Bachs Englische & Französische Suiten – auf dem richtigen Instrument

  • Zitat

    Original von Melot1967
    Nachdem ich nun schon die Goldbergvariationen und andere Aufnahmen mit Rousset am Cembalo gehört habe, bin ich sehr neugierig auf seine Englischen Suiten und Französischen Suiten. Kennt jemand die Aufnahmen?



    Seitdem Melot mit dieser Frage vor langer Zeit allein gelassen wurde, hat sich im Klavierforum niemand mehr mit den Englischen und Französischen Suiten von Bach beschäftigt.
    Vielleicht wird ja hier in der Zupfclavierabteilung mehr draus.


    Fangen wir doch noch einmal bei den seltsamen geografischen Zuordnungen an: Wieso englisch und französisch?
    Vielleicht ergibt sich ja was draus.


    Die festgelegte Satzfolge in der Suite gibt es erst spät. Die Reihenfolge war – zwar zeitlich und regional verschieden – schon eher vorgegeben, aber der Spieler/das Ensemble konnte aus beliebigen Allemanden eine auswählen, darauf eine Gaillarde, dann eine Pavane, eine Gavotte usw.


    Erst bei Froberger und Louis Couperin beginnt so etwas wie eine festgelegte Reihenfolge bestimmter (!) Sätze, obwohl auch da die Varianten noch so zahlreich sind, dass unmöglich eine bestimmte Suite als ganz und gar richtig ausgegeben werden kann. Immerhin ist die Folge Allemande – Courante – Sarabande ab da fast immer vorhanden, wenn auch durch allerlei eingeschobene andere Typensätze ausgeweitet, später kam als nächsthäufiger Tanz noch das Menuet hinzu.
    Bei der Instrumentalsuite wurde aber einer kunstvollen Einleitung ziemliches Gewicht beigemessen. Nur war die nicht notiert, sondern als Visitenkarte des Spielers improvisiert. Die Geschichte mit den nicht mensurierten Lautenpréludes dürfte bekannt sein. Diese Art gibt es auch noch bei Louis Couperin und Zeitgenossen für die Cembalisten, aber immerhin ist das Prélude ab da notiert und vom Komponisten vorgegeben vorhanden.


    Der Titel „Französisch“ ist bei Bach eigentlich unsinnig.
    BWV 812 bis 817 sind Suiten, die zwar viele Eltern, aber keine Einleitungssätze haben. Zusammengestellt aus allen möglichen vorhandenen, manchmal angepassten Einzelsätzen und hinzukomponierten Stücken sind sie Bachs eigener Versuch zum eigenen Thema „Suiten ohne Präludium“.
    Außerdem haben wir damit eine Sammlung von originellen, kurzweiligen Stücken, die auch immer nach Bach klingen. Die Französischen Suiten sind im Satz häufig aufs Wesentliche konzentriert und für den Spieler eher zu meistern als die teils sehr virtuosen Englischen Suiten oder die ‚großen Brocken’ der Partiten.


    Und was ist englisch an BWV 806 – 811?
    Barocke Kunstmusiksuiten enthalten viele Elemente aus Volkstänzen. In England eroberte die Gigue den wichtigen letzten Platz der Claviersuite. Dazu muss man nicht – wie so oft – Dieupart, einen in London lebenden gebürtigen Franzosen, als Erfinder bemühen, schon die posthum veröffentlichten Cembalosuiten Henry Purcells folgen allesamt strikt diesem Muster der Französischen Suite mit obligatorischer Gigue als Schlusssatz.
    Dieuparts ‚Verdienst’ besteht allerdings darin, dass seine Stücke nicht nur auf der Insel äußerst beliebt waren, sondern auch auf dem Festland Verbreitung fanden und auch bei Bach im Notenschrank standen. Seine Reverenz erwies er dem Kollegen, indem er einen kompletten Satz Dieuparts notengetreu übernahm, allerdings an eine andere wichtige Stelle verschob und umbenannte. (Quizfrage: Um welchen Satz bei Bach handelt es sich?)
    Während Bachs Eingangssätze verschiedenen Mustern (allein das wäre viele Zeilen wert) folgen, sind die Giguen allesamt (meistens) zweistimmige virtuose Fugen, deren Themen im zweiten Teil fast immer gespiegelt werden. Dazwischen steht ein festes Schema: Allemande, Courante, Sarabande und ein weiterer Satz (2 x Bourrée, 2 x Gavotte, je 1 x Menuet und Passepied).
    Das charakteristische, allerdings weniger unbedingt „Englische“ sind also die feste Klammer von Präludium und Gigue und die bis auf den vorletzten Satz einheitliche Abfolge.
    Die Englischen Suiten stammen aus Bachs Clavierlöwenzeit, sind also in Weimar entstanden. Spieltechnisch sind vor allem die Präludien recht weit oben angesiedelt, aber auch die Giguen stellen ziemliche Ansprüche.


