MAHLER 2010 - Die Sinfonien - Klaus Tennstedt

  • Zitat

    Der unglückselige Tennstedt und mit ihm die EMI lassen nicht von Mahler ab. So muß eben über das drittletzte Ergebnis im Gesamtzyklus ... ,


    So beginnt eine Kritik der rennommierten "HIFI-Stereophonie" aus dem Jahre 1983 über Mahlers 4, dirigiert von Klaus Tennstedt


    Zitat

    Es ist, als habe sich Tennstedt aus den Tempobezeichnungen der vier Sätze "bedächtig, gemächlich, ruhevoll, sehr behaglich" eine Einheitsessenz von spießiger Biederkeit herausdestilliert und dabei die solcherart drohende Langeweile entweder nicht gefürchtet (aus Überzeugung) oder nicht gesehen (aus Blindheit).
    Wie ein Musterschüler versucht er jedenfalls, jeder Partiturvorschrift gerecht zu werden.


    DAß der Kritiker U.D: die Kritik im Endsatz als "Katastrophenmeldung " bezeichnet sollte ausreichen..


    Das ist jedoch nur die eines Seite der Medaille.
    Tennstedt hatte nämlich durchaus seine Anhänger, allerdings nicht in Deutschland, sondern vorzugsweise in England und den USA.


    Bedauerlicherweise besitze ich (noch ?) keine Aufnahme von Tennstedts Mahler, sodaß ich die Kritik nicht objektiv kommentieren kann.
    Sehr wohl aber kann ich Tennstedt einen Thread widmen und ihn zur Diskussion stellen. Ich hoffe doch, daß einige Forianer Tonaufnahmen von ihm haben um zu seinen Interpretatioonen Stellung zu nehmen...


    Die Aufnahmen habe sich- wenngleich nur als Gesamkassette im Katalog gehalten, abgesehen von der gescholtenen Vierten, die es im Budgetbereich der Nipper-Serie auch einzeln - in Kombination mit der Fünften- gibt.


    .



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auf diesen Thread habe ich gewartet, hat doch Klaus Tennstedt die ersten Mahler-Aufführungen geleitet, die ich in meinem Leben im Konzertsaal gehört habe (Sinfonie Nr. 2; "Lieder eines fahrenden Gesellen" mit Brigitte Fassbaender; beides Ende der 70er Jahre mit dem NDR-Sinfonieorchester). Tennstedt war live ein gigantischer Mahler-Dirigent, wie man überhaupt diesen Mann live erlebt haben muss. Es ist ein altbekanntes Phänomen, dass seine EMI-Aufnahmen nicht immer mit der enormen Qualität seiner Konzerte mithalten konnten. Hat man jedoch seine Konzerte als Chefdirigent des NDR-Orchesters jeweils aus dem Radio mitgeschnitten und auch einige Live-Aufnahmen aus den 70er Jahren in der CD-Sammlung (z.B. die unglaublich gute Aufführung der Sinfonie Nr. 3 von Bruckner mit dem Sinfonieorchester des BR vom 4.11.1976), weiß man um die enormen Qualitäten dieses völlig unterschätzten Ausnahmedirigenten.


    Ich besitze die bereits von Alfred verlinkte Mahler-Box mit Tennstedt



    und kann sie als Gesamtpaket empfehlen. Dass ich bei vielen einzelnen Mahler-Sinfonien andere Dirigenten bevorzuge (allen voran Barbirolli, aber auch Mitropoulos, Klemperer, Bernstein, den frühen Solti, ja sogar [shame on me] - im Falle der Neunten - Karajan), ändert nichts an der großen Wertschätzung, die dieser Gesamtleistung Tennstedts gebührt.

