Anton Bruckner: 8. Sinfonie c-Moll - Das Mysterium

  • Hallo liebe Musikfreunde,


    zu meiner Freude mögen in diesem Forum viele Bruckner und auch bei den Skeptikern scheint echtes Interesse zu bestehen. Nun ist jedoch sicher kein neuer Eintrag für einen Konzertführer notwendig, und ich bin auch kein Musikwissenschaftler, der mit neuen Entdeckungen kommen kann. So geht es mir eher um subjektive Höreindrücke und die Frage, wie sich diesem Werk nähern.


    Bruckner selbst sagte: "Meine Achte ist ein Mysterium". Bestätigt das wie auch das Unmäßige dieses Werks die üblichen Vorurteile: Bruckner als der nekrophile Kirchturmkletterer, vom Zählzwang heimgesucht, unfähig um eine Frau zu werben, Biertrinker und unersättlich beim Essen? Und das in einem Wien, das sich auf dem Höhepunkt des Reichtums und der öffentlichen Präsentation bewegte (Ring-Architektur, Makart etc.), unmittelbar vor dem Absturz. Oder ist umgekehrt Bruckner ähnlich den ihm geistesverwandten Grillparzer oder Stifter ein Beispiel, wie das imperiale Österreich die eigenständigsten Persönlichkeiten geistig zu ersticken suchte? Bei aller Zurückgezogenheit war Bruckner zu ganz überraschenden Schritten fähig, zum Beispiel seine Reise nach London, um dort vor Tausenden von Zuhörern auf der Orgel im Kristallpalast zu spielen.



    Wer bei Bruckner die barocke Pracht, das Baden in den Klangmassen und Schwelgen im unendlichen Gesang liebt und genießen will, wird von der 8. Sinfonie sicher enttäuscht. Gleich die ersten Takte des ersten Satzes: Da scheint alles rückwärts zu gehen, sich in sich zu verschließen. Es ist dem Dirigenten offen gelassen: geht die Bewegung eher nach oben oder nach unten, öffnet sich ein dunkler Raum oder beginnt eine Stimme sich durch verschiedene Instrumente hindurch zu finden, leuchten die Bläser auf oder ist es der Widerschein einer jenseitigen Welt? Schweben, hängen oder fliegen die Streicher über den sich steigernden Bläsern?


    Der zweite Satz soll den „deutschen Michl“ zeigen. Da ist nichts Schlafmütziges, auch das Gewalttätige ist noch kaum zu erkennen, vielmehr große Unsicherheit und Fremdheit in einer Welt, in der der eigene Platz noch nicht gefunden ist.


    Was ist übrig geblieben aus der Zeit, als die Menschen ihre Vorfahren und die Verstorbenen um sich spürten und sich ihnen geradezu körperlich verbunden fühlten, ihnen zum Beispiel regelmäßig Gaben zu essen und zu trinken reichten? Einige Jahrhunderte hat es gedauert, das zu vertreiben, und es hat in eine Epoche geführt, in der nun zwei Jahrtausende vergangen sind und „keine neuen Götter“ (Nietzsche). Niemand will sich der Frage stellen, was es da heißt, sich auf den Tod vorzubereiten. Der Tod hat jede Süße verloren, jede Geborgenheit, dort wieder bei denen Trost zu finden, die gestorben sind, und endlich aus der Welt der Toten denen Trost zu geben, wo es im Leben nicht möglich war. Wenn von der Todessehnsucht in dieser Sinfonie gesprochen wird, höre ich den dritten Satz so, dass Bruckner hier in dieser Weise in Töne fasst, was sich in Worte nicht sagen lässt, weil heute offenbar nicht die Zeit dazu ist. Mir ist bewusst, wie auch dieser Kommentar sich selbst aufzulösen droht. Das Denken in diese Grenzen zu rücken, das kann diese Sinfonie helfen.


    Von dort zurückgekehrt, kann die Welt so erscheinen, wie sie im letzten Satz dargestellt wird. Auch das gehört für mich zu Bruckner, das Übertönende und Riesenhafte in seiner ganzen Gestalt zum Vorschein zu bringen.


    Ich rechne mit „das ist zu weit hergeholt“ oder „wo lässt sich das an den Noten zeigen“. Aber wo, wenn nicht bei Bruckner, sind solche Gedanken aufgehoben? Ein Lektürevorschlag: Peter Gülke "Brahms - Bruckner", Kasse l1989 (Bärenreiter).


