Verdis vergessene Juwelen

  • Alle kennen wir die grossen und bekannten Opern G.Verdis. Doch nach dem Grosserfolg seines Nabucco sind viele patriotische Werke entstanden, welche heute ungerechterweise ein Mauerblümchen-Dasein fristen müssen.


    Drum möchte ich all jenen, die einen schnörkellosen Verdi suchen, vollgespickt mit grossen Chören, wunderschönen Arien (und sogar einem Violinsolo) die frühen, leider vergessenen Opern Verdis ans Herz legen:


    Meine Lieblingsoper von Verdi ist der "Attila", den würde ich problemlos 2-3 mal hintereinander "reinziehen" ohne, dass ich je genug davon bekommen könnte.


    Ebenso überwältigend ist "I Lombardi (alla prima Crociata)" (mit Violinsolo)



    dann natürlich den "Ernani"


    oder auch "I Masnadieri"


    oder "Il Corsaro"


    Es hat einmal von Philips eine Serie mit sehr guten Sängern gegeben mit den meisten dieser unbekannten Werke (Total 9 Opern, Bilder dazu sind die kleinen CD-Cover)
    Dies sind meinem Geschmack nach die Schönsten! es gibt aber noch "Un Giorno di Regno", "I due Foscari", "La Battaglia di Legnano", "Stiffelio". Wobei "I due Foscari auch sehr schön ist, wenn Renato Bruson in der Hauptrolle singt.


    In Bezug auf die Aufnahmen gehören die Philips zu meinen Favoriten, nur vom Ernani hab ich eine andere Preferenz.


    Wenn jemand etwas detailierter dazu wissen möchte darf er mich gerne Fragen.


    Gruss
    Christoph

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • Hallo,


    Ich kann Christophs Aussagen voll und ganz bestätigen. Der Attila aus der Scala mit Studer und Ramey ist eine sehenswerte Inszenierung, das Ernani-Video ohnehin schon fast ein Klassiker, und die vielen Philips-Aufnahmen der frühen Werke waren bahnbrechend und werden so schnell nicht zu übertreffen sein.


    Auf zwei Werke möchte ich noch besonders hinweisen:


    Un giorno di regno gilt als wohl größter Flop aller Verdi-Opern. Es mag ja sein, dass die Oper kaum mehr auf die Bühne zu bringen ist, aber sie erstmals anzuhören garantiert ein seltenes Aha-Erlebnis. Was der von Schicksalsschlägen gebeutelte Verdi in dieser komischen Oper an herrlicher Musik auftürmt, ist kaum zu glauben. Und so etwas ist praktisch völlig unbekannt.


    Stiffelio kann man mit Fug und Recht als Verdis seltsamste Oper bezeichnen. Bei der Uraufführung dieses Werkes arbeitete Verdi schon am Rigoletto, und man würde meinen, dass es doch vergleichbare Qualität haben müsste. Tatsächlich hat es die auch, nur erschließt sie sich nicht so einfach wie der Rigoletto. Dessen wirklich überragendes Libretto beflügelte Verdi zu einem ganzen Strauß an herrlichen Melodien, der Stiffelio ist wesentlich intimer, und vom Textbuch auch weniger zugänglich. Aber eine nähere Beschäftigung mit diesem Werk ist sehr lohnenswert, es hat wirklich denkwürdige Szenen.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo,


    Nie wäre ich auf die Idee gekommen, daß diese Werke in Vergessenheit geraten sind. - Dennoch scheint es so zu sein.


    Aber offensichtlich doch nicht ganz:


    Immerhin scheint es diese Aufnahmen wieder auf CD zu geben:


    Ich erinnere mich, daß. Diese Aufnahmen seiner zeitzei als Langspielplatte-Kessetten in einheitlicher Aufmachung bei Philips erschienen. Ich besitze einige davon noch heute, ind finde alles sind hörenswert. Auf CD gelangte lediglich "ATTILA" (in gleicher Aufnahme) wieder in meine Sammlung. Man kauft ungern was ein zweites Mals, das man schon besitzt...


    Aber schon allein Bergonzi rechtfertigt den Kauf dieser Aufnahme....
    Mal sehen ob ich noch was aus der Serie in Wien bekomme.




