1. Dresdner Chorwerkstatt vom 13. bis 17. Januar 2009

  • Ich möchte hier alle Freunde der Chormusik auf einen Workshop in Dresden hinweisen:


    1. Dresdner Chorwerkstatt vom 13. bis 17. Januar 2009


    veranstaltet vom Dresdner Kammerchor in Kooperation mit der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden und dem Europäischen Zentrum der Künste Hellerau


    Die Dresdner Chorwerkstatt richtet sich an
    - erfahrene ChorsängerInnen,
    - GesangsstudentInnen,
    - KompositionsstudentInnen, KomponistInnen,
    - ChorleitungsstudentInnen sowie ChorleiterInnen,

    die an zeitgenössischer Chormusik und an unkonventionellen Vokaltechniken interessiert sind.


    Die Teilnehmer erwartet in den fünf Veranstaltungstagen eine Reihe wissenschaftlicher Vorträge und Diskussionen (mit Angelika Luz, Clytus Gottwald, Jörn Peter Hiekel und Helmut Lachenmann).


    Im Zuge der Dresdner Chorwerkstatt wurden überdies vom Europäischen Zentrum der Künste Hellerau drei Kompositionsaufträge für gemischten Chor a cappella vergeben. Die Komponisten Reiko Füting, Florian Heigenhauser und Alexander Keuk sollten sich mit Texten, die bereits von Johannes Brahms vertont wurden, musikalisch auseinandersetzen.


    Neben der wissenschaftlichen Vortragsreihe haben die Teilnehmer die Möglichkeit, in den Werkstattproben die beauftragten Komponisten persönlich kennen zu lernen.


    Schließlich werden unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann (Chefdirigent) und Jörg Genslein (1. Dirigent) ausgewählte Teile der neu entstandenen Kompositionen von den Teilnehmern musikalisch erarbeitet.


    Darüber hinaus ermöglichen die öffentlichen Proben des Dresdner Kammerchores den Teilnehmern interessante Einblicke in die Probenarbeit eines professionell arbeitenden Ensembles.


    Höhepunkt und Abschluss der Dresdner Chorwerkstatt für Neue Musik bildet das Konzert des Dresdner Kammerchores und der Teilnehmer der Chorwerkstatt am 17. Januar 2009 unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann. Im Rahmen dieser Veranstaltung ist geplant, die »Werkstattkurskomposition« von den Teilnehmern als musikalisches Ergebnis der Werkstattproben öffentlich aufführen zu lassen. Im Zentrum des Konzertes stehen neben Werken von Helmut Lachenmann und Clytus Gottwald die Uraufführungen der Kompositionsaufträge, die im Kontrast zu den jeweiligen Brahmsschen Vertonungen präsentiert werden.



    Die Teilnahmegebühr beträgt 50 Euro bzw. 30 Euro für Schüler und Studenten.
    Anmeldung bis 01.12.2008 unter Dresdner Kammerchor




    Ich selber habe schon vielfach unter der Leitung von H.-C. Rademann geprobt und gesungen, und kann nur jedem leidenschaftlichen Chorsänger empfehlen, die Möglichkeit zu nutzen, ihn bei der Arbeit kennen zu lernen. Daneben versprechen auch die Begegnungen mit den eingeladenen Komponisten äußerst interessant zu werden.


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Hier noch das Programm des Abschlusskonzertes
    am Sa. 17.01.2009 um 20 Uhr
    im Neuen Konzertsaal der Hochschule für Musik Dresden:


    - Helmut LACHENMANN (*1935) Consolation II für 16 gemischte Stimmen (1968 )


    - Luciano BERIO (1925-2003) Sequenza für Stimme solo ( 1966 )

    - Johannes BRAHMS (1833-1897) "Abendständchen", aus: Drei Gesänge op. 42
    - Reiko FÜTING (*1970) "der töne licht" ( 2008 ) UA


    - Johannes BRAHMS (1833-1897) "Vineta", aus: Drei Gesänge op. 42
    - Alexander KEUK (*1971) Vineta- Exerzitien ( 2008 ) UA


    -Pause -


    - Karsten GUNDERMANN (*1966) EMOTIK ( 2008 ) _UA


    - Kurt SCHWITTERS (1887-1948 ) Auszüge aus: Die Ursonate ( 1923 - 32 )


    - Johannes BRAHMS (1833-1897) Letztes Glück, aus: Fünf Gesänge op. 104
    - Florian HEIGENHAUSER (*1963) Letztes Glück 2.1 ( 2008 ) UA


    - MESSIAEN / GOTTWALD (*1925) Louange à l’Éternité de Jésus (1992) aus dem "Quatuor pour la fin du temps"
    arr. für 19-stimmigen Chor a cappella


    Ausführende:
    Angelika Luz, Stimme solo
    Teilnehmer der Dresdner Chorwerkstatt für Neue Musik
    Dresdner Kammerchor
    Dirigent: Hans-Christoph Rademann, Jörg Genslein

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Da ich selbst an der Chorwerkstatt teilgenommen habe, möchte ich hier kurz von meinen Eindrücken dieser Woche berichten.