  • Vielleicht darf ich an mein Posting vom 2. Juli 2010 anknüpfen (oder störe ich damit die Threadrestaurierung? Ich meine zu erinnern, dass es keine weiteren Beiträge in diesem Thread gab): wenn ich die EMI-Box mit den gesamten Mahler-Sinfonien "als Gesamtpaket" empfohlen habe, dann meinte ich damit wirklich "als Gesamtpaket". Wie ich in meinem damaligen Beitrag schon schrieb, ist Tennstedt/Studio mit Tennstedt/Live überhaupt gar nicht zu vergleichen! Wer also intensive Mahler-Dirigate fast schon jenseits des Vorstellbaren erleben möchte, sollte Live-Mitschnitte mit Tennstedt auftreiben. Von denen es in letzter Zeit ja so einige auf dem Markt gibt. Zum Beispiel diese hier:

    Die Studio-Box hat den Vorteil, dass man dort Tennstedts Mahler komplett zu einem höchst akzeptablen Preis beisammen hat. Wer mehr Geld aufzuwenden bereit ist und Sammlerehrgeiz hat, der sollte nicht ruhen, bis er alle Mahler-Sinfonien in Tennstedt-Live-Mitschnitten im Regal hat. Er/sie wird dann zwar mehr Geld aufgewendet haben als für die EMI-Box, allerdings auch viel mehr Hörvergnügen haben.

    Einmal editiert, zuletzt von Swjatoslaw ()

  • Seit gestern neu in meiner Sammlung: Tennstedts Live-Mitschnitt der Ersten aus Chicago mit dem Chicago Symphony Orchestra

    Ich habe über diese CD gestern etwas im "Was hört Ihr gerade jetzt?"-Thread geschrieben. Ich verlinke einfach mal:
    Was hört Ihr gerade jetzt? (Klassik 2010)
    Auch sonst finden sich die Meinungsäußerungen über Tennstedts Live-Mitschnitte, insbesondere über die Zweite, eher in anderen Threads. Systematisch würden sie natürlich (zumindest auch) hierher gehören. Daher verlinke ich auch insoweit einfach mal:
    Gustav Mahler: Sinfonie Nr 2 "Auferstehung"
    Mahler 2010 James Levine

  • Tennstedt war in Kiel und HH eine Institution.
    Immer Vollgas gebend zum Leidwesen der Musiker, selbst in Proben.
    Geliebt wurde er nicht, nur dort wo er mal ne Woche oder zwei zu Besuch war!
    Aber er war immer sehr gut.
    Er selbst bezeichnete sich als Mahler Spezialist (HH Abendblatt irgendwann Ende der 70iger)
    Und er ging sehr frei mit Mahlers Vorschriften um:
    Ich erinnere einen Abend mit Studenten, wo wir Klemp mit Mahler 2 hörten und der Preis der 2 LPs viele abschreckte:
    Ich dagegen sagte, "Montag, gibt es Mahler 2 mit Tennstedt Live aus Hamburg. Könnt ihr mitschneiden." Ja, NDR 3 damals
    Ich habe mitgehört. Kein Tempo stimmte, aber der Gesamteindruck war schon imposant.
    Und eine Studentin hat sich dann beschwert, was für einen Mist ich ihnen empfohlen hätte.
    (Vorsicht. Das waren Popmusik Hörer)


    Und das ist mein Problem mit Tennstedt Live. Was wir hören ist Tennstedts Mahler und der hat nicht immer was mit dem Werk zu tun.
    Kurt Blaukopf, der große Wiener Mahler Kenner, hat ihn in der HIFI Stereophonie regelmäßig deswegen verrissen.
    Aber nicht aufgrund miserabler Orchesterbegleitung wie es bei Barbirolli oder Horenstein angebracht wäre, sondern wegen der all zu freien Behandlung der Partitur.
    Und so geht es mir auch. Selbst bei der 5. in Studio.
    Aber vielleicht ist das der neue Trend, das das was Mahler notiert hat, eher Empfehlungen, denn Anweisungen sind.


    Warten wir es ab. Ich habe meine Lieblings- Mahler-Interpretationen für alle Fälle in Sicherheit gebracht. Die Esoteriker machen ja selbst vor Mahler nicht halt.
    Gruß S

