Stimmen, die wir niemals hören werden: Muse, Mythos, Mega-Star-Maria Malibran

  • Muse, Mythos,Mega-Star-Maria Malibran



    « Beauté, amour, génie furent son nom de femme
    Ecrit dans son régard, dans son cœur, dans sa voix
    Sous trois formes au ciel appartenait cette âme,
    Pleurez terre, et vous cieux, accueillez-la trois fois !


    Alphonse de Lamartine



    Diese beispielhaften Huldigungsverse des romantischen französischen Dichters sind in Maria Garcia Malibran de Bériots Statue an ihrer letzten Ruhestätte in Ixelles bei Brüssel eingraviert.
    „ Schönheit, Liebe und Genie“ hatten der Himmel ihr geschenkt und dass ihre Zeit auf Erden nur 28 Jahre währen sollte, in denen sie in geradezu unglaublicher und fieberhafter Intensität
    zur romantischen Divinissima Europas(und der neuen Welt!) wurde-formten einen Mythos, dem im Jahrhundert vor ihr nur Farinelli und im Jahrhundert nach ihr nur Maria Callas gleichkamen.
    Maria Malibran war Idealbild, Inkarnation und Apotheose der romantischen Diva schechthin .

    Fréderic Chopin sagte:
    „Die Malibran unterwirft durch ihre wunderbare Stimme und begeistert als Persönlichkeit. Wunder aller Wunder!“



    Die zahllosen Verse, die auf sie geschrieben wurden, die Huldigungen, Lobeshymnen, Gefühlsdausbrüche, die sie bei ihren Zeitgenossen und Bewunderern provozierte, würde man heute als hysterischen Starkult bezeichnen.


    Die Malibran wurde mit horrenden Gagen, kostbarsten Geschenken und Würdigungen aller Arten überschüttet.


    Wo sie auftrat, gab es Volksfeste und Manifestationen einer emotionalen Massenhysterie ohne Beispiel.
    Die Sängerin wurde von ihrem Publikum im wahren Wortsinne auf Händen durch die Städte getragen, unter ihren Fenstern fanden alltäglich Serenaden und Ehrenkonzerte statt. Sie fand nächtlich nur wenige Stunden Schlaf und musste / wollte bis zur völligen Erschöpfung dem Publikum und ihrem Mythos zu Willen sein .


    Maria Malibran sang sich, wenn man es genau nehmen will, regelrecht zu Tode.
    Man kommt aus dem Staunen und Erschrecken nicht heraus, wenn man sich das Lebenstempo dieser jungen Frau ansieht.


    In den 28 Jahren ihres Dasein legte sie per Schiff, Postkutsche und Pferd Tausende von Kilometer unter teilweise unsäglichen Bedungungen zurück. Sie lebte und arbeitete in Amerika, Italien, England, Belgien und Frankreich.


    Kaum an einem Ort angekommen absolvierte sie ein Arbeitsprogramm , das heute nciht nur als Sklaverei sondern als regelrecht un-machbar gewertet würde.
    Ein normaler Tagesablauf sah nach zahllosen authentischen Briefen und „Zeitzeugenberichten“ folgendermassen aus
    Am Morgen ab 10 Uhr war sie in Opern oder Konzertproben eingespannt. Am Nachmittag gab sie ein Konzert mit gemischtem Arienprogramm. Am Abend sang und spielte sie eine tragende Rolle in einer Opernvorstellung. Nach allen Zugaben und Huldigungen des Publikums, die manchmal eine Ewigkeit dauerten musste/wollte sie sehr oft noch mitten in der Nacht einem der erfolgreichen privaten Salons das Glanzlicht aufsetzen und dort eine Probe ihres Könnens geben.
    In den frühen Morgenstunden fand sie wenige Stunden Schlaf, um dann wieder vor ihren morgendlcihen Proben sportlich aktiv zu sein. Sie schwamm, ritt , wanderte , war Bergsteigerin und ging keiner physischen Anstrengung aus dem Weg.
    Damit war ihr Hyper-Aktivismus aber noch keineswegs erschöpft.


    Maria komponierte, arrangierte Stûcke für ihre Bedürfnisse um, lernte Sprachen , nähte ihre Kostüme selbst, sorgte oft genug auch für die Garderobe ihrer Mitsänger und war nciht zuletzt für eine umfassende Wohltätigkeit und grosses soziales Engagement bekannt.
    Einen nicht geringen Teil ihrer horrenden Gagen verschenkte sie an Bedürftige und unterstützte ihre Familie (inclusive des verschuldeteten ersten Ehemannes Eugène Malibran und dessen Schwestern) und Freunde mit regelmässigen grossen Geldsummen.
    Daneben war sie auch Frau, Geliebte und Mutter. Sie brachte zwei Kinder zur Welt, von denen ein Sohn, Charles-Wilfrid de Bériot, überlebte (er wurde ebenfalls Musiker(Pianