Muss Musik "schön" sein?

  • Klimprikos Mistifaktopoulos



    Salut,


    ich gebe zu – „schön“ ist relativ, subjektiv und Geschmackssache. Ich möchte es aber zu diesem Zweck wie folgt definieren:


    Ich mache morgens mein Fenster auf: Die Sonne hebt sich dunkelrot am Horizont empor, die unendlich weite Rheinebene und der dahinter liegende Schwarzwald offenbart sich aus dem Dunkel, die ersten Vögel beginnen zu zwitschern… das ist für mich „schön“ – also angenehm.


    Meine ernsthafte Frage an alle Taminos ist:


    Muss Musik schön sein?


    Ich habe manchmal den Eindruck, dass die moderne klassische Musik gezielt unschön, gar hässlich sein will – ich möchte mich deswegen nicht mit dieser Art von Musik beschäftigen, geschweige denn sie hören, weil es mir in den Ohren wehtut und mein Ohr primär auf den Wohlklang der Musik geschult ist.


    Wie ich bereits in einem anderen Thread äußerte, sind die Werke Gustav Mahlers für mich die Vollendung der Musik und damit das Ende der klassischen Musik!


    Wie ist das bei den Taminos?


    Cordialement,
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hey Ulli


    Mahler magst du also!? Und ist der erschütternde, berühmte, geradezu verängstigende, schreiende, quälende, laute, überraschende Cluster im erstetn Satz der Zehnten SCHÖN?
    Nein, schön ist er nicht gerade, und das leben wäre ja auch furchtbar langweilig, wenn es immer nur schön wäre.
    Wir müssten erst mal definieren, was das Gegenteil von "schön" ist. Denn Musik, die unentwegt nur "schön" ist, kann mir meistenteils gestohlen bleiben. Musik, die nur "schön" ist, gibts im Musikantenstadl.


    freue mich auf weitere ästhetische Auseinandersetzungen, muß mich jetzt aber Bruckner 5 Widmen, sonst kommt sich Norbert so einsam vor...


    :D


    Gruß, Markus

  • JA


    Das klitzekleine Problem, das sich daraus ergibt, ist die Definition, ab wann es nicht mehr schön ist. Umsomehr, als dies keine fixe Größe ist, sondern eine Funktion, die von mehreren Variablen abhängt. Ich arbeite noch daran, wird wohl so etwas wie eine Weltformel werden.....



    Gute Nacht

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Lieber Ulli,


    Zitat

    Original von Ulli
    Ich mache morgens mein Fenster auf: Die Sonne hebt sich dunkelrot am Horizont empor, die unendlich weite Rheinebene und der dahinter liegende Schwarzwald offenbart sich aus dem Dunkel, die ersten Vögel beginnen zu zwitschern… das ist für mich „schön“ – also angenehm.


    Oha! Du sprichst von Messiaens "Réveil des oiseaux"! :)


    Zitat


    Ich habe manchmal den Eindruck, dass die moderne klassische Musik gezielt unschön, gar hässlich sein will – ich möchte mich deswegen nicht mit dieser Art von Musik beschäftigen, geschweige denn sie hören, weil es mir in den Ohren wehtut und mein Ohr primär auf den Wohlklang der Musik geschult ist.


    Da Du vorweggeschickt hast, das Schönheit subjektiv ist, kann dieser Dein persönlicher Eindruck nicht mehr sein als ein solcher - darüber, ob andere möglicherweise diese Musik "schön" finden, sagt er nichts, denke ich.


    Ja, ich finde den Messiaen schön. Und ich finde bei Nono unglaublich schöne Stellen, immer wieder. Und so weiter.


    Mir geht nicht auf, was die Frage eigentlich bringen soll ;)


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

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  • Salut,


    Zitat


    Original von C. Huth
    Da Du vorweggeschickt hast, das Schönheit subjektiv ist, kann dieser Dein persönlicher Eindruck nicht mehr sein als ein solcher - darüber, ob andere möglicherweise diese Musik "schön" finden, sagt er nichts, denke ich.


