Rachmaninoff: Klavierkonzert Nr.5 (auf Grundlage der Sinfonie Nr.2)

  • Hallo Rachmaninoff - Freunde,


    ich habe mir jetzt diese Rachmaninoff - CD bestellt:



    Wolfram Schmitt-Leonardy/Klavier, Janacek Philharmonic Orchestra/Theodore Kuchar
    Brillant, 2008, DDD


    Arrangement der Sinfonie Nr. 2 für Klavierkonzert von Alexander Warenberg. Weltersteinspielung. "Mit dem Pianisten Wolfram Schmitt-Leonardy hat sich das Label für einen Kenner der russischen Klavierschule entschieden, der unter Spezialisten schon als Geheimtipp gehandelt wird. Große russische Klaviermusik aus dem Geist des frühen 20. Jahrhunderts - und man ist am Ende nicht ganz sicher, ob es nicht doch ein 5. Klavierkonzert von Rachmaninow gibt."


    Ich bin gespannt auf diese CD und werde berichten !
    :hello: Wer kennt sie schon ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Wolfgang,


    ich habe die CD noch nicht, allerdings war in einem der letzten Hefte der piano-news ein Artikeö über das Projekt. Wenn ich mich richtig erinnere ist die CD dabei gut weggekommen. Wer allerdings eine reine Transkription der zweiten Symphonie erwartet, ist auf dem Holzweg. Das Material der Symphonie bildet lediglich das Fundament. Offenbar wurde das Projekt von den Erben Rachmaninovs autorisiert. Den Artikel müsste ich allerdings suchen. Auf Deine Eindrücke bin ich sehr gespannt!


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo Rachmaninoff-Freunde,


    seit ein paar Tagen habe ich die neue Brillant-Aufnahme des KK Nr.5 zu Hause und mehrmals mit KH und über Boxen gehört:
    :] Kurz gesagt - das ist Rachmaninoff pur
    und
    mir macht es großen Spaß diese KK-Fassung der Sinfonie Nr.2 zu hören, obwohl ich sonst eher Gegner irgendwelcher Bearbeitungen bin und lieber zu den Originalen greife.


    Die Idee dieses Projektes stammt von dem holländischen Klassikmusikchef des Labels BRILLANT Pieter van Winkel, der dem russischen Komponisten Alexander Warenberg (geb.1952) den Auftrag für diese dann in 2007 fertiggestellte Arbeit gab.


    Es gibt auch (wie ich an anderer Stelkle erfuhr) ein nicht ganz so positive Kritik (Musik 3/Klang 8 ) des Kritikers Hurwitz. Ich finde mit Hurwitz und seinen Bewertungen muß man immer sehr vorsichtig sein und kann mich seiner Meinung gar nicht anschließen.
    Das ist mehr als 3, ja das ist mindestens 8-9, denn das ist voll Rachmaninoff mit Wiedererkennungswert. Und JA, das KK Nr.5 wirkt auf mich weniger langatmig als die Sinfonie Nr.2.
    (Ich muß dazu sagen, das ich einer der wenigen bin, der die Sinfonie Nr.1 sogar mehr schätzt als die meistgespielte Sinfonie Nr.2 und in der straffen Form unter Maazel(DG) auch die Sinfonie Nr.3.)


    Zurück zum KK Nr.5:
    Der russische Arrangeur und Komponist Warenberg hat das Werk Klavierkonzertegerecht in drei Sätze gepackt und dabei die Form des KK Nr.3 als Vorbildfunktion verwendet:
    Der erste Satz in Sonatenform mit Einleitung enthällt nur wenige Kürzungen (20,8% lt.Textheft) und wirkt mit Klavier genial gut.
    Der zweite Satz ist eine ABA_Zusammenfasung des Adagio und Scherzo (als B-Teil in die Mitte gepackt). Ebenfalls handwerklich perfekt arrangiert, als wenn es so zusammengehört.
    Der dritte Satz ist eine freie Umsetzung des 4.Satzes der Sinfonie Nr.2 mit 64% übernommenen Materaials. Das Ergebnis geht voll unter die Haut.
    :angel: Das ganze könnte wirklich von Rachmaninow selber geschrieben sein - ich bin begeistert !