    Und um die eingangs zitierte, gut abgehangene Frage Melots zu beantworten:
    Mit diesen Aufnahmen hat Rousset den beiden Zyklen ein wunderbares Denkmal gesetzt. Selten habe ich so einen bilderbuchmäßigen Cembaloklang auf CD erlebt, und ebenso selten hat sich jemand mit solcher Detailverliebtheit und trotzdem großen Bögen den Französischen Suiten gewidmet wie mit einer dermaßen stupenden Virtuosität auf die Englischen Suiten gestürzt.
    Das verwendete Instrument (ein Ruckers-Original von 1632 (1745) aus dem Museum von Neuchâtel) ist ein wahres Juwel.
    Mit diesem Klang in den Ohren vermisst man auch kein deutsches Cembalo.
    Gibt es überhaupt Aufnahmen auf (mehr oder weniger) deutschen Cembali?


    Und nun: Was gibt es zu den Suiten weiter zu sagen? Welche Einspielungen verdienen die Erwähnung hier? Und vor allem: Warum? :D

  • Guten Abend


    zur Einspielung der "französischen Suiten" mit Chr. Rousset kann ich vollens zustimmen.



    Von den "Englichen Suiten" besitze ich folgenden Einspielung:



    Es wurde eine dem ursprünglichen Posting entsprechende Aufnahme gesetzt.


    mit Gustav Leonhardt.


    Er hat sie 1973 auf einem Nachbau eines Dulckens Cembalo um 1745 durch Martin Skowronek aufgenommen.
    Hier gefällt mir die akademische Strenge mit der Leonhardt an die Suiten herangeht,
    ohne dass sie aber blutleer und langatmig wirken.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Hildebrandt


    Gibt es überhaupt Aufnahmen auf (mehr oder weniger) deutschen Cembali?


    Von der V. "Franz. Suite" G-Dur BWV 816
    (meine Lieblingssuite :faint: )


    habe ich noch auf dieser



    CD mit Lorenzo Ghielmi am Cembalo eine Aufnahme.
    Hier spielte er sie auf einem Cembalonachbau
    nach einem Vorbild von Christian Vater von 1738 ein.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Hildebrandt
    Gibt es überhaupt Aufnahmen auf (mehr oder weniger) deutschen Cembali?


    Hab in meinem Plattenschrank noch was gefunden:



    Es wurde für die englischen Suiten eine entsprechende Aufnahme gesetzt, während für die französischen Suiten beim Werbepartner keine entsprechende Aufnahme angezeigt wird.


    Hier hat Alan Curtis die englichen- als auch die franz. Suiten
    Nos. 1 -4 auf einem Cembalo von Christian Zell ( Hamburg 1728 ) eingespielt.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Während Bachs Eingangssätze verschiedenen Mustern (allein das wäre viele Zeilen wert) folgen, sind die Giguen allesamt (meistens) zweistimmige virtuose Fugen, deren Themen im zweiten Teil fast immer gespiegelt werden. Dazwischen steht ein festes Schema: Allemande, Courante, Sarabande und ein weiterer Satz (2 x Bourrée, 2 x Gavotte, je 1 x Menuet und Passepied).
    Das charakteristische, allerdings weniger unbedingt „Englische“ sind also die feste Klammer von Präludium und Gigue und die bis auf den vorletzten Satz einheitliche Abfolge.


