Bachs Opus 1: Partiten BWV 825 - 830

  • Guten Tag


    Von 1726 bis 1731 veröffentlichte Bach jeweils im Jahresabstand eine Partita für Cembalo.
    Im Jahre 1731 fasste er diese sechs Kompositionen zusammen und veröffentlichte sie – unter Verwendung von Originaldruckplatten – als sein Opus 1.


    Die erste dieser Partiten erschien im Herbst 1726 unter dieser Ankündigung:


    "Da der Hochfl. Anhalt-Cöthensche Capell-Meister und Direktor Chori Musici Lipsiensis,
    Herr Johann Sebastian Bach ein Opus Clavier Suiten zu ediren willens, auch mit der ersten Partiae den Anfang gemacht hat,
    und solches nach und nach, bis das Opus fertig, zu continuiren gesonnen;
    so wird solches den Liebhabern des Claviers wissend gemacht.
    Wobey denn zur Nachricht dienet, daß der Autor von diesen Wercke selbst Verleger sey"


    Der Originaltitel der Partiten lautete:


    „Clavir-Übung / bestehend in /
    Praeludien, Allemanden, Couranten, Sarabanden, Giguen, / Menuetten, und anderen Galanterien ;
    / Denen Liebhabern zur Gemüths Ergoetzung verfertiget /
    von /
    Johann Sebastian Bach /
    Hochfürstl: Sächsisch Weisenfelsischen würcklichen Capellmeistern / und /
    Directore Chori Musici Lipsiensis. /
    OPUS 1 /
    In Verlegung des Autoris / 1731.“



    Zwischenzeitlich sind jede Menge Einspielungen von:


    Partita I B-Dur BWV 825
    Partita II c-Moll BWV 826
    Partita III a-Moll BWV 827
    Partita IV D-Dur BWV 828
    Partita V G-Dur BWV 829
    Partita VI e-Moll BWV 830


    auf verschiedenen "Clavieren" eingespielt worden.


    Welche Einspielungen kann man den Liebhabern zur Gemüths Ergoetzung empfehlen (welche nicht) ?


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Vielleicht vor den bunten Coverbildchen noch ein bisschen Hintergrund zu den Partiten, denn wenn Bach sie als erste Clavierübung hat drucken lassen (der noch drei weitere folgen sollten), hat er den Stücken einiges Gewicht beigemessen.


    Es ist doch bemerkenswert, dass Bach nur Kompositionen für Tasteninstrumente mit Opus-Zahlen versehen hat. Hat er sich doch in erster Linie als Cembalo- und Orgelmensch verstanden? Immerhin hatte er den Ruf, einer der bedeutendsten Virtuosen der Zeit zu sein. In den Partiten geht es dann auch oftmals ziemlich zur Sache; den Anfänger hatte Bach hier nicht im Blick, denn spätestens in der Gigue ist Schluss mit lustig. :D


    Zum Überblick noch die Satzbezeichnungen:


    Partita 1 B-Dur: Praeludium - Allemande - Corrente - Sarabande - Menuet I - Menuet II - Giga


    Partita 2 c-moll: Sinfonia - Allemande - Courante - Sarabande - Rondeaux - Capriccio


    Partita 3 a-moll: Fantasia - Allemande - Corrente - Sarabande - Burlesca - Scherzo - Gigue


    Partita 4 D-Dur: Ouvertüre - Allemande - Courante - Aria - Sarabande - Menuet - Gigue


    Partita 5 G-Dur: Praeambulum - Allemande - Corrente - Sarabande - Tempo di Minuetto - Passepied - Gigue


    Partita 6 e-moll: Toccata - Allemande - Corrente - Air - Sarabande - Tempo di Gavotta - Gigue


    Man sieht, dass das Skelett der alten Suite (Allemande-Courante-Sarabande-Gigue) immer vorhanden ist (in der 2. Partita wird die Gigue durch ein schnelles Capriccio vertreten).
    Jeder Partita ist ein freieres Stück – kein Tanzsatz – vorangestellt. Bis auf die Ouvertüre scheinen mir die Bezeichnungen dieser 'Vorspiele' frei austauschbar.
    Auffällig sind auch die häufigen italiensichen Bezeichnungen.
    Es geht hier um den 'vermischten Geschmack', um die Koexistenz von Frankreich und Italien in derselben Komposition, was in der Clavierübung 2 (Ital. Konzert & frz. Ouvertüre) wieder auseinanderdividiert wird.


    Und noch etwas (woran sich kaum ein Interpret hält): Bis auf den jeweils ersten Satz bestehen alle Sätze aus zwei Teilen, die beide immer und ausnahmslos mit Wiederholungszeichen versehen sind.
    Es handelt sich dabei um die Aufforderung an den Spieler, das Stück nicht notengetreu zu wiederholen, sondern im zweiten Durchgang ein 'Double' zu spielen, also mit eigener Fantasie zu variieren und zu verzieren.


    Als Instrument kommen Cembalo und Clavichord in Frage. Ein zweites Manual, wie es für die Clavierübung 2 und 4 (Goldbergvariationen) vorgeschrieben und auch nötig ist, braucht man hier nicht – auch wenn es ganz nützlich ist.


    Es gibt eine Vielzahl hervorragender Einspielungen, so dass für jeden Geschmack etwas dabei ist.
    Mein Favorit ist wieder einmal Scott Ross, auch wenn er nicht alle Wiederholungen spielt und zudem sein übliches Instrument einsetzt, einen originalen Franzosen, der allerdings wunderbar klingt.


