vernünftige Gesamtaufnahme als Doppel-CD veröffentlicht wird, nehme ich zum Anlass, der Oper diesen Beitrag zu widmen.


    Fangen wir beim Komponisten an:


    Lortzing, Albert (Gustav)
    * 23. Okt. 1801 in Berlin
    † 21. Jan. 1851 in Berlin
    Komponist, Schauspieler, Sänger und Kapellmeister


    In seiner Detmolder Zeit als Bühnen-Schauspieler (ca. 1826 1833) spielte er der Grafen Liebenau in einem Stück „Liebhaber und Nebenbuhler in einer Person“ des heute vergessenen Wiener Schauspielers und Dichters F. W .Ziegler. Daraus schuf er 1846 ein deutsches Singspiel, d. h. er gestaltete die Vorlage so um, dass sie ihm die ideale Grundlage zu einer romantischen Spieloper wurde:


    Der Waffenschmied [von Worms]
    (Libretto von Albert Lortzing nach Friedrich Wilhelm Ziegler,
    Liebhaber und Nebenbuhler in einer Person)
    komische Oper 3 Aufzüge LoWV 66 (1845/46;
    Uraufführung am 30. Mai 1846 Wien, Theater an der Wien, wo er dann als Kapellmeister engagiert wurde)
    Musik von Albert Lortzing,
    Ort der Handlung: Worms im 16. Jahrhundert
    Personen:
    * Hans Stadinger, Waffenschmied (Bass)
    * Marie, seine Tochter (Sopran)
    * Graf von Liebenau (Bariton)
    * Georg, sein Knappe (Tenor)
    * Ritter Adelhof (Bass)
    * Irmentraut, Maries Erzieherin (Alt)
    * Brenner, Gastwirt (Tenor)


    (Näheres zur Handlung im Opernführer)


    Mehrfach wurde hier im Forum bemängelt, dass es von dieser Oper – verglichen mit den anderen Werken von Albert Lortzing – recht wenige vernünftige Aufnahmen gibt – schon gar nicht vollständige Einspielungen.


    Die vorhandenen Aufnahmen, ihre Stärken und Schwächen, ihre Sänger und Sängerinnen sowie Dirigenten sollen hier genannt werden.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ich fange mal mit der frühesten Gesamtaufnahme an, die gerade bei mir im Hintergrund läuft:



    Aufnahme: 5.5.1936, Berlin
    Spieldauer: 99'33
    Dirigent: Gustav A. Schlemm
    Orchester des Reichssenders Berlin
    Chor des Reichssenders Berlin
    Regie: Leopold Hainisch
    (stark gekürzt, ohne Arie Marie und Teile Sextett 3. Akt)


    Adelhof aus Schwaben: Erich Rauch
    Brenner: Arthur Große
    Georg: Erich Zimmermann
    Geselle: Hans Sternberg
    Graf von Liebenau: Hans Wocke
    Hans Stadinger: Michael Bohnen
    Irmentraut: Margarethe Arndt-Ober
    Marie: Carla Spletter


    Gemessen am Alter eine sehr hübsche Aufnahme, perfekte Wortverständlichkeit, gute Sängerleistungen, zufriedenstellende Tonqualität (gemessen am Standard, immerhin ist die Aufnahme von 1936). "Auch ich war ein Jüngling..." gesungen von Michael Bohnen - da muß man sich erst dran gewöhnen. Mit viel Tremolo und verfälschten Vokalen, statt "Schwert" singt er "Schwääääärt", und zwischendurch bringt er ziemlich unpassende Schluchzer an.


    Auf meiner Cantus-Classics-Aufnahme sind jedoch auf der CD1 ärgerliche Störungen, die der schlechten Fertigungsqualität geschuldet sind. Als ich die CDs 2003 kaufte, waren sie einwandfrei; heute, nach 7 Jahren eigentlich nur noch Schrott, die 2. CD ist besser.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Als nächstes möchte ich hier 2 Opernquerschnitte vorstellen, wie sie in den 60er Jahren gang und gäbe waren (Boxen mit mehreren LPs als Gesamtaufnahmen waren damals noch relativ selten und ziemlich teuer [DM 50,-- für eine 2-LP-Box]). Daher gab es von fast jeder Oper einen Querschnitt, der auf die Spieldauer einer LP zugeschnitten war.


    Das war der Renner in der damaligen DDR:



    Eterna-Aufnahme von 1963:


    Dirigent: Heinz Fricke; Staatskapelle (Ost-)Berlin
    Georg: Harald Neukirch
    Graf von Liebenau: Günter Leib
    Hans Stadinger: Hans Krämer
    Irmentraut: Gertraud Prenzlow
    Marie: Elisabeth Ebert


    Gehört noch heute zur Spitzengruppe der Lortzing-Interpretationen!