  • Da ich weder Partituren lesen kann noch je die Partitur einer Mahler-Sinfonie in der Hand hatte, kann ich Deine Argumente in Richtung Partiturtreue oder -untreue weder falsifizieren noch verifizieren, lieber s.bummer. Aber ich glaube, dass das, was mich an Tennstedts Lesart so fasziniert, auch gar nicht viel mit der Partitur zu tun hat (bzw. zu tun haben kann). Einige wenige Beispiele mögen verdeutlichen, was ich meine: wenn ich mir z.B. die Perkussionsinstrumente in seinen Live-Einspielungen anhöre, dann kracht es, donnert es, rumst es, bebt es! Das ist kein lahmes Lüftchen, was da weht, das ist ein Orkan! Hat Mahler in seinen Partituren vorgeschrieben: "Lieber Pauker, lieber Beckenspieler, lieber Gongspieler, spielt bitte langweilig, lustlos, lahmarschig, belanglos"? Nein, er wird wahrscheinlich zum Vortrag gar nichts vorgeschrieben haben. Und Tennstedt holt eben aus den Perkussionsinstrumenten mehr an Feuer heraus, als alle anderen mir bekannten Mahler-Dirigenten zusammen! Nächstes Beispiel: die Bläsergruppen. Ihre Partien, ihre Choräle sitzen bei Tennstedt (live) so gestochen scharf, so schneidend präzise, dass es eine wahre Lust ist. Nicht solch eine Katastrophenveranstaltung wie etwa bei Horensteins BBC-Siebter, wo man ja schon froh wäre, wenn überhaupt mal drei Töne hintereinander in den Bläsergruppen säßen. Tennstedt verlangt seinen Bläsern alles ab, sie spielen um ihr Leben. Und wieso soll das wider den Geist der Partitur sein? Hat Mahler vorgeschrieben "Liebe Posaunen, Trompeten, Hörner, Tuben, patzt fünfmal pro Partiturseite und spielt im Übrigen langweilig und lustlos"? Gleiches könnte ich jetzt für den Chor anführen usw. usw.


    Bei Tennstedt ist alles Feuer, Spannung, Atmosphäre pur!!! Dieses dreitönige Paukenmotiv aus dem Eröffnungssatz der Zweiten wird bei Tennstedt zunächst so dermaßen heftig genommen, dass man glaubt, das kann das Fell der Pauken einfach nicht mehr aushalten. Das muss zerbersten. Und genauso wird Tennstedt den Pauker auch instruiert haben: spiel' so heftig, wie Du kannst! Lass' lieber Dein Instrument zerbersten, als dass Du eine mittellahme Variante wählst wie jeder andere. So weit, so gut: der Hit an dem ganzen ist aber die direkt darauf folgende Wiederholung desselben Themas in den Pauken. Das wiederum kommt bei Tennstedt so dermaßen zart dahingehaucht, dass man kaum glaubt, dass das derselbe Pauker ist.


    Was ich sagen will: Tennstedt macht die Dinge einfach spannend, lebhaft und besonders. Ob das partiturgetreu ist, weiß ich nicht. Wenn Partituruntreue aber so klingt, bekenne ich mich gern zu ihr. Ich glaube es aber (s.o.) eher nicht, dass hochspannendes Orchesterspiel gegen Mahlers Partituren verstößt. Partituruntreue ist für mich so etwas wie Karajans Aufführung der Metamorphosen für 23 Solostreicher von Richard Strauss mit 46 (!) Solostreichern. Damit es dann so richtig schön nach Hollywood-Filmkitsch klingt.


    Zu der Zweiten von Mahler an einem Montagabend des Jahres 1979 mit Tennstedt und dem NDR-Sinfonieorchester live aus der Hamburger Musikhalle, die Du mit Deinen Studenten im Radio mitgehört hast: sag' den Studenten gern, dass ich live dabei war. Im Saal! In exakt dieser Aufführung, die die erste Mahler-Aufführung meines Lebens war (ich war damals 19 Jahre alt). Ich war aus dem Häuschen. Und wer im Saal war, war fassungslos ob des Gehörten. Sollte Prof. Constantin Floros mit Hornbrille auf der Nase und der Partitur in der Hand ebenfalls im Saal gesessen haben (ich hörte in jenem Jahr als Gasthörer des Musikwissenschaftlichen Instituts seine Mahler-Vorlesungen), hätte er als Mahler-Koryphäe die von Dir gestellte Frage beantworten können: war das denn auch alles partiturgerecht? Ich sage Dir aber gern: mich hätte das an diesem umjubelten Abend nicht interessiert. Und ich glaube: selbst wenn nicht alles streng nach der Partitur abgegangen sein sollte, hätte auch Herr Prof. Floros, so wie ich ihn kennengelernt habe, trotzdem gejubelt.