    Suzuki gefällt mir hier ausnahmsweise nicht so gut. Mir fehlt ein bisschen die Spannung, und außerdem klingt das Cembalo etwas dünn und kurz. Allerdings scheint er es mit den Wiederholungen genau zu nehmen, die Gesamtspielzeit von 160 Minuten deutet darauf hin (aber ich hör's mir deswegen nicht noch einmal an).


    Recht unbekannt, aber doch empfehlenswert:
    Lucy Carolan mit einer Mietke- und einer Goermans-Taskin-Kopie für je drei Partiten. Lebhaft und mit einiger Fantasie in den Wiederholungen.


    Aber das sind nur drei von vielen Einspielungen. Wer bietet mehr?

  • Guten Abend


    Bach verlegte die Partiten auf eigenes finanzielles Risiko und versuchte die Druckkosten durch den Verkauf hereinzuholen. Der Vertrieb erfolgte über Kollege auf Kommissionsbasis an verschiedenen Orten, die Bach mit Bedacht auswählte:


    Chrsitian Petzold, königlich Kammermusiker und Organist der Sophienkirche in Dresden;
    Johann Gotthilf Ziegler, Organist an St. Ulrich in Halle;
    Georg Böhm, Johannistorganist in Lüneburg;
    Georg Heinrich Schwanenberger, Violinist der Hofkapelle zu Braunschweig-Wolfenbüttel;
    Gabriel Fischer, Mitglied des Ratsmusik-Collegium in Nürnberg;
    Johann Micheal Roth, Mitglied des Ratsmusikcollegiuzm in Augsburg.


    Die Partiten verkauften sich -verständlicher Weise- gut, daß Bach alle sechs Partiten nochmals drucken und in einem Band veröffentlichte.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Wenn ich recht erinnere, gibt es zu einigen der Partiten Vorläufer in irgendwelchen Notenbüchlein (a-moll?). Sind das nur einzelne Stücke gewesen und wurden die ganz neu zusammengestellt oder nur nochmals überarbeitet.
    Zu den Eingangsstücken habe ich irgendwo mal was relativ Schlaues gelesen; sie sind jedenfalls abwechslungsreicher (auch wenn der "Präludium" und "Präambulum" sicher keinen großen Bedeutungsunterschied haben) als bei den Englischen Suiten.


    Meine Favoriten sind Nr 1, 2 und 4 (Allemande u. Sarabande :jubel: :jubel: :jubel: )und die Toccata aus 6 (den Rest von 6 finde ich etwas sperrig)
    Insgesamt halte ich die Reihe für die beste unter den drei Sammlungen und für einen besseren Einstieg in Bachs Claviermusik als die Goldbergvar. oder das WTC.


    Meine favorisierte Interpretation ist die von Glenn Gould :D
    Auf Eierschneider habe ich allerdings nur den Rampe, der mir zwar auch nicht schlecht gefällt, aber etwas trocken ist.


    Ross' Aufnahme werde ich jedenfalls mal vormerken, kaufen darf ich jetzt wirklich bis Ende November nichts mehr.
    Andererseits, wenn demnächst die Hyperinflation droht... für andere Sachwerte habe ich eh nicht genügend Geld


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Meine favorisierte Interpretation ist die von Glenn Gould :D


    Dito :yes:
    Goulds Bach gewinnt bei mir sowieso immer. Wenn auch nicht überall so hoch wie bei den Suiten und den Goldbergvariationen.
    Sein Spiel scheint mir von allen Bachinterpreten am tiefsten empfunden, ergreifend und durchdacht.


    Wobei ich als besten Einstieg für den vollkommenen Bachneuling die Violinkonzerte und das Italienische Konzert empfehlen würde...

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Guten Morgen


    Zitat

    Original von Bernhard
    Die Partiten verkauften sich -verständlicher Weise- gut, daß Bach alle sechs Partiten nochmals drucken und in einem Band veröffentlichte.


    Eine Einzelauflage der "Clavierübung I" mochte wohl mindestens hundert Exemplare umfasst haben, die in Kupfer gestochene, 73 Seiten umfassenden Clavierübung I kostete damals 2 thlr. (nach heutiger Währung rund 144 €), ein Exemplar fand den Weg nach Italien zum Patre Giambattista Martini in Bologna, der Bach sehr schätze.


    Nikolaus Forkel lobte in seiner Bachbiografie von 1802 die Partiten aufs Höchste:


    "Dieses erste Werk besteht aus 6 Suiten, von welchen die ersten im Jahr 1726 herauskamen, und die übrigen einzelnen nachfolgten, bis sie im jahre 1731 zusammengestochen wurden. Dieß Werk machte zu seiner Zeit in der musikalischen Welt großes aufsehen; man hatte noch nie so vortreffliche Clavierkompositionen gesehen und gehört. Wer einige Stücke daraus recht gut vortragen lernte, konnte sein Glück in der Welt damit machen; und noch in unserem Zeitalter wird sich ein junger Künstler Ehre damit erwerben können, so glänzend, wohlklingend, ausdrucksvoll und immer neu sind sie"


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Morgen


    Zitat

    Original von Hildebrandt
    Wer bietet mehr?