    Zunächst habe ich meine Definition von Schönheit in Form eines Sonnenaufgangs dargestellt und gehe wohl auch recht in der Annahme, dass dies vielleicht manch einer als langweilig, niemals aber als hässlich oder unschön bezeichnen würde. Es dürfte sich demnach um eine „allgemeinverbindliche“ Definition von Schönheit handeln, sofern man sich auf einen Sonnenaufgang bezieht.


    Ich finde, es gibt auf der Welt genug Übles, warum dann noch „solche“ Musik – keine Abwertung meinerseits, sondern ein absolutes Unverständnis - ? Unser Allmächtiger hat die Welt aus überwiegend positiven Elementen geschaffen, die „schöne“ Musik sollte doch dies noch ein wenig unterstreichen, oder?


    Schließlich entscheidet der Menschliche Verstand, wenn er (zum ersten Mal) auf einen ihn fremden Menschen trifft, nach der Seele seines Gegenüber. Wenn diese hässlich ist, so wirst Du zugeben, dass Du mit dieser Person weiteren Kontakt meidest. Ähnlich geht es mir in der Musik. Diese ist für mich die reine Seelensprache, die Musik ist Seele selbst, es gibt keine „sterbliche Hülle“…


    Zitat


    Original von C. Huth
    Mir geht nicht auf, was die Frage eigentlich bringen soll


    Ich gebe zu, dass dieser Thread ein Pendant zu bubba’s Wiener Klassik ist.


    Zitat


    Original von ThomasBernhard
    Mahler magst du also!? Und ist der erschütternde, berühmte, geradezu verängstigende, schreiende, quälende, laute, überraschende Cluster im ersten Satz der Zehnten SCHÖN?


    Ja, ich mag Mahler – und zwar sehr! Abgesehen davon, dass ich ohnehin „nur“ den ersten Satz kenne (der „Rest“ ist ja Fragment), finde ich diese Stelle keineswegs SCHÖN, aber sie macht die vorhergehenden und nachfolgenden Elemente noch schöner. Ich will damit sagen, dass eine gewisse Dosis an „Dissonanz“ stets willkommen ist – Überhand nehmen sollte es jedoch nicht!


    Cordialement,
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ich empfinde Musik als schön, wenn sie Emotionen in mir weckt. Das tut eigentlich fast jede Art von Musik. ABER, das Wichtigste für mich ist, dass Emotionen wie Agression, Hass, Wut, tiefe Trauer (mit Einschränkungen), Todessehnsucht, Nervosität, Hektik ect. wohldosiert vorkommen, um Spannung zu erzeugen, jedoch nicht stehen gelassen werden sondern aufgelöst werden. Musik mit happy end sozusagen oder zumindest mit Ausblick auf ein solches. Auch habe ich gern etwas zum Festhalten, rhythmisch oder harmonisch, was ich aber bei vielen zeitgenössischen Werken nicht finde. Das mag ja noch so durchkonstruiert sein, wenn man´s ohne die Partitur zu sehen nicht mitbekommt, nützt mir das nichts.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Schonheit ist Subjektiv,


    Musik muß für mich eine gewisse Emotionalität, eine tiefe Sinnlichkeit besitzen.
    Kunst und Musik ohne Sinnlichkeit ist tot!


    Die Kunst unserer Zeit versucht nur noch zu provozieren, sie darf nicht gefallen - macht man etwas schönes wird man ausgelacht.


    Dennoch halte ich daran fest: Der Minimalismus ist eine Totgeburt, das sind ein paar Intellektuelle die das Zeug studiert haben (tue ich übrigens auch) und es deshalb verstehen - wenn man erst studieren muß um eine bestimmte Form von Kunst zu verstehen hat sie in meinen Augen schon ihre Berechtigung verloren!


    Kaum eine Komposition unserer Zeit, es sei denn sie beruft sich auf romantische oder barocke Vorbilder, hat es jemals geschafft auch nur die geringste Gefühlsregung in mir zu wecken.
    Sie ist nicht nur kalt, oberflächlich und spröde sondern viel zu "verkopft"
    Dadurch passt sie aber wiederum hervorragend in unsere Zeit.


