Membran - KZ Musik

  • Im November erscheint eine neue CD Serie.
    Und zwar wird hier zum ersten Mal Musik vorgestellt, die von Inhaftierten (1933-1945) im KZ verfasst worden ist.
    Einen entsprechenden Artikel kann man ja auch in der aktuellen Ausgabe von Fono Forum lesen.


    Es ist erschreckend und bewundernswert zugleich, dass man sich unter solchen Umständen noch dazu aufraffen kann, kreativ tätig zu sein.
    eigentlich unfassbar, wie das ganze Thema KZ.


    Anscheinend sind aus fast allen muikalischen Bereichen Werke entstanden, Kammermusik, Symphonien, Opern, Lieder, Chöre ....


    Das ganze ist auf 24 CD's angelegt, die aber wohl nur über die entsprechende Hompage vertrieben werden. Die ersten 7 CD's sind demnächst erhältlich, die restlichen Editionen, dene auch beeindruckendes Begleitmaterial beiliegt ,werden in den nächsten 3 Jahre folgen.



    Ein intressantes Projekt, das aber irgendwie einen komischen Beigeschmack hat.
    Das Intro der Webseite finde ich ziemlich geschmacklos.
    Mich hat das sehr an die "Time Life Super Klassik Edition" erinnert, da der Sprecher zu sehr nach Kuschelwerbung klingt.


    "Erleben sie schönsten Melodien aus Buchenwald und Auschwitz...." so hört sich das leider an...
    das hätte man anders machen können.

  • Problematisch finde ich an solchen Editionen - das galt schon für Deccas "Entartete Musik" -, daß hier so etwas wie eine zweite Stigmatisierung erfolgt, als Folge einer Vermarktung, die auch mir suspekt ist. Andererseits werden bei dieser Gelegenheit auch Komponisten und Werke dem Vergessen entrissen, die das verdienen. Eine zweischneidige Sache!

  • ja so sehe ich das auch.
    Trotzdem bleibt es faszinierend unter welchen Umständen Menschen noch fähig sind Kunst zu machen.
    Leider funktioniert die Webseite bei mir nur eingeschränkt.
    Weiß jemand was die Editionen kosten ?

  • Das sehe ich ganz genauso. Eine Würdigung und gerechte Aufnahme in bestehendes, diskographiertes Repertoire sieht anders aus - nämlich ohne eye-catcher.


    Daß ohne solche Zusätze der Verkauf schlechter ist und das Interesse an den Werken ggf. ausbleibt, finde ich eigentlich traurig.

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Das ganze ist auf 24 CD's angelegt, die aber wohl nur über die entsprechende Hompage vertrieben werden. Die ersten 7 CD's sind demnächst erhältlich, die restlichen Editionen, dene auch beeindruckendes Begleitmaterial beiliegt ,werden in den nächsten 3 Jahre folgen.


    Die ersten sechs CDs der Reihe sind bei jpc schon zu bekommen:




    Berman: Poupata, Broucci, Slavnostni pochod
    +Ullmann: 2 Lieder der Tröstung; Herbst
    +Kropinski: Zlota jesien; Piesn wspomnienia; Prozno
    +Stryjecki: Tango argentynskie; Wino
    +Abeles: Felicita op. 282 für Klavier
    +Ludmila Peskarova: 7 Songs
    +Lippold: O bittre Zeit; Wiegenlied
    Künstler: Angelo De Leonardis (Bariton),Libera Granatiero (Sopran),
    Laura Aprile (Violine),Alina Scoticailo (Violine),
    Luigi Gagliano (Viola),Gianni Cuciniello (Cello),
    Francesco Lotoro (Klavier)




    Ullmann: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph
    Rilke; 3 Lieder nach Hölderlin; Immer inmitten; Brezulinka
    op. 53
    +Taube: Ein jüdisches Kind
    +Klein: Ukolebavka
    +Weber: Ade, Kamerad; Ukolebavka; Ich wandre durch
    Theresienstadt; Emigrantenlied; Dobry den; Kleines
    Wiegenlied; Und der Regen rinnt; Wiegala
    Künstler: Angelo de Leonardis (Bariton),Anna Maria Stella Pansini
    (Sopran),Francesco Lotoro (Klavier)