    Dem Brauch in diesem Forum folgend will ich die mir wichtigen Interpretationen erst später vorstellen. Bis dahin würde ich mich auf rege Pro’s und Con’s freuen,


    Grüße nach einem lang gewordenen Abend (und musikalischer Unterstützung durch die Cello-Sonaten von Bach),


    Walter

    Einmal editiert, zuletzt von Walter.T ()

  • Hallo Walter,


    das war eine sehr schöne Einführung zu einer meiner liebsten Sinfonien. Ich bin sicher, es werden viele interessante Aufnahmen vorgestellt (so auch von mir).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Walter, in der Tat schön geschrieben. Du hast deine Vorstellung von der Klangwelt dieser Symphonie gut rübergebracht.


    Ich sehe dieses Werk ein wenig anders, denke aber, daß deine Beschreibung durchaus der Musik entspricht.


    Von den unzähligen Aufnahmen würde ich eine seltene besonders hervorheben - die mit Evgeni Svetlanov (1981). Ausgeglichen, gut proportioniert, reich an Kontraste, tiefsinnig, finalorientiert mit sehr starkem Schluss.


    Gruß

  • Hallo Bucknerfreunde, Brucknergegner, Brucknerskeptiker.


    Aus dem von mir sehr bewunderten Gesamtwerk des Meisters ragt einsam und allein turmhoch eine Stelle heraus, und es ist dies eben die Coda der Achten Sinfonie, das Ende des 4. Satzes.


    Was sich dort - in der Partitur mit dem eher neutralen Begriff Ruhig überschrieben - ereignet, ist für mich nicht mehr und nicht weniger als einer der erschütternsten Momente der gesamten sinfonischen Musik.
    Nach diesen drei vorangegangenen gewaltigen Sätzen, insbesondere den grandiosen Auf- und Abschwüngen des Adagios und den teils martialischen Einfällen des Finales erstirbt das Orchester plötzlich, nur das Pochen der Pauke ist noch zu hören....und dann, dann setzen, nachdem in äußerster Anspannung mittels der Generalpause ein Moment der absoluten Stille zu hören ist, plötzlich diese Streicherarpeggien ein, immer begleitet vom Pochen der Pauke. Diesen Moment und das Ihm Folgende sprachlich in seiner emotionalen Gewalt auch nur annährend wiederzugeben, dem ist die menschliche Sprache leider in keinster Weise mächtig.
    Man kann nur feststellen, dass plötzlich zwei der Wagnertuben einen tieftraurigen melodischen Einwurf machen, die Instrumentierung langsam aber stetig reicher wird und sich so mit der Pauke das Pochen langsam zur gewaltigen Erschütterungen steigert, bei genauerem Hinhören fällt noch eine wundervolle Variante/Wendung in den sonst uniformen Streicherarpeggien auf. Ein kurzes, die Klanggewalt zurücknehmendes Intermezzo lässt einen kaum Atem schöpfen (hier fühle ich mich immer an die kurze Ruhephase in Bachs Passacaglia erinnert), bis sich dann der letzte Durchbruch in die strahlende C-Dur Apotheose ereignet.


    Es gibt viele Stellen der Musikliteratur, die mich berühren. Nur diese ist vielleicht vor allem so erschütternd, weil ich Sie sich einer genauen Deutung entzieht. Höre ich Wotans Abschied, bewegt mich Trauer und Verlust. Und hier ? Hier denke ich einfach nur: Verdammt, ist das groß. Von mythischen musikalischen Urtiefen, Gotischen Kathedralen anzufangen ist meine Sache nicht, würde dem auch nicht gerecht. Es rüttelt einfach an etwas irgendwie existentiellem.


    Abschließend muss ich aber noch loswerden, dass man dies live erleben sollte. Die Stelle entfaltet aus meiner Sicht ihre volle Wirkung nur im Konzertsaal, in Anwesenheit von vielen Menschen und der Tatsache des unwiederholbaren Augenblicks, in dem sich das Unerhörte ereignen muss. Weiterhin dürfte klar geworden sein, das die Coda ihre Größe letztlich natürlich der gesamten Sinfonie verdankt, weshalb sich auch meine Wertschätzung auf das gesamte Werk bezieht. ;)



    Eine Aufnahme, die bei mir nicht fehlen darf, ist Günter Wand mit den Berliner Philharmonikern.


