Pavel Haas: "SCHARLATAN" - entartete Musik?

  • Zuerst ein paar Worte über den Komponisten, der hier im Forum bisher noch keinen Thread hat:


    Haas, Pavel, tschechischer Komponist, * 21.6.1899 Brünn, † 17.10.1944 Oswiecim. Er stammt aus einer tschechisch sprechenden jüdischen Familie, besuchte die dt. Grundschule und die tschech. Realschule. Erhielt frühzeitig Klavierunterricht und verfasste ab 1912 erste Kompositionen. Studierte 1920–22 am tschech. Konservatorium in Brünn in der Meisterklasse von Janácek.
    Als 1938 die deutschen Truppen die Tschechei besetzten geriet er in ernste Schwierigkeiten. 1941 wurde er nach Theresienstadt (wo u.a. auch Viktor Ullmann und Hans Krása ihr kompositorisches Schaffen fortsetzen mussten) deportiert und kam 1944 im Vernichtungslager Auschwitz um.
    Seine einzige vollendete Oper entstand ab 1934. Ausgehend von dem dt. Roman über den legendären Dr. Eisenbart beschäftigte er sich mit einem mittelalterlichen tschech. Stück über einen Quacksalber, nahm aber als Basis seines Sarlatán einen Roman von Josef Winckler (1933). Eine Orchestersuite der Oper wurde am 14.6.1937 im Brünner Rundfunk gesendet, die Uraufführung der Oper fand am 2.4.1938 im Alten Theater am Wall in Brünn statt.
    Erst 1997 kam es in Prag wieder zu einer konzertanten Aufführung des Sarlatán, der sich ein CD-Mitschnitt und eine Produktion beim Festival in Wexford anschlossen.
    [Haas, Pavel. Reclams Opernlexikon, S. 3181 (c) 2001 Philipp Reclam jun.]


    Die Oper:


    Sarlatán (Scharlatan).
    Oper in 3 Akten (7 Bildern) von Pavel Haas; Text vom Komponisten nach der alten Geschichte des Dr. Eisenbart (1663–1727) und dem tschech. Stück Mastickár.
    Die DECCA hat die Aufnahme in der Serie "Entartete Kunst" veröffentlicht:



    Aufnahme: 1997, Studio


    Dirigent: Israel Yinon
    Orchestra of the Prague National Theatre
    Prague Philharmonic Chorus


    Amaranta: Jitka Svobodova
    Apotheker: Bohdan Petrovic
    Bakalàr: Miroslav Svejda
    Deserteur: Ales Briscein
    Diener (1): Milan Vlcek
    Diener (2): Roman Janál
    Feuerschlucker: Ales Briscein
    Jochismus: Jiri Kubik
    Jochismus Diener: Ales Briscein
    König: Alex Hendrych
    Kyska: Leo Marian Vodicka
    Mann: Zoltán Korda
    Mann auf Krücken: Jan Markvart
    Pavucina: Ladislav Mlejnek
    Prodavac Theriaku: Bohdan Petrovic
    Provazolezec: Ludek Vele
    Pustrpalk: Vladimir Chmelo


    Leider ist die CD im Katalog bereits nach kurzer Zeit wieder gestrichen worden.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Im Thread über Opern in der Provinz habe ich es bereits kurz erwähnt: Deutschlandradio Kultur aus Berlin berichtet über bemerkenswerte Operninszenierungen aus deutschen Landen:


    Sendung am 07.03.2009 · 19:05 Uhr Dradio Kultur


    Oper in deutschen Ländern
    "Scharlatan" aus Gera


    Zitat

    Rund 400 Jahre alt ist sie und hundertmal totgesagt: die Oper. Obwohl im Radio das visuelle Element fehlt, haben wir sie immer wieder ins Programm genommen, denn wir glauben daran: die Oper ist radiotauglich! In diesem Jahr starten wir die Serie "Oper in deutschen Ländern" - in 25 Projekten von großen und kleinen Bühnen bringen wir Raritäten, Wiederentdeckungen, Erstaufführungen und natürlich die "große" Oper. Wir wollen damit auch ein Bild von der Vielfältigkeit der deutschen Opernszene vermitteln und beweisen, dass vor allem auch die kleineren Häuser erstaunliches Potential haben. Unterstützt werden wir bei diesem Mammutvorhaben von den Kollegen der ARD.


