Zitat
Wahr ist, dass Salieri oft gesagt hat, dass die Arie non piú andrai aus [Mozarts] Figaro für sich allein genommen so viel wert sei wie eine gute Oper. Aber der Schöpfer von Tarare, La Grotta di Trofonio, Danaydes, Fallstaff, sollte er dennoch so eifersüchtig sein auf den Schöpfer der Zauberflöte, Don Juan, [Le] Nozze di Figaro? es ist gestattet, daran zu zweifeln.
So schreibt Hochachtungsvoll, einer Ihrer Abonnenten, Wien in Österreich, den 26. Mai 1824 [im Original: Recevez, Monsieur, l’assurance de ma consideration distinguée. Un de vos abonnés. Vienne en Autriche le 26 Mai 1824] an den Redakteur des Journal des Débat. Dieser Abonnent war der in Wien amtierende Hoftheaterdirektor Moritz Graf Dietrichstein-Proslau-Leslie (1775-1864).
Bestanden nun für Antonio Salieri Gründe, auf Mozart [diese Creatur] eifersüchtig zu sein?
[Salieris Geburtshaus vor den Veränderungen durch die Einflüsse des II. Weltkrieges]
Antonio Salieri wurde am 18. August 1750 in Legnago bei Verona geboren. Er erlernte von seinem älteren Bruder Francesco, welcher selbst bei Tartini gelernt hatte, das Violinspiel. Gleichzeitig studierte er bei einem Schüler Padre Martinis – Giuseooe Simoni – das Cembalo- und Continuospiel. Salieri hatte bereits früh Freunde: So auch die einflussreiche Familie Mocenigo, welche dafür Sorge trug, dass der 15jährige Antonio bei dem an der Kapelle von San Marco in Venedig verpflichteten Opernkomponisten Battista Pescetti studieren konnte. Salieri war zu dieser Zeit bereits Vollwaise und die Familie Mocenigo trug für seinen Unterhalt sorge. Dort – in Venedig – traf der junge Salieri Florian Leopold Gassmann, der selbst Opernkomponist war und seinerzeit ebenfalls bei Padre Martini zur Lehre ging. Gassmann, kaiserlicher Kapellmeister, nahm Salieri mit nach Wien, in der Absicht den ungeschliffenen Diamanten dort zu vollenden. Er behandelte Salieri bis zu seinem Tode wie einen Sohn.
Salieris Begabung wurde schnell bekannt, so durfte er bereits mit 19 Jahren die Proben zu den Opern am kaiserlichen Hoftheater leiten und gab 1770 mit seiner Komödie Le donne letterate sein Debüt. Das Libretto zu diesem Werk schrieb der Bruder des bekannten Luigi Boccherini, Giangastone. Christoph Willibald Gluck wurde durch das Erstlingswerk auf Salieri aufmerksam und verschaffte ihm gleich zwei [!] weitere Opernaufträge, die er noch im selben Jahr in die Tat umsetzte: L’amore innocente und Don Chisciotte. Salieri erhaschte sich schnell die Gunst des Hofes, so dass er nach Gassmanns Ableben im am 7. Februar 1774 sich als dessen Nachfolger rühmen konnte. Damit besaß Salieri mit 24 Jahren bereits ein hochtragendes Amt.
[aus dem Manuskript der Oper La grotta di trofonio]
Kaum verwunderlich, dass der Ruf nach Italien folgte – zwei Opernhäuser wurden eingeweiht: Das Teatro alla Scala beglückte Salieri 1778 mit seiner Oper Europa, 1779 fand die Taufe des Teatro della Cannobiana mit Salieris Oper La fiera di Venezia statt. Es folgten weitere Erfolge in Venedig, Bologna, Rom und Neapel. Vom Erfolg gekrönt kehrte Salieri nach Wien zurück. Dort erwartete ihn bereits ein Auftrag Kaiser Josephs II., der den Leser in Erstaunen zu versetzen mag:
Kaiser Joseph II. – der die Erneuerung des deutschen Theaters zur Chefsache erklärt hat, wie bekannt ist – beauftrage Salieri mit der Komposition eines deutschen Singspiels! Rückblickend würden wir dies heute in der Tat als Farce betrachten, doch dem war bei weitem nicht so: der bereits erfahrene und lorbeerumkranzte Salieri schrieb 1781 – kaum zu glauben - das [musikalisch] pointierte Singspiel Der Rauchfangkehrer! Auch 1795 widmete er sich nochmals diesem Genre mit Das entdeckte Geheimnis, es folgten noch Der Tyroler Landsturm [1799], Zwischenspiele und Chöre zu Die Hussiten vor Naumburg [1803], Die Neger [1804].