    Aber je mehr ich mit diesen Sachen beschäftige umso erbärmlicher finde ich sie im Vergleich zum gewesenen.
    Irgendwann wird man wieder anfangen im barocken oder klassischen Stil zu komponieren oder malen, die "moderne" ist schon in den 70ern gestorben! :stumm::stumm::stumm:

  • Ich kann - leider - nicht widerstehen zu antworten und versuche dies so wertneutral wie möglich, auch wenn es schwer fällt. Grundsätzlich fühle ich Mitleid für Menschen die NICHT ZUGLEICH das Schöne in Mozart UND Schoenberg, Beethoven UND Nono, Haydn UND Boulez hören können.


    Zitat

    Original von Ulli
    Salut,



    Zunächst habe ich meine Definition von Schönheit in Form eines Sonnenaufgangs dargestellt und gehe wohl auch recht in der Annahme, dass dies vielleicht manch einer als langweilig, niemals aber als hässlich oder unschön bezeichnen würde. Es dürfte sich demnach um eine „allgemeinverbindliche“ Definition von Schönheit handeln, sofern man sich auf einen Sonnenaufgang bezieht.


    Zwei Repliken dazu: Zunächst widersprichst Du Dir selbst. Hier schränkst Du Deinen Schönheitsbegriff auf den "Sonnenaufgang" ein, in Deinem vorherigen Posting hast Du genau diesen aus dem Sonnenaufgang erwachsenen Schönheitsbegriff zur Beschreibung/Bewertung von Musik verwendet (auf die Implikation des von Dir eingebrachten Allmächtigen gehe ich bewusst nicht ein). Dass Du mit deiner Verallgemeinerung des von Dir gefundenen Schönheitsbegriffs in jeder halbwegs vernünftigen Philosphischen Fakultät das Proseminar "Logik" nicht bestehen würdest, dürfte klar sein.


    Zitat

    Schließlich entscheidet der Menschliche Verstand, wenn er (zum ersten Mal) auf einen ihn fremden Menschen trifft, nach der Seele seines Gegenüber. Wenn diese hässlich ist, so wirst Du zugeben, dass Du mit dieser Person weiteren Kontakt meidest.


    Sympathie, Verständnis, Liebe, Hass, Abneigung als Verstandesentscheidung zu definieren, ist eine (unzulässige) Vereinfachung. Leider sind sie keine Verstandesentscheidungen sondern Gefühlsregungen. Wären sie Verstandesentscheidungen, sähe die Welt ein wenig besser aus - man könnte sie nämlich lehrend vermitteln.


    Zitat

    Ich gebe zu, dass dieser Thread ein Pendant zu bubba’s Wiener Klassik ist.


    Bubba hat jedoch nicht in Kategorien wie "schön"/"hässlich" gesprochen, sondern lediglich seinen mangelnden Zugang zur Wiener Klassik angesprochen, sein Unverständnis (im Sinne von *nicht nachvollziehbar, weil ich es nicht schaffe* und nicht *unverständlich, weil hässlich*). Es erstaunt mich, und wahrscheinlich auch Claus, immer wieder, wie schnell man mit diesen Objektivität reklamierenden und dabei diffamierenden Begriffen wie *langweilig*, *oberflächlich*, *hässlich*, *erbärmlich* über Musik spricht, die einem nur nicht zugänglich ist, die man nicht mag. Dass man sie nicht mag, ist a. nicht schlimm und könnte b. an einem selbst liegen (bei Bubba genau wie bei Dir).


    Erstaunlich moderate Antwort :D

    Gruß,
    Gerrit

  • Das ich die Musik überhaupt nicht höre, meinte ich nicht.
    Aber sie hat keinen besonders hohe Stellenwert für mich.


    Mir ist manchmal einfach zuviel "Philosophie" dabei - aber auch öfters fat das Ganze überhaupt keine Bedeutung.
    Ich beziehe mich auch hautsächlich auf die richtig extremen Sachen,
    Boulez und Schönberg sind ja noch harmlos - ich denke eher an diese Aktionen, dass drei ältere Herren mit Vorschlaghammern ein Klavier zerlegen und das dann als Musik bezeichnen.
    Für soetwas will ich gar kein Verständnis aufbringen!
    Denn irgendwer hat sich auch mal Mühe gemacht das Instrument zu bauen.
    Die Zerstörung von Instrumenten ist pervers.