    Einziger Wermutstropfen ist die besonders im zweiten Satz die sehr romantische Interpretation von Schmitt-Leonardy und Kuchar.
    Da hätte ich mir den zupackenderen Zugriff von Swetlanow in seiner 1968er-Aufnahme (Melodiya) der Sinfonie Nr.2 gewünscht (ausdrücklich nicht die Swetlanow-Aufnahme in DDD von 1995 bei Warner, denn hier gleitet er auch in romatisches und langatmiges Auszelebrieren ab, ohne den Biss seiner alten Interpretation zu erreichen).
    Der erste und besonders der letzte Satz sind mit Schmitt_Leonardy und Kuchar TOP gelungen.


    Die Klangqualität der BRILLANT-Aufnahme von 2007 entspricht heutigem Standard und ist gut durchhörbar gestaffelt. Gegenüber Hurwitz (diesem Witzbold) würde ich hier eine 9 vergeben !


    Fazit:
    :yes: Für den Rachmaninoff-Fan, der die KK wie die Sinfonien gleichermaßen schätzt ein MUSS.



    BRILLANT, 2007, DDD


    Die Spielzeiten der 3 Sätze: 18:56 - 13:15 - 10:05 - Gesamtspielzeit 42:24

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Nun erwarten wir mit Spannung Beethovens Klavierkonzert d-moll (nach der Neunten Sinfonie), Cajkovskijs Cellokonzert h-moll ("Patetique reloaded") und das "Dorische Flötenkonzert" von Jean Sibelius (nach der sechsten Sinfonie) ...
    :D
    Meine Güte -- wie viele Meisterwerke es doch noch gibt, die sich von würdigen Epigonen als halbgenialische Improvisationshalde ausschlachten lassen ...
    :untertauch:

  • Zitat

    Original von ben cohrs
    Nun erwarten wir mit Spannung Beethovens Klavierkonzert d-moll (nach der Neunten Sinfonie), Cajkovskijs Cellokonzert h-moll ("Patetique reloaded") und das "Dorische Flötenkonzert" von Jean Sibelius (nach der sechsten Sinfonie) ...
    :D


    Bedenke, lieber Ben: in Österreich gibt es Musiker, die sich einen fehlenden Bruckner-Satz vom Meister aus dem Jenseits diktieren lassen. Russen sagt man ja auch ein besondere Spiritualität nach... :D


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Ben,
    nicht zu vergessen das Doppelkonzert "Frecher Wischmopp" für Ondes Martenot und Vibraphon nach Bruckners Erster Symphonie - tolle Sache, wird nur geschlagen vom Tripelkonzert "Kareol" für Trautonium, Singende Säge und Röhrenglocken nach dem Dritten Akt von Wagners "Tristan".
    Umgekehrt finde ich auch die Oper "Finnische Moore" nach Sibelius' Zweiter Symphonie sehr reizvoll...


    Ironie beiseite. Ich halte solche Umarbeitungen, wenn sie nicht der Komponist selbst vornimmt, für totalen Quatsch. Wenn ein Pianist etwas spielen will, das es nicht gibt, soll er einem Komponisten einen Auftrag erteilen. Alles Andere ist abzulehnen.


    :hello:

    ...



  • Seinerzeit uraufgeführt am 1.11.1989 in einer konzertanten Aufführung mit den Wiener Philharmonikern unter Leonard Bernstein. Aus den vom Arrangeur veranschlagten 2 1/2 Stunden Aufführungsdauer wurden jedoch 3 Stunden 40.

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Zeit, diesen Thread nach zwölf Jahren (!) wiederzubeleben.