    Ich war live dabei, als dieser Mitschnitt gemacht wurde, es war eines meiner großartigsten Konzerterlebnisse. Leider wird die Aufnahme der Erinnerung nicht ganz gerecht. Ich erinnere mich noch, die C-Dur Apotheose, also die letzte Stelle, wo die vielen Themen nebeneinander klingen, bei Wand zum ersten mal richtig begriffen zu haben im Sinne von "ach, so war das gemeint, so kann es also wirken....bei der Abmischung wurde die Betonung der einzelnen Stimmen offenbar verändert, weil dann später von mir so nicht mehr nachvollziehbar.



    Weiterhin kann ich auch Karajan empfehlen, die späte Aufnahme bei der DG, neben der grandiosen Siebten auch eine Großtat im umstrittenen Spätschaffen des alten Maestros.


    Gruß
    Anti

  • Günter Wand hat Bruckners 8. (mindestens) viermal aufgenommen: mit dem Kölner Radio-Sinfonie Orchester, zweimal mit dem Sinfonieorchester des NDR und zum Schluß mit den Berliner Philharmonikern.
    Ferner gibt es noch einen Livemitschnitt mit dem Gürzenich Orchester Köln aus dem Jahr 1971, der imo klanglich aber nicht den Stand der Technik 1971 widerspiegelt und von inakzeptabel (u.a. Tonschwankungen) bis brauchbar reicht.


    Neben der o.g. Aufnahme, die Antracis vorstellte, ist mir ibs. der erste (nicht mehr erhältliche) Live-Mitschnitt mit den NDR Sinfonikern ans Herz gewachsen. Es handelt sich um die Abschlußkonzerte des Schleswig-Holstein Musikfestivals vom 22. und 23.08.1987, aufgenommen im Lübecker Dom.


    Bedingt durch den Aufnahmeort ist die Einspielung mit einem großen Hall versehen, der aber bei der 8. Sinfonie mit dem weihevollen Charakter für mich nicht als störend empfunden wird (im Gegensatz zur 9. Sinfonie, die ein Jahr früher oder später ebenfalls dort entstand und bei der durch den Hall sehr viele Details verschwinden).


    Wie bei fast allen Sinfonien Bruckners wurde die Erstfassung der 8. Sinfonie sehr spät aufgeführt. Die vollständige Wiedergabe der ersten Fassung fand am 02. September 1973 in London statt.


    Eliahu Inbal ist es auch hier zu verdanken, die Erstfassung auf CD aufzunehmen.



    Aufnahmedatum 1983


    Auch Georg Tintner widmete sich 1996 der "Urfassung"



    Besonders in den Tempi unterscheiden sich beide Dirigenten immens:


    Inbal: 14'01'', 13'26'', 26'47'' und 21'09''


    Tintner: 17'41'', 15'14'', 31'10'' und 25'10''


    Inbals Zugriff auf die Sinfonie ist erheblich direkter und ibs. im 2. Satz "brutaler", auch verfügt er über das bessere Orchester. Deswegen gebe ich ihm den Vorzug.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich habe Bruckner auch durch Günter Wand erst richtig kennen und lieben gelernt. Meine erste Aufnahme war auch die vom Lübecker Dom und die ist mir viele Jahre die Liebste gewesen. Mehr aus Neugier habe ich dann noch die 2. Einspielung mit dem NDR Sinfonieorchester gekauft welche vom 5 - 7 Dezember 1993 in der Musikhalle Hamburg aufgenommen wurde (ist glaub ich auch nicht mehr erhältlich).


    Dann, vor einigen Jahren hat mir ein Freund und Bruckner-Liebhaber die Einspielungen der Brucknersinfonien der Münchner Philharmoniker unter S. Celibidache empfohlen.


    Woraus ich eine neue Ansichtsweise über Bruckner's Sinfonien erhielt. Langsame Tempi waren und sind mir schon immer lieber gewesen als diese Hetzjagden, die einen manchmal das Gefühl geben: der Dirigent müsse dringend aufs Klo. Es gibt Einspielungen, die passen auf nur eine (1) CD!?!


    Und so ist meine Lieblings-Aufnahme diese hier:


    Diese langsamen Tempi sind sehr gewöhnungsbedürftig, aber von Wand zu Celibidache ist es kein grosser Schritt mehr.


    Gruss
    Christoph

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • Zitat

    Original von Chr_Glaus
    Diese langsamen Tempi sind sehr gewöhnungsbedürftig, aber von Wand zu Celibidache ist es kein grosser Schritt mehr.