    Ab und zu ist es mal ganz angenehm Stockhausen zu hören, aber ich denke das vieles nicht mehr den Begriff Musik verdient, sondern eher als Klanginstallation gesehen werden sollte - eine vollkommen andere Kunstform.
    Unter Musik stelle ich mir eigentlich etwas anderes vor.


    Jedenfalls etwas ablehen was ich mir noch nie angehört habe, dass tue ich im normalfall eigentlich nicht - es sei denn ich bekommen die neusten Hits der "lästigen Musikanten" vorgespielt...

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  • wenn musik "schön" sein muss, ist das eine der kunst nicht gerecht werdende reduktion auf (fast wäre man versucht zu sagen "kleinbürgerliche") ästhetik. daher:


    NEIN


    jede "echte" kunst ist avantgarde und war zu jeder zeit ihrer zeit voraus. der geschmack der rezipienten ist nebensächlich (natürlich ist erfolg und anerkennung eine angenehme seite des lebens, aber wenn der creator darauf abzielt, hat er schon verloren).


    uind weil hier dauernd zum bubba-thread verwiesen wird:
    bei mozart fasziniert mich doch auch und v.a. das abgründige (bei aller apollinik), z.b. kv 397, 475, 608 (alles fantasien!)...

  • Salut,


    Zitat


    Original von Lullist
    Irgendwann wird man wieder anfangen im barocken oder klassischen Stil zu schreiben...


    Das ist bereits geschehen: Ich tue es! Und das mit Leidenschaft und nicht ohne Grund...


    Zitat


    Original von Gerrit Stolte
    Ich kann - leider - nicht widerstehen zu antworten und


    So soll es sein!


    Zitat


    Original von Gerrit Stolte
    Zwei Repliken dazu: Zunächst widersprichst Du Dir selbst. Hier schränkst Du Deinen Schönheitsbegriff auf den "Sonnenaufgang" ein, in Deinem vorherigen Posting hast Du genau diesen aus dem Sonnenaufgang erwachsenen Schönheitsbegriff zur Beschreibung/Bewertung von Musik verwendet (auf die Implikation des von Dir eingebrachten Allmächtigen gehe ich bewusst nicht ein).


    Ich widerspreche mir keineswegs, da ich den „Sonnenaufgang“ lediglich als nach meiner Auffassung leicht verständliches Beispiel gesehen und dies auch so formuliert habe. Ich schränke den Schönheitsbegriff also nicht ein, sondern habe versucht, ihn zu verallgemeinern, sofern dies erlaubt ist und Sinn macht.


    Ich verstehe diesen Thread übrigens insofern durchaus als Wiener-Klassik-Pendant, wenn „man“ (was ich nicht verurteile!) Mozarts Musik als aggressionserweckend bezeichnet.


    Jetzt bin ich mal ganz furchtbar böse:


    Eine Klanginstallation könnte heutzutage jeder „komponieren“ – dazu braucht es nur ein paar Töpfe, einen Rasenmäher, einen Staubsauger und ein paar Werkzeuge, um darauf herumzuhämmern... diese Komponisten sollten sich - bitte - so wie man es eigentlich gewohnt ist, auch erst einmal mit den „klassischen“ Vorgängern beschäftigen. Wer von diesen Menschen kann heutzutage eine Sinfonie im Stile Beethovens, ein Brandenburgisches Konzert Nr. 7 oder eine große Nachtmusik komponieren?


    Cordialement,
    Ulli



    Was ist denn nun Schönheit?


    Cordialement,
    Ulli

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  • Hallo Gerrit,


    Zitat

    Original von Gerrit_Stolte
    Es erstaunt mich, und wahrscheinlich auch Claus, immer wieder, wie schnell man mit diesen Objektivität reklamierenden und dabei diffamierenden Begriffen wie *langweilig*, *oberflächlich*, *hässlich*, *erbärmlich* über Musik spricht, die einem nur nicht zugänglich ist, die man nicht mag. Dass man sie nicht mag, ist a. nicht schlimm und könnte b. an einem selbst liegen (bei Bubba genau wie bei Dir).