    Klein: Klaviersonate
    +Ullmann: Klaviersonaten Nr. 5-7; Variationen & Fuge über
    ein hebräisches Volkslied; Cadenzen zu Beethovens
    Klavierkonzerte Nr. 1 & 3
    +Schul: Eine Fuge
    Künstler: Francesco Lotoro, Klavier




    Löwenthal: Traditionelle Weisen für Pesach, Schwuos und
    Sukkot; Lieder für die Schawuoth Feiertage
    +Ullmann: Seeräuber-Ballade (Fragment); 3 Lieder; 2
    Chinesische Lieder; Wendla im Garten; Chansons des enfants
    francaises
    +Haas: 4 Chinesische Lieder
    +Karel: Pisen svobody op. 41a; Zena - moje stesti op. 41b;
    Pankrac March op. 42a; Pankrac Polka op. 42b; Pankrac Valzer
    op. 42c; Pochod Höftlinku
    +Dauber: Serenata
    Künstler: Mario Muccitto (Akkordeon),Laura Aprile (Violine),
    Petr Matuszek (Bariton),Francesco Lotoro (Klavier)




    Schulhoff: Symphonie Nr. 8
    +Berman: Terezin Suite
    Künstler: Francesco Lotoro (Klavier),La Sonora Alternanza Choir, Angelo De Leonardis




    Pinkhof: Lecho Adonoi; Scharchoret; Wajhie; Gadlu
    +Bischofswerder: El Male Rachamim; Lehu Nerann'no; Mi Addir
    +Grünfeld / Schul: Uv'tzeil Knofecho
    +Ullmann: 2 Lieder der Tröstung
    +Zrzavy / Schul: V'lirushalaim
    +Hilsley: Fantasia on Provencal Christmas Carol; 3 Dance
    Pieces
    +Gürtler: Rigaudon
    +Krobinski: Bez Tiulu; Poem; Tesknota; Piesn bez slow;
    Dlaczego
    +Peskarova: Cerne vlajky; Modlitba za vlast; Hradcany
    krasne; Kdybych mela aero; Slunce vychazi a zapada
    +Lesczynska: Frauenlager
    +Mohaupt: Auschwitz Lied
    Künstler: Angelo De Leonardis (Bariton),Laura Aprile (Violine),
    Alina Scoticailo (Violine),Luigi Gagliano (Viola),
    Gianni Cuciniello (Cello),Domenico Carcina (Oboe),
    University of Foggia Choir, Nicola Marasco



    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo zusammen,


    die erste Edition dieser Art ist es allerdings nicht. In den 90er Jahren gab es bereits eine Edition bei koch, die Werke vorgestellt hat, die in Teresienstadt komponiert wurden. Teresienstadt war eine Art Vorzeige-Kazett der Nazis, in der Musik- und Theaterausübung wenigstens toleriert wurde. Dort wurde auch ein furchtbarer Propagandafilm gedreht, der der Welt zeigen sollte, wie toll die KZs doch sind. In Teresienstadt wurden viele tschechische Künstler und Musiker inhaftiert, bevor sie in die Vernichtungslager transportiert wurden.


    Ich habe hier ein Buch von Joza Karas namens "La Musique de Terezin", dass die musikalischen Tätigkeiten beschreibt. Obwohl die Musikausübung zeitweise toleriert wurde, waren die Umstände schrecklich: Die Musiker waren natürlich nicht von der harten täglichen Arbeit befreit, Instrumente und Noten mussten auf teilweise abenteuerliche Weise in das Lager geschmuggelt werden, Repressalien, schikane und Hunger waren allgegenwärtig. Ich habe nach der Lektüre eine unglaubliche Hochachtung vor den Männern und Frauen und Kindern bekommen, die unter diesen Umständen die Kraft fanden, der unglaublichen Barbarei ein Stück Kultur entgegenzusetzen.


    Ich habe zwei Platten aus der Koch-Edition: Eine, die dem jungen Komponisten Gideon Klein (er starb mit 26 Jahren in dem Arbeitslager Fürstengrube) und eine mit Musik von Viktor Ullmann, der bereits vor seiner Inhaftierung ein bekannter Komponist war. Beide Aufnahmen müsste ich nochmals hören.