    Echte Highlights der Woche waren die Vorträge/Gespräche mit Clytus Gottwald ("..und dah hab ich Ligeti gefragt, ob er ein Stück für die Schola Cantorum schreiben könnte. Und dann hat er für uns Lux aeterna geschrieben..") sowie Helmut Lachenmann ("..und da sagte Nono zu mir: Du hast da in der Violine 2 Töne hintereinander mit Bindebogen geschrieben. Das ist ja eine Melodie! Das ist bürgerliches Relikt!"). Hier spürte man in jedem Satz, dass diese beiden Musiker nicht nur "dabei" waren, sondern dass sie selbst die neue Musik unhd Avantgarde prägend mitgestaltet haben. In ihren erzählungen haben sie Zusammenhänge, Motivationen aber auch Geschichten und Anekdoten aus dieser Zeit berichtet. Wirklich unglaublich spannend!


    In den Werkstattkursen wurde nicht nur eine Kurslkomposition von Karsten GUNDERMANN einstudiert (ein eher witziges und unterhaltsames Stück, jedoch mit interessanten Ansätzen der Notation) sondern auch mit der Sängerin Angelika Luz verschiedene Vokaltechniken ausprobiert. Anhand einiger Beispiele aus den vom Kammerchor neu einstudierten Werke wurden von Hans-Christoph Rademann die Schwierigkeiten und Erarbeitungs bzw. Interpretationsansätze Neuer Chormusik aufgezeigt. Übrigens waren sämtliche Komponisten anwesend und so konnten Fragen über die Werke direkt an deren Schöpfer gestellt werden. Eine seltene Gelegenheit!


    Zuletzt konnte in mehreren Proben die Arbeit des Dresdner Kammerchors unter seinen Dirigenten Hans-Christoph Rademann und Jörg Genslein beobachtet werden. Es war sogar möglich, sich in den Chor zu setzen und quasi hautnah die Einstudierung der neuen Werke erleben. Gerade diese Proben waren für mich als Chorsänger ein großer Gewinn dieser Woche.


    Ein spannender Effekt stellte sich erst nach der Woche ein. Dadurch, dass man eine Woche lang nur über Neue Musik geredet hat und sich die Aufgeschlossen im Kreis der Kursteilnehmer und Chorsänger regelrecht aufgeschaukelt hat, habe ich tatsächlich neue Zugänge zu bisher mich ratlos zurücklassender Musik gefunden. Auf der Rückfahrt im Auto lief durch ein Maleur am Titelwahl-Taste des CD-Players plötzlich Nono statt Strauss. Und siehe da: es giefiel mir plötzlich viel viel besser als zuvor. Insofern also auch ein Gewinn für mich als Musikliebhaber!


    P.S.: Ahso. Das 1., 2. und sogar 3. Dresdner Tamino-Treffen hat ebenfalls stattgefunden, jeweils mit pt_concours und mir, meist spät abends, meist mit viel Bier. :D Es hat großen Spaß gemacht sich einmal live zu sehen und über unsere Leidenschaft, Musik und der Drang sich forumal damit extrovertieren, zu unterhalten. :yes: Das nächste Mal bekommen wir bestimmt ein paar mehr Taminos zusammen.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Hallo,


    eine Woche nach dem Abschlusskonzert möchte ich auch noch ein paar Eindrücke von dem Projekt niederschreiben.


    Leider konnte ich mir aus zeitlichen, d.h. beruflichen Gründen nicht die interessanten Vorträge anhören- ließ mir aber immer zumindest von chorknabe immer aus erster Hand darüber berichten....


    So werde ich hier vor allem etwas zu einigen Stücken des Konzertes sagen:
    Die Auswahl der drei Komponisten war sehr glücklich, da sie alle drei mit sehr unterschiedlichen Ansätze bekannt machten.
    Zuerst einmal finde ich es interessant, dass alle drei Werke eine große Mehrstimmigkeit verlangten: FÜTING (SSATBB/ SSATB), KEUK (SSS/AAA/TTT/BBB) und HEIEGENHAUSER noch eher moderat (SSATTB- teilweise noch weiter unterteilt bis zur Achtstimmigkeit).


    Das Werk von Reiko FÜTING (*1970) begann mit der ersten Strophe des Abendständchens („Hör, es klagt die Flöte wieder“), welches aber vom Komponisten von original 6 auf 12 Stimmen verteilt wurde. Die erste Strophe des Brahmsliedes ging dann nahtlos in die eigene Komposition über, welches mit sehr sparsamen und zurückhaltenden Mitteln, die Struktur des Liedes aufgriff und dieses immer weiter durch Verfremdungen auflöste. Besondere Bedeutung erlangte hier auch die Sprache, bei der die Worte bis hin zu einzelnen Konsonanten (s, sch, f, etc.) in verschiedene kleinere komplexe Strukturen aufgelöst wurden. Dabei war die ganze Zeit der Ton D als Orgelpunkt von wechselnden Stimmen gesummt. Das Stück schloss mit der 2. Srtophe des originalen Abendstänchens (wieder auf 12 Stimmen verteilt).
    Eine Besonderheit dieses Werkes war, dass Noten entsprechend der Dynamik rhythmisiert notiert wurden, d.h. eine gehaltene Dreiviertel-Note wurde in zwei (übergebundene) dreiviertelachtel-Noten unterteilt, um eine gleichmäßiges crec. – decres. zu notieren.
    Das Stück ist zwar tonlich nicht besonders schwer (und auch rhythmisch nur selten komplizerter), offenbarte aber große Anforderung in Hinsicht auf Intonation Homogenität und Präzision.