  • Denn Tennstedt mit HH Live ist mir entgangen.
    Ich habe ihn 1-2mal in Kiel gesehen, als ich frisch ankam als Student.
    Er war in Kiel wie gesagt eine Institution; erst der jetzige Chef, Georg Fritzsch scheint eine ähnlich große Zukunft zu haben. Auch ein Ossi, sehr sympathisch und ein extrem guter Dirigent.
    Was mich damals an Tennstedts Mahler 2 zum Beispiel störte, war der gedehnte Anfang, der so gar nicht war wie der gewohnte Klemperer Einstieg.
    Doch das ist mir noch häufiger begegnet. Ulrich Dibelius hat übrigens mal in der HiFi Stereophonie mit einem kompletten Aufsatz zum Anfang der 2. geschrieben.


    Erst die Aufnahme Neumanns lies mich wieder aufatmen: "Es gibt noch andere Dirigenten, die das ähnlich sehen."


    Mit 19 habe ich mich noch in HH rumgetrieben, um in der Ernst Merck Halle Pink Floyd oder in der Musikhalle (!) "Jonny Winter And" oder ebenfalls Ernst Merck Halle East of Eden und Deep Purple zu hören. Auch auf Fehmarn bin ich durchgeregnet. Van der Graaf 1971(?) im Stadtpark bei Regen zusammen mit Jackson Heights, der Gruppe von Lee Jackson, Bassist der Nice und dazu noch Audience. Wer kennt die noch.
    Oder später in Dannys Pan einen seltsamen Menschen namens Otto Walkes oder Noel Redding, Hendricks Bassist, den es nach HH verschlagen hatte, oder Mike "the nipple" Krueger aus Quickborn.


    Leider habe ich den genialen Heino Jaeger nie live erleben dürfen.



    Aber Klassik hat mir erst mein Freund Klaus mit der 9. Dvoraks wieder nahegebracht. Die Kindheit mit Beethoven am Sonntag vormittag war lange her.


    Zurück zu Tennstedt: Ein Kieler Musiker hat ihn genauso beschrieben wie Du. Immer mit Volleifer dabei, wer nicht mitmachte, bekam jede Menge Ärger. Wenn alle nicht mitmachten, was häufiger vorkam, bekam er ne Krise.
    Da muss ernsthaft was los gewesen sein.


    Egal. Ich werde mir die 2. aus London kaufen. Nicht nur auszugsweise.
    Du hörst (liest) dann von mir:


    Gruß S.

  • Denn Tennstedt mit HH Live ist mir entgangen.
    Ich habe ihn 1-2mal in Kiel gesehen, als ich frisch ankam als Student.


    Dann kanntest Du ihn schon vor seiner Chefdirigentenzeit beim NDR-Sinfonieorchester? Er war ja Kieler Generalmusikdirektor, bevor er dann 1979 als Chef beim NDR in Hamburg antrat. Auch wenn ich zu Moshe Atzmons Chefdirigentenzeit beim NDR-Sinfonieorchester (1971-76) und in der chefdirigentenlosen Zeit danach (bis 1979) gelegentlich mal Sinfoniekonzerte beim NDR-Sinfonieorchester besuchte (mit diesem Orchester sah ich in jener Zeit auch erstmals Sir Georg Solti), ging es bei mir erst mit Tennstedt "so richtig los". Was war ich fasziniert von diesem Dirigenten! Und wie war ich sauer, als er vom Orchester nach zwei Chefdirigentenjahren "weggemobbt" wurde.


    Wenn man sich heute Rundfunkmitschnitte des NDR mit Tennstedt im Radio anhört, muss man sich klarmachen, dass er damals von "seinem" Orchester weitgehend abgelehnt wurde. Das Gegenteil war im angloamerikanischen Raum der Fall, wo er als Gastdirigent regelrecht vergöttert wurde. Konsequenterweise wurde er 1983 in London Chefdirigent, als er (durch seinen Rauswurf beim NDR) frei war und Solti wegging.


    Mit der Live-Version von Mahler Nr. 2 mit dem London Philharmonic Orchestra machst Du nichts falsch, das kann man selbst einem eher Tennstedt-skeptisch eingestellten Musikfreund wie Dir glaube ich guten Gewissens so sagen.


    Herzliche Grüße
    Swjatoslaw

  • Große Karrieren starteten.
    Achte mal auf Fritzsch!!
    Aber auch die Enden waren angelegt.

    Zitat

    dass er damals von "seinem" Orchester weitgehend abgelehnt wurde.

