Das spanische Mittelalter

  • Das spanische Mittelalter oder 700 Jahre Reconquista


    Wir befinden uns im Jahre 711 auf der spanischen Halbinsel. Diese wird seit über 200 Jahren von den (arianischen) Westgoten beherrscht und regiert. Doch die Zeit war reif für Veränderungen.
    Der König der Ostgoten, Witiza, wurde von einem Grafen, Roderich, ins Jenseits befördert, damit dieser selbst König werden konnte. Doch er hatte die Rechnung ohne die Söhne Witizas gemacht. Diese sollten nämlich den Thron für sich beanspruchen (was auch rechtens war).


    Derweil in Nordafrika:
    Die maurischen Reiterheere hatten die komplette Mittelmeerküste Afrikas erobert und waren weiter auf Expansionskurs.


    Da kam es ihnen gerade recht, dass die Söhne Witizas ihren Anführer Tarik baten, ihnen beim Putsch gegen den Verräter Roderich (Rodrigo) zu helfen. So kam es, dass die Mauren im Jahre 711 nach Spanien übersetzten. Ort der Landung war Gibraltar (Gebel- el- Tarik). Es kam recht bald zur Schlacht zwischen den Goten und den Mauren. In Jerez de la Fontera trafen die beiden Parteien aufeinander. Die Goten unterlagen und der Weg für die Mauren war frei. Sie eroberten bis 713 die ganze iberische Halbinsel, ohne richtige Gegenwehr vorzufinden. Also entschlossen sich die Mauren zu bleiben und errichteten das Kalifat von Cordoba.


    Aber schon 718 regte sich in den Hochländer Asturiens (in der Nähe von Navas de Tolosa) erster Widerstand. Die christliche Bevölkerung wollte nicht von „Ungläubigen“ beherrscht werden, also erhob man die Schwerter gegen die Mauren. Anführer dieser Bewegung war der Westgote Pelagius, der heute als Nationalheld verehrt wurde.
    Um die gut ausgerüstete Armee der Mauren bedurfte es einem Wunder. Und genau dieses Wunder geschah auch. Bei Navas de Tolosa unterlag die maurische Armee dem Heer des Pelagius. Mit diesem Kampf begann die „Reconquista“ der spanischen Halbinsel. Reconquista bedeutet Rückeroberung. Die christlichen Heere sollten beinahe 700 Jahre brauchen um den Mauren die Ländereien zu entreißen und die Halbinsel komplett zu erobern. Die Mauren hatten nur wenige Jahre gebraucht!
    Bis zum Jahre 750 waren die Mauren endgültig aus Asturien und Galizien vertrieben. Schon vorher wurde das Königreich Asturien von Pelagius gegründet.


    Im Jahre 756 übernahm die Omajjaden-Dynastie die Herrschaft des Kalifats von Cordoba. Unter dieser Dynastie sollte Cordoba zu einem Zentrum der Gelehrsamkeit, Kultur und des Wissens werden. Die größten Künstler und Wissenschaftler siedelten sich hier an, da sie in Europa meist verfolgt wurden, da die meisten von ihnen zu „revolutionär“ dachten.
    Auch viele Juden kamen nach Spanien, sie wurden Sepharden genannt. Ihre Gesänge sind durch Schriften aus der Bibliothek von Cordoba bekannt und wurden mehrmals eingespielt!





    Diese Aufnahme behandelt nicht nur die jüdische Musik des Mittelalters in Spanien, sondern in ganz Europa.


    Wie lebten die Juden damals in Spanien?
    Die ca. 50000 aus Südfrankreich eingewanderten Juden „Dhimmi“ (Andersgläubige) genannt, lebten in eigenen Vierteln, die „Aljama“ (Judenviertel) genannt wurden. Dort konnte sich ihre Kultur meist frei entfalten. Die Juden unterstanden nur bedingt der arabischen Rechtssprechung und in ihrem Viertel errichteten sie Synagogen, Badehäuser, Schulen, Schlachthäuser und manchmal sogar ein eigenes Hospital.


    Ihre Musik ist meist arabisch beeinflusst, aber sie ahmt auch die Spanische „Romance“-Gattung nach. Romances sind balladenartige Erzählungen. Ebenso finden sich Einflüsse der südfranzösischen Troubadour-Kunst in der sehr ergreifenden und Berührenden Musik der Sepharden wieder.