    Du hast es genau auf den Punkt gebracht. Danke!


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Zitat


    Original von Gerrit Stolte
    [...] und könnte b. an einem selbst liegen (bei Bubba genau wie bei Dir).


    Salut,


    das hätte ich jetzt doch bitte etwas genauer umrissen...


    Cordialement,
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
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  • Nee, lass mal, das könnte nur zu Streit führen.

    Gruß,
    Gerrit

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  • Ihr Lieben,


    daß "ästhetisch" quasi ein Synonym für "schön" sei, ist ein Irrglaube, ein beliebter, aber eben ein Irrglaube.
    Bei der "Ästhetik" handelt es sich um eine der Philosophie zuzurechnende Form der Beschäftigung mit Wahrnehmung (griech. "aisthesis").
    "Schön" bzw. " häßlich" sind lediglich zwei Varianten, Phänomene wahrzunehmen. Über den Wert des Phänomens ist damit noch nichts ausgesagt. Erst die Verknüpfung von "schön" mit dem, was anzunehmen sei und von "häßlich" mit dem, was abzulehnen sei, kommen wir in Bereiche von Geschmacks- ja von Moralfragen, die per se nicht ein für alle mal entschieden werden können.
    Der Versuch, die Kategorien des Schönen und des Nichtschönen gegeneinander zu reiben und so neu erfaßbar zu machen, ist das Anliegen von Künstlern und Künstlerinnen, dh. auch von Komponisten und Musikern.
    Es war immer ein Anliegen von "Avantgarde", die Grenzen des Erfahrbaren hinauszuschieben. Ich nehme die religiös erfahrbaren Dinge an dieser Stelle bewußt aus.
    Reibungen, bis hin zu Anfeindungen, Wutausbrüchen ezc. entstehen dabei immer dann, wenn die vorgefaßten Meinungen über das, was schön sei, nicht bedient werden, wenn sogar gegen sie an gearbeitet wird. Dies kann man bei jeder Avantgarde-Kunst feststellen.
    Solche Konfrontationen können nur dadurch verringert werden, ihre zerstörerische, antikreative Kraft nur dadurch in Kreativität umgewandelt werden, wenn man Offenheit, Respekt und den Willen zum Hinschauen und Hinhören bewahrt und pflegt. Dann kann man bei sich selbst die Grenzen der eigenen Wahrnehmung erweitern und neue Beziehungen knüpfen - im Gehirn, im Herzen, zu anderen Lebewesen.
    Anders ausgedrückt handelt es sich bei der Wahrnehmung von Kunst u.a. um den Akt der Wahrnehmung von sich selbst, von anderen und von unseren Beziehungen untereinander.


    Zustimmungssüchtig, wie ich bin, nehme ich gerne Euren Widerspruch entgegen.


    Gruß
    yarpel

  • Zitat

    Muss Musik schön sein?


    Ich habe manchmal den Eindruck, dass die moderne klassische Musik gezielt unschön, gar hässlich sein will – ich möchte mich deswegen nicht mit dieser Art von Musik beschäftigen, geschweige denn sie hören, weil es mir in den Ohren wehtut und mein Ohr primär auf den Wohlklang der Musik geschult ist.


    Ulli,


    steckt hier nicht eigentlich die Antwort drin ?

  • Mit Vorurteilen muß ich ja als "Barockstreiter" ebenfalls kämpfen, hier wird der Musik Attribute wie: "Langweilig" "Süß" "zwanghaft Pompös" "künstlich" etc. vorgeworfen. Ganz abgesehen von dem beliebtesten Vorwurf: "Es handelt sich ja um Auftrags- und Gelegenheitswerke..."
    Warum ist das ein Widerspruch zur Qualität der Musik?


    Egal, ich versuch ja mit meinen Beiträgen die vielen verschiedenen Fasetten dieser Musik aufzugreifen.
    Wäre es nicht mal an der Zeit, das auch die Spezialisten für die Moderne mal "Einführungsthemen" starten.


