Glockenton: Unverzichtbare Klassikaufnahmen - Schwerpunkt Alte Musik

  • Liebe Musikfreunde,


    welche Aufnahmen halte ich nicht nur für gut, sondern für wirklich unverzichtbar?
    Ich werde mich bemühen, bei meinen folgenden Empfehlungen diese Frage ernsthaft im Auge zu behalten.


    Beginnen möchte ich mit Herreweghes 1987 herausgekommenen Aufnahme der "Musikalischen Exequien" von Heinrich Schütz.



    Außerdem sind noch die Werke SWV 380, 391. 379, 324, 287 und 386 zu hören.
    Man lernt Schütz hier als einen menschlichen, persönlich- emotionalen und tiefgehend- ernsthaften Komponisten kennen, dem es gelingt, selbst einen Zuhörer aus dem Jahre 2009 anzusprechen und tief zu ergreifen.


    Dass Schütz nicht nur durch die allgemein schmerzvollen Erfahrungen des 30-jährigen Krieges, sondern auch durch schmerzhafte Todesfälle von nahen Angehörigen geprägt wurde, ist bekannt. Man kann man sich also gut vorstellen, dass er sich zeitlebens über den Tod viele Gedanken gemacht hat, was sich in seinem Werk dementsprechend auch niederschlägt.
    Dabei sieht er zwar die Schrecken des Todes, findet aber gleichzeitig immer wieder Trost in der Aussicht auf einen erlösenden, seligen Tod:


    „Leben wir, so leben wir dem Herren. Sterben wir, so sterben wir dem Herren, darum wir leben oder sterben, so sind wir des Herren“


    Der Dirigent Philippe Herreweghe schreibt in seinem sehr lesenswerten Vorwort:


    „ Wir haben für den Basso continuo sehr detailierte Angaben hinsichtlich der Themeneinsätze, jedoch erwähnt Schütz keine anderen Instrumente; in der Tat schien uns diese Musik in ihrer stimmlichen Blöße ergreifender, die ihr überdies auch jene Beweglichkeit verleiht, die der deklamatorische Stil erfordert. „ Oratio harmoniae domina absolutissima“ Hier tritt der aus Italien eingeführte monodische Stil zutage, dem jegliche leidenschaftliche extrovertierte Überschwänglichkeit fernliegt, auf den reinen Grundriss reduziert, vielleicht wenig spektakulär, dafür aber mit äußerst einfachen rhetorischen Mitteln umso wirkungsvoller. Dem Komponisten ist es gelungen, eine Stimmung von überwältigender Intensität zu schaffen; man braucht nur die grundlegenden Züge des Werkes zu respektieren, um einen Schütz zu erleben, der – wie wir meinen- nicht im entferntesten dem finsteren, strengen und langweiligen Ahnherren ähnelt, den so viele Choralfassungen uns weismachen wollten.“


    Mich spricht diese Musik auf so vielen Ebenen an, dass ich sie hier nicht alle nennen kann.
    Sehr gut finde ich bei Schütz die unglaublich geglückte Verbindung von Wort und Ton. Mit Hilfe seiner sehr ausdrucksvollen, zwischen Dur und Moll scheinbar schwebenden und gleichzeitig immer klar nachvollziehbaren Harmonik und seinen, dem Sprachrhythmus- und Inhalt folgenden rhetorischen Figuren lässt er die Texte zu einem ganzheitlichen, ergreifenden Erlebnis werden.



    Eine Voraussetzung dafür, dass ein heutiger Hörer dies auch erleben kann, ist natürlich eine einfühlsame musikalische Ausführung, die dem hohen kompositorischen Niveau in möglichst vielen Bereichen gerecht werden kann.
    Bei der hier vorliegenden Einspielung ist dies meiner Ansicht nach der Fall. Sowohl der Chor als auch die häufig eingesetzten Solisten sind hochkarätig besetzt. Gleiches gilt für die Instrumentalisten des Continuos.
    Herreweghes hier geradezu zeitlose Interpretationen sind ausgewogen, ausdrucksvoll, innig, klangschön und atmend.
    Man wird als Hörer in die Musik hineingenommen jedoch niemals vergewaltigt - ein Merkmal, dass ich für jede Art von musikalischen Darbietungen sehr schätze.


    Wirklich absolut unverzichtbar an dieser CD sind für mich vor allem die kurzen Motetten „Selig sind die Toten“ SWV 391 und „Die Himmel erzählen“, SWV 386
    Diese solistisch dargebotenen Kostbarkeiten gehen mir immer wieder neu unter die Haut. Ich habe das Gefühl, dass ich nach dem Hören ein Anderer sei.
    Phantastisch finde ich, dass hier auch ein sehr tiefer Bass ( Peter Lika) zu hören ist.


    Solisten:
    Angnès Mellon, Greta de Geyghere, Monique Zanetti, Howard Crook, Jean-Paul Fouchècourt, Hervé Lamy, Renaud Machart, Peter Kooy, Peter Lika


    Chor:
    La Chapelle Royale


    Continuo:
    Ageet Zweistra, Violoncello
    Jonathan Cable, Violone
    Jan Willem Jansen, Orgelpositiv
    Konrad Junghänel, Theorbe


    Zur Aufnahmetechnik:
    Bei einer guten Wiedergabekette stehen die Solisten nahezu sichtbar und klar umrissen vor einem.
    Wunderbar!


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)