    Kurz gesagt kann ich teletons Meinung völlig nachvollziehen und teile sie ausdrücklich. Dieses Klavierkonzert "Nr. 5" als Arrangement der 2. Symphonie durch Alexander Warenberg ist eine positive Überraschung und klingt wirklich nach "echtem" Rachmaninow. Als ich vor einiger Zeit mal alle seine Klavierkonzerte hörte, musste ich in meinem eigenen Ranking feststellen, dass ich "Nr. 5" ganz weit vorne einordnen würde, wohl gleich nach Nr. 2 und vor Nr. 3. Aber freilich muss hier jeder nach seiner Façon selig werden, wie Preußens Alter Fritz einst meinte.


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    Es gibt übrigens mittlerweile noch eine zweite Einspielung dieses Werkes der Deutschen Grammophon Gesellschaft, die in CD-Form aber offenbar nur bei Universal Korea erschienen ist, was aber zumindest für mich kein Problem darstellt, da man sich das Werk verlustfrei herunterladen und auch streamen kann. Nach einigem Vergleichshören würde ich diese Aufnahme der eigentlich wirklich schon sehr guten von Brilliant noch vorziehen, da sie mir orchestral und klanglich noch ein wenig besser erscheint. Hier spielt allerdings auch das London Symphony Orchestra unter Michael Francis. Solist ist der Südkoreaner Julius-Jeongwon Kim, der außerhalb Asiens nicht die ganz große Berühmtheit erlangt hat, aber absolut tadellos agiert. Als Dreingabe gibt es noch das Klavierkonzert Nr. 2 von Schostakowitsch. Eingespielt wurde das Ganze in den Abbey Road Studios, London, zwischen 31. Jänner und 2. Februar 2011 (DG 40004).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Habe gerade nachgesehen,


    die Aufnahme mit Wolfram Schmitt-Leonardy habe ich ja , werde ich morgen anhören. Das war doch sicher ein " Taminokauf " . Wo habe ich darüber gelesen ?


    Kalli

  • Vor vielen Jahren (ich müsste nachschlagen, wann) hörte ich Rachmaninoffs Klavierkonzert "Nr. 5" in St. Petersburg, interpretiert von Denis Matsuev, dem Mariinsky-Orchester unter der Leitung von Valery Gergiev. Allerdings spielten sie nur den 1. Satz dieses Konzerts. Warenberg war anwesend.


    Beste Grüße aus Finnland


    Peter

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  • Ich kenne sie noch nicht. Mir ist auch nicht klar, ob hier ein musikalischer Grund Triebkraft des Arrangements (wenn es denn ein solches ist) war, oder ob einfach nur Marketing und Geldgier zugeschlagen haben, sozusagen eine wundersame Vermehrung von Werken Rachmaninoffs, die sich ja hervorragend vermarkten lassen. ... :) Kollge Edwin Baumgartner hat ja schon den Ideenkreis erweitert.


    Es gibt auch (wie ich an anderer Stelkle erfuhr) ein nicht ganz so positive Kritik (Musik 3/Klang 8 ) des Kritikers Hurwitz. Ich finde mit Hurwitz und seinen Bewertungen muß man immer sehr vorsichtig sein und kann mich seiner Meinung gar nicht anschließen.

    sieh an! ;)

    mir macht es großen Spaß diese KK-Fassung der Sinfonie Nr.2 zu hören, obwohl ich sonst eher Gegner irgendwelcher Bearbeitungen bin und lieber zu den Originalen greife.

    Das ist mir von der Logik her völlig unklar. Wenn Dir hier eine freie Bearbeitung gefällt, wieso bist Du dann ein Gegner von Bearbeitungen? Oder anders gefragt, wieso greifst Du nicht zu den Originalen, die gibt es hier ja auch.

    Die Idee dieses Projektes stammt von dem holländischen Klassikmusikchef des Labels BRILLANT Pieter van Winkel, der dem russischen Komponisten Alexander Warenberg (geb.1952) den Auftrag für diese dann in 2007 fertiggestellte Arbeit gab.