    Während der Reconquista ging es den Juden mal besser, mal schlechter. Im Jahre 1492 wurde ein Edikt unterzeichnet, dass alle (!, 300.000) Juden innerhalb von 3 Monaten Spanien verlassen mussten. Ein herber Verlust für das kulturelle Leben in Spanien.


    Viele Christen, die nicht zum Islam konvertieren wollten bekamen eigene Rechte und Privilegien zuerkannt und wurden „Moz-Araber“ genannt. Das bedeutet „lebt wie ein Araber“


    Aber der christliche Widerstand in ganz Spanien begann aufzukeimen. Nicht nur in Asturien und Galizien, auch im Baskenland und in Aragon begannen sich die Bauern gegen die Mauren zu erheben.


    Es gab mehrere Richtungen der Reconquista:
    Asturien (Westen Spaniens) drang in Richtung Süden vor, während die östlichen Königreiche Navarra und Aragon ebenfalls gen Süden zogen. Der Norden Spaniens war bald in christlicher Hand!


    Im 9. Jahrhundert begann dann die systematische Rückeroberung der iberischen Halbinsel. Doch die ging schleppend voran, es wurden nur kleine Landstriche und eine Stadt nach der anderen erobert. König Alfons II von Leon befestigte Oviedo und dehnte sein Reich nach Süden aus.
    Im Jahre 1085 wurde die erste wirklich wichtige Eroberung gemacht: Toledo wurde genommen. Dabei war ein gewisser EL CID, Rodrigo Diaz de Vivar. Toledo wurde demonstrativ zur neuen Hauptstadt erhoben, da man den Muslims zeigen wollte, dass nun auch der Rest Spaniens fallen würde.

    EL CID


    Die Königreiche Leon und Kastilien fielen auseinander, wurden aber 1230 von Ferdinand III wiedervereinigt.


    Hier eine kleine Auflistung der Eroberungen:
    1085 Toledo (Alfons VI)
    1096 Huesca (Pedro I von Aragon)
    1118 Saragossa (Alfons I von Aragon)
    1137 Barcelona (Alfons I von Aragon)
    1236 Cordoba (Ferdinand III.)
    1244 Murcia
    1248 Sevilla (Ebenso)
    1267 Cadiz (Alfonso X.; der Weise)



    Alfonso X. 1221-1284 war einer der beduetendsten Könige des Mittelalters, er hat unter anderem mehrere „Cantigas de Santa Maria“ vertont und war ein sehr begabter Komponist.

    Meine Lieblingsaufnahme ist diese:

    Eine beeindruckende CD von einem weltklasse Ensemble, dem Ensemble Unicorn!



    Es gibt aber noch weitere: (insgesamt ca. 10-15 Aufnahmen)




    Darauf möchte ich hier nicht näher eingehen, sondern in kurzer Zeit einen eigenen Thread dazumachen!


    Bis ins 13. Jahrhundert wurde dann ganz Spanien erobert, mit Ausnahme von Granada, das erst 1492 fallen sollte.


    Im Jahre 1479 heirateten König Ferdinand von Aragon und Königin Isabella von Kastillien. Sie beschlossen die Mauren endgültig aus Spanien zu vertreiben. 1481-1492 kämpfte das geeinte christliche Spanien ein letztes Mal gegen das Königreich von Granada. Am 2. Januar 1492 übergab der Maure die Schlüssel der Stadt Granada und zog von dannen „Suspiro del Moro“ (Seufzer des Mohren). Das dort die Alhambra steht, brauch ich wohl kaum zu erwähnen!!!


    Damit war Spanien unter christlicher Herrschaft und bereit in eine neue Zeit aufzubrechen. Columbus, der bei der Schlüsselübergabe anwesend war, sollte dieses im selben Jahr einläuten!


    Ich hoffe der Streifzug hat euch Spaß gemacht und ich hoffe auf eine rege Aufnahmenvorstellung & und einen ebenso regen Meinungsaustausch!