    Warum wohl? Lies mal oben meine Auslassungen über die Proben. Die habe ich der politischen Korrektheit willen noch recht entschärft. Und um meinen Informanten nicht zu diskreditieren.


    Ach so, ein kleiner Nachtrag:
    Tennstedts lebten in Kitzeberg, einem noblen Vorort von Kiel, zu Heikendorf gehörend, mit dem ältesten Golfplatz Deutschlands!
    "Google Earth" und Du wirst komplett neidisch!
    Sein Frau, so habe ich es schon anderswo geschildert, kann aber im Orkus des Serverabsturzes verloren gegangen sein, hat seinerzeit regelmäßig die wichtigen Kieler Plattenläden (Ziemann, Kihr-Goebel) auf Vollständigkeit des Repertoires des Ehemannes überprüft.
    Gruß S.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Der Eindruck, den ich aus der Hamburger Liveaufnahme noch gegenwärtig hatte, hat sich bestätigt:


    Das kein Mahler, so wie ich ihn kennen will.
    Zugegeben: Er beherrscht das Orchester in dieser Liveaufnahme einwandfrei, was ihn von Horenstein und Barbirolli unterscheidet.
    Es gibt daher keine Entschuldigung für Dinge, die passieren und dem Orchester anzulasten wären. Tennstedt wollte es so! Da war er schon perfekt!


    Also keine Entschuldigungen für freie Tempowechsel für sentimentalste Drücker, der 1. Satz ist so was von voll davon, das geht einfach nicht.
    Der 2. Satz ist unglaublich langsam und dann beschleunigt er für mich völlig grundlos. Was soll der Schei...?
    Ich könnte nun Seite für Seite das Ganze besprechen. aber wozu? Manchen gefällt es, mir nicht !
    In http://www.classicstodayfrance.com/review.asp?ReviewNum=3522 gibt es dazu übrigens eine Rezension.


    Jedenfalls, wenn das Mahler sein soll, dann ist es nicht mein Komponist.
    Ich halte mich mit meiner Meinung an Ginger Baker: Als man ihm sagte, er und seine Gruppe Cream seien die eigentlichen Eltern des Metal Rock gewesen, meinte er nur lakonisch. "Dann hätten wir wohl besser abtreiben lassen".


    Also vergelts Gott.
    Tennstedt ist nicht mein Film.


    Gruß S.

  • Das kein Mahler, so wie ich ihn kennen will. (...) Was soll der Schei...? (...) Manchen gefällt es, mir nicht ! (...) Tennstedt ist nicht mein Film.


    Die Briten haben für eine solche Bewertung (welche allein vom persönlichen Geschmack des Hörers abhängig ist) die schöne Redewendung "It's not my cup of tea". Ich kann so etwas gut verstehen, geht es mir mit manchen Musikern, welche von anderen Menschen total bewundert werden, ähnlich. Mein Bruder hat z.B. geschlagene 10 Jahre versucht, mich von der Genialität von Prince zu überzeugen. Ich fand tatsächlich am Heiligabend unter meinen Geschenken Prince-CDs vor, wurde in ein Konzert geschleppt... Bis ich ihm klar machte: "Ich will diese furchtbare Musik nicht hören. Ich hasse sie!". Das ist einfach so: manchmal findet man zu etwas einfach keinen Zugang und dann hat es irgendwann auch keinen Zweck mehr und man sollte das ad acta legen. Ich war immer wieder mal in Wagner-Aufführungen, habe mir immer mal wieder einen "Ring" zugelegt. Und bin trotzdem Wagner-Hasser geblieben, weil das einfach "not my cup of tea" ist.


    Es tut mir leid, dass Du durch meine Empfehlung nun Geld für die Mahler-CD mit Tennstedt ausgegeben hast. Ich mag ihn - Du magst ihn partout nicht. Aber einen Versuch war's wert.


    Dein Ginger Baker-Zitat ist nicht schlecht :D

  • Die Doppelcd behalte ich!
    Immerhin war er in Kiel eine Institution und insofern ist es auch ein Dokument....
    Mich freut Deine Toleranz. Wir werden noch viel Spaß haben!!
    Denn Leute, die mit mir einer Meinung sind, gibt es genug. Mindestens mich! Das wäre dann schon langweilig!


    Aneinander in der Meinung reiben macht mehr Spaß.