    Ich begebe mich jetz auf dünnes Eis, weil ich nur ein Klassik Musik-Hörer bin und dabei als Nicht-Musiker auch wenig Kompetenz aufweisen kann. Trotzdem: was mir bei der Beschreibund auffiel ist die Ähnlichkeit zu den Cello-Suiten von J.S. Bach. Diese bestehen bekanntlich aus einem Prelude, einer Allemande, dann einer Courante, einer Sarabande und einer Gigue. Zwischen der Sarabande und der Gigue stehen in der 1. und 2. Suite jeweils zwei Menuttes, in der 3. und 4. je zwei Bourrée und in der 5. und 6. Suite je zwei Gavottes. Dann wären die Cello-Suiten "englisch " ?


    Im übrigen: ich muss zugeben, dass ich die Englischen Suiten - bislang - nur auf dem falschen Intrument kenne, nämlich in den Aufnahmen von Murray Perahia.



    VG, Bernd

  • Zitat

    Original von zatopek
    Dann wären die Cello-Suiten "englisch " ?


    Rare, medium or well done? :D
    Du hast völlig Recht, die Cello-Suiten entsprechen Bachs "englischem Modell" wie die früher entstandenen "engl." Claviersuiten.
    Wir sollten allerdings im Hinterkopf behalten, dass die Titulierungi mit englisch & französisch wahrscheinlich nicht von Bach stammt, sondern erst später aufgekommen ist.


    Die später geschriebenen Violinsonaten & -partiten folgen mit einer Ausnahme wieder teils dem präludienlosen Suiten- und teils dem italienischen Kirchensonatenmodell, obwohl sie als Fortsetzung (Libro Secondo) der Cellosuiten (Libro Primo) erscheinen. Offensichtlich geht es Bach also nicht um die einheitliche Satzreihung, sondern eher um die Rundreise durch alle möglichen Gepflogenheiten, die er sich dabei vollkommen aneignet und mit Stücken eigener Machart ergänzt.


    Zitat

    Im übrigen: ich muss zugeben, dass ich die Englischen Suiten - bislang - nur auf dem falschen Intrument kenne, ...


    Dann wirds aber Zeit. :D

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Offensichtlich geht es Bach also nicht um die einheitliche Satzreihung, sondern eher um die Rundreise durch alle möglichen Gepflogenheiten, die er sich dabei vollkommen aneignet und mit Stücken eigener Machart ergänzt.


    Spricht das dafür, dass sowohl die Cembalo- wie auch die Cello- Suiten möglicherweise von Bach gar nicht für eine Aufführung gedacht waren, sondern quasi der Übung bzw. Schulung dienen sollten ? Selbst wenn letzteres zuträfe würde das ja nicht gegen die Qualität der Werke sprechen, könnte möglicherweise aber Auswirkungen auf die Interpretation haben. So könnte ich mir denken, dass Bach einem Übenden einen viel größeren eigenen Gestaltungspielraum einräumen würde, als einem Aufführungsinterpreten, von dem er eventuell ganz bestimmte Tempi verlangen würde, selbst wenn er sie nicht notiert hat. Meines Wissens sind bei den Cello - Suiten die Tempi nicht explizit angegeben, sondern ergeben sich allenfalls aus den Tanzstücken selbst. Möglicherweise war zu seinen Zeiten auch ohne jede ausdrückliche Angabe klar, in welchem Tempo eine Sarabande oder eine Gigue gespielt werden mußte.


