Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 21 A-Dur

  • Joseph Haydn: Sinfonie Nr 21 A-Dur


    komponiert 1764 für den Fürsten Eszterhazy (anders als bei vielen Sinfonien vorher ist hier anscheinend eine recht genaue Datierung möglich)


    Wie die folgende Nr. 22 handelt es sich hier um ein Werk mit dem langsamen Satz an erster Stelle, in der Tradition der "Kirchensonate". Lessing referiert die Vermutung des Haydn-Forschers Larsen, daß Nr. 21 und 22 von Haydn als "Verbesserungen" zweier früherer (noch für Morzin geschriebener) Sinfonien in diesen Tonarten und der entsprechenden Satzfolge (5 und 11) konzipiert worden sein könnten. Angesichts der insgesamt nur acht Werke (5, 11, 15, 18, 21, 22, 34, 49), die mit einem langsamen Satz beginnen, und der nur hier wiederholten Tonarten ist das durchaus plausibel.
    Anders als die im Kopfsatz durch die Englischhörner und choralartigen Passagen ernst-feierlich anmutende Sinfonie Nr. 22 handelt es sich hier um ein eher heiter-energisches, dabei konzentriertes und sehr ausgewogenes Stück (die Sätze haben alle eine Spieldauer um 4 min).


    Adagio


    Im Gegensatz zu den meist stark streicherdominierten langsamen Sätzen vieler anderer Sinfonien dieser Zeit beginnt es hier gleich mit einem berückenden Wechsel von Streichern und Oboen. Ebenso ist der Satz nicht in der zweiteiligen Form mit Wiederholungen gehalten, sondern durchkomponiert, Lessing spricht sogar von einer "Fantasie". Dieses Thema wird sogleich etwas variiert wiederholt und dominiert den gesamten Satz, wobei es durch die verschiedenen Stimmen wandert und mitunter gegenüber den pochenden Achteln fast in den Hintergrund gerät. Sehr ausdrucksvoll etwa in der Mitte die Stelle mit dem Thema im Baß. Nach einem reprisenartigen träumerischen pianissimo-Auftreten nur in den Streichern verselbständigen sich die Achtel (mit denen am Anfang die Oboen"antwort" begonnen hatte) und es wird fast ein wenig dramatisch. Zum Ausklang kommen auch die Hörner noch einmal zu Wort. Ein Satz von ganz eigener Stimmung, der zwar ein wenig an ähnliche träumerisch-abgeklärte Idylle bei Corelli oder Händel erinnern mag, aber doch über eine Barock-Reminiszenz weit hinausgeht.


    Presto


    Dieses kurze (4 min, wenn beide Teile wiederholt werden) und stürmische Stück bildet einen heftigen Kontrast zum Vorhergehenden. Es lebt hauptsächlich von der Bewegungsenergie seiner von Punktierungen und hämmernden Tonrepetitionen bestimmten Thematik, wobei die Hörner und Oboen zwar munter mitschmettern, aber kaum eigene Aufgaben wahrnehmen. Man kann vielleicht ein Seitenthema, das aber motivisch verwandt ist, ausmachen, die knappe Durchführung und der Satz insgesamt werden jedenfalls vom Hauptthema dominiert.


    Menuett


    Der kontrastreiche Einsatz der Bläser hier besonders Hörner setzt sich auch im Menuett fort. Es erinnert (Lessing u. Reclam) an das Menuett aus Mozarts kleiner Nachtmusik; obwohl der Anfang tatsächlich sehr ähnlich ist, finde ich es einen viel witzigeren, etwas rustikalen, gar nicht "höfischen" Satz".
    Das Trio bietet einen sehr schönen Kontrast: in Moll, durchweg piano und nur Streicher ist es fast ganz auf der Wiederholung eines einfachen Motivs (und einer "Antwort") aufgebaut.


    Finale. Allegro molto


    Hier scheint Haydn, worauf Lessing hinweist, an den 2. Satz anzuknüpfen, es dabei aber noch wilder zu treiben, man ahnt bereits die wenige Jahre später entstehenden spannungsvollen "Sturm&Drang"-Werke. Wiederum hämmernde Staccato-Achtel, dazu Synkopen, aggressive Einwürfe und Sforzato-Akzente.
    Auch hier handelt es sich um einen sehr kurzen Sonatensatz, kaum kürzer und nicht weniger gewichtig als der zweite.


    Selbst wenn hier die offensichtliche solistisch-konzertante Brillanz der "Tageszeiten" oder der Nr. 13 fehlt, so handelt es sich um ein bemerkenswert geschlossenes Werk, mit zwei mitreißend energischen schnellen Sätzen, einen originellen Menuett und einem ziemlich einzigartigen langsamen Satz, das sicher als eines der überzeugendsten der frühen Periode gelten kann.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes!


    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Adagio


    Im Gegensatz zu den meist stark streicherdominierten langsamen Sätzen vieler anderer Sinfonien dieser Zeit beginnt es hier gleich mit einem berückenden Wechsel von Streichern und Oboen. Ebenso ist der Satz nicht in der zweiteiligen Form mit Wiederholungen gehalten, sondern durchkomponiert, Lessing spricht sogar von einer "Fantasie".
    [...]
    Ein Satz von ganz eigener Stimmung, der zwar ein wenig an ähnliche träumerisch-abgeklärte Idylle bei Corelli oder Händel erinnern mag, aber doch über eine Barock-Reminiszenz weit hinausgeht.


    Mir gefällt dieser Satz sehr. Er hat durch die von Dir beschriebenen Mittel einie eigenartige, erhabene Stimmung und eine ausgefallene Klangfärbung. Ich finde ihn jedenfalls nicht weniger "philosophisch" als den 1. Satz von Nr. 22.



    Stürmerischer und drängerischer war Haydn doch auch später nicht. Diese beiden Sätze und die ungewöhnliche Form der Symphonie legen es doch nahe, auch diese Symphonie mit dem Etikett "Sturm und Drang" zu belegen - oder etwa nicht? Wo ist der große Unterschied zu den 40er-Symphonien, formal und vom Ausdrucksgehalt gesehen?


    Wie auch immer - ohne das Haydn-Projekt hier hätte ich mich vielleicht nie mit der ihr gebührenden Aufmerksamkeit dieser Symphonie gewidmet. Ich kann nur Werbung für regere Beteiligung, sowohl beim Hören als auch beim Schreiben, machen - es lohnt sich!


    Viele Grüße,
    Pius.