Wie Ihr wißt, treibe ich mich in letzter Zeit fast ausschließlich im barocken Frankreich umher und fühle mich dabei pudelwohl. Nur im Moment gibt's Probleme wegen akuter Zwerchfellschmerzen. Schuld daran seid Ihr alle, liebe Barock-Fans. Und vor allem der Lullist als Spezialist.
Nämlich: Warum habt ihr mich nicht vor Jean-Joseph Mouret und seiner Oper "Les amours de Ragonde" gewarnt? Oder war das Stillschweigen ein gezielter Anschlag auf meine Lachmuskulatur?
Monsieur Mouret Jean-Joseph Mouret wurde am 16. April 1682 in Avignon geboren, er starb am 22. Dezember 1732 in Charenton-le-Pont.
Mouret hatte durch seinen Vater das große Los gezogen: Der war nämlich ein begüterter Seidenhändler und konnte seinen Kindern die ihnen gemäße Ausbildung zukommen lassen. Jean-Josephs Begabung für die Musik war offensichtlich, also erhielt er eine entsprechende Lehre.
Er soll ein guter Sänger gewesen sein, und auch seine frühen Kompositionen wurden gut aufgenommen.
Im Alter von 20 Jahren zog er nach Paris.
1708 kam er in Kontakt mit der Herzogin Anne-Louise Bénédicte de Bourbon-Condé und wurde deren Kapellmeister am Hofe von Sceaux. Da Madame unter Schlaflosigkeit litt, musste Mouret für diverse nächtliche Musikvergnügen sorgen.
1714 wurde er Mitglied der Académie royale de musique und deren Orchesterleiter.
Für diese Institution komponierte Mouret mehrere Bühnenwerke komponierte, ebenso für die Comédie-Italienne, die er von 1717-1737 leitete. Von 1728-1734 war er der Leiter der Concert spirituel. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er verwirrt und verarmt in einem Hospiz in Charenton.
(Quellen: Begleitbooklet zu "Les amours de Ragonde" und Wikipedia)
"Les Amours de Ragonde", Spieldauer rund 50 Minuten, gilt als erste französische Komische Oper.
Die Handlung: Eine "häßliche Alte" Ragonde (die übrigens Bariton singt) will den jungen Colin haben, der seinerseits Ragondes Tochter Colette liebt, die ihrerseits Lucas liebt.
Colin ist von der Idee einer Ehe mit Ragonde wenig begeistert. Aber Ragonde ist einfallsreich: Colin möge Colette im Wald treffen. Doch dort wird er von Elfen und Geistern gequält, wie sonst nur noch Falstaff. Und tatsächlich sind auch Ragondes Geister so "echt" wie die beim wohlbeleibten Ritter. Also fällt es Ragonde nicht schwer, die von ihr angeheurte Dorfjugend zu verscheuchen, vorausgesetzt Colin willigt in die Ehe ein.
Colin tut alles, um die Geister loszuwerden - womit Ragonde einen Ehemann hat. Und Colette bekommt Lucas.
Diese Oper ist schon durch den Text sehr amüsant - der bedient sich nämlich eines sehr inkorrekten Dialekt-Französisch. Die Musik wiederum parodiert nach Herzenslust die hehre Opernkunst eines Lully. Aber nicht nur. Sie ist auch in ihren eigenen Chiffren witzig. Der Klang ist robust, mitunter grell, und extrem färbig, die Harmonik gespickt mit reizvollen Einfällen. Aber die hauptsächliche Triebfeder dieser Oper ist der Rhythmus: hier tänzelnd, dort tanzend, einmal absichtlich derb, einmal pseudo-graziös, dann polternd und sogar lärmend.
Die Musik dieser Oper ist mitreißend, brillant und unglaublich witzig, aber auch voller Feingefühl, etwa für Colette. Eine herrliche Komische Oper, von der ein gerade Weg hin zu den heiteren Werken eines Milhaud, Poulenc und Sauguet führt.
Hat jemand von Euch vielleicht Bekanntschaft mit anderen Werken Mourets gemacht?
P.S.: Ich weiß, daß die Oper einmal in einem Thread kurz behandelt wurde - ich glaube aber, daß der Komponist eines derartigen Meisterwerks einen eigenen Thread verdient. Wenn ein Moderator anderer Meinung ist, dann bitte meinen Beitrag in "Oper für Dirnen und Diebe - 280 Jahre 'Beggar's Opera'" einreihen.