    Die Partita IV D-Dur habe ich in dieser



    Einspielung mit Andreas Staier vorliegen.


    A. Staier hat die "Clavierübung Teil I" z.B. auch in seiner Staier Edition: J.S.Bach eingespielt



    Kennt wer diese Aufnahme ?


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Wenn ich recht erinnere, gibt es zu einigen der Partiten Vorläufer in irgendwelchen Notenbüchlein (a-moll?). Sind das nur einzelne Stücke gewesen und wurden die ganz neu zusammengestellt oder nur nochmals überarbeitet.


    Die Erstzustände der Partiten 3 & 6 gibt es im 2. Notenbüchlein der A. M. Bach.
    Die übrigen Partiten sind offensichtlich alle 'Originale'.
    Ein oder mehrere Sätze tauchen bearbeitet später in Kantaten wieder auf, da müsste man genauer nachsehen.

    Zitat

    Zu den Eingangsstücken habe ich irgendwo mal was relativ Schlaues gelesen; sie sind jedenfalls abwechslungsreicher (auch wenn der "Präludium" und "Präambulum" sicher keinen großen Bedeutungsunterschied haben) als bei den Englischen Suiten.


    Das gehört dann in den Thread 'Englische Suiten'.


    Zitat

    Insgesamt halte ich die Reihe für die beste unter den drei Sammlungen


    So ähnlich hat Bach wohl auch gedacht, die beiden anderen wurden ja auch nicht veröffentlicht.


    Zitat

    und für einen besseren Einstieg in Bachs Claviermusik als die Goldbergvar. oder das WTC.


    Naja, das sind wieder die Äpfel & Birnen. Aber Abwechslungsreichtum und Kurzweil sind hier wohl am ehesten gegeben. Dafür verzichtet man auf die große Kontrapunktik.


    Zitat

    Meine favorisierte Interpretation ist die von Glenn Gould :D


    Stand da oben denn nicht: Bitte nur ernst gemeinte Zuschriften! :D


    Zitat

    Auf Eierschneider habe ich allerdings nur den Rampe, der mir zwar auch nicht schlecht gefällt, aber etwas trocken ist.


    Obacht! Eierschneider sind nur die schweren Rastenkästen vor der Wiedererfindung der historischen Bauweise.
    Rampe kenne ich damit nicht, aber seine übrigen Einspielungen, die ich habe, wirken alle etwas hastig und flüchtig.


    Zitat

    Andererseits, wenn demnächst die Hyperinflation droht... für andere Sachwerte habe ich eh nicht genügend Geld


    Da sagst Du was. Also schnell die einschlägigen Versender leerräumen! :D

  • Staiers Aufnahme ist auch sehr empfehlenswert.



    Die einleitenden Sätze nimmt er meist als intime Kammermusik, relativ gezügelt. Auch in den langsameren Tänzen kostet er die Melodien aus. Dann kommt wieder der Virtuose zum Zug. In der dritten Partita beispielweise denkt man, nach der Burlesca geht’s nicht mehr schneller, aber dann kommt das Scherzo. Dafür zelebriert er die Gigue dann eher als Walzer.
    Immer eigenständig gedacht und die Sätze mal als Reminiszenz an Froberger gedeutet, dann wieder als Auftritt des thüringischen Scarlatti.
    Mit den Wiederholungen verfährt er nach Gutdünken – nicht sehr vorbildlich.


    Das Instrument stammt von Keith Hill „nach deutschen Vorbildern“ und rasselt erheblich weniger als frz. Modelle – mehr glockig, könnte man sagen.

  • Bislang habe ich nur die Gould-Aufnahme; sicher muss irgendwann noch mal eine Cembalo-Aufnahme her. Aber dort sollte auch das improvisatorische Moment dieser Musik (z.B im Sinne der Praxis aus der Wiederholung eine Double zu machen, die Hildebrandt erwähnte) nicht zu kurz kommen. Dem trug Gould ja schon ein wenig Rechnung. Bloß das "richtige" Instrument zu hören finde ich jedenfalls zu wenig.


    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    die Toccata aus 6 (den Rest von 6 finde ich etwas sperrig)


    Komisch, mehr als bei anderen Suiten habe ich bei der Partita Nr. 6 den Eindruck, dass die Toccata (vielleicht ähnlich wie später erste Sonaten- und Symphonien-Sätze) sozusagen die Hauptsache ist und die nachfolgenden Sätze dann einzelne Aspekte der Toccata ausführlicher beleuchten - z.B. schließt die Sarabande an die langsame Einleitung an. Insofern ist die Partita Nr. 6 schon ein ziemlich homogener Zyklus.


    Viele Grüße


    :hello:

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  • Zitat

    Original von Kontrapunkt
    Dem trug Gould ja schon ein wenig Rechnung.


    "Ein wenig" ist aber zu wenig. Gould spielt immer ein bisschen mehr Gould als Bach...


    Zitat

    Bloß das "richtige" Instrument zu hören finde ich jedenfalls zu wenig.


    ... und das noch auf einem Klapperkasten, den die Firma Steinway kaum als eines ihrer Kinder wiedererkennen könnte. :D


    Zitat

    Komisch, mehr als bei anderen Suiten habe ich bei der Partita Nr. 6 den Eindruck, dass die Toccata (vielleicht ähnlich wie später erste Sonaten- und Symphonien-Sätze) sozusagen die Hauptsache ist und die nachfolgenden Sätze dann einzelne Aspekte der Toccata ausführlicher beleuchten - z.B. schließt die Sarabande an die langsame Einleitung an. Insofern ist die Partita Nr. 6 schon ein ziemlich homogener Zyklus.