    Bleiben wir beim Thema:


    Von ERNANI gibt es auch eine schöne Einspielung für RCA-Victor.
    Thomas Schippers dirigiert das RCA Italiana Opera Orchestra und den Chor. Die Titelparite singt Carlo Bergonzi.
    Restliche Besetzung: Leontyne Price - Mario Sereni - Ezio Flagello - Fernando Iacopucci - Hartje Mueller - Julia Hamari .



    Die Aufnahme stamm (laut Herstellerangabe) von 1968 und ist in Stereo



    Im letzten Moment, fast hätte ich sie vergessen, fällt mir noch eine andere Aufnahme der Philps-Verdi -Serie in die Hände:


    "UN GIORNO DI REGNO" mit Jose Carreras und auch sonst einer Spitzenbesetzung.....



    Warum sich diese Opern nicht auf dem Spielplan durchgesetzt haben, ist zumindest aus musikalischer Sicht nicht zu erklären.



    Beste Grüße
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • ich hatte den Attila auch zuerst auf LP. Habe ihn dann aber als Vorbereitung für die Festspiele in Verona in den 80er Jahren (dort habe ich einen wunderschönen Attila miterleben dürfen) vorher und danach erst recht so oft gehört, dass die Klangqualität immer schlimmer wurde.


    Ich habe zwar noch einige LP's im Archiv (sprich Keller)aber seit Jahren keinen Plattenspieler. Und falls ich mal viel zuviel Geld und Platz habe kaufe ich mir wieder einen aber dann nur ein High-End Gerät.


    Zum Ernani:
    Ich habe 8 verschiedene Aufnahmen (Bilder kann ich leider keine finden, weil alles Aufnahmen von Melodram, Myto etc).
    aber mit Superbesetzungen: del Monaco 3x, Franco Corelli, Cesare Siepi 2x, Leontyne Price 2x u.v.a.


    Gruss
    Christoph

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • unbedingt empfehlenswert ist die neulich bei orfeo rausgekommene Live-Aufnahme vom 21.12.1980 aus Wien: Giuseppe Sinopoli stellte sich erstmals in Wien vor und riss Publikum gleichwie altgediente Orchestermitglieder förmlich aus ihren Sitzen, Mara Zampieri schleuderte erstmals in Wien ihre stupenden tremolofreien (und für meine Ohren leider auch etwas zu sterilen) Höhen ins Auditorium, und Cappuccilli und Ghiaurov teilten sich die Welt mit einer Selbstverständlichkeit auf, dass ebendiese in diesem Moment den Aten anzuhalten schien. Wer nicht dabei war, der sollte sich wenigstens eine Ahnung von dem Wunder, das damals in der Staatsoper geschah, auf CD holen.


    Viel Vergnügen (jetzt weiß ich, was ich heute als Nachtkonzert hören werd - hihi !!)


    Martin alias Zeus0043

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  • Zitat

    Original von Zeus0043
    Wer nicht dabei war, der sollte sich wenigstens eine Ahnung von dem Wunder, das damals in der Staatsoper geschah, auf CD holen.


    Liebend gerne, bloß was wurde eigentlich gespielt? ;):rolleyes:

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo zeus,


    dumme Frage: von welcher Oper sprichst Du?


    Und noch was anderes: ich hatte einmal, vor vielen Jahren einen Macbeth mit Mara Zampieri auf CD gekauft. Ich hab die CD kaum ganz gehört, da ist sie schon im Müll gelandet.
    Also wenn es eine Sängerin gibt, die beim Singen die Töne nicht richtig sauber trifft, dann Mara Zampieri. Schauspierisch mag sie klasse sein (hab sie als Tosca gesehen) aber bei ihr muss man eher die Ohren zu drücken als die Augen.