    Das Stück von Alexander KEUK (*1971) war mehr mit spielerischen Lautmalereien erfüllt und enthielt (meiner Meinung) auch einige ironische Elemente. Mit teilweise recht einfachen Mitteln (verfremdete Atemgeräusche) wurden sehr schöne Stimmungen erzeugt, so stand hier der für mich das Atmosphärische im Vordergrund.


    Das Werk von Florian HEIGENHAUSER (*1963) war für micht das anspruchsvollste, aber vielleicht auch das interessanteste Stück dieser „Trilogie“, Rhythmisch -zumindest beim ersten Kontakt- sehr ungewohnt (3+4+2+3+3/ 8- Takt im Mittelteil 5+5+5/ 8-Takt), war es auch tonlich durch starke Clusterbildungen im Zusammenklang anspruchsvoll. Geschickt wurde hier vom Ausgangspunkt des BRAHMSschen „Leblos gleite Blatt um Blatt“ Texte aus dem „Deutschen Requiem“ (z.B. „...alles Fleisch ist wie Gras...“) sowie auch aus den „Vier ernsten Gesängen“ verwoben. Gerade bei diesem Stück war für mich die Anwesenheit des Komponisten sehr interessant. Da dieser erst gegen Ende der Probenphase hinzukam, wurden dann noch relativ kurzfristig Korrekturen in der Interpretation (z.B. Tempo) vorgenommen, die den Charakter des Werkes doch stark veränderten. Dabei hat der Komponist mit dem ersten Hören seines Werkes auch spontan einige seiner Anweisung (besonders der Dynamik) gerändert. Gerade hier war es für mich sehr spannend, da man hier den interessanten Vergleich hatte, wie man das Werk „nur“ aus den Noten interpretiert, und wie weit dies mit den Vorstellungen des Komponisten übereinstimmt.
    Interessant, dass die Schwierigkeit der einzelnen Werke von den verscheidenen Stimmgruppen zum Teil erheblich unterschiedlich emfunden wurde.
    Ebenso faszinierend war für mich auch, im persönlichen Kontakt mit den „Werkschöpfern“ zu erleben, wie ich doch deutliche Ähnlichkeiten zwischen dem Charakter der Werke und der Komponisten warnahm.


    Erwähnen möchte ich hier auch unbedingt die Werkstattkurskomposition von Karsten. GUDNERMANN (*1966), die ich im Konzert zum ersten Mal hörte (und sah).
    Ausgangspunkt waren (die uns hier ja auch sehr vertrauten) kleinen Graphiken, wie z.B. Simleys, die uns im Leben immer häufiger begegnen. Zum anderen versuchte der Komponist mit diesem Werk auch für die -in Besetzung und Können- vorher eher unbekannten Workshop-Teilnehmer ein anpassungfähiges Stück zu schreiben.
    Den korrekten Titel des Werke kannman hier auch leicht wiedergeben:
    E M :) T I K
    Die Notation erfolgte in Form eines Films, welcher in zeitlicher Anfolge die Graphiken erscheinen liess, die zum Teil mit einem kurzen Wort erklärt wurden. Dabei verlangt das Stück fünf Gruppen, wobei die fünfte Gruppe das Publikum bildet (welches deshalb erst im Konzert hinzutrat). Art, Dauer, Lage (oben/ unten) sowie Intensität des Zeichens waren die nötigen Angaben zur Ausführung. Es begannen immer die vier Gruppen der Workshop-Teilnehmer, welche in vier Gruppen im Raum verteilt waren, sie stellten die „Themen“ in der Art eines „Vorsängers“ vor, später wurde dann das Publikum miteinbezogen. Schade nur, dass sich der Komponist -meiner Meinung- zuviel auf den „Spass“ seiner Idee verlassen hatte, und das ganze mehr ein Spiel wurde (d.h., das Publikum, welches größtenteils freudig mitwirkte, war mehr damit beschäftig alle Anweisungen richtig auszuführen, als sich auf Stimmung und Klänge einzulassen.), als die große Kraft dieser schönen Idee zu besonderen Klängen zu nutzen.
    Interessant, das man dieser Werk wohl mit jedem Publikum überall auf der Welt aufführen kann (so ein Bildschirm/ Beamer zur Verfügung steht) und auch für Kinder erscheint mir dieses Werk hervorragend geeignet. Dabei dürfte auch der Part der „Workshop-Teilnahmer“ leicht von vielen zu erlenen sein.


    pt_concours


    Schön, dass es auf diesem Wege zum ersten „Tamino-Stammtisch“ in Dresden kam, wobei natürlich das Thema „Chormusik“ eine Hauptrolle spielte.

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)