    Die 6. fällt allerdings aus dem Rahmen. Die Toccata allein könnte im WTC gut mitmachen, denn nach der eigentlichen Toccata findet die einzige anständige Fuge der Clavierübung 1 statt. Nur die kurze Wiederaufnahme der Toccatenmotovik am Schluss verhindert die reguläre Zweisätzigkeit und lässt den Stylus phantasticus ein bisschen nachklingen – das ist Bach wohl auf halbem Wege zwischen seinen Cembalotoccaten und dem Satzpaar P & F.
    Die Sarabande zitiert nicht nur den Toccatenbeginn, danach ist sie immer noch keine Sarabande. Was folgt, erinnert eher an die Chromatische Fantasie. Der Rezitativgestus über einer reichlich vertrackten Harmonik stammt wohl auch aus des Komponisten Experimentierküche, denn als Suitensatz gibt es sowas sonst nicht bei ihm. Mit einer tanzbaren Sarabande hat das jedenfalls nicht mehr viel zu tun.

  • Bei den Aufnahmen bleiben noch die Altmeister:


    Walcha hat die Partiten auf einem Ammer-Cembalo eingespielt, das nicht mehr Eierschneider und noch nicht vollends historisch war – zu der Zeit immerhin ein hörenswerter Versuch.
    Als CD sind die Aufnahmen mindestens zweimal wiederveröffentlicht worden, derzeit aber wohl nicht greifbar.


    Leonhardts Einspielung kenne ich nicht, dazu müssten sich andere einmal äußern.


    Etwas später (1984) entstand die Pinnock-Aufnahme, die derzeit in folgendem Gewand auf dem Markt ist:



    Pinnock spielt auf einer fantastischen Hemsch-Kopie von D. J. Way.
    Interpretatorisch liegt er mit Ross etwa auf einer Linie: Er spielt sein zweimanualiges Instrument voll aus, es wird schon öfter prächtig, und er betont die Rhythmik, ohne ins Hetzen zu verfallen.
    Die Wiederholungen variiert er immer mit mindestens einem Klangwechsel – ist ja auch schon was, wenn auch die Verzierungen noch ein bisschen zu kurz kommen.
    Insgsamt gefällt mir Pinnock mit den Partiten ausgesprochen gut. Das klingt immer noch frisch wie am ersten Tag. :D

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Etwas später (1984) entstand die Pinnock-Aufnahme, die derzeit in folgendem Gewand auf dem Markt ist: ...


    Oh ja, die hab ich noch auf LP mit schönerem Cover - sehr spielfreudig, besonders die angesprochenen Klangwechsel gefallen mir gut. Von den Cembalo-Aufnahmen meine liebste, allerdings kenne ich nur eine weitere :D: Leonhardt, der hier wieder mal für meinen Geschmack seeehr trocken daherkommt. Pinnock hat die Partiten übrigens für Hänssler nochmal eingespielt, offenbar auf dem gleichen Instrument.


    Achja, die Gould-Partiten find ich auch gut. Neben dem unmöglich klingenden Instrument kommt hier teilweise auch ein unmöglich stumpfes Klangbild dazu - aber die Negation aller Klanglichkeit kann ja auch die Ohren für andere Aspekte öffnen. :D



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Oh ja, die hab ich noch auf LP mit schönerem Cover


    Genau: Wickenstrauß von Johann Laurentz Jensen. (Gibts das Coverbildchenrätselspiel eigentlich noch, oder sind da alle eingeschlafen?)


    Zitat

    Achja, die Gould-Partiten find ich auch gut. Neben dem unmöglich klingenden Instrument kommt hier teilweise auch ein unmöglich stumpfes Klangbild dazu - aber die Negation aller Klanglichkeit kann ja auch die Ohren für andere Aspekte öffnen.


    Da ich bei Musik ungern auf die Klanglichkeit verzichte, zäume ich das Pferd lieber von vorne auf.
    Nicht nur wegen der Negation aller Klanglichkeit (und noch allerlei anderer Negationen)
    kommt mir Gould eher so vor, als hätte er es erst einmal mit Stöpseln in den Ohren (und sonstwo) versucht. :D


    Zitat

    Pinnock hat die Partiten übrigens für Hänssler nochmal eingespielt, offenbar auf dem gleichen Instrument.


    Waren das nicht lediglich lizensierte Übernahmen?

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Genau: Wickenstrauß von Johann Laurentz Jensen. (Gibts das Coverbildchenrätselspiel eigentlich noch, oder sind da alle eingeschlafen?)


    Ist momentan wieder mal in einer Sackgasse... Wenn ich nach einer Viertelstunde Überlegen und Suchen nicht weiterkomme, wird mir das inzwischen zu zeitraubend und ich verabschiede mich da... :wacky:



    Zitat

    Waren das nicht lediglich lizensierte Übernahmen?


    Hänssler übernimmt Lizenzen von DG-Archiv und die Aufnahme wird dann von zwei Labels gleichzeitig angeboten? Ich kenn mich ja mit dem ganzen Firmen-/Label-Gedöns nicht besonders aus, aber das würde mich jetzt überraschen.