    LG joschi

  • Ein wirklich herrlicher Beitrag! :hello:
    Alle Achtung! :jubel: :jubel: :jubel:


    Ich würde noch zwei winzige Details hinzufügen (was keine Kritik am Beitrag sein soll!), die nicht direkt was mit der Musik zu tun haben, nur historisch interessant sind, wie ich finde:


    Genannter Alfonso X. der Weise wurde 1257 sogar zum Römisch-Deutschen König gewählt, was er auch im sog. "Interregnum" bis zur Wahl Rudolfs von Habsburg 1273 blieb (bis 1272 übrigens mit Richard von Cornwall als Gegenkönig).


    1492 wurden nicht ausnahmslos alle Mauren aus Spanien vertrieben. Verschont blieben die sog. Morisken (zum Katholizismus übergetretene Mauren; ca. 275.000). Erst 1609-11 ließ Felipe III. (1598-1621) auf Anraten des Premierministers Herzog von Lerma auch die Morisken aus Spanien vertreiben (man hatte Angst, daß sich die Morisken mit einer feindlichen Macht - England oder Frankreich - verbünden könnten). Dies war mitunter ein Grund für den Abstieg des Spanischen Weltreiches, da die Auswirkungen auf die Wirtschaft katastrophal waren.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • jüdische, christliche & moslemische musik
    aus dem spanien des mittelalters.


    auf dieser cd werden verschiede gesangssolisten von unterschiedlichen instrumentalbesetzungen begleitet.
    da wären die vihuela da mano und die vihuela d'arco,
    eine mozarabische laute, die kurzhalslaute oud, eine harfe,
    ein rebec (vorläufer der violine), eine lira (gleichfalls ein streichinstrument) ,
    eine schalmei sowie diverse perkussionsinstrumente.


    1
    lababi ya ireni kaso el lasaharah
    zu beginn trägt ein helle männerstimme ein kurzes, jüdisches liebeslied a cappella vor.
    2
    nun treten die instrumente hinzu
    dum pater familias
    ist ein träumerisch-ruhiges lied der pilger von satiago di compostella und handelt vom heiligen jakob und seinen wudertaten. es wird hier von einem kleinen vokalensemble von frauen-und männerstimemn gesungen.
    3
    rase am et hitassef
    ein recht beschwingtes stück mit einer eigenwillig erscheinenden, hebräisch gesungen melodie, die jedoch durch ausgedehnte wiederholungen allmählich zum ohrwurm wird.
    4
    rosa das rosas
    sehr viel zurückhaltender und melancholischer klingt dieser gesang aus den von joschi bereits erwähnten cantigas de santa maria, auschliesslich einer leichten, von den streichinstrumenten und der harfe begleiteten, tenorstimme anvertraut.
    5
    wieder recht flott und rhythmisch stark akzentuiert folgt das arabische
    ma li-l-muwallah
    6
    dona si totz temps vivia
    ist ein sehr sanftes lied des katalanischen troubadours berenguer de palol, vorgetragen von der sängerin angela mariani
    7
    mit dem von dem galizischen troubadour martim codax stammenden
    eno sagrado en vigo
    klingt diese abwechslungsreiche aufnahme aus. das tänzerisch bewegte stück hat hier einige recht ausgedehnten instrumentalteile, dargeboten von den streich-und zupfinstrumenten ergänzt durch die rhythmen des perkussionisten.

    "Der moderne Komponist darf seine Werke einzig und allein auf der Grundlage der Wahrheit schreiben."
    Claudio Monteverdi


    "Der Komponist komponiert erstens für sich selbst und zweitens für das Publikum; aber für ein ideales Publikum und nicht für das...welches real existiert"
    Nikolai Rimski-Korsakow


    "Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche."
    Gustav Mahler

  • Zitat

    Während der Reconquista ging es den Juden mal besser, mal schlechter. Im Jahre 1492 wurde ein Edikt unterzeichnet, dass alle (!, 300.000) Juden innerhalb von 3 Monaten Spanien verlassen mussten


    Nachtrag:


    Dieses sogenannte "Alhambra-Edikt" wurde erst in den 1970er Jahren augehoben.


    LG joschi

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo.


    Was für eine Präsentation: :jubel: :jubel: :jubel:!
    Vielen Dank dafür!


    LG
    Raphael


    Ich sehe diesen Beitrag erst heute (Dez.2010) und muss mich Raphael anschließen: das ist selbst hier im forum, in dem viele kundige Musikmenschen schreiben, etwas Besonderes.


    Also bewundernden Dank auch von mir!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)