    Gruss
    Christoph


    Wie man's nimmt, immerhin fast 20 Minuten... ;)


    Das faszinierende an Celibidache ist, daß der 3. Satz trotz der immens langen Spielzeit von über 35 Minuten nicht zum Stillstand kommt, er es also schafft, die Spannungsbögen aufrecht zu erhalten. Harnoncourt z.B. ist im 3. Satz fast acht Minuten schneller, und ihm gelingt imo dieses Kunststück nicht.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Christoph,


    kennst Du die Einspielung mit Herbert von Karajan? Zeitlebens hat er diese 8te von Bruckner immer wieder dirigiert.
    Mich würde Deine Meinung sehr interessieren, da Du Dich mit Bruckner offensichtlich sehr diffrenziert auseinandergesetzt hast.


    Danke im voraus!
    Grüsse
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Frank,


    von Karajan habe ich fast nur Opern-Aufnahmen. Irgendwie, ich kann Dir nicht sagen aus welchem spezifischen Grund bin ich kein Fan von Karajan. Drum kann ich Dir hier nicht weiterhelfen. Sorry!


    Zum nicht erschienen Bild:
    ich suchs nochmal im Web und hoffe, dass der Link nun funktioniert!


    es ist die Sammelbox von EMI mit allen (?) Bruckner Einspielungen von EMI mit Celibidache und den Müncher Philharmoniker.


    Von Bruckner habe ich diese Box und die Live-Einspielungen von Günter Wand mit dem NDR Sinfonieorchester.
    Plus noch so vereinzelte CD's im den Messen sowie einer sehr kuriosen CD: für das 50 jährige Jubiläum des Wiener Männergesangsvereins 1893 komponierte Bruckner das Werk mit Namen "Helgoland" (Chorballade in g-moll [MGG]) + von Wagner "Das Liebesmahl der Apostel"
    Diese Chorballade "Helgoland" ist etwas irgendwie im Stile seiner Sinfonien, nur mit Männerchor verstärkt - klingt wie Wagner im Stil von Tannhäuser.



    Gruss
    Christoph

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • LIeber Christoph,
    meinst Du , dass es nur wegen der getragenen Tempi kein grosser Schritt von EWand zu Celi ist ?
    Oder hören wir nicht doch erhebliche Unterschiede in der Interpretation ?
    Ich meine Tempi alleine sind eine sehr heikle Beurteilungsgrundlage .
    Kennst Du Eugen Jochums Interpretationen ? Er war ja Jahre, ja Jahzehntlang so eine Art Hoherpriester in Sachen Bruckner ( mit der Staatskapelle Dresden ) ?
    Grüsse
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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  • Lieber Frank,


    ich beziehe diesen "kleinen Schritt" vorallem auf die eher langsamen Tempi.


    So wie ich Opern und Arien von verschiedenen Aufnahmen und Sänger miteinander vergleiche, weil ich glaube auch etwas davon zu verstehen, so höre ich bei Instrumentalwerken mehr auf das innere Gefühl - ob mich eine Interpretation anspricht oder nicht. Bei Instrumentalwerken habe ich meistens nur eine oder max. zwei Aufnahmen, die mir wirklich gleichwertig gefallen - bei der Oper sind es oftmals mehr.
    Und von Bruckner kenne ich wirklich nur Wand + Celi. Ich habe aber auch nie behauptet, dass ich diesbezüglich allwissend sei, es sind einfach meine beiden Favoriten. Und weil mir diese gefallen habe ich keine weiteren Kaufabsichten und eine 8. die auf eine CD passt, hör ich mir erst gar nicht an.
    Zudem, mir als Berner (die ja meistens ein bisschen langsamer sind) kommen diese Tempi entgegen... hetzen können sie in Zürich oder anderswo!


    Lieber Gruss
    Christoph

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • Lieber Christoph,
    besten Dank für Deinen humorvollen Antwort-Brief .
    Ob die Zürcher eher zum Ziel kommen entscheidet sich spätestens in den Chefaetagen der Bahnhof Strasse bei UBS etc. ( Ich mag die Crédit Suisse sehr viel lieber ! ).
    Und in Bern habt ihr grosse Mediziner gehabt wie den Kinderarzt Prof. Rossi oder den Neurologen Prof. Mumenthaler . Nach beiden habe ich gelernt nzw. tue es noch !
    Ich finde es oft auch als belastend , wenn ich mit bis zu 100 Aufnahmen in Rezensionen konfrontiert werde .
    Meiner Meinung nach kann keine Mensch ( auch nicht die Grössten der Grossen Künstler ) alle Aufnahmen auseinanderhalten -oder ?
    Wand fand ich live schon tief bewegend - nicht nur mit Bruckner !
    Alles gute nach Bern !
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Und weisst Du was Frank?