    Viertes Projekt dieser Reihe ist die Oper "Scharlatan" von Pavel Haas in Deutscher Erstaufführung aus dem Theater der Stadt Gera:


    Besetzung:


    Pavel Haas
    "Scharlatan"
    ,
    Deutsche Erstaufführung,
    Aufzeichnung vom 6.3.2009


    Andreas Scheibner - Eisenbart
    Franziska Rauch - Rosina
    Katrin Strocka - Amaranta
    Kai Wefer - Joachimus
    Peter-Paul Haller - Bakkalaureus/Deserteur
    Günter Markwarth - Sauermilch
    Johannes Weinhuber - Spinnweb
    Serge Novique - Rollmops/ König/ Student
    Bernhard Hänsch - Schlangenbeschwörer
    David Ameln - Student/Anderer Mann/Apotheker
    Winfried Roscher - Seiltänzer
    Roman Koshmanov - Theriakverkäufer
    Andreas Veit - Stadtphysikus
    Konrad Zorn - Wirt


    Opernchor und Philharmonisches Orchester Gera
    Leitung: Jens Troester


    Zitat

    Eisenbart ist ein fahrender Quacksalber. Zusammen mit seiner zickigen Ehefrau Rosina und einer Gruppe von Gauklern zieht er über die Lande. Eines Tages kuriert Eisenbart eine Professorengattin mit einem bewährten Heilmittel. Sie verlässt daraufhin ihren langweiligen Ehemann und schließt sich der fahrenden Truppe an. Die zweite Frau verursacht erhebliches Aufsehen... Mittlerweile hat Eisenbart sich den Ruf eines Wunderheilers erarbeitet, selbst der König nennt ihn den größten Mann seiner Zeit. Doch Eisenbart weiß um die Endlichkeit des Erfolges. Als ein kranker Mönch unter seinem Skalpell stirbt und die Leute ihn des Mordes verdächtigen, gibt er sich auf und stirbt als verkanntes Genie inmitten seiner Gaukler.


    Pavel Haas wurde am 21. Juni 1899 als Kind einer tschechisch-jüdischen Kaufmannsfamilie in der mährischen Metropole Brünn geboren. 1919 nahm er ein Musikstudium am Brünner Konservatorium auf, wo er unter anderem von Leoš Janá
    ek unterrichtet wurde. Der Einfluss des Lehrers ist unüberhörbar, genauso wie die Einflüsse von den neoklassizistischen Techniken Strawinskys, des Jazz oder der tschechischen Volks- und jüdischen Synagogalmusik. Neben zahlreichen Kammermusikwerken hatte Haas bereits eine Vielzahl von Film- und Bühnenmusiken geschaffen, als er zwischen 1934 und 1937 seine Oper "Scharlatan" komponierte. 1937 wurde die Geschichte des "tschechischen Doktor Eisenbart" mit großem Erfolg in Brünn uraufgeführt, musste allerdings nach dem Münchner Abkommen 1938 vom Spielplan genommen werden. Die Instrumentierung für eine 1940 begonnene Sinfonie konnte Haas wegen der Deportation nach Theresienstadt nicht mehr beenden. In Theresienstadt komponierte Haas bis Oktober 1944 mindestens acht weitere Werke. Gemeinsam mit den Komponisten Hans Krása und Viktor Ullmann wurde Pavel Haas am 16. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und dort in den Gaskammern umgebracht.


    Seine Oper "Scharlatan" wurde erstmals wieder im Jahr 1999 beim Opernfestival im irischen Wexford aufgeführt. Theater&Philharmonie Thüringen präsentiert jetzt die Deutsche Erstaufführung des Werkes. Am 6. März ist Premiere.
    http://www.tpthueringen.de


    Ich bin schon gespannt auf die Radio-Übertragung!


    LG


    :hello: :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Harald Kral
    Ich bin schon gespannt auf die Radio-Übertragung!


    Lieber Harald,


    - Wäre ich auch! - So ein Mist, dass ich da leider nicht kann.


    Aber sehr schön, dass du auf diese interessante Oper hinweist.


    Israel Yinon, der ein ausgesprochener Experte für diese jüdischen Komponisten der Zwischenkriegszeit ist, hat neben der Oper auch die von Haas selbsteingerichtete Scharlatan-Suite eingespielt, diese mit dem Philharmonischen Orchester Brünn, das mir hier gut gefällt. Ebenfalls auf dieser CD ist ein Rekonstruktionsversuch von Haas unvollendet gebliebener Symphonie, der sehr hörenswert ist.



    :hello: Matthias