    Wenn ich den auf die Schnelle im Netz gefundenen Angaben traue, dann sind die Hänssler-Einspielungen 1998/99 aufgenommen worden und 2000 auf den Markt gekommen.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Hildebrandt


    "Ein wenig" ist aber zu wenig. Gould spielt immer ein bisschen mehr Gould als Bach...


    Dass liegt vielleicht auch daran, dass Gould vielleicht noch zu wenig, aber überdurchschnittlich viel dem improvisatorischen Moment Rechnung trägt. Wo werden denn die Doubles gespielt?


    Viele Grüße


    :hello:

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Meine favorisierte Interpretation ist die von Glenn Gould :D


    Hallo,


    den Aufnahmen von Gould möchte ich doch gerne die von R. Tureck gegenüberstellen.



    ( rec. 1956-58 )


    Nicht weil Gould zu unrecht berühmt wäre, sondern weil Tureck zu unrecht so wenig bekannt ist!
    Natürlich ist manches etwas zetigebunden interpretiert, anderes dafür aber so gänzlich zeitlos!
    Wichtig wäre auch noch die Interpretation der 1. Partita von D. Lipatti zu nennen. Eine seltene Sternstunde der Musik! Seit die "Klavierstunden" von Cortot auf CD veröffentlicht wurden, kann man da auch etwas über die Herkunft dieser Interpretation erfahren.


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Unabhängig vom kürzlich gestarteten Thread hatte ich mir eine relativ aktuele Aufnahme der Partiten besorgt, um diesen Werkzyklus kennenzulernen.
    Bei den Cembalospezis hier wundert es mich etwas, dass diese Aufnahme noch nicht erwähnt wurde:



    Es spielt Pascal Dubreuil auf einem Cembalo von Titus Crijnen (Amsterdam 1996) nach Hans Ruckers II (1624).


    Momentan bin ich noch dabei, mich durch die einzelnen Partiten zu hören. Bis jetzt kann ich aber sagen, dass mir der Cembaloklang ganz gut gefällt, da er relativ weich und angenehm zu hören ist.
    Dubreuil hat bis jetzt alle Wiederholungen gespielt, die Doubles waren aber für mein Empfinden noch etwas gestaltungsarm. Wenn ich was Neues höre, werde ich berichten.



    LG, Peter.

  • Noch zur Wiederverwertung gefunden: Die beiden Menuette aus der Partita I sind auch in „Kleine Clavier-Stücke“ überliefert, einer hs. Sammlung aus der Bach-Familie. Corrente und Tempo di Gavotta aus der Partita VI sind bearbeitete Übernahmen aus der Version von 1725 der Sonata für Cembalo & Violine BWV 1019.
    Die Partita I wurde als Einzelstück dem frisch geborenen Erbprinzen Emanuel Ludwig von Anhalt-Köthen (* 12. 9. 1726) gewidmet.


    Die Frage der Variierung in den Wiederholungen ist bestimmt noch nicht befriedigend gelöst. Wir sind da offenbar irgendwo zwischen ‚weites Feld’ und ‚wunder Punkt’. Klemmte sich da jemand mal dahinter, wie das z. B. bei den Vokalbesetzungen der Kantaten durch Rifkin und Parrott mittlerweile geschehen ist, wüssten sicherlich auch die Interpreten mehr. Bis dato gibt es da nur Unentschiedenes oder Willkürliches zu hören.

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Die Frage der Variierung in den Wiederholungen ist bestimmt noch nicht befriedigend gelöst. Wir sind da offenbar irgendwo zwischen ‚weites Feld’ und ‚wunder Punkt’. Klemmte sich da jemand mal dahinter, wie das z. B. bei den Vokalbesetzungen der Kantaten durch Rifkin und Parrott mittlerweile geschehen ist, wüssten sicherlich auch die Interpreten mehr. Bis dato gibt es da nur Unentschiedenes oder Willkürliches zu hören.


    Immerhin gibt es in der Englischen Suiten Nr. 1 zwei ausgeschriebene Doubles und für die Nummern 2 & 3 liegt Bachs persönliche Ornamentation der jeweiligen Sarabande vor. Das müsste doch schon so manchen Anhaltspunkt liefern.


    Viele Grüße


    :hello:

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  • Gerade bei J.S. Bach ist das ein schwieriges Thema - er war dafür bekannt, daß er in seinen veröffentlichten oder zumindest aus der Hand gegebenen Werken "alle willkürlichen Verzierungen" mit hineingeschrieben hat, wie das ein mir gerade nicht einfallen wollender Zeitgenosse formuliert hat. In der Tat ist gerade in den sechs Partiten vieles so komplex und vor allem sehr lange ausgeführt, daß nach meinem Empfinden eine schlichte Wiederholung braucht, um überhaupt erst mal mitzukommen!