    Bei den Cello - Suiten gibt es einen Ansatz (dessen Berechtigung ich allerdings für mehr als zweifelhaft halte), wonach die Suiten einen religiösen Hintergrund haben sollen. Gavriel Lipkind vertritt etwa eine solche Auffassung, mit Einschränkungen eventuell auch Steven Isserlis. Dies führt aber zu völlig verschiedenen Spielweisen, bei Lipkind zu einem eher meditativen Spiel, bei Isserlis zu einer sehr impulsiven Ausdrucksweise.


    Gibt es eigentlich ähnliche Überlegungen auch bei den Englischen und Französischen Suiten ?


    VG, Bernd

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Die festgelegte Satzfolge in der Suite gibt es erst spät. Die Reihenfolge war – zwar zeitlich und regional verschieden – schon eher vorgegeben, aber der Spieler/das Ensemble konnte aus beliebigen Allemanden eine auswählen, darauf eine Gaillarde, dann eine Pavane, eine Gavotte usw.


    Erst bei Froberger und Louis Couperin beginnt so etwas wie eine festgelegte Reihenfolge bestimmter (!) Sätze


    Gilt das jetzt nicht nur für Musik für Tasteninstrumente?


    Fixe Suiten gibt es schon bei Peuerl und Schein, dort nehmen die Sätze sogar thematisch/motivisch aufeinander Bezug (wenn auch nicht alle). Das ist sogar im Vorwort vermerkt, glaube ich. Das Vorbild Brade hatte die Sätze noch haufenweise publiziert.
    :hello:

  • Zitat

    Dieuparts ‚Verdienst’ besteht allerdings darin, dass seine Stücke nicht nur auf der Insel äußerst beliebt waren, sondern auch auf dem Festland Verbreitung fanden und auch bei Bach im Notenschrank standen. Seine Reverenz erwies er dem Kollegen, indem er einen kompletten Satz Dieuparts notengetreu übernahm, allerdings an eine andere wichtige Stelle verschob und umbenannte. (Quizfrage: Um welchen Satz bei Bach handelt es sich?)


    Hz qnf Ceryhqr qre N-Qhe-Fhvgr, orv Qvrhcneg nyf Tvthr ormrvpuarg (ROT 13)
    Ich hatte sogar korrekt im Hinterkopf, in welcher Suite es ist, obwohl ich den Dieupart nicht kenne. Googlen hat es bestätigt, auf einer Website (betreffend Sempés Einspielung der Dieupart-Stücke, aber mit Begleitinstrumenten) werden noch weitere Passagen, die an Dieuparts Werke anknüpfen, genannt.


    Ich besitze bisher auch noch keine Clavicymbel-Einspielung der englischen, nur Gould und die anscheinend beliebesten (a-moll, g-moll) noch mit anderen Pianisten.


    Die französischen gehörten zu den ersten Bachschen Clavierwerken, die mir so richtig gefallen haben, auch sie habe ich mit Gould kennengelernt (und die gefallen mir nach wie vor sehr). Hier habe ich eine Cembalo-Einspielung mit Ton Koopman (Ruckers-Kopie), die mir auch recht gut gefällt (auch klanglich), aber ich kenne eben nur die. Er macht ein paar Verzierungen bei Wiederholungen, aber nicht zu aufdringlich (er macht auch nicht alle Wdh., die CD hat nur gut 70 min.)



    Sehr gelobt wurden die Einspielungen Edward Parmentiers bei einem kleinen amerikanischen Label (Wildboar); ich weiß aber gar nicht, ob es die noch gibt, es war mir damals zu umständlich in den USA zu bestellen, inzwischen ist wohl der Gründer dieses kleinen Betriebs leider verstorben, den Laden scheint es aber noch zu geben.


    "http://www.musicaloffering.com/wildboar/index.html"



    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von zatopek


    Spricht das dafür, dass sowohl die Cembalo- wie auch die Cello- Suiten möglicherweise von Bach gar nicht für eine Aufführung gedacht waren, sondern quasi der Übung bzw. Schulung dienen sollten?