    Günter Wand hat viele Jahre in einem kleinen freiburgischen (CH) Bauerndorf gelebt nur 20 - 30 km westlich von Bern.
    Und nicht 1x hat er (soweit ich dies weiss) seinen "Zauberstab" mit ins Konzerthaus nach Bern genommen, um uns Bernern zu zeigen wie man Bruckner dirigiert.


    Gruss
    Christoph

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • Lieber Christoph,
    leider ist er meines Wissens auch nie in Genf oder Basel in Erscheinung getreten , obwohl er doch mit seiner ersten Heimat schon fast Schweizer war ( obwohl sein Dialekt das typisch Rheinische immer in sich hatte ) .
    Ein Wort abschliessend zu Karajan : Es gibt von ihm mehrere Einspielungen der 8ten von Bruckner . Ich habe mich von einem Kenner beraten lassen . Aber vieles ist eben Geschmackssache .
    Grüsse
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Liebe Taminoianer,


    zur Zeit habe ich die 8. sehr ins Herz geschlossen, suche aber noch nach Aufnahmen - in diesem Zusammenhang die Frage an euch, was haltet ihr von Giulinis Interpretation und gibt es noch andere empfehlenswerte Einspielungen?


    Grüße
    nubar


  • Giulinis Achte kannst Du bedenkenlos kaufen. Die Neunte und die Siebte mit den Wiener Philharmonikern bei der DG natürlich auch ;-)


    Auch hörenswert ist Eliahu INBAL mit dem Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt. (Teldec, verschiedene Ausgaben der selben Aufnahme. Aufnahme von 1982, erste Fassung von 1887)

  • Lieber nubar ,
    lieber Thomas ,
    von den Bruckner-Aufnahmen mit Giulini würde ich die 9te an oberste Stelle stellen . Aber wie Du , Thomas , schon gesagt hast : Alle drei Einspielungen haben refernzcharakter . Giulini war ein grosser Bruckner-Interpret .
    Grüsse
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von nubar
    Liebe Taminoianer,


    zur Zeit habe ich die 8. sehr ins Herz geschlossen, suche aber noch nach Aufnahmen - in diesem Zusammenhang die Frage an euch, was haltet ihr von Giulinis Interpretation und gibt es noch andere empfehlenswerte Einspielungen?


    Hallo nubar,


    einige Aufnahmen wurden hier bereits genannt; ich kann neben Giulini, Wand und Karajan wärmstens Karl Böhm empfehlen:



    Böhm ist ein wenig schneller als die drei oben genannten, er kommt auf eine Spielzeit von knapp über 80 Minuten. Trotzdem klingt bei ihm nichts verhetzt, im Gegenteil, insbesondere im monumentalen Adagio besitzt Böhm den "langen Atem", um die Musik fließen zu lassen. Ferner gelingt es ihm, wie Giulini und Karajan, die Wiener Philharmoniker zu orchestralen Höchstleistungen zu bewegen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • es gibt kaum eine symphonie, die mich mehr ergreifen könnte als bruckners achte. und kaum einen komponisten, der mich mehr ergreifen könnte als bruckner (nun ja, einige gaaaaanz wenige :rolleyes: ) ....
    deshalb habe ich auch eine reihe von einspielungen, obwohl mir die von giulini noch fehlt:
    barenboim, celibidache, inbal, karajan, aber die größte einspielungen von allen ist die von carlos paita und dem philharmonic symphony orchestra (sic!) auf melodia. leider, leider hat der dirigent, dem ich viele großartige aufnahmen verdanke, brahms 1., schuberts 9., berlioz' s.f., dvoraks 7-9, beethovens 5. nicht die aufmerksamkeit erhalten, die er verdiente ... wer auf zupackende, höchst energische aufnahmen mit satten bässen und gewaltigen ausbrüchen steht .... bestens bedient ...
    lg


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    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Wenn ich ganz ehrlich sein soll: Bruckner ist einer meiner Hausgötter und die Achte höre ich gerne (besonders die Einspielung von Günther Wand, was hätte ich dafür gegeben Wand einmal live zu hören ....) aber ich finde daneben wird die eine oder andere Symphonie ein wenig unterschätzt. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einmal eine Lanze für die Sechste brechen! Sie steht nunmal im Schatten ihrer beiden großen Schwestern, zu Unrecht wie ich finde. Da behaupte doch noch einer Bruckner sei schwermütig und melancgolisch! Als Aufnahme würde ich die Einspielung von Blomstedt bei Decca empfehlen! Gehört hier nicht direkt hin, aber trotzdem: Was haltet Ihr von Thielemanns Einspielung der Fünf?