    MfG
    Christoph

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • tschuldigung, ich dachte, es wäre klar, dass ich mich auf Christophs Lobgesang auf ATTILA beziehe. Jetzt, wo ich die Reihenfolge der Artikel sehe, merke ich, dass dem nicht so ist. Die Frage ist keineswegs dumm. Aber 'der Gegenstand riss so mich hin', dass ich wohl alle Logik fallen ließ. Wen wundert's, hat mich doch der ganze Thread so sehr inspiriert, daß ich mir sofort, noch während ich meinen Beitrag schrieb, das große Duett Attila-Ezio in eben dieser Aufnahme mit Ghiaurov-Cappuccilli anhörte.
    Danke, Theophilus, für die Veröffentlichung des Covers !!


    Manchmal ist er halt ein Töffel, dieser Zeus !!


    Alles Liebe,
    Martin

  • Hallo


    Inzwischen hab ich mir die weiter oben abgebildete Aufnahme von "Und giorno di Regno" (König für einen Tag) von Verdi gekauft.


    Ich bin begeistert. Edelster Belcanto im Stil von Donizetti oder Bellini.
    Ich hatte die LP davon, hab sie aber schon mindestens 25 Jahre nicht gehört. Daß sie so toll war hatte ich nicht mehr in Erinnerung.


    Es handelt sich hier um eine buffa, nach der literarischen Vorlage "Der falsche Stanislaus" die eine historische Begebenheit (fast wie in Hollywood) operngerecht verfälscht.


    Es ist wirklich nicht nachvollziehbar, warum diese Oper so in Vergessenheit gerit. Sie war zwar schon bei der Uraufführung ein Durchfall, aber das beruhte teilweise auf dem schwachen Libetto, teilweise aber auch, weil man Verdi vorwarf, Rossini und Donizetti ähnlich zu sein - etwas daß heut wohl niemanden mehr stört - im Gegenteil - Eine heiße Empfehlung an alle Freunde des Belcanto.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Nachdem ich als Sammeltriebtäter Aufnahmen aller Verdi-Opern habe, hörte ich mir in Vorbereitung auf diesen Beitrag nach Jahren wieder Alzira und I due Foscari an.
    Wie bei den Jugendwerken aller Meister kann man natürlich, wenn man es so erkennen will oder es aus dem Begleitheft abliest, Bezüge zu den späteren Werken erkennen.
    Die Musik seiner "Vergessner Juwelen" wurde von den Vorrednern so ausführlich und exzellent gewürdigt, sodaß ich nicht nachkläffen möchte.


    Warum diese Werke nicht (mehr) gespielt werden?


    a) Ein Opernhaus ist wahrscheinlich auf der sicheren Seite, wenn es Rigoletto, Troubadour, Traviata und Aida bringt.


    b) Eine Neuinszenierung eines bekannten Werkes bringt wahrscheinlich mehr Publizität, besonders dann wenn der Regisseur sehr originelle Ideen einbringt. Da diskutieren die progressiven Opernfreunde, die die Aida schon immer als Stammesfehde der Eskimos gesehen haben mit den konservativen, die sich erinnern, daß die Pyramiden eigentlich in Ägypten sein sollten.


    c) Die Künstler haben die bekannten Werke drauf und müssen nicht ein unbekanntes lernen.


    Ohne Chauvinismus erwähne ich Wien als teilweise rühmliche Ausnahme.
    Die Werke Ernani, Attila, Stiffelio, Jerusalem, Nabucco sowie Un Giorno di Regno stehen bzw. standen in den letzten Jahren auf den Spielplänen von Staatsoper und Volksoper.


    Zuletzt eine Frage an mich selbst. Wenn ich so über die vergessenen Juwelen lobhudele, warum höre ich sie mir so selten an. Ohne diesen Beitrag wären noch ein paar Jahre ins Land gezogen.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Hallo Rienzi,


    schön zu hören, dass ich Dich mit meinem Beitrag dazu verleiten konnte, wieder einmal tiefer in die Sammelbox zu greifen.


    Ein weiterer Festspiel-Ort, an welchem regelmässig unbekanntere oder unpopulärere Werke inszeniert werden ist: man höre und staune die "Arena di Verona". Weil mit den Opern Aida und Nabucco (dazu eine Boheme oder Rigoletto) so viel Geld eingespielt wird reicht es meistens noch für ein Liebhaberwerk.
    So habe ich dort viele eindrückliche Aufführungen gesehen und erleben dürfen: "Attila", "I Lombardi", "Un Ballo in Maschera", "Don Carlo", "Turandot" (sind zwar bekannte Werke, aber nicht Massentauglich).