    Eigentlich ist bei Bach fast immer alles mit drin: pädagogischer Zweck, frommes Christentum, virtuose Grenzgänge, letzen Endes aber auf jeden Fall einfach Musik.


    Zitat

    Selbst wenn letzteres zuträfe würde das ja nicht gegen die Qualität der Werke sprechen, könnte möglicherweise aber Auswirkungen auf die Interpretation haben. So könnte ich mir denken, dass Bach einem Übenden einen viel größeren eigenen Gestaltungspielraum einräumen würde, als einem Aufführungsinterpreten, von dem er eventuell ganz bestimmte Tempi verlangen würde, selbst wenn er sie nicht notiert hat.


    Bei Bach kann man nicht zwischen „Übendem“ und „Aufführendem“ unterscheiden. Verschiedene Schwierigkeitsgrade hat er wohl immer bedacht (von der „Applicatio“ über „Inventionen & Sinfonien“ zum „Wohltemperierten Clavier“ etwa), immer aber darauf geachtet, dass man da puren Bach vor sich hatte, an dem wenig zu deuteln gab.


    Zitat

    Meines Wissens sind bei den Cello - Suiten die Tempi nicht explizit angegeben, sondern ergeben sich allenfalls aus den Tanzstücken selbst. Möglicherweise war zu seinen Zeiten auch ohne jede ausdrückliche Angabe klar, in welchem Tempo eine Sarabande oder eine Gigue gespielt werden mußte.


    Eben. Eine Gavotte z. B. kann ich nicht langsam spielen, weil der Tänzer dann in der Luft hängenbleiben müsste. Die Namen der Tänze sind die Tempobezeichnungen.
    Bei Bach sollen die Sätze zwar nicht mehr getanzt werden, der Charakter des Stückes ist mit der Bezeichnung aber eindeutig vorgegeben.


    Zitat

    Bei den Cello - Suiten gibt es einen Ansatz (dessen Berechtigung ich allerdings für mehr als zweifelhaft halte), wonach die Suiten einen religiösen Hintergrund haben sollen. Gavriel Lipkind vertritt etwa eine solche Auffassung, mit Einschränkungen eventuell auch Steven Isserlis. Dies führt aber zu völlig verschiedenen Spielweisen, bei Lipkind zu einem eher meditativen Spiel, bei Isserlis zu einer sehr impulsiven Ausdrucksweise.


    Gibt es bei den Soloviolinstücken auch. Sogar eine CD dazu. Natürlich gibt es bei Bach fast immer mehrere Ebenen, und Interpreten betonen nun mal die eine oder andere mehr. Glücklicherweise, sollte man sagen.
    Allerdings gibt es bei Bach auch viele ‚Verschwörungstheorien’. Was da nicht alles versteckt sein soll...


    Zitat

    Gibt es eigentlich ähnliche Überlegungen auch bei den Englischen und Französischen Suiten ?


    Ich kenne keine, aber vielleicht weiß jemand noch etwas dazu.

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  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Gilt das jetzt nicht nur für Musik für Tasteninstrumente?


    In erster Linie,


    Zitat

    Fixe Suiten gibt es schon bei Peuerl und Schein, dort nehmen die Sätze sogar thematisch/motivisch aufeinander Bezug (wenn auch nicht alle). Das ist sogar im Vorwort vermerkt, glaube ich. Das Vorbild Brade hatte die Sätze noch haufenweise publiziert.


    aber in Frankreich eben erst spät, und da betrifft es auch die Lautensuiten.

  • Ich habe im Verlauf meines immer noch andauernden und aus Platzgründen nur scheibchen- bzw. kofferaumweise stattfindenden Umzugs meine Musikliteratur noch nicht hier, bin aber immerhin wieder online und diskussionswillig ... Interessanterweise steht die Betitelung der Englischen nur in einer Quelle, und da in französischer Sprache! "Suites pur les Anglois" - woher und von wem das kommt, weiß niemand.