    Herzliche Grüße,


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

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  • Hallo Frank Georg Bechyna,


    zur Beantwortung Deiner Frage bezüglich Karajan und Bruckner´s 8ter kann ich nur das treffende Zitat von Antracis hier anfügen:

    Zitat

    Weiterhin kann ich auch Karajan empfehlen, die späte Aufnahme bei der DG, neben der grandiosen Siebten auch eine Großtat im umstrittenen Spätschaffen des alten Maestros.


    :) Die Sinfonie Nr.8 mit Karajan / Berliner PH (DG 1975) ist für mich "die" Aufnahme.
    Nach meinem Bruckner-LP-Einstieg mit Jochum (habe ich schon mehrfach bei den Bruckner-Sinfonien erwähnt) führt Karajan´s - Aufnahme zur Verblassung der anderen Aufnahmen. Auch die damals hochgelobte Einzel-Einspielung von Guilini (DG) hat mich gegenüber Karajan überhaupt nicht überzeugt, sie hatte zu wenig Pep und erschien mir zu glatt, unaufgeregt.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Liebe Bruckner-Hörer,


    für ein Werk wie Bruckners 8. Sinfonie gibt es für mich keine „beste Aufnahme“, solange ein Dirigent etwas Eigenes zu sagen hat und ihm das überzeugend gelingt. Von den bisher genannten Aufnahmen war mir die von Giulini besonders wichtig, und diese Aufnahme kann ich jedem empfehlen, der einen ersten Einstieg oder so etwas wie eine Referenz sucht. Im Radio war Giulini auch mit den Berliner Philharmonikern zu hören, was teilweise noch spannender klang – besonders das Scherzo.


    Wie Celibidache den 1. und 3. Satz spielt, zeigt ebenfalls Seiten dieser Sinfonie, die ich bisher so nicht kannte, mit seinem 2. und 4. Satz kann ich dagegen nur wenig anfangen. Wand: keine Frage, das ist unter den Versuchen, eine objektiv gültige, gewissermaßen kosmische, und weniger den subjektiven Gefühlen nachgehende Deutung zu finden, der am weitesten gehende Ansatz und verdient daher alle Anerkennung.


    Ich hatte diese Sinfonie mit Carl Schuricht kennen gelernt, eine sehr strenge, intensive Aufnahme. An Jochum kann ich mich nur noch wenig erinnern. Als ich jetzt wieder einmal hineinhörte, war ich überrascht über das zügige Tempo, empfinde aber die Trompeten stark übertrieben.


    Am öftesten habe ich diese Sinfonie mit Knappertsbusch gehört, in diesem Fall die Studioaufnahme mit den Münchner Philharmonikern. Sie ist technisch wesentlich besser als zahlreiche andere Knappertsbusch-Einspielungen. Die Streicher sind daher viel klarer zu hören. Beim erneuten Anhören fielen mir besonders auf: die zurückgenommene Pauke in der letzten Steigerung des 1. Satzes und wie dann die allein stehenden Bläser nicht in einem strahlenden Ton schließen, sondern zurückgenommen werden und überleiten in das todtraurige Finale dieses Satzes. Der Wechsel von Zartheit und Schroffheit zeichnet die Knappertsbusch-Aufnahme aus. Das Feierliche der Coda des 4. Satzes ist sehr gut gelungen.


    Nun aber zu zwei Aufnahmen, die ich im Moment besonders gern höre: Steinberg und Furtwängler.


    Steinberg hat Bruckners 8. Sinfonie mit dem Boston SO gespielt. Die Live-Aufnahme von 1971 ist leider technisch recht schlecht, und der Geräuschpegel ist enorm. Aber die über lange Jahre von Charles Münch ausgebildeten Bläser und Pauken ermöglichen eine hervorragende Aufnahme. Die Trompeten verwaschen nie in einem undeutlichen Chor, sondern spielen eine saubere, scharfe Linie und lassen dadurch Melodien und Tonfolgen erkennen, die sonst untergehen. Es ist schwer zu beschreiben, wie etwa die Trompeten und Hörner bisweilen so gespielt werden, als drohe der Klang abzustürzen. Der 1. Satz fängt gar nicht so aufregend an, bis auf einmal in dieser Weise die Musik eine ganz eigene Wendung nimmt. Im langsamen 3. Satz legen die einzelnen Bläsergruppen Schicht für Schicht der Unterwelt frei, die auf die vorsichtigen Fragen des Hörers zu antworten beginnen und ihn in ihr Reich hineinholen.