    Also ich höre mich, seit ich hier bei den Taminos bin, auch wieder vermehrt und bewusster durch meine Musikaliensammlung.



    Gruss
    Christoph

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • Lieber Christoph,


    Was die "erzieherische Wirkung" des Tamino-Forums betrifft, sind wir einer Meinung.
    Viele der Beiträge verleiten zum Nachdenken und zur Beschäftigung mit der Materie, die über das Einlegen von CDs in den Player hinausgeht.


    So frage ich mich, ob der observator, der sich sehr auf ausgewählte Komponisten und Werke konzentriert, nicht den besseren Zugang hat. Was nutzt mir die breite Sammlung, wenn ich keine Zeit/Lust habe, sie zu hören und erst durch Deinen Beitrag mit der Nase daraufgestoßen werde, wieder einmal zu hören?


    Meine Verdi'sche Lieblingsoper ist der Macbeth. Der dürfte aber nicht in die Kategorie "Vergessene Juwelen" fallen.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Rienzi,


    da hast Du durchaus recht, ein Spezialist, der sich nur auf einen oder ein paar wenige Koponisten beschränkt, der braucht keine Gedankenanstösse, um sich wieder einmal ein Werk zu Gemüte zu führen.
    Doch fühle ich persönlich ein tiefes Mitleid* für solche Menschen, die sich einem Komponisten oder einer Zeitepoche verschrieben haben und dann, wenn es um eine Diskussion einer ihnen fremdartigen Musik geht, können sie nicht mitreden und wenn sie es dennoch tun, merkt man, dass sie eigentlich keine Ahnung haben und sich nur in den üblichen Floskeln bewegen.
    Also ich bin auf alle Fälle froh habe ich Operneinspielungen von Jacopo Peri's "Euridice" aus dem Jahre 1600 (UA) bis hin zu Schostakovichs "Lady Macbeth von Minsk". Dazwischen stehen mehrere hundert verschiedenste Opern aller Gattungen und Stile in meinem Regal. So reicht ein Griff ins Regal, wenn der Lullist Opern von Campra, Cavalli, Lully oder Rameau anpreist, um seinen Worten folgen zu können. Oder wenn seine "Durchlaucht Alfred der 1. - Kaiser der Tamino's" den Mozart in allen Facetten in den Himmel lobt.



    A propos Macbeth: welches ist Deine Lieblingsaufnahme? ich habe 5 ältere Aufnahmen, die mich nicht sehr überzeugen und eine von der es einmal einen Opernfilm gegeben hat - mit Nucci, Verrett, Ramey, Luchetti. Nucci ist jedoch nicht mein Fav.


    Gruss
    Christoph


    *tiefes Mitleid ist etwas übertrieben! aber grad in der klassischen Musik gibt es soviel zu entdecken, da hab ich eben Mitleid, wenn sich einer dann nur auf eine einzige Farbe des ganzen Regenbogens fixieren -> spezialisieren will und dann noch behauptet nur seine Farbe sei die einzig Wahre und Schönste...

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • Lieber Christoph,


    Diese 6 Aufnahmen habe ich.


    2 Böhm/Wr. Philharmoniker/Höngen/Ahlersmeyer 1943 Preiser
    Sabata/Orchester Mailänder Scala/Callas/Mascherini 1953 EMI
    3 Leinsdorf/Orchester der MET/Rysanek/Warren 1959 RCA/BMG
    Böhm/Wr. Philharmoniker/Ludwig/Milnes 1970
    Abbado/Orchester der Mailänder Scala/Verret/Cappuccilli DGG
    1 Sinopoli/Berliner Philharmoniker/Zampieri/Bruson Philips


    Kurze Begründung:
    Sinopoli-Aufnahme: elektrisierend, krankhaft, herrliche Lady
    Böhm-Aufnahme: wunderbare Lady, zerrissener Macbeth, herrliches Orchester (deutsch gesungen - sehr pathetisch = für mich Nachteil)
    Leinsdorf: Lady und Macbeth


    Die anderen Aufnahmen gefallen mir natürlich auch
    Auf das Risiko hin, von den Callas-Freunden getögelt zu werden, bin ich von dieser Aufnahme etwas enttäuscht (vielleicht ist es nur die nicht besondere Tonqualität, vielleicht waren es die Erwartungen, vielleicht ist es der nicht adäquate Macbeth).