    Von Viktor Ullmann sind die Oper "Der Kaiser von Atlantis" und die Kinderoper "Brundibar" vermutlich die bekannstesten Werke. Beide wurden in Terezin uraufgeführt. Die Kinder der Uraufführung von Brundibar wurden späte fast alle in Auschwitz ermordet. Der Kaiser von Atlantis ist ein zynisches Stück, in dem einem imaginären Kaiser der Tod verweigert wird.


    Ich finde es sehr schwer sich diesen Werken abstrakt zu nähern und eine neutrale Einschätzung abzugeben, die die Hintergründe der Entstehung ignoriert. Die Stücke gehen einem aber ziemlich unter die Haut.


    Viele Grüße,


    Melanie

  • Nun ja, ein zweischneidiges Schwert.
    Einerseits gebe ich Gurnemanz Recht: Jede weitere dieser Reihen scheint die unsägliche Ein- und Wegsortierung dieser Musik fortzuführen. Einfach den Stempel "Entartet" oder "KZ" drauf, schon kann man Ullmann, Krasa, Haas und die anderen Leidensgenossen einsortieren. Egal, ob ihre Musik stets etwas miteinander zu tun gehabt hätte. In mehreren Threads wurde ja bereits erwähnt, wo die Musik dieser Komponisten musikalisch anzusiedeln ist, wo sie also ohne die Verfolgungs-, Inhaftierungs- und Tötungsgeschichten eigentlich zu verorten sei.


    Dennoch halte ich die Würdigung innerhalb solcher Reihen für legitim, weil diese Komponisten nun einmal eine ähnliche Geschichte im Zuge der kulturellen und politschen Zeitläufte verbindet. Insofern halte ich es noch für unumgänglich, ihre Werke auch unter diesem Aspekt zu betrachten. Einen Pavel Haas mit einem nicht verfolgten Zeitgenossen zu koppeln oder zu vergleichen, mag bei nüchternem Lichte betrachtet zwar Aufschlüsse geben hinsichtlich der musikalischen Einordnung und Güte. Es berücksichtigt und würdigt aber nicht die ganz besonderen Umstände, unter denen er und viele andere gezwungen waren zu arbeiten.


    Ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht so genau, wie man diese Musik am besten aufbereiten und präsentieren sollte. Im schlimmsten Fall könnte doch beispielsweise folgendes passieren: Haas' Musik wäre, bei nüchternem Lichte betrachtet, nicht wirkllich konkurrenzfähig, also im Grunde teilweise zu vernachlässigen. Trägt aber dieses nüchterne Licht der Tatsache Rechnung, wie diese Musik entstand und dass Haas um die Chance gebracht wurde, seine Fertigkeiten weiter zu entwickeln? Muss es deshalb nicht eine besondere Berücksichtigung der Lebens- und Werkgeschichte geben und sind deshalb solche Reihen dann nicht doch sinnvoll?


    LG
    B.

  • Zitat

    Original von Mela


    Von Viktor Ullmann sind die Oper "Der Kaiser von Atlantis" und die Kinderoper "Brundibar" vermutlich die bekannstesten Werke. Beide wurden in Terezin uraufgeführt. Die Kinder der Uraufführung von Brundibar wurden späte fast alle in Auschwitz ermordet. Der Kaiser von Atlantis ist ein zynisches Stück, in dem einem imaginären Kaiser der Tod verweigert wird.


    Hallo zusammen,


    ich sehe gerade, dass mr ein peinlicher Fehler unterlaufen ist: Brundibar ist natürlich nicht von Ullmann, sondern von Hans Krasa.


    Bei aller Skepsis gegenüber einer Benutzung von "KZ" oder "Entartet" als Markteingfaktor, waren es nicht solche Reihen, die die betroffenen Komponisten erst wieder veröffentlicht und damit auch etwas bekannter gemacht haben? Das wäre jedenfalls immer noch besser als ein weiteres totschweigen, aus meiner Sicht.


    Viele Grüße,


    Melanie

  • Gegen eine historisch begründete Sammlung auch qualitativ unterschiedlicher Werke verschiedener Komponisten habe ich nichts einzuwenden.


    Die Aufmacheung gerade dieser Serie bereitet mir allerdings äußerste Schwierigkeiten.
    Vignettierte Photos von mehr als fragwürdiger Ästhetik, dazu noch Kleinbildchen als Dreingabe und neben dem knackigen, onomatopoetischen Titel "KZ-Musik" auch noch ein -wenn auch schlechtes - eigenes Logo.
    Fehlte nur noch ein Inlay mit tätowierter Seriennummer zum Sammeln.