Am 1. März 1788 wurde Salieri Nachfolger des pensionierten Hofkapellmeisters Giusepee Bonno, im selben Jahr wurde er als Präses der Tonkünstler-Sozietät gewählt, deren Vizepräses er ab 1795 war. Bis 1818 war Salieri fast ohne Ausnahme der alleinige Leiter der Konzerte der Tonkünstler-Sozietät. Nach dem Tode Josephs II. wurde seine Verpflichtung am Hofe aufgehoben.
In der Folgezeit war Antonio Salieri unter anderem 1790 bei den Krönungszeremonien Leopolds II. in Frankfurt a. M. zugange und komponierte für die Krönung Franz’ II. [1792] ein Te Deum. Er wirke als Basso-continuo-Spieler in der Uraufführung von Haydns Schöpfung am 30. April 1798 mit. 1799 widmet Ludwig van Beethoven ihm drei Sonaten für Violine und Klavier [op. 12], auch Franz Schubert widmet ihm seine Klavierlieder [op. 5] sowie 10 Variationen für Klavier in F-Dur.
Krankheitsbedingt wurde er dann ab Herbst 1823 von Joseph Eybler – jenem, welcher in Mozarts Requiem herumgekritzelt hatte – vertreten und am 1. Juni 1824 wurde Salieri nach mehrmaligem Ersuchen seiner selbst pensioniert: Er erhielt volle Bezüge!
Am 7. Mai 1825 starb Salieri in Wien am Brand [was auch immer das gewesen sein mag – vielleicht ähnlich dem hitzigen Frieselfieber?]. Bei seiner Totenfeier wurden sein eigenes Requiem gegeben.
Salieri komponierte Litaneien, Vespern, Gradualen, Offertorien, Hymnen, ein Requiem, Oratorien, Zwischenaktmusiken, zahlreiche Chöre, Duette, Terzette, Arien, Arietten, Kanons, eine Sinfonia concertante, ein Doppelkonzert für Flöte und Oboe, ein Orgelkonzert, 2 Klavierkonzerte, 3 Sinfonien, Ouvertüren, Märsche, Serenaden, Klaviersonaten und Klavierstücke sowie weitaus mehr als 40 Opern, von denen nicht mal alle zu seinen Lebzeiten (geschweige denn, heute!) aufgeführt wurden. Zu den bekanntesten Opern gehören u.a. Falstaff, Axur re d’Ormus, La secchia rapita, Palmira Regina di Persia, Prima la musica e poi le parole […] Sehr häufig taucht Lorenzo da Ponte als Librettist seiner Opern auf.
Um es doch noch kurz anzusprechen – Mozart.
Das Wienerblättchen meldet am 26. September 1785 auf S. 224:
Über die glückliche Genesung der beliebten Virtuosin Madame Storace hat der k. k. Hoftheaterpoet Abb. Da Ponte ein italiänisches Freudenlied angefertigt: „Per la ricuperata salute di Ophelia“. Dieses ist von den berühmten drei Kapellmeistern Salieri, Mozart und Cornetti in die Musik zu singen beim Clavier gesetzt worden.
Ludwig Ritter von Köchel reiht dieses leider verloren gegangene Werk unter KV 477a ein. Es ist ursprünglich bei Artaria & Co. im Druck erschienen.
Zu seiner Oper Falstaff schreibt Salieri eigens seine Gedanken zur Musik dieser von mir komponierten Oper. Die Wiedergabe dieser Gedanken würde den Rahmen sprengen, aber eines scheint mir doch für die heutige Moderne als sehr wichtig:
Die Einleitung – ist vielgestaltig und lebhaft; vielleicht etwas lang für die Zahl der in ihr enthaltenen Einfälle, weckt sie doch das Interesse an dem Werk, besonders wenn Falstaff passend gekleidet und ein guter Schauspieler ist. Wie wir sehen werden, hängt davon der Erfolg der gesamten Oper ab. […] Das Finale – „Siete giá qui“ – hängt in seiner Wirkung ganz von der Inszenierung ab, und die Musik hat hier lediglich Begleitfunktion.
[passend gekleideter Falstaff]
So verstehen wir Mozarts teils vernichtende Urteile über die Musik Salieris ein wenig besser. Vor dem Hintergrund, dass Salieris Werke mehr für die Bühne geschrieben zu sein scheinen, als aus rein künstlerischen Beweggründen [ct. Filippo Poletti], kann man als Opernliebhaber Salieris Werken einiges abgewinnen. Er scheint ein Meister der Dramaturgie und der Charaktermomente zu sein.
Cordialement,
Ulli