    Wie immer kann ich mich schwer entscheiden und rede drum herum.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

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  • Lieber Rienzi,


    Die Sinopoli Einspielung mit Bruson / Zampieri hatte ich vor vielen Jahren auch einmal. Nur ist meine Erinnerung daran eine negative: kann es sein, dass Mara Zampieri nicht gerade eine saubere Intonation hat oder um es direkter zu sagen: singt sie nicht manchmal gar falsch? Meine Aufnahme landete aufgrund dessen schnell im Mülleimer.


    Ich habe sie in dieser Aufnahme und einmal live in einer Tosca gehört/gesehen und ich bin schwer enttäuscht gewesen. Schauspielerisch und dramatisch ausser Frage, doch die musikalische Intonation war ziemlich oft daneben.
    Kannst Du dasselbe berichten?


    Gruss
    Christoph

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • Lieber Christoph,


    Entschuldige die Unhöflichkeit, Dir so spät zu antworten.
    Stimme von Mara Zampieri: Ich meine es nicht so krass, aber ihre Stimme klingt nach Blechhäfen und dennoch gefällt sie mir. Habe vor einigen Wochen eine Arienplatte mit "Privataufnahmen" von der Zampieri gekauft, hat mir sehr gut gefallen.


    Live: Einmal erlebte ich sie in Stiffelio. Das war ein Ohren- und vielmehr ein Augenschmaus. Ihr Partner war Luis Lima (sehr guter Tenor von kleiner und schmächtiger Gestalt). Die Szene, in der die gute Verzeihung für ihren Seitenspung bittet, war eine der eindrucksvollsten und hat das Publikum sehr unterhalten. Die mit einer sehr mächtigen Statur gesegnete Frau Zampieri (in Wien sagt man Kasten dazu), flehte also den sehr echauffierten Stiffelio Lima um Vergebung an, der immer heftiger wurde. Trotzdem haben wir um Lima gezittert. Eine unbedachte Handbewegung von Zampieri hätte ihn von der Bühne gefegt.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Hallo Rienzi


    Zitat

    ... Trotzdem haben wir um Lima gezittert. Eine unbedachte Handbewegung von Zampieri hätte ihn von der Bühne gefegt.


    Das ist natürlich grausam und geradezu tragikomisch. In Wirklichkeit ist gerade diese Szene eine der großen Verdi-Szenen und kann gut gebracht tiefen Eindruck machen...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Salut,


    einen bzw. eine habt Ihr alle oder ich [?] hier doch komplett übersehen: Was ist mit Simone Boccanegra?


    Gehört diese Oper eher in den Bereich der häufig gespielten Werke Verdi's? Ich jedenfalls finde sie eher selten auf Programmen. Zuletzt habe ich sie mal in Bonn [~1992] in einer fürchterlichen Inszenierung mit quietschendem Gummiboden erlebt. Die Musik allerdings war umwerfend.


    sans, souci
    Ulli


    P.S. Bei der Gelegenheit "übersehen" - wo ist eigentlich der inter-Thread-Suchknopf abgeblieben?

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Definiere "häufig" ;)


    Im Vergleich zu den "Dauerbrennern" Verdis hört man Simon Boccanegra imo viel zu selten, aber die Hamburgische Staatsoper brachte Ende 1991 eine Neuinszenierung, und in der kommenden Spieltzeit widmet sich die neue Generalmusikdirektorin Simone Young der nächsten.


    Mein CD-Tip:



    Folgende Aufnahme mit Victoria de Los Angeles, Tito Gobbi und Boris Christoff würde mich sehr interessieren, aber wenn ich mich ganz tief dunkel zurück erinnere, ist die wohl in Mono oder?