    Roussets Einspielung der "Englischen Suiten" läuft gerade - Hildebrandts Lob kann ich nur uneingeschränkt zustimmen - in jeder Hinsicht hervorragend!
    Mich haben die "Englischen" und "Französischen" bisher immer auf Anhieb nicht so fesseln können wie die "Partiten" (Rousset wird das ändern!) - deshalb sind sie in meiner CD-Sammlung auch nicht so häufig vertreten wie letztere. Ich habe die Französischen von Hogwood auf LP - er spielt zwei französiche Cembali von Goujon/Swanen und Ruckers/Taskin - werde sie später mal wieder anhören.
    Daneben habe ich sie von Joseph Payne auf einem Ruckers-Nachbau von William Dowd; die englischen noch von Bob van Asperen auf einem Goermans/Taskin-Nachbau von Michael Johnson - will alles erst wieder anghört werden ...

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Hildebrandt


    Wir sollten allerdings im Hinterkopf behalten, dass die Titulierungi mit englisch & französisch wahrscheinlich nicht von Bach stammt, sondern erst später aufgekommen ist.


    Zu den "Englichen Suiten schrieb Forkel 1802:


    "7) Sechs große Suiten, bestehend in Präludien, Allemanden, Couranten, Sarabanden, Giuqen etc.
    Sie sind unter dem Namen der Englichen Suiten bekannt,
    weil sie der Componist für einen vornehmen Engländer gemacht hat.


    Sie sind alle von großem Kunstwerth; aber einige einzelne Stücke derselben,
    z.B. die Giquen der 5ten und 6ten Suite
    sind als höchste Meisterwerke orgineller Melodie und Harmonie zu betrachten"


    Zumindest im letzten Absatz hat Forkel recht :yes:


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Ha! Daisserjawieder! :hello:


    Zitat

    Original von miguel54
    Interessanterweise steht die Betitelung der Englischen nur in einer Quelle, und da in französischer Sprache! "Suites pur les Anglois" - woher und von wem das kommt, weiß niemand.


    oder "faites pour les anglois", meiner Erinnerung nach auf einer einzigen Abschrift. Jedenfalls hat Forkel wieder einmal frei fantasiert. :D


    Zitat

    Ich habe die Französischen von Hogwood auf LP - er spielt zwei französiche Cembali von Goujon/Swanen und Ruckers/Taskin - werde sie später mal wieder anhören.


    Auch wunderschön vom Klang her und sehr gut gespielt.


    Die von Bernhard schon belobigten Leonhardt-Aufnahmen gehören ebenfalls zum eisernen Bestand, auch wenn der Grandseigneur hier manchmal ein bisschen steifleinen wirkt.


    Cerasi und Gilbert, Jaccottet und Suzuki – sicher alle hörenswert, aber Rousset hat hier für meinen Geschmack die Standards gesetzt.

  • Von Leonhardts "Englischen" habe ich mich wegen des von Dir beschriebenen Charakters wieder getrennt.


    Payne klingt ein wenig wie ein Schüler in Bachs Studierstube, wenn ich das mit der meisterlichen Brillianz Roussets vergleiche ...


  • Zitat

    Original von miguel54
    die englischen noch von Bob van Asperen auf einem Goermans/Taskin-Nachbau von Michael Johnson - will alles erst wieder angehört werden ...


    Frage an die Experten: Ist das diejenige, die günstig bei Brilliant zu erwerben ist, und falls ja, ist sie zu empfehlen?


    Viele Grüße,
    Kerstin


    :hello:

  • Ja, das ist die Aufnahme, die innerhalb der Brilliant-Box zu haben ist (wie auch die von Payne).
    Ich habe "nur" die zwei Boxen mit allen Cembalowerken gekauft - alles gut, manches sehr gut, nichts wirklich schlecht, aber es gibt natürlich von fast allen Werken bessere Einzelaufnahmen, die dann aber wesentlich teurer kommen. Als guten Überblick habe ich den Kauf nicht bereut.