    Ich konnte z.B. die vierte Partita in D-dur BWV 828 gleich zweimal auf dem Cembalo im Konzert hören dieses Jahr, mit Marieke Spans und Leon Berben, und da fiel mir genau dies auf. Diese Partita enthält die vielleicht längste Allemande, die für Cembalo geschrieben wurde - sie dauert fast 10 Minuten! Das Thema ist unglaublich lang, so als ob er vor den älteren Meistern seit Froberger den Hut zieht, Ihre Flosken zitiert und ausdehnt, immer noch etwas einfügt und noch etwas, bis man fast den Überblick verloren hat - ich sehe ihn mit Lächeln an der Tastatur sitzen und zu seinen Zuhörern blicken, als wolle er sagen "Kommt ihr noch mit, könnt ihr mir noch folgen?" ... das ist alles so ausgefeilt und erfordert höchste Darstellungskunst, mir persönlich käme da jede Verzierung eher wie eine Verschlimmbesserung vor. Die vergleichbaren Werke von Zeitgenossen und Vorgängern sind längst nicht so ausführlich ausgearbeitet und bieten viel mehr Raum für die Improvisationskunst des Interpreten.

  • Zitat

    Original von Kontrapunkt
    Immerhin gibt es in der Englischen Suiten Nr. 1 zwei ausgeschriebene Doubles und für die Nummern 2 & 3 liegt Bachs persönliche Ornamentation der jeweiligen Sarabande vor. Das müsste doch schon so manchen Anhaltspunkt liefern.


    Bzw. ich nehme das als ein Indiz, daß er die Variationen bei Wiederholungen, wenn er welche wollte, auch hingeschrieben hat! Bei den gedruckten Partiten hätte er dazu ja Gelegenheit gehabt!

  • Zitat

    Original von miguel54
    Gerade bei J.S. Bach ist das ein schwieriges Thema - er war dafür bekannt, daß er in seinen veröffentlichten oder zumindest aus der Hand gegebenen Werken "alle willkürlichen Verzierungen" mit hineingeschrieben hat, wie das ein mir gerade nicht einfallen wollender Zeitgenosse formuliert hat.


    Andersrum ist genauso gut: Wenn die Verzierungen ausgeschrieben waren, lässt sich der pädagogische Zweck eines Beispiels dahinter vermuten: So soll das gemacht werden.
    Aus der Existenz einiger weniger ausgezierter Varianten herzuleiten, dass für alle anderen Stücke keine zugelassen waren, halte ich für sehr gewagt.


    Zitat

    In der Tat ist gerade in den sechs Partiten vieles so komplex und vor allem sehr lange ausgeführt, daß nach meinem Empfinden eine schlichte Wiederholung braucht, um überhaupt erst mal mitzukommen!


    Dann musst Du aber mit einigen Interpreten schimpfen. :D


    Zitat

    Ich konnte z.B. die vierte Partita in D-dur BWV 828 gleich zweimal auf dem Cembalo im Konzert hören dieses Jahr, mit Marieke Spans und Leon Berben, und da fiel mir genau dies auf. Diese Partita enthält die vielleicht längste Allemande, die für Cembalo geschrieben wurde - sie dauert fast 10 Minuten! Das Thema ist unglaublich lang, so als ob er vor den älteren Meistern seit Froberger den Hut zieht, Ihre Flosken zitiert und ausdehnt, immer noch etwas einfügt und noch etwas, bis man fast den Überblick verloren hat - ich sehe ihn mit Lächeln an der Tastatur sitzen und zu seinen Zuhörern blicken, als wolle er sagen "Kommt ihr noch mit, könnt ihr mir noch folgen?" ... das ist alles so ausgefeilt und erfordert höchste Darstellungskunst, mir persönlich käme da jede Verzierung eher wie eine Verschlimmbesserung vor. Die vergleichbaren Werke von Zeitgenossen und Vorgängern sind längst nicht so ausführlich ausgearbeitet und bieten viel mehr Raum für die Improvisationskunst des Interpreten.


    Der Spieler, der sich auf meinen CDs bei dieser Allemande am penibelsten an den Notentext hält, ist Pinnock. Dafür wechselt er innerhalb der einzelnen Abschnitte schon mal das Manual. Mit 10:13 Minuten hält er sich recht gut an Deine Zeitvorgabe.
    Rousset braucht 11:08 und verziert so gut wie nicht, Belder 9:37 und spielt in den Wiederholungen zusätzliche Verzierungen.
    Wooley wiederholt nur den ersten Teil, dafür verziert er gleich im ersten Durchgang ein bisschen mehr als vorgesehen, Verlet wiederholt gar nix und ornamentiert ganz heftig, obwohl sie die schnellste ist. Mortensen wiederholt auch nicht, spielt aber den zweiten Teil ausgeziert.
    Ross geht mit 9:34 durchs Ziel und verziert in den zweiten Durchgängen ein bisschen mehr als in den ersten.
    Bleibt Staier, der sich immer recht eng an den Text hält und nach 10:22 fertig ist.
    Immerhin ergibt sich ein schön uneinheitliches Bild bei den Interpreten. :D


    Allerdings – und das macht diesen Vergleich als Beleg zur Double-Frage eher nutzlos – ist die Allemande der Partita IV mit ihren vertrackten Triolen und Bindungen ganz am Ende der Skala möglicher Beispiele – sehr viel ausgeschriebener geht ja kaum.
    Es gibt genügend kürzere und einfacher zu durchschauende Sätze in den Partiten, wo Veränderungen in der Wiederholung durchaus möglich sind, ohne das Publikum damit verstören zu müssen.


    Zitat

    Bzw. ich nehme das als ein Indiz, daß er die Variationen bei Wiederholungen, wenn er welche wollte, auch hingeschrieben hat! Bei den gedruckten Partiten hätte er dazu ja Gelegenheit gehabt!


    Das hat Walcha auch immer gesagt. Mittlerweile wissen wir aber, dass das in dieser Rigorosität nicht stimmt.