    Das Baker Zitat, hier die Quelle: Rolling Stone August 2009. Gibt es auch im Internet, habe ich aber auf die Schnelle nicht gefunden.


    Gruß Hans

  • Die Sinfonie Nr. 1 live mit Tennstedt gibt es übrigens nicht nur in dem von mir oben verlinkten Mitschnitt aus Chicago, sondern auch live mit dem London Philharmonic Orchestra:

    2 Mal editiert, zuletzt von Swjatoslaw ()

  • Zitat

    Zitat von Swjatoslaw:


    Ich besitze die bereits von Alfred verlinkte Mahlerbox mit Tennstedt.

    Ich habe sie mir dank der Empfehlung Swjatoslaws auch angeschafft und möchte sie nun nicht mehr missen. Dennoch werde ich auch den anderen Tipp beherzigen und mir Live-Aufnahmen von Tennstedt besorgen, denn nicht zuletzt durch meine beiden letzten Live-Konzerte mit Gustav Mahler (Köln, 9. Sinfonie, 26. 01. 2011 und Berlin, 3. Sinfonie, 03. 02. 2011), ist mir wieder vor Augen geführt worden, was schon damals (1985) die Pop-Gruppe Opus sang: "Live is Live". Deswegen haben auch andere führende Dirigenten wie Günter Wand im Alter nur noch LIve-Aufnahmen aufgenommen.


    Liebe Grüße


    Willi :) :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Danke, lieber Theophilus, du hast natürlich völlig Recht. Aber zu mitternächtlicher Stunde passieren einem manchmal solche Fehler. Die vielen Fehler, die ich hier in den verschiedenen Postings lese, regiestriere ich nur noch am Rande.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Tennstedts Mahler würde ich unbedingt live empfehlen!


    Ich habe nun endlich alle Neune in Live-Aufnahmen von ihm gesammelt (fett jeweils meine Empfehlung, falls es mehrere sind):


    Nr. 1: Boston SO (1976), London PO (1985), London PO (1990), Chicago SO (1990)


    Nr. 2: NDR SO (1980), London PO (1989)


    Nr. 3: Minnesota Orch (1981), London PO (1986)


    Nr. 4: Boston SO (1977)


    Nr. 5: Concertgebouw Orch (1990)


    Nr. 6: New York Ph (1986)


    Nr. 7: Philadelphia Orch (1987)


    Nr. 8: London PO (1991)


    Nr. 9: New York Ph (1982)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Josef,


    nach Swjatoslaws euforischen Beiträgen über Tennstedt war ich immer nah dran mir die weiter obern abgebildete Mahler-GA (EMI) zuzulegen. Seine Schlagwerkgruppen müssen und sollen durchweg "gei..." sein.
    Aber da ich mit meinen GA mit Solti (Decca), Bernstein (SONY) sowie Chailly (Decca), auf den ich allerdings verzichten könnte; mehr als voll zufrieden bin, habe ich mir den Kauf immer verkniffen. Denn so viel Mahler (diese langen Schinken !) höre ich auch wieder nicht. Und dem LIVE-Tennstedt - Aufnahmen nachzurennen, dazu habe ich auch keine Lust.


    ;):thumbup: Ich habe selten bis nie einen Grund gesehen, warum ich mir nach Solti (Decca) überhaupt jemals eine weitere Mahler-Aufnahme gekauft habe !
    Aber der Grund ist einfach -> weil die weiteren mich je nur nen Zwanni gekostet haben. 8-) Und dafür war der Interpretationvergleich schon interessant. :!: Um zu erkennen was ich an Solti habe !!!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Wolfgang,


    wenn Tennstedt, dann live. Die Studioaufnahmen sollen alle im Vergleich nicht der Hit sein. Ich kenne nur ein paar, und bei denen stimmt es.



    Auf der Box befinden sich Nr. 1—10 Studio sowie Nr. 5—7 live (1988—1993). Soll sich besonders wegen letzteren lohnen. Indes: Genau die drei kenne ich nicht.