  • Höre gerade van Asperens "Englische": deutlich weniger "steifleinen" als Leonhardt, gediegen bis lebendig, auch gut aufgenommen, das Instrument klingt aber etwas hart, was weniger an der Aufnahme sondern am Cembalo liegt, denke ich. Die Goermans-Cembali, die ich gehört habe, waren alle ziemlich laut und kräftig.
    Alles in allem eine empfehlenswerte Aufnahme. Wie gesagt war ich mit den kompletten Cemablowerken von Bach bei Brilliant insgesamt sehr zufrieden.


  • Mittlerweile kenne ich mit Rousset die Englischen Suiten. Ich finde den Klang des Cembalos und Roussets Spiel sehr beeindruckend, allerdings klingt mir die Aufnahme etwas zu hallig und laut. Bei van Asperen klingt alles etwas zurückhaltender als bei Rousset, und ich kann van Asperen immer hören, für Rousset bin ich nicht immer aufgelegt. Ich möchte aber beide nicht missen.


    Wenn ich Herzklopfen und Speichelfluss bekommen möchte, lasse ich mich von Roussets Spiel der Chromatischen Fantasie und Fuge überwältigen ...

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Hallo Kerstin!


    Zitat

    Original von bachiana


    Frage an die Experten: Ist das diejenige, die günstig bei Brilliant zu erwerben ist, und falls ja, ist sie zu empfehlen?


    Also wenn es um die geht...



    ...die gefällt mir gar nicht. Mir kommt diese Interpretation farb- und lieblos vor. Ich war selbst überrascht. Da höre ich lieber weiter Perahia auf dem falschen Instrument. Wahrscheinlich wird sie irgendwann durch eine andere Cembalo-Interpretation ersetzt.
    Anderen gefällt die Aufnahme aber, wie Du siehst. Da meine Vorredener sich mit Cembalomusik besser auskenne als ich, solltest Du mein Urteil nicht zu sehr gewichten.


    Im krassen Gegensatz dazu mag ich diese...



    ...sehr gerne, lieber als Gould.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Gerade entdeckt: Eine neue Aufnahme der "Französichen", originellerweise mit dem Italienischen Konzert gekoppelt, von Francesco Cera. Nach den Klanghäppchen macht es einen guten Eindruck; der Klang scheint u.a. von der hohen Auflösung der SACD zu profitieren.


  • Zitat

    Original von Pius
    Im krassen Gegensatz dazu mag ich diese...



    ...sehr gerne, lieber als Gould.


    Da hat Brilliant Classics die lizensierte von Payne durch eine Neuaufnahme von Belder ersetzt - da ich Payne etwas langweilig fand, so wie Du van Asperen, werde ich die mal auschecken.

  • Acht Jahre ruht dieser Thread nun.

    Nun wollte es der Zufall, daß ich im Rahmen der Aufarbeitung meiner ungehörten CDs auf eine Box mit den sogenannten Englischen Suiten (und wie ich erst jetzt seh, auch den Partiten) von Johann Sebastian Bach, gespielt von Gustav Leonhartdt gestoßen bin. Seit Jahren originalversiegelt im "Wartebereich" Ich erinnere mich dunkel, daß mir diese Werke in meiner Jugend nicht allzuviel gegeben haben. Daher verschob isch die Hörsitzungen seit Jahren immer wieder. Heute aber sollte es sein, für einenen Eintrag für "Was höre ich gerade Jetzt ?" ist das allemal gut. Aber- oh Wunder !! Was mich vor dreissig oder mehr Jahren (wir wollen das nicht im einzelenen nachrechnen, waren aber wahrscheinlich mehr als vierzig) eher kalt gelassen hat, das begeisterte mich vom ersten Augenblick an. Und natürlich musste ein passender Thread gesucht werden. Aus zwei vorhandenen wählte ich diesen, weil sich der auch mit dem "richtigen" Instrument auseinandersetzt. Und Leopnhardt hat sicher auf einem "richtigen" Instrument gespielt
    Die Suiten auf dieser Aufnahme spielt er auf einem Cembalo von Nicolas Lefebre, Rouen (1755), welches 1984 von Martin Skrowonnek restauriert wurde, also zwei Jahre bevor diese Aufnahme gemacht wurde.
    Man sagt Gustav Leonhardt ja immer wieder ein historisch sehr korrektes aber ein wenig "steifes" Spiel nach. Über ersteres maße ich mir kein Urteil an, zweiteres habe ich indes nicht so empfunden. Es ist zumindest so, daß sein Spiel (zumindest mich)mitreisst und (mir) Freude bereiten kann. Das ist schon mal ein guter Anfang.
    Denn es soll nicht dabei bleiben. Die Interpretaton von Bachs werken ist auch "modischen" Schwankungen unterworfen - und es ist sicher interessant welche Spielarten sich im Laufe der Zeit entwickelt haben