  • Zitat

    Original von Hildebrandt


    Dann musst Du aber mit einigen Interpreten schimpfen. :D


    Klar doch. Ich wollt's aber halt nicht so brutal formulieren ...


    Mit der Einschätzung der Allemande gebe ich Dir gerne recht - bei der brauche ich wirklich keine Verzierungen, sondern möchte es schlicht so hören, wie es in den Noten steht. Bei den anderen muß man eben sehen. Natürlich kann man das so sehen, daß seine eingebauten Verzierungen Modellcharakter haben, aber das Modell zu verbessern ist schon eine Kunst, die über die Fähigkeiten der meisten Interpreten hinausgeht. Bei Bach würde mir das, was dasteht, völlig reichen, sofern es denn akkurat und hingebungsvoll gespielt ist. Just me, of course ...

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Wenn ich den auf die Schnelle im Netz gefundenen Angaben traue, dann sind die Hänssler-Einspielungen 1998/99 aufgenommen worden und 2000 auf den Markt gekommen.


    Du hast völlig Recht. Diese Neuaufnahme würde mich doch noch ziemlich reizen (wenn ich nicht schon genug von dem Zeug hätte :D ), denn Pinnock ist mit der Zeit immer besser geworden. Und die alte Aufnahme finde ich schon hervorragend.
    Hat denn hier niemand die neue?


    @ petemonova:
    Ich habe mich durch die Dubreuil-Schnipsel bei jpc geklickt. Schon die lassen aufhorchen.
    Aber wo soll das hinführen?
    [SIZE=7]Wahrscheinlich zur 20. Einspielung im Regal.[/SIZE] :wacky:
    Aber ich warte erst einmal Deine abschließende Einschätzung ab.


    Was mich noch interessiert: Gibt es eine Einspielung auf Clavichord? Mir spukt da im Hinterkopf herum, dass Tuma mal eine gemacht hätte. Kennt die jemand?


  • Die Box enthält komplett, die einzelne CD in Auszügen, was die dhm mit Staier 1994 erstmals in dieser Box veröffentlichte:



    Für meine Ohren eine der besseren Aufnahmen. Ich habe insgesamt:


    Andreas Staier (dhm)
    Paul Badura-Skoda (Astrée)
    Kenneth Weiss (ambroisie)
    Pieter-Jan Belder (Brilliant Classics)
    Christophe Rousset (Decca - L'Oiseau-Lyre)
    Siegbert Rampe (Virgin Veritas)


    Zum differenzierten Hören und Berichten fehlt mir im Moment die Zeit - später mehr.

  • Unbegreiflicherweise hat Swjatoslaw Richter keine einzige Bach-Partita jemals öffentlich gespielt (s. hierzu das vollständige Verzeichnis der in seinen Konzerten gespielten Werke bei Bruno Monsaingeon, "Swjatoslaw Richter - Mein Leben, meine Musik", Staccato-Verlag 2005, S. 434 ff.). Er hat auch keine Schallplattenaufnahme von irgendeiner der 6 Partiten hinterlassen. Der Meister, der Bachs Englische und Französische Suiten, Sonaten sowie Toccaten (wie stets bei Richter nur in Auswahlen, nie als Komplett-Zyklus) wie kein anderer interpretierte, dachte offenbar, sich dieses Werkkanons nicht annehmen zu müssen (er meinte bekanntlich, immer dann von einem Werk die Finger lassen zu sollen, wenn es in seinen Augen bereits eine gültige Aufnahme eines anderen Pianisten gab). Und somit stellt sich die Frage für Richter-Fans: welche Aufnahme der Partiten war es denn, die ihn so beeindruckte, dass er sich ein langes Leben lang dieses Zyklus' enthielt?


    Ich habe keine Antwort auf diese Frage, tippe aber jedenfalls mal, dass es weder der radikal-subjektive Gould noch der brilliante, aber irgendwie auch seltsam "metallisch" und "hart" klingende Weissenberg war (Weissenbergs Klangbild ist fast schon ein Gegenentwurf zum bei Bach eher "weichen" Richter). Deswegen möchte ich diese Frage gern in die Runde hinein stellen: weiß jemand von Euch Näheres?


    Bach-Partiten zum Glücklichwerden habe ich, da es nun mal nichts von Richter gibt, eher in Einzelaufnahmen gefunden, nicht hingegen in einem Gesamtzyklus (wobei Gould wie Weissenberg selbstverständlich ihre Meriten haben - ich möchte nicht das Geringste gegen beide Deutungen gesagt haben). Die wunderbarste Bach-Partita hat für mich Shura Cherkassky live im Salzburger Mozarteum am 3. August 1968 aufgeführt: er spielt BWV 830 eingangs seines Klavierabends so dermaßen herrlich, dass mir die Worte fehlen:

    Dinu Lipatti mit der Partita BWV 825 ist ebenfalls zum Niederknien

    ebenso wie Martha Argerich mit der Partita 826

    Aber dann wird es auch schon einsam auf dem Olymp. Sieht man einmal ab von Sergej Rachmaninows Einspielung der Sarabande aus der Partita Nr. 4 BWV 828. Sonst gibt es eher Hausmannskost. Oder gibt es noch irgendwo Partiten-Aufnahmen für Gourmets, welche mit der Güteklasse Cherkassky/Lipatti/Argerich mithalten können? Und bitte (an alle Cembalo-Fans, die bislang die Mehrheit in diesem Thread bilden): ich glaube gern, dass Cembalisten wie Landowska et al. bewundernswerte Aufnahmen hinterlassen haben. Mich interessieren aber nun mal hauptsächlich Klavieraufnahmen. Gibt es da etwas, was an meine bisher genannten Favoriten heranreicht? Was haltet Ihr z.B. von den verschiedenen Gieseking-Hinterlassenschaften aus dem Partitenbereich, z.B. diesen hier?