    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • es wundert mich, daß hier noch niemand die wunderbare giovanna d'arco genannt hat. für mich schon ewig eine der schönsten und beeindruckendsten unbekannten opern verdis ... :]

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • HÄUFIG:


    von 1991 [oder bei mir 1992] bis 2005 ist nicht gerade häufig.


    AIDA, OTELLO jedenfalls gibt es jedes Jahr mehrfach an verschiedensten Orten in Europa und im europäischen Ausland.


    Was ist mit Falstaff. Wenn ich recht informiert bin, Verdis [wie auch Salieris] letze Oper - dazu eine komische und die Krönung der Schöpfung [?]. Beide Herren haben diese Oper im hohen Alter komponiert, wobei sie flehentlich darum gebeten wurden, es zu tun...


    Bien Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Salut,


    der Simone Boccanegra ist keineswegs ein vergessenes Juwel Verdis. Er ist so etwas wie eine italienische Nationaloper, und wird außerhalb Italiens wesentlich weniger gespielt als in Italien, ist aber permanent auf den Spielplänen zu finden. Als empfehlenswerteste Einspielung gilt seit ihrem Erscheinen jene von Claudio Abbado, die seither meines Wissens nicht übertroffen wurde.


    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo,


    ich will Eure Schreiberlust keineswegs bremsen und gebe nun auch meinen Tipp ab zu "Simon Boccanegra", nur habe ich ursprünglich jene Opern von Verdi gemeint, die in der Anfangs-Zeit bis zur UA des "Rigoletto" (Ausnahme: "Nabucco") entstanden sind. Aber es gibt natürlich noch mehr beinahe vergessene Juwelen, wie der "Simon Boccanegra" oder "Macbeth"


    Sehr eindrücklich ist dieser "Simon" von der Met.

    Vladimir Chernov - Simon Boccanegra
    Bruno Pola - Paolo Albiani
    Jiang Tian Hao - Pietro
    Placido Domingo Gabriele - Adorno
    Kiri Te Kanawa - Amelia Boccanegra
    Robert Lloyd - Jacopo Fiesco


    James Levine


    Da sich der Thread dahin gehend verändert, dass nun alle Verdi-Opern, die mehr oder weniger in Vergessenheit geraten sind, zur Diskussion stehen, könnte man auch fragen, was eigentlich mit der "Vespri Siciliani" los ist?


    Gruss
    Christoph

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  • Hallo Christoph,


    mich überrascht deine Einschätzung. Wie schon geschrieben, ist der Simon Boccanegra für mich keineswegs ein vergessenes Werk, und der Macbeth schon gar nicht!
    Bei Macbeth - eigentlich Verdis erstes großes Meisterwerk - hat man lediglich das Problem der zwei Fassungen. Hat sich die zweite Fassung anfangs nicht recht durchsetzen wollen, so ist sie die heute bevorzugte, und man könnte argumentieren, die Urfassung sei ein wenig in Vergessenheit geraten. Aber wie man immer wieder sieht, wechseln solche Einschätzungen gelegentlich.


    Bei der sizilianischen Vesper kann ich dir eher zustimmen. Diese Oper lebte wirklich lange Zeit auf kleiner Flamme und wurde erst mit der Levine-Aufnahme 1973 spürbar wiedererweckt. Sie wird seither eigentlich regelmäßig gespielt, ohne jedoch einen breiten Bekanntheitsgrad erreicht zu haben. Zwei bekannte Nummern sind halt für einen mittleren Verdi etwas wenig, um sie ins breite Bewusstsein zu heben (und wer weiß schon, dass Verdi dafür die umfangreichste Ballettmusik geschrieben hat - das Ballett "Die vier Jahreszeiten" - wo sie doch fast nie aufgeführt wird...).
    Hier gibt es wieder zwei Sprachfassungen (die Oper wurde für Paris geschrieben), und mir kommt vor, dass beim Revival die italienische Version bevorzugt wurde. Das hieße, wir können uns wie bei Don Carlos auf eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Version einstellen....

