Bekanntlich treten wir in Kürze in die traditionelle Woche der Besinnlichkeit ein, die immer noch für manche, zumal sie nur dann Zeit dafür haben, auch eine der Besinnung ist. Der rechte Zeitpunkt also, Definitionsfragen wie "Was ist Musik" auf die einzig sinnvolle Frage zurück zu führen, nämlich die radikal subjektive: Was bedeutet mir Musik und was suche ich darin?
Es gab zwar schon eine Reihe ähnlicher Threads, aber, jedenfalls soweit ich feststellen konnte, noch keinen mit spezifischen Spielregeln. Die erklären sich am besten anhand des folgenden Beispiels. Deshalb mache ich mal den Anfang und nenne eine Reihe von denkbaren Begriffen, die Ihr zitieren, variieren und nach eigenem Gusto ergänzen könnt. Selbstverständlich sind die nachfolgenden Begriffe nur Beispiele und können innerhalb eines Maximums von zehn Nennungen beliebig ausgetauscht werden:
Was suche ich in der Musik - und wo finde ich es ?
An- und Aufregendes -
Angenehme Geräuschkulisse -
Erhabenheit -
Fortschritt -
Heiterkeit -
Leidenschaft -
Melodik -
Neue Horizonte -
Perfektion -
Schönheit -
Spaß -
Trost -
Unterhaltung -
Weisheit -
etc. ad. lib.
Die Spielregeln: jede/r kann bis zu zehn Begriffen definieren oder auswählen und sollte dazu ein Werk in der für sie/ihn maßgeblichen Aufnahme nominieren. Das kann natürlich auch stückweise geschehen, muss also nicht gleich komplett eingestellt werden. Wenn sich genügend Taminas und Taminos daran beteiligen, könnte daraus ein repräsentativer Kanon der besten - im Sinne von subjektiv bedeutendsten - Werke oder einfach nur der Lieblingswerke der Paminas und Taminos daraus werden. Es zählen nur einzelne Werke, in denen Ihr den gesuchten Begriff am besten befriedigt findet, also nicht etwa "alles von Beethoven", sondern allenfalls "Beethoven: 9. Sinfonie". Natürlich ist es erwünscht, aber nicht Pflicht, die Nominierungen auch zu begründen.
Hier meine ersten drei Beispiele:
Erhabenheit - Hector Berlioz: Les Troyens
Ich hätte dieses überragende Meisterwerk auch für eine Reihe anderer Begriffe nominieren können, etwa Fortschritt, Leidenschaft, Weisheit (Heiterkeit eher nicht), aber genau das macht, in Verbindung mit seiner kühnen Wahl und dem kongenialen Zuschnitt von Vergils Vorlage, seine Erhabenheit für mich aus. Die ausgewählte Aufnahme John Eliot Gardiners mit Susan Graham, womit die beiden für mich wichtigsten Faktoren der Aufnahme genannt sind, ist nur eine von mehreren sehr guten (s. TMOO - Troyens, Les ), aber diejenige, welche mir DERZEIT am meisten zusagt.
Heiterkeit - Giuseppe Verdi: Falstaff
Ich hätte hier auch Mozarts LE NOZZE DI FIGARO nennen können, aber Verdis altersweises, perfektes Werk mit seiner Vielzahl mehr oder weniger unauffälliger musikalischer Scherze ist das einzige, das seine Wirkung der Erheiterung unweigerlich erzielt, wann immer ich es auflege, sogar mehr noch als die ebenfalls todsicher wirkenden, aber vordergründigeren heiteren Werke Offenbachs oder Rossinis. Die gewählte erste Aufnahme Herbert von Karajans mit seinem absolut untadeligen Ensemble auf allerhöchstem Niveau war meine erste und bleibt trotz gerade bei diesem Werk sehr starker Konkurrenz (s. TMOO - Falstaff) diejenige, an der sich alle messen lassen müssen.
Trost - Richard Strauss: Vier letzte Lieder
Fast mehr noch als bei den anderen Begriffen war hier die Konkurrenz besonders stark. Mein erster Spontaneinfall war z. B. Faurés REQUIEM. Letztlich aber entschied auch hier der altersweise Stil eines der ganz Großen, der es weder an erfüllender Melodik noch an höchster Kunstfertigkeit fehlen lässt, in Verbindung mit vier wunderschönen Gedichten von Herrmann Hesse und Joseph von Eichendorff für mich diese Wahl. Bei den Aufnahmen war die Qual der Wahl eher noch größer (s. Vier letzte Lieder von Richard Strauss - was ist die ultimative Aufnahme?). Für diese mustergültige Einspielung mit einer Gundula Janowitz in Topform, in der sie ohne Weiteres neben anderen Kandidatinnen wie Elisabeth Schwarzkopf, Lisa della Casa und anderen bestehen kann, entschied ich mich letzten Endes wegen der optimalen Kopplung mit den beiden anderen Werken von Richard Strauss, die hier auch hätten genannt werden können.
Nicht von ungefähr sind damit auch meine drei anhaltenden Lieblingskomponisten genannt. Aber ich habe ja noch sieben frei.
Auf rege Beteiligung, nicht nur zwischen den Jahren, freut sich
Jacques Rideamus