    ++++++++++++++++++++


    Fast gleichzeitig hat auch die Deutsche Grammophon Gesellschaft ihren Waffenschmied-Querschnitt präsentiert:



    Aufnahme 1964 West-Berlin
    Dirigent: Christoph Stepp; RIAS Symphonie-Orchester
    Georg: Martin Vantin
    Graf von Liebenau: Thomas Stewart
    Hans Stadinger: Josef Greindl
    Irmentraut: Sieglinde Wagner
    Marie: Gundula Janowitz


    Hier ist natürlich Josef Greindl als Hans Stadinger die Hauptperson, aber auch die übrige Besetzung ist erste Sahne!


    LG


    :hello::hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • In den 60er Jahren war die Waffenschmied-Oper etwas in Vergessenheit geraten, bzw. bei den Lortzing-Anhängern wurde sie durch die starke Konkurrenz von Erfolgsopern wie "Widschütz" und noch mehr "Zar und Zimmermann" etwas in den Hintergrund gedrängt.


    Der Kölner Electrola ist jedoch 1964 in München eine Gesamtaufnahme geglückt, die bis heute als die Refernzaufnahme gilt (und das, obwohl sie seit Jahrzehnten vergriffen ist und im Handel garnicht erhältlich):



    Aufnahme: 3.–7.2.1964, Bürgerbräukeller, München
    Dirigent: Fritz Lehan
    Bayerisches Staatsorchester München
    Chor der Bayerischen Staatsoper München


    Adelhof aus Schwaben: Fritz Ollendorff
    Brenner: Franz Klarwein
    Georg: Gerhard Unger
    Geselle: Otto Dechantsreiter
    Graf von Liebenau: Hermann Prey
    Hans Stadinger: Kurt Böhme
    Irmentraut: Gisela Litz
    Marie: Lotte Schädle


    Obwohl als 3er-LP-Box erfolgreich, wurde sie mehrfach nur als Querschnitt (auf 1 LP) neu aufgelegt, nicht jedoch die Gesamtaufnahme.
    1990 erschien dann die oben gezeigte Doppel-CD-Box mit ausführlichem Booklet und komplettem Textbuch.
    Mein Glück, dass ich sie mir damals sofort - trotz des hohen Preises - gekauft habe, denn schon nach kurzer Zeit war sie wieder aus den Regalen verschwunden - gestrichen und bis heute nicht wieder neu aufgelegt.



    Dabei ist hier unter Fritz Lehan eine Sänger-Besetzung zu hören, die seinesgleichen sucht - jede Rolle perfekt besetzt!


    Edit: Beim "Amazon-Marketplace" kann man die GA-CDs bestellen.


    ++++++++++++++++++++++++++


    Erst fast 30 Jahre später erschien wieder eine neue Gesamtaufnahme - eine Gemeinschaftsproduktion der Fa. Calig mit dem Bayerischen Rundfunk:



    Aufnahme: 1992, Studio BR München
    Dirigent: Leopold Hager
    Münchener Rundfunkorchester
    Chor des Bayerischen Rundfunks
    Chorleitung: Michael Gläser
    Dialog-Regie: Wolf Euba


    Adelhof aus Schwaben: Martin Hausberg
    Brenner: Andreas Schulist
    Georg: Kjell Magnus Sandvé
    Geselle: Rudolf Hillebrandt
    Graf von Liebenau: Bo Skovhus
    Hans Stadinger: John Tomlinson
    Irmentraut: Ursula Kunz
    Marie: Ruth Ziesak


    Die Aufnahme ist wegen der ungleichmäßigen Besetzung von Anfang an heftig kritisiert worden; ein schon etwas abgesungener Wagner-Recke als Stadinger - das war nicht jedermanns Geschmack!
    Daneben gibt es aber viele Fans, die auf diese Aufnahme schwören!


    LG


    :hello::hello:
    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Eine äußerst erfreuliche Überraschung gab es in diesen Tagen für alle Lortzing-Freunde:


    Eine verschollen geglaubte Gesamtaufnahme des Waffenschmied des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahre 1958 ist als Tondokument wieder entdeckt worden und wird jetzt vom kleinen aber feinen Schweizer Plattenlabel "RELIEF" auf den Markt gebracht. Hier wird jetzt endlich eine wichtige Lücke zwischen der historischen Einspielung von 1936 und den oben gezeigten Aufnahmen geschlossen:



    Dank an operus für die Übersendung des Rezensions-Exemplares, denn jpc hat sie noch nicht im Katalog.
    Die Aufnahme stammt aus dem Nachlaß des verstorbenen Sammler Rudolf Wahl aus Coburg, dem wir Sammler so manches seltene Schätzchen zu verdanken haben.


    Hier die Besetzung:


    Marie - Hanna Scholl
    Irmentraut - Hetty Plümacher
    Hans Stadinger - Gottlob Frick
    Graf Liebenau - Hermann Prey
    Ritter Adelhof - Benno Kusche
    Knappe Georg - Friedrich Lenz
    u.a.
    Chor des Bayerischen Rundfunks (Einst. Kurt Prestel)
    Symphonieorchester des BR
    Dirigent: Jan Koetsier
    Aufnahme des BR von 1958


    Die Aufnahme wird natürlich beherrscht von der herausragenden Leistung von Gottlob Frick in der Titelrolle, dessen mächtiger Bass die Szene dominiert!
    Aber auch die anderen Sänger sind allererste Wahl, als Beispiel sei hier nur Hetty Plümscher als Irmentraut genannt!