    Ansonsten ergänzend zu meinem vorherigen Beitrag alles Folgende live:


    Nr. 1: oder in der Box oder auf DVD (inkl. Nr. 8 live)


    Nr. 2:


    Nr. 3:


    Nr. 4:


    Nr. 5:


    Nr. 6:


    Nr. 7:


    Nr. 8: oder auf DVD (inkl. Nr. 1 live)


    Nr. 9: eine Live-Neunte finde ich kommerziell nicht, gibt es aber hier

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Zitat

    teleton: Seine Schlagwerkgruppen müssen und sollen durchweg "gei..." sein.


    Und noch einmal:


    Hallo Wolfgang,


    nicht nur die Schlagwerkgruppen. Das ganze Orchester, übrigens eines deiner und meiner Lieblingsorchester, und sicherlich deines bei Mahler, ist "gei...". Wenn kurz vor der alles hinwegreißenden Coda des Finales die acht Hornisten aufstehen, geht dir das durch und durch. Als im Kopfsatz die berückenden Chikagoer Hörner einsetzten, kamen mir spontan die Tränen. Allein Tennstedt zuzusehen, ist ein Ereignis. Ich glaube, er geht noch eine Idee mehr in der Musik auf als sein Mahler-Pendant Leonard Bernstein. Und auch Tennstedts Einlassung gegenüber John Willan, seinem Produzenten, trifft auf Bernstein zu:

    Zitat

    John Willan: "Klaus claimed you couldn't conduct Mahler unless you had suffered".

    Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen, jedenfalls auf mich selbst bezogen: "You can't hear Mahler, unless you have suffered". Da ich in meinem Leben schon viel Leid erfahren habe, liebe ich die Musik Gustav Mahlers so sehr und ziehe aus jeder Note seiner Musik, so seltsam das klingen mag, so unendlich viel Trost und auch Freude. Deswegen war es mir auch nicht zu viel, zu den meisten Konzerten, jedenfalls zu denen, von denen ich eine Karte ergattern konnte,zur Mahler Rally im Mahler-Jahr nach Berlin zu fahren und Sir Simon zuzuhören. Nur zur Ersten und zur Sechsten ist mir das nicht gelungen, und die Siebte konnte ich dann mit Sir Simon und den BPh in Köln erleben.
    Wie dem auch sei, ich glaube, lieber Wolfgang, diese DVD (für dreizehn Euro Piefendeckel) könnte was für dich sein: die Erste mit dem dir vertrauten Publikum (ich setze jetzt einfach voraus, dass du schon etliche Konzerte mit Sir Georg aus Chikago im Fernsehen verfolgen konntest), dauert ja nicht so arg lange, und in der Achten mit dem gigantischen "Veni creator spiritus" singt ja auch die Witwe von Dietrich Fischer-Dieskau mit.


    Wie ich oben schon anriss, ist diese Erste eine der besten, die ich je gehört und gesehen habe. Von Bernstein habe ich auch eine DVD mit einem Live-Konzert der Ersten, die mich ähnlich begeistert hat, vielleicht nicht ganz so viel. Das Chikago Symphony Orchestra, das ja schon so viele begeisternde Konzerte mit Sir Georg gegeben hat, wurde auch von Joachim Tennstedt voll mitgerissen, und die Anzahl der "Gänsehautstellen in diesem Konzert kann ich schon gar nicht mehr mitzählen. Nach dem schon außergewöhnlichen Kopfsatz folgte ein mitreißender zweiter Satz, der, nicht nur hier, ganz im Gegensatz steht zum dritten Satz. Tennstedt nun gestaltet m.E. den Gegensatz noch etwas größer. Sein "Frère Jacques" ist unendlich traurig, das von dem fabelhaften Paukisten pp begleitete Marschlied artet bei Tennstedt schon zu einer veritablen "Marcia funèbre" aus, ganz ganz großartig. Und wie er dann attacca das Finale anschließt, das für mich zu den mitreißendsten überhaupt bei Mahler gehört, ganz ganz große Kunst. Und wie großartig dieses Konzert war, erzählt uns unmittelbar nach dem letzten Tuttischlag das völlig außer Rand und Band geratene Chikagoer Publikum dass die ohnehin schon sehr euphorischen englischen Konzertbesucher noch bei weitem übertrifft.


    Also, sehr empfehlenswert, diese Scheibe.


    Ich habe übrigens noch gar nicht gewusst, dass ich mit Joseph auch die Begeisterung für Tennstedt gemeinsam habe. Nr. 1, 2 und 8 habe ich ja schon live, die anderen werde ich auch wohl noch bekommen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).