    Aufnahmen mit modernem Flügel können sicher auch interessant sein - sollten aber im Parallelthread ihren Platz finden.


    Große und kleine- Englische und Französische Suiten von J.S. Bach


    Und einen weiteren Thread mit etwas anderer Gewichtung gibt es seit kurzem.
    Bachfreund - was willst Du mehr ?


    Rauschhafte Interpretationen bachscher Klavierstücke


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Nachlassverzeichnis Johann Sebastian Bachs aus dem Jahr 1750 sind zwei Lauten-Cembali vermerkt.


    So liegt es nahe, die Französischen Suiten BWV 812-817 auf Instrumenten mit dieser Bauweise einzuspielen. Das Label Brilliant Classics, das in diesem Thread bereits mit anderen Aufnahmen der Französischen Suiten mit Cembali vertreten ist, hat die Interpretation des amerikanischen Cembalisten Wolfgang Rübsam auf dem Lauten-Cembalo herausgebracht.


    "Star" dieser Aufnahme ist das verwendete Lauten-Cembalo des amerikanischen Cembalobauers Keith Hill, sein Opus 458, das einen kantablen Spielstil erlaubt. Da Darmsaiten ohne Dämpfer zur Verwendung kommen, ist das Klangbild wärmer mit sonorer Tiefe und heller Höhe als bei einem herkömmlichen Cembalo. Das heisst: Der Klang des Cembalos wird mit demjenigen der Darmsaiten einer Laute kombiniert.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Hinsichtlich de Titels "Englische Suiten" gibt es erstaunliche Entdeckungen. Der gute Forkel wird nun doch nicht fantasiert haben, sondern war gut informiert.

    "Hauptverdächtigter" ist ein Cyrill Wich (1694 - 1756), ab 1719 britischer-braunschweig-lüneburgischer Gesandter in Hamburg. Diese Stelle hatte schon sein Vater, sodass Cyrill Wich in Hamburg aufgewachsen ist. Vermutlich war Vincent Lübeck sein Cembalolehrer. Schon Mattheson widmete dem "gran virtuoso Signore Cyrillo Wich" seine Sonate für 2 Cembali. Es stellte sich nunmehr die Frage: wie konnte JS Bach den Herrn Wich kennenlernen? Die Antwort ist recht einfach, da Bach sich bekanntlich um die Organistenstelle an St. Jacobi bewarb. Nur, die Datenlage für die Anwesenheit Bachs in Hamburg war sehr dürftig. Abgereist ist er am 23.11 1720, ohne das Probespiel abzuleisten. In Köthen ist er noch am 11.08.1720 anwesend. Er könnte folglich gut 3 Monate in Hamburg verbracht haben. Insofern könnte der Hinweis "Fait pour les Anglois", der in einer Abschrift dieser Suiten von JC Bach (also sein jüngster Sohn) schon seine Richtigkeit haben.

    Das alles ist in dem Artikel "Bach in Hamburg" von Dr. B. Koska, Bach Archiv Leipzig, Bach-Jahrbuch 2021 ausführlich nachzulesen.