    Im 2. Satz sind sehr schön die schwingende Melodie, aber auch das latent brutale Paukenspiel herausgearbeitet. Die Celli spielen einen sehr scharfen Strich und bereiten so bereits den 4. Satz vor. Und der ist dann unter Steinberg zu hören wie sonst nie, wesentlich schneller, wahrhaft apokalyptisch. Wie schon die Bläser bewegt sich die Pauke ganz knapp außerhalb des festen Rhythmus und erzeugt dadurch eine extreme Spannung. In der zweiten großen Steigerung ist wirklich so etwas wie das Feuerrad des Ixion zu sehen, mit dem er brennend den Himmel entlang rollt. In der abschließenden Coda droht die Pauke erst ganz zu entgleiten, um dann mit um so mehr Effekt in den abschließenden Zusammenklang aller Themen dieser Sinfonie einzufinden.


    Völlig anders ist da natürlich Furtwängler. Hier ist es notwendig, das genaue Datum zu beachten. Er hat 1949 an drei aufeinander folgenden Tagen die 8. gespielt. Hier geht es um den 15. März 1949. Das Publikum ist ungewöhnlich nervös und Furtwängler lässt sich dadurch in eine Interpretation treiben, die alle bekannten Maße verlässt.


    Insbesondere der langsame Satz ist von einer einzigartigen Intensität: für mich ein Höhepunkt aller Bruckner-Einspielungen, die ich kenne. Wie ich die Aussage von Bruckner verstehe, kommt hier am besten zur Geltung.


    Diese Wirkung wird vorbereitet durch den extrem nervösen Charakter des 2. Satzes. Auf der anderen Seite wird der 4. Satz dann direkt martialisch. Die Bewegung des Schicksal-Rades schlägt um in einen Marsch, und zum Abschluss wird die Coda in einem wahren Trommelfeuer geradezu abgebrannt.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Zunächst mal eine Bemerkung von mir zu diesem Thread:


    Ich habe es selten erlebt, daß mir nur durch das Lesen geschriebener Worte eine musikalische Schöpfung so präzise nahegebracht wurde. An dieser Stelle herzlichen Dank an Walter.T und natürlich auch die Anderen, die hier geschrieben haben. Der thread verdient wirklich ein dickes Lob, das Forum natürlich auch, ohne das so etwas ja nicht möglich wäre. :yes: einfach Klasse!


    Warum ich hier schreibe:


    Am Sonntag und am Montag wird diese Symphonie in Wuppertal aufgeführt, es gibt für beide Veranstaltungstage noch Karten.


    Von dem Orchester habe ich ein paar Aufnahmen, den Dirigenten kenne ich nicht.
    Von vielen "Brucknerianern" mit denen ich in Kontakt stehe, höre ich immer wieder heraus, daß die "Achte" zu ihren liebsten Symphonien zählt. Ich selbst habe sie oft gehört, alle hier genannten Einspielungen besitze ich (und einige mehr).


    Bisher habe ich allerdings noch nicht den rechten Zugang zur #8 gefunden. Ich bin gespannt, ob durch das "Liver-Erlebnis" der Groschen endlich fällt.
    Bis dahin werde ich diesen Thread noch einige Male intensiv lesen.


    Nochmals vielen Dank.

  • Bruckners Achte im Konzert war für mich der erste Kontakt mit dieser Musik - und hat mich spontan begeistert (zudem konnte ich glücklicherweise bald darauf eine Aufführung der Siebten und der Neunten hören, die verstärkende Wirkung hatten).


    Allerdings neige ich bei Bruckner eher zu strafferen Tempi, weshalb meine beiden Lieblingsaufnahmen auch auf eine CD passen:


    - Boulez; Wiener Philharmoniker


    - Chailly; Concertgebouw Orchester


    über Wand habe ich jetzt schon soviel gehört, wird höchste Zeit, mal nach diesen Aufnahmen Ausschau zu halten.

  • Hallo,


    mein wahrscheinlich größtes Bruckner 8 live-Erlebnis, war ein grandioses Konzert im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt unter dem vielgescholtenen, letztlich aber doch genialen Christian Thielemann mit dem Orchester der Deutschen Oper im Jahre 2002.