    Ich denke es gibt genügend Musikliebhaber die sich gerne mit jeder musikalsicehn Form auseinandersetzten wollen - den Zugang aber einfach nicht finden (können).Vielleicht gibt es ja hier schon entsprechende Themen - hab sie leider nicht gefunden.


    Es gibt für jede musikalische Epoche bestimmte Werke mit denen man sich die Musik der entsprechenden Zeit erschließen kann.


    Ob jetzt etwas gut ist oder schlecht, dass hängt von dem jeweiligen Hörer ab. Quantz der Flötenspieler und Lehrer von Friedrich II. fand Lullys Musik eher mieß - passend da ich seine Musik auch nicht sehr schätze :D,
    Das jede "richtige" Kunst ihrer Zeit vorraus ist - da halte ich dagegen.
    Was ist mit der Renaissance - eine rückbesinnung auf die Antike - erst dadurch wurde eine neue Kunstform geschaffen.
    Die einzige innovative Architektur ist eigentlich die Gotik - alles andere ist eine Wiederholung des schon gewesenen auf dem neu aufgebaut wurde!
    Und wieder muß ich auf Lully zurück kommen - er war alles andere als innovativ, im Gegensatz zu den italienischen Opern und deren kühner Harmonik bewegte er sich zurück und orientierte sich an den alten Airs de Cour und der Ballettmusik seiner Vorgänger.
    Er hatte mehr als großen Erfolg und wurde für mehr als 4(!)Generationen stilbildend.


    Zur Zeitgenössischen Musik, ich habe mir mal eine kleine Box zugelegt - aufgrund des günstigen Preises und der enthaltenen Musiker:



    Music of our Time (5 CD's)
    Stockhausen: Kontakte
    Cage: Roaratorio
    Ligeti: diverses
    Rihm: Kolchis/ Dritte Musik etc.
    erschienen beim Label Wergo


    Ich hörte diese Musik beim abentlichen Spazierengehen. Damals lebte ich noch in einer eher etwas ländlicheren Gegend und hatte die Felder und Wiesen direkt vor der Tür.
    Die absolute Einsamkeit an dieser Zeit des Tages vermischt mit dieser sehr ungewohnten Musik war ein Erlebniss, dass ich nicht missen möchte.
    Bei diesen abendlichen Spaziergängen hörte ich eine Zeitlang nur noch Musik der Moderne, sie war mir für diese Gelegenheit selbst lieber als Lullys Ballette!


    Ich studiere ja selbst bildende Kunst und setzte mich tag täglich mit diesen Sinnfragen auseinander. Soll und darf Kunst schön sein - ich habe den Drang meine Kunst schön zu konzepieren.
    Ich bin manchmal so angewiedert von dem was in der Welt passiert, dass ich das nicht auch in meinen Bilder haben will.
    Aber was will ich überhaupt, was mache ich hier? Was solld as Blümchen zu malen - aber ist es sinnvoller ein altes Waschbecken an ein Fahrad zu kleben?
    Ich kenne die Antwort nicht.


    Ich würde jedenfalls ein Thema begrüßen in der Art "Zeitgenössische Musik - der Einstieg" oder soetwas in der Art.
    Denn es ist auch wichtig, dass die Aufnahmen gut begleitet werden.
    Die Werke die ich mir da oben gegriffen habe, halte ich für einen Einstieg zu heftig.

  • Zitat


    Aber was will ich überhaupt, was mache ich hier? Was solld as Blümchen zu malen - aber ist es sinnvoller ein altes Waschbecken an ein Fahrad zu kleben?
    Ich kenne die Antwort nicht.