    Geschmacklos ist ein Van Gogh mit verbundenem Ohr auf einer Op.132-Aufnahme.
    Hierfür finde ich dagegen keine rechten Worte.



    audiamus



    .

  • Diese sehr ästhetisierten Bilder zu dem reißerischen Titel "KZ-Musik" halte ich auch für äußerst daneben. Gelungen dagegen fand ich von der Aufmachung wie vom nüchternen Titel von Ann Sofie von Otter u.a. "Terezín/Theresienstadt. Lieder aus Theresienstadt", eine von der Zusammenstellung, vom musikalischen Material wie von der Interpretation sehr empfehlenswerte CD.


    Auch mit der ebenfalls ausgezeichneten Reihe "Entartete Musik" - in Anführungszeichen auf den Covern - habe ich keine Schwierigkeiten, da die allgemeine Einführung zur Reihe, wie überhaupt die Beiträge in den Beiheften recht brauchbar und relativ ausführlich sind. Ein solche Reihe läd doch auf gute Weise dazu ein, weitere Entdeckungen zu machen und über die Gesamtwirkung des deutschen Faschismus auf die Musikentwicklung sich eigene Gedanken zu machen.


    Vom musikalischen Material erscheint mir jedoch auch diese Membran-Reihe interessant. Zwar werden Kompositionen der inzwischen schon relativ namhaften Komponisten über die ganze Reihe verteilt und gibt es teilweise schon Einspielungen dieser Werke, aber auch hier gibt es Neuheiten. Schulhoffs 8. Symphonie wollte ich schon lange einmal hören. Von ihr war mir noch keine Einspielung bekannt. Schon die Tonschnipsel bestätigen meine Skepsis über das, was ich bislang über sie lesen konnte.


    Zitat

    Mela:die erste Edition dieser Art ist es allerdings nicht. In den 90er Jahren gab es bereits eine Edition bei koch, die Werke vorgestellt hat, die in Teresienstadt komponiert wurden.


    Die Edition bei Koch scheint mir hingegen im Vergleich mit der "Entartete Musik"-Reihe etwas untergegangen zu sein, vielleicht auch, weil sie als Reihe weniger erkennbar war. Musikalisch und keinesfalls nur historisch ist jedoch auch sie sehr hörenswert.
    Die erste Edition dieser Art war sie jedoch auch nicht. In der CSSR erschien seit Anfang der 80er Jahre noch auf LP eine erste Reihe mit Aufnahmen von Klein, Haas, Krása, Ullmann und Schulhoff, die auch im Westen einen kleinen Vertrieb hatte, und auch die hatte dort schon vereinzelte Vorläufer mit Einzel-LP-Veröffentlichungen. Aufführungen später Schulhoff-Werke vor seiner Deportation gab es dort schon direkt nach 45 und dann kurz darauf auch weitere Aufführungen dieser Werke in der DDR, der UdSSR und Schweden. Musikwissenschaftliche Bemühungen um die Rettung ihrer Werke vor dem Vergessen gab es in der CSSR auch schon sehr früh von einzelnen engagierten Wissenschaftlern, wie Josef Bek, oder in der Halb- und Illegalität überlebenden Komponisten, wie Haba und Suk, die auf die eine oder andere Weise mit den genannten verbunden gewesen waren. Wieweit solche Bemühungen offizielle Unterstützung erfuhr oder dann auch wieder entzogen wurde, war jedoch sehr abhängig von der jeweiligen politischen Konjunktur: In der "Volksfront"-Phase bis 48 war relativ viel möglich, dann auch wieder seit der Kafka-Konferenz bis 68, schließlich wieder in den 80er Jahren.


    Barbirolli: Die Kompositionen der genannten braucht übrigens m.E. keinen Vergleich scheuen. Vielmehr umgekehrt: Die Musik der Egks landet im Vergleich auf dem Müllhaufen der Geschichte. Deinen Überlegungen zur Legitimität solcher Reihen kann ich aber nur zustimmen - solange, bis die besten ihrer Werke ins Mainstream-Repertoir fest Eingang gefunden haben und es solcher Reihen nicht mehr bedarf.


    :hello: Matthias

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