    Waren denn die Anforderungen, es solle wie Rachmaninoff klingen oder gab es einen musikalischen Hintergrund? Ich habe mir das Werk jetzt mal zum Streamen herausgeholt. Es kommt in den nächsten Tagen zu Gehör!


    Die Anforderung "Etwas solle klingen wie X" scheint mir etwas zu sein, was in Zukunft wundervoll durch KI erledigt wird. Man darf da nur keine Kunst erwarten :)

  • Nachdem ich etwas Zeit investiert hatte und die erste Empörung verdaut hatte, nun ein paar Cents von meiner Seite.


    Wenn man sich Rachmaninoffs zweite Sinfonie in der Originalversion anhört, wie sie zum Beispiel Rattle mit dem LSO eingespielt hat, meint man manchmal zu verstehen, was den Chefkollegen von Brillant Classics zu seinem Auftrag bewegt haben mag. Die Sinfonie ist erstaunlich zurückhaltend instrumentiert. Bläser sind nur sehr sporadisch zu hören und meistens an Stellen der Steigerung oder halt überhaupt bei Tutti. Das kann einen auf die Idee bringen, ein weiteres Instrument hinzuzufügen, also bei Rachmaninoff das Klavier.


    Meines Erachtens wäre dieser Eindruck aber sehr oberflächlich. Das Werk ist sehr elegisch angelegt und seine Instrumentierung nicht weniger subtil, als die seiner Klavierkonzerte (im wesentlichen 2 und 3). Aber eigentlöich ist schon nach den ersten Tönen der sinfonische Ansatz im Gegensatz zu einem konzertanten zu erkennen. Also ein Klavier kann nur mit sinfonischen Verlusten integriert werden. Warenberg steht also vor der Aufgabe, Dialogisches herauszuhören, zu verkürzen, eventuell an der Instrumentierung zu schrauben, damit klanglich alles noch passt. So verstehe ich im Endeffekt dann auch seine Arbeit. Es entsteht ein Warenberg aus rachmaninoffschen Material. ;) Man meint einige Klavierläufe in dieser Form schon in Rachmaninoffs eigentlichen Klavierkonzerten vernommen zu haben.



    Mein Hörerlebnis führte nach anfänglichen Problemen (was soll das?) dann zu einer Beruhigung, leider sogar beruhigend bis zum Einschläfernden, denn eigentlich gelingt Warenberg es nicht wirklich ein "Konzert" zu schreiben und der vielleicht naheliegende Vergleich mit Busonis Op. 39 scheitert in meinen Ohren am geistigen Schmalspuransatz dieses Versuchs. Hier wird nicht Geschichte geschrieben, sondern es werden eher rachmaninoffsche Teilgeschichtchen zusammengebastelt. Dadurch entsteht der Eindruck beim sporadischen Aufwachen, ein "neues" Rachmaninoff Konzert zu hören. So eine Art Addinsellsches Moskauer Konzert ist da wohl entstanden.


    Wenn man nun ein echtes Rachmnainoff-Konzert dagegenhört, wie zum Beispiel sein drittes von 1909 (kurz nach der zweiten Sinfonie entstanden), so kommt man eigentlich aus der Überraschung nicht heraus, wie subtil hier Klavier und Orchester gegeneinandergesetzt sind. Es ist doch viel mehr als ein paar Rachmaninoffsche Melodien in virtuosen klaviersatz mit ein paar Streichern zu begleiten ....


    Die ganz neue Einspielung von Wang mit Dudamel zeigt das sehr deutlich.



    Im übrigen möchte ich natürlich trotz meiner Bemerkungen jedem seinen Spaß mit Rachmaninoff oder auch Warenberg à la manière Rachmaninov lassen....



    :hello:



    Kleines PS: wer meint, die rachmaninoffsche Orchestrierung nicht zu benötigen und mehr dem Klavierklang zustrebt, für den gibt es ein Arrangement für zwei Klaviere von Simon Callaghan und Hiro Takenouchi.


    Hier der dritte Satz aus der zweiten Sinfonie