    Herzliche Grüße
    Swjatoslaw

  • Bemerkenswerte Klavieraufnahmen außer Gould:
    Argerich/DG (c-moll)
    Sokolov (c-moll, als Füller für die Kunst der Fuge, die dürfte in Richtung Richter gehen, sehr differenziert und gewichtig)
    Bunin/EMI (B-Dur, eh vergriffen, man erhält die 3. Englische und das ital. Konzert als Füller für Gavrilovs franz. Suiten)


    unter neueren evtl. Anderszewski (1,3,6)


    Unter den historischen Aufnahmen wurde ich von den in folgender Box enthaltenen sehr positiv überrascht. Es dürfte sich bei einigen davon vielleicht um die ersten Plattenaufnahmen der Werke überhaupt handeln. Leider hat Marcelle Meyer nur 1-3 und 6 eingespielt. Dazu einige Toccaten (die ich freilich für lange nicht so bedeutend halte wie die Partiten und die m.E. auf dem modernen Klavier nicht besonders gut funktionieren), die 4. engl. Suite, Inventionen+ Sinfonien und noch ein paar kleinere Werke.


    Sehr klar, aber ohne sempre staccato wie Gould und einige andere, aber ebensoweit von "romantischer" Spielweise entfernt; elegant, zügige Tempi, usw.
    Die Box ist übervollständig (von etlichen Werken, besonders Debussy und Ravel sind mehrere Einspielungen enthalten) und insgesamt sehr lohnend, ungeachtet des selbst angesichts des Aufnahmedatums nicht immer optimalen Klangs. Wer Cembalomusik auf dem Klavier schätzt, wird hier auch mit maßstäblichem Couperin, Rameau, Scarlatti versorgt. Wer erstmal nur in den Bach reinhören will, kann die ersten drei Partiten auf der Andromeda-CD kennenlernen.(Die hätte ich obendrein abzugeben, da ich inzwischen die große Box habe.)
    (ich kenne allerdings die von Swiatoslaw genannten größtenteils nicht und was ich an Richters Bach-Suiten gehört habe, war nicht gerade mein Ding, viel zu breit und schwer.)



    Koroliov hat die Stücke interessanterweise auch noch nicht eingespielt. Sollte das noch geschehen, dürften das ebenfalls lohnende Interpretationen werden.


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Bemerkenswerte Klavieraufnahmen außer Gould:
    Argerich/DG (c-moll) (...)
    was ich an Richters Bach-Suiten gehört habe, war nicht gerade mein Ding, viel zu breit und schwer.


    Martha Argerich mit BWV 826 habe ich völlig vergessen - natürlich habe ich diese CD mit ihren Bach-Aufnahmen aus dem Jahr 1979 seit langem in meiner Partitensammlung und sie ist natürlich super

    Swjatoslaw Richters Bach-Spiel ist eine reine Wonne - aber als ich auf dem Höhepunkt meiner Glenn Gould-Bewunderung war (ich bin sogar mal 1992 nach Toronto geflogen und zu Goulds Grab gepilgert), war Richters Bach auch nicht so mein Ding. Inzwischen hat sich mein Gould-Fieber etwas abgekühlt, ich empfinde sein Bach-Spiel als zwar hochinteressant, aber letztlich doch irgendwie zu aufgekratzt und den Werken nicht vollends angemessen (sehr viel lieber höre ich inzwischen Gould mit Werken anderer Komponisten wie insbesondere Brahms). Wilhelm Kempff bei den Goldberg-Variationen, Edwin Fischer bei den Klavierkonzerten oder beim Wohltemperierten Klavier sowie natürlich die großen Russen (Swjatoslaw Richter, Emil Gilels, Tatjana Nikolajewa) sind inzwischen für mich eine bessere Wahl: aus diesem Grund nehme ich Deinen Hinweis auf Sokolow und Bunin gern auf, lieber Johannes!

  • Mir ist noch eine Einspielung eingefallen, die ich vor einiger Zeit gekauft habe, und die vielleicht für einige interessant sein könnte:
    Maria Tipo (+Goldbergs, Bach-Busoni u.a. Arrangements, sowie einiger weiterer Werke) auf EMI. Das sind ziemlich romantische Deutungen, recht breite Tempi in einigen Sätzen, auch bedingt durch die Aufnahmetechnik eher weicher Klang. Es wird niemals versucht, einen cembalonahen Klang zu erzeugen oder so etwas. Ich besitze die rechts gezeigte Box. Dieses 10-CD-Set sollte aber mit ein wenig Suchen billiger zu finden sein als beim verlinkten Angebot. Es gibt auch noch eine 5 CD-Box, mit den o.g. weiteren Klavierwerken gespielt von Tipo, auch die sollte, ggf. bei amazon.fr nicht mehr als 20-25 EUR kosten.



    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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