    Käme darauf an was Du mit einem Waschbecken an eine Fahrrad ausdrücken willst! :D


    Also irgendwie finde ich die Diskussion etwas grotesk:


    Mal ein paar Gegenfragen:


    1. Hört irgendeiner Musik, die ihn anwidert und die er gräßlich findet!
    (Falls ja, es gibt ja so Sendungen mit sog. Volkstümlicher Musik)


    2. Schaut einer von euch Filme, die ihn nicht interessieren ?


    3. Achtet ihr in der Stadt oder wenn ihr sonst wo seid auf Menschen, die ihr als attraktiv bezeichnet?

  • @ Richard:


    Zitat

    3. Achtet ihr in der Stadt oder wenn ihr sonst wo seid auf Menschen, die ihr als attraktiv bezeichnet?


    Du meinst sicher unattraktiv.


    Zur Diskussion: Musik muss IMO nicht schön sein. Ich höre mir auch Musik an, die in meinen Ohren nicht schön ist. Einfach aus dem Grunde, weil es Musik ist. Auch, wenn es nur Klanggebilde sein sollten. Aber für den einen ist diese Musik schön, für den anderen halt nicht.
    Ich kann natürlich ohne jeden Zwang alles vermeiden zu hören, was mir nicht gefällt. Das wird mir auch keiner übel nehmen.
    Aber rein aus Interesse höre ich mir persönlich auch "unschöne" Musik an. Man muss ja wissen, wovon man später redet. ;)



    Gruß, Peter.

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  • 1. mit Rücksicht auf die Formulierung wäre unattraktiv besser!
    2. Du bist jung. Für nicht schöne Musik habe ich keine Zeit mehr! Nicht zu verwechseln mit "interessanter aber nicht dirkt zugänglicher Musik"
    3. Bestellst Du heimlich Mod**n Talk**g CD's oder irgendwals mit Alm oder so im Künstlernamen ? ;)

  • Zitat

    Original von Richard
    1. mit Rücksicht auf die Formulierung wäre unattraktiv besser!
    2. Du bist jung. Für nicht schöne Musik habe ich keine Zeit mehr! Nicht zu verwechseln mit "interessanter aber nicht dirkt zugänglicher Musik"
    3. Bestellst Du heimlich Mod**n Talk**g CD's oder irgendwals mit Alm oder so im Künstlernamen ? ;)


    zu 2. Na nun übertreibe mal nicht. Mit deinen paar Jahren auf dem Buckel kannst du noch eine Menge "unschöner" Musik hören! :yes:


    zu 3. Oh ja, ich liebe Mod**n Talk**g, weil die so schöne abwechslungreiche Musik liefern! :stumm:
    Ich hoffe nicht, dass es irgendwann mal dazu kommt, dass ich mir solche CD's bestelle...



    Gruß, Peter.


  • zu 2.
    Nö, keine schreckliche Musik, keine Dates mit ********* ******!
    (Anm.: vorsorglich direkt unkenntlich gemacht :D)

  • Zitat


    Original von Richard
    2. Du bist jung. Für nicht schöne Musik habe ich keine Zeit mehr! Nicht zu verwechseln mit "interessanter aber nicht direkt zugänglicher Musik"


    Salut,


    mich könnte man auch noch als jung bezeichnen, oder? Ich sehe es trotzdem nicht ein, meine kostbare Zeit mit Dingen zu verschleudern, die mir nichts geben...


    Cordialement,
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Wer kurz vor der 74'er WM auf die Welt kam ist durchaus als "jung" zu bezeichnen :stumm:
    Das Finale dürftest Du allerdings nicht unbedingt verfolgt haben ...... :D

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  • Zitat

    Das Finale dürftest Du allerdings nicht unbedingt verfolgt haben ......


    Salut,


    selbst, wenn ich es hätte können, hätte ich es nicht wollen. Ich bin einer der wenigen Fußball-Desinteressierten...


    Cordialement,
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo zusammen,


    ich kann mich im Kern den Aussagen von Gerrit nur anschließen. Ich genieße die Musik von Schoenberg, Boulez und Messiaen ebenso wie die von Palestrina, Haydn und Wagner.
    Selbstverständlich gibt es auch viele Komponisten, zu denen ich noch keinen Zugang gefunden habe. Nur stehe ich diesen dann prinzipiell nicht emotional ablehnend gegenüber sondern eher neugierig. Warum können sich andere so daran erfreuen und ich aktuell nicht ? Das ist für mich eigenltich immer eine Motivation zu weiterem "Suchen".


