Der 1954 in den Niederlanden geborene Cellist Ernst Reijseger wurde vom sehr geschätzten Matthias Oberg in einem anderen Thread erwähnt. Ich finde, diesem herausragenden Instrumentalisten und musikalischen Kopf gebührt eine eigene Erwähnung.
Ich hatte zwei "Erweckungserlebnisse" bezüglich Reijsegers: Zum ersten spielte mir ein Freund die Version Reijsegers des Standards "Night And Day" vor, die ich daraufhin bestimmt dreimal am Stück hören wollte, so fasziniert war ich von der Umsetzung. Kurz darauf besuchte ich ein wunderbares Festival im Norden Hollands, das sich über mehrere Spielorte erstreckt, vornehmlich kleine Kichen. Diese Orte steuert man mit dem Fahrrad an, das ganze ist also eine Mischung aus Konzerten und einer Radtour von Musikfreunden. In einer dieser Kirchen spielte dann Ernst Reijseger ein Solo-Programm mit seinem Cello. Dieses Konzert gehört definitiv zu den Höhepunkten meiner Konzertbesuche. Es war von der ersten bis zur letzten Minute atemberaubend und von einer Intensität und ergriffenen Gespanntheit des Publikums, wie ich es selten erlebt habe.
Größtmögliches Virtuosentum kann ich bestaunen und mich daran erfreuen. Mehr aber auch nicht. Paart sich dieses aber mit einer glaubhaften Auseinandersetzung verschiedener musikalischer Kontexte und tritt dieses zurück hinter die Übermittlung tiefempfundener Auseinandersetzung mit dem Material, dann bin ich verloren. Und das war ich bei Reijseger!
Er spielte aberwitzig mit dem Bogen, zupfte unfassbare Grooves mit den Fingern, legte das Cello auf seinen Schoß, um es als vielseitiges Percussionsinstrument zu nutzen und stellte diverse andere Sachen mit dem Instrument an. Dies alles aber nicht als Gimmick oder um das Publikum effekthascherisch auf seine Seite zu ziehen, sondern immer ganauso, um einem Stück Musik die größtmögliche Ausdrucksvielfalt zu schenken. Selten hatte ich das Gefühl, dass jemand seine kaum fassbaren Fertigkeiten so in den Dienst der Musik stellte, dass genau diese erblühte und die Fertigkeiten eben dennoch sicht- und hörbar wurden.
Wer die Möglichkeit hat, diesen Mann einmal live zu erleben: Hingehen!!
Seine CDs erscheinen bei Winter & Winter, ich besitze und empfehle die folgenden beiden und bin über weitere Tipps dankbar.
Do You Still, 2007
I Love You So Much It Hurts, 2002
LG
B.