Meine Lieben,
Einige Spezialisten kennen vielleicht auch noch die "Loreley", aber "La Wally" ist die einzige Oper Alfredo Catalanis (1854-93), die im allgemeinen Bewußtsein verankert ist und auch noch hin und wieder aufgeführt wird.
Meist aber hört man nur die berühmte Arie "Ebben? Ne andrò lontana", die für Primadonnen so etwas Ähnliches zu sein scheint wie "M`appari tutt'amor (Ach so fromm)" für (nicht nur lyrische) Spitzentenöre. Auch unter den Forianern finden offenbar diese und allenfalls noch ein, zwei weitere Solonummern aus der Oper mehr Anklang als der Rest, der freundlich-gemischte Gefühle auslöst.
Mir persönlich geht es anders. Die Arien sind achtbar, aber reizvoll finde ich vor allem Nebenmotive und Übergänge. Mir fehlt aber letztlich die große durchgehende Linie; teilweise mutet mich das Werk als beachtliche Talentprobe an, teilweise sucht sie den Weg, ohne ihn schon deutlich zu machen, teilweise streift sie jedoch ans Geniale. Streift - mehr nicht. Für mein Gefühl wollte Catalani ein bißchen zuviel - einerseits die große romantische Tradition bewahren, mit der hinreißenden Verdi-Geste gleichsam, andererseits den veristischen Tendenzen folgen und musikalisch sich zugleich von den Konventionen auch lösen. Sicher ist ihm das zu einem beachtlichen Maß gelungen, aber zu einer in sich abgerundeten Leistung langt es nicht ganz. Er ist sicher wagemutiger als Puccini, kann mit dessen Suggestivkraft jedoch bei weitem nicht mithalten. Aber natürlich bleibt "La Wally" eine ausgesprochen interessante Oper, die nicht nach dem Dutzendschema gestrickt ist, obwohl sie Elemente davon enthält. Catalani wagte auch kühne Tonmalereien (die Lawine etwa) und Dissonanzen, über die zu diskutieren sich vermutlich lohnt. Außerdem balanciert das Werk teilweise an der Grenze zwischen Kitsch und Kunst, was schon für den als Vorbild dienenden Roman "Die Geierwally" der Wilhelmine v.Hillern gilt (1885), ebenso auch für die späteren Verfilmuingen, vor allem der formal hervorragenden, ideologisch freilich zwiespältig anmutenden Realisierung mit Heidemarie Hatheyer. Übrigens wurde die "Wally"-Musik ja nicht von ungefähr auch vom Film schon vereinnahmt.
Die Gratwanderung stufe ich subjektiv als mutig ein. Auf alle Fälle scheint mir "La Wally" sehr viele Möglichkeiten zum Gedankenaustausch zu bieten, also probiere ich den Anstoß.
Gesamtaufnahmen gibt es gar nicht so viele; ich bin da auch kein Kenner und besitze nur die die 1968 in Monte Carlo enstandene DECCA-Studioeinspielung unter Fausto Cleva, die - mit einer Ausnahme - höchstes Niveau aufweist.
LG
Waldi