    Die Klangqualität ist zwar nicht ganz überzeugend, aber gemessen am Alter und entsprechend den widrigen Umständen muß man sich damit zufriedengeben. Die Originalbänder sollen wohl gelöscht sein.
    Dankenswerter Weise haben die Schweizer Techniker den Klang behutsam restauriert und darauf verzichtet, allzuviel Hall beizutun und lediglich das Bandrauschen minimert.


    In jedem Fall ist diese Aufnahme eine wichtige Bereicherung der Lortzig - Discographie!


    LG


    :hello:

    Harald


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    (Vinícius de Moraes)

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  • Und wann kommt dieser:



    Harald ist mir zuvorgekommen.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Inzwischen gibt es die o.g. Aufnahme sowohl bei jpc als auch bei Amazon!


    (mein damaliger Beitrag stammte von Anfang September)


    LG

    Harald


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    (Vinícius de Moraes)

  • Ich hatte seinerzeit scheinbar wirklich unglaubliches Glück, weil ich die CD-Edition von 1990 neuwertig für unter 20 EUR bekommen habe.
    Eine nette kleine Oper mit phantastischer Besetzung ist es allemal!


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Der Vollständigkeit halber sollte man nicht den Fernsehfilm vergessen, den das ZDF 1983 produziert hat und der vor einiger Zeit mehrfach im ZDF-Theaterkanal ausgestrahlt wurde:


    Auch ich war ein Jüngling mit lockigem Haar....
    Der Waffenschmied


    Komische Oper von Albert Lortzing
    Fernsehbearbeitung, BR Deutschland 1983


    Hans Stadinger, -
    Waffenschmied und Tierarzt - Kurt Moll
    Marie, seine Tochter - Monika Schmitt
    Graf von Liebenau - Ludwig Baumann
    Georg, sein Knappe - Hans-Jörg Weinschenk
    Adelhof aus Schwaben, ein Ritter - Fritz Grass
    Irmentraut, Erzieherin der Marie - Eva Gilhofer


    Regie: Karlheinz Hundorf
    Musikalische Leitung: Peter Schneider
    Orchester: Radio-Sinfonieorchester SDR Stuttgart
    Szenenbild: Günther Schneider-Siemssen


    Zitat

    Als der 45jährige Albert Lortzing am 30. Mai 1948 in Wien zum ersten Mal seine komische Oper "Der Waffenschmied" dirigierte, hatte er gleich zweifaches Glück: die Uraufführung war ein großer Erfolg, und Lortzing wurde damit als Kapellmeister an das traditionsreiche "Theater an der Wien" verpflichtet. Das Glück blieb aber auch weiterhin auf der Seite des "Waffenschmieds"; denn bis zum heutigen Tag zählt diese Oper mit ihren beliebten Melodien wie "Auch ich war ein Jüngling", "Man wird ja einmal nur geboren" oder "Wir armen, armen Mädchen" zu den besonderen Lieblingen des Opernpublikums. Albert Lortzing war Sänger, Schauspieler, Orchestermusiker, Kapellmeister und Komponist. Er besaß dadurch eine große musikalische Praxis, die ihm gerade bei der Gestaltung seiner Opernlibretti, die er sich - wie später auch Richard Wagner - selber schrieb, sehr half.


    Die eigentliche Handlung der Oper wird von liebevoll gefertigten und gekleideten Marionetten aus dem Salzburger Marionettentheater bestritten. Die wichtigsten Szenen und die schönsten Arien werden jedoch - in gleichen Kostümen und Dekorationen - von den Opernsängern dargebracht. Die Dialoge wurden allerdings gekürzt, was aber den Spaß eher noch erhöht!


    Eine wirkliche Freude für Auge und Ohr - in excellenter Sängerbesetzung.


    LG


    :hello:

    Harald


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    (Vinícius de Moraes)

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  • Endlich kommt sie wieder (lieferbar ab 08.03.2013):



    :jubel::jubel::jubel:


    LG, Elisabeth

  • In einem anderen Thread wurde gefordert, die EMI-Archive unter Denkmalschutz zu stellen.
    Dabei ist das Label zur Zeit vorbildlich dabei, Verschollenes wieder dem Publikum zugänglich zu machen.
    So z.B. der von vielen sehnlichst erwartete "Waffenschmied":



    Albert Lortzing (1801–1851)
    Der Waffenschmied


    Kurt Böhme, Hermannn Prey, Gerhard Unger, Gisela Litz, Lotte Schädle,
    Orchester der Bayerischen Staatsoper München,
    Fritz Lehan
    EMI, ADD, 1964, 2 CDs


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Mein lieber Harald!


    Ich finde es auch toll, daß EMI doch so Einiges wieder veröffentlicht. Diese Gesamtaufnahme war eigentlich überfällig. Man braucht von dieser schönen Oper beide Aufnahmen, auch die unter Jan Koetsier.



    Gruß Wolfgang

    W.S.