    Grüße, Gino

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Hallo,


    Bruckners Achte gehört, neben der 7. und 9., zu meinen Lieblingssinfonien, seitdem ich 1991 eine Aufführung der Münchner Philharmoniker unter Celibidache live sehen konnte, die mir wirklich so sehr "unter die Haut" ging, daß mir im 4. Satz unwillkürlich die Tränen kamen (und ich bin nun weiß Gott kein sentimental veranlagter Mensch). Insbesondere der Finalsatz erscheint mir wie das Portrait eines Menschen, der von den Wechselfällen des Lebens heimgesucht wird und äußeren Anfeindungen ausgesetzt ist. Er versucht dem durch einen Rückzug in sich selbst zu entkommen, was zuerst zu gelingen scheint. Dann aber wird er von den Angriffen wieder eingeholt, überwältigt und schließlich stirbt er daran (die verklingenden Paukenschläge vor der Generalpause). Dann trennt sich die Seele vom vergänglichen Leib und wird wie durch einen Tunnel emporgeschleudert an einen Ort, an dem alles zusammenkommt und alle Fragen beantwortet sind.


    Meine Lieblingsaufnahmen:


    - Wand 1987 (etwas zuviel Hall), 1993 (war selbst dabei)
    - Furtwängler 1944 (Wiener Philharmoniker)
    - Celibidache 1993 (um Erinnerungen aufzufrischen)


    Grüße


    GiselherHH


    @ Gino


    Thielemann ist für mich ein merkwürdiger Fall - manchmal wirklich genial, dann aber wieder Kreisklasse (wie bei dem gerade übertragenen Strauss-Konzert aus Salzburg, wo er lieblos in schlechtester Kapellmeisterdirigat zwei Repertoire-Reißer herunterdrosch und dann auch noch fast den tapferen Herrn Hampson in den Klangfluten zu ertränken drohte). Hoffentlich fängt er sich irgendwann mal, denn solche Ausreißer kann sich ein derart prominenter Dirigent nicht erlauben.

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Ich war dabei! Heute morgen! Ergebnis:
    Eine meiner schönsten Begegnungen mit der Achten.
    Knapp 100 Minuten große Musik, vortrefflich gespielt.
    Unvergleichlich: das 2. Thema des 1. Satzes, der Mittelteil des Scherzo-Trios, der 2. Beckenschlag des Adagios und der Nachhall in den Harfen.
    Nach solchen Eindrücken weiß man wieder noch nachhaltiger, wofür man lebt....
    Die nächste Aufführung ist morgen abend, 12.09.

  • Ich war gestern morgen auch in Wuppertal, und mich hat die Aufführung ebenso begeistert.
    Das unprätentiöse Orchester wartete mit 2 Harfen auf (ist auch so vorgesehen, aber viele Orchester setzen nur eine ein).


    Die Tempi waren sehr breit angelegt, aber es wirkte zu keiner Zeit schleppend. In der Tat belief sich die ntto-Spielzeit auf knapp 95 Minuten.



    Es war für mich die erste Live-Begegnung mit der 8ten und die Aufführung nimmt in jedem Falle einen hohen Stellenwert in meiner jungen Konzerterfahrung ein.


    Der Unzeitgemäße
    Kannst Du Deine PN freischalten, oder mir eine Mail schicken, meine eMail Adresse steht im Profil.

  • Zitat

    Original von Holger_Grintz
    Das unprätentiöse Orchester wartete mit 2 Harfen auf (ist auch so vorgesehen, aber viele Orchester setzen nur eine ein).


    Vorgesehen sind sogar wenn möglich drei Harfen, habe das Stück bei meinen Live-Erlebnissen glücklicherweise bisher auch nur in dieser Besetzung gehört, aber derart große Besetzungen stellen halt manchen Klangkörper vor unüberwindbare Hürden.


    Gruß
    Sascha

  • Schön war in der Einführung um 19:ooh der Montags Aufführung die Erklärung von Kamioka, warum er die "Haas" Fassung gewählt habe und nicht die "unmusikalische" von Novak oder die Erstfassung. Allein aus der Musik heraus, war seine Antwort.Leider kam überhaupt nicht zur Sprache, warum Haas die in der Novak Fassung herausgestrichenen Stellen der Erstaufführung wieder einfügte. Für mich ist das Adagio der Erstfassung ein Mirakel.Hier etwas herauszustreichen ist schon eine Sünde.Leider ist Kamioka der deutschen Sprache noch nicht ausreichend mächtig, um solche Fragen nach den Unterschieden der Musik von Bruckner´und Mahler zu beantworten.Extrem lang die Pausen und Celibidache like das Tempo, das aber nicht zum Einschlafen verleitete.Kamioka hatte die toll spielenden Wuppertaler Sinfoniker in seiner erst zweiten Aufführung der 8ten Bruckner fabulös im Griff.
    Ich war sehr beeindruckt.

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