    So tat ich mich lange Zeit extrem schwer mit Anton Webern. In meinem Hinterkopf befand sich aber immer ein enthusiatisches Plädoyer von Bernstein für diesen Künstler, seine geniale fragile Musik. Beim keinem Künstler müsse man so gespannt aufpassen, etwas zu verpassen, da die Musik so unheimlich konnzentriert sei.
    Ich nahm also Lennys Begeisterung zum Anlass und hörte immer mal wieder in Weberns Werke rein und irgendwann funkte es auch.
    Enttäuschende Begegnungen gibt es auf solche Wegen zwar genug, aber bisher konnten Sie noch nie meine Neugier bezwingen, man kann ja nix dabei verlieren.
    Nur ist mir die emotionale Abkehr, die manche in so einem Fall erfahren und die Sie dann für immer von den Werken wegbringt bisher glücklicherweise fremd geblieben.



    Bezug möchte ich aber noch auf einen Detailsaspekt nehmen, in einem Kurzinterview eines Musikkritikers las ich auf die Frage, welcher Komponist denn überschätzt sei folgende Aussage


    Zitat

    Beethoven - nicht etwa bezüglich des geistigen Gehalts seiner Werke, der ist unbestritten, sondern bezüglich ihrer Schönheit.


    Hier will ich nur noch kurz anmerken, dass mir so eine Aussage absolut unverständlich ist. Es ist mir persönlich unmöglich, die Schönheit des Werks isoliert von seinem geistigen Inhalt bzw. seiner kompositorischen Güte zu betrachten. Vielmehr entsteht die Schönheit für mich erst aus diesen Elementen. Ich kann die Eroika nicht wegen der genialen Komposition loben, aber sie hässlich finden. Ich kann den Tristan nicht glühend wegen seiner psychologischen Abgründe und seiner musikalischen Grenzgänge loben, aber letztendlich nicht schön finden.
    Das bedingt sich.


    Gruß
    Anti

  • Hallo Lullist,


    Zitat

    Original von der Lullist
    Ich würde jedenfalls ein Thema begrüßen in der Art "Zeitgenössische Musik - der Einstieg" oder soetwas in der Art.


    Wir haben ja schon "Zeitgenössische Musik - Womit beginnen?", aber Dir schwebt wohl eher ein Thread mit kleinen Einführungen vor, oder?


    OK, Dein Wunsch sei mir Befehl, ich trage den Gedanken schon eine ganze Weile mit mir herum, vor dem Wochenende wird es diese Woche allerdings nichts werden.....


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Ganz klare Antwort auf die klare Frage "Muss Musik schön sein?":


    Nein, muß sie nicht. Aber es schadet auch nichts, wenn sie schön ist.


    Ich habe da andere Kriterien für die Qualität von Musik als ausgerechnet die "Schönheit". Ich freue mich über eine schreiende Dissonanz (Anfang der Pini di Roma), über einen aus den Fugen geratenen Rhythmus (Prokofieff Schlußsatz der 7. Klaviersonate), über "falsche" Noten (in Strawinskys Pulcinella-Suite) wesentlich mehr als über das ungetrübte Baden in Dreiklangsharmonien. Wenn ichs mir genau überlege: Schönheit interessiert mich überhaupt nicht. Wenn eine Musik mir nichts anderes bieten kann, als daß sie schön ist - dann ist sie für mich uninteressant.


    Gruß
    Heinz

  • Hallo liebe Taminoianer,


    Heinz


    - eine "klare" Antwort die so beginnt "Nein muß sie nicht ABER..." ??? :D:stumm:


    Im Prinzip hat hier jeder Recht, von seinem Standpunkt aus gesehen. Dennoch glauben wir nicht, dass einer von Euch sich 12 Stunden lang Musik anhört, die er nicht doch "irgendwie" schön findet. Oder ist das so?
    Wir für unseren Teil sind nicht gewillt (wie Richard schon sagte) auch nur EINE Sekunde Zeit in Musik zu investieren die wir nicht "schön" finden.


    Viele Grüße aus Bayern


    Bettina und Wilfried

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