    Ciao


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  • Hallo Theophilus,


    Bin bezüglich der empfohlenen Simone Boccanegra-Aufnahme mit Abbado ganz Deiner Meinung.
    Als vergessen sehe ich diese Oper glücklicherweise nicht. Thomas Hampson hat sie als "Verdi für Erwachsene" bezeichnet.
    Sollte jemand die Wiener Staatsoper besuchen können wollen, so empfiehlt sich die Aufführung dieser Oper sehr.

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  • Hallo Rienzi


    Zitat

    Sollte jemand die Wiener Staatsoper besuchen können wollen, so empfiehlt sich die Aufführung dieser Oper sehr.


    Du hast vollkommen Recht. Diese Aufführung wurde schon einmal im Fernsehen gespielt, und ist wirklich empfehlenswert.


    Die Oper hat einige Parallelen zu Boris Godunov. Es wird eine tatsächliche Episode aus der Geschichte des jeweiligen Landes behandelt und es ist eine Oper der Bässe und Baritone. Der Tenor hat eine kleine Rolle, und so ist eine Frauenstimme der einzige echte Gegenpol zu den Herren von der tiefen Fraktion. Das dürfte ein Hemmnis für eine breite Popularität darstellen.

    Ciao


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  • Hallo Klingsor


    Zitat

    es wundert mich, daß hier noch niemand die wunderbare giovanna d'arco genannt hat.


    Man müsste fairerweise dann gleich alle Opern vor Macbeth anführen (Ausnahme natürlich Nabucco). Es hängt mit der Verdi-Rezeption zusammen, dass diese Opern Jahrzehntelang fast völlig vom Spielplan verschwunden waren und für die Öffentlichkeit verloren waren. Aber sie sind eigentlich musikalisch alle sehr schön und immerhin jetzt wirklich dem Vergessen entrissen, da alles in ordentlichen Einspielungen dokumentiert ist. Aber bislang hat es eigentlich nur der Ernani geschafft, in den Spielplänen Fuß zu fassen, und Attila ist vielleicht im Kommen.


    Ich kann mich noch zurückerinnern, dass etwa um 1970 herum (da hatte ich noch keinen echten Sinn für Verdi-Opern ;) ) ein Musikliebhaber, der den ganzen Verdi im Plattenschrank hatte, als hochgradiger Spezialist gelten konnte. Denn es gab bestenfalls zwei Drittel der Opern als Einspielungen, wobei die weniger bekannten alles andere als ständig erhältlich waren, der Rest musste mühsam von ausländischen Kleinstlabels als illegale Mitschnitte besorgt werden. Heute sind wir in der glücklichen Lage, über alle Werke verfügen zu können und uns an ihnen zu erfreuen. Aber wie schlimm es um so manche Verdi-Oper stand, zeigt die geradezu unglaubliche Tatsache, das die Premiere einer Inszenierung des Stiffelio am 8. Mai 1994 in der Grazer Oper zugleich die Österreichische Erstaufführung dieser Oper war! 1994 konnte eine Verdi-Oper in einem mitteleuropäischen Land eine Erstaufführung erleben, das muß man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen (die Wiener mussten dann natürlich gleich nachziehen, und haben schnell eine Inszenierung eingekauft, die im Original mit Carreras auch als Video erhältlich ist :D ).

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus,


    Sorry, Du hast mich wohl falsch verstanden oder ich hab mich nicht genug deutlich ausgedrückt.
    Weil ich niemandem in meinem Thread auf die Füsse trampeln will, wenn sie den Rahmen überschreiten, habe ich nicht direkt interveniert. Aber ich bin völlig Deiner Meinung: weder der "Macbeth" noch der "Simon" sind vergessene Opern. Zumindest der Macbeth steht immer wieder auf den Spielplänen. Dem "Simon" bin ich bisher noch nie begegnet (evtl wird er ab und zu im Zürcher Opernhaus gespielt). Ebenso wenig wie die "Vespri Siciliani".


    Eine Frage: ist die "Stiffelio"-DVD mit Carreras gut?


    Gruss
    Christoph

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  • Salut, Christoph,


    was ich jetzt nich ganz verstehe ist, warum Du den Simone als nicht-vergessene Oper bezeichnest, aber im gleichen Atemzug meinst, ihr noch nie begegnet zu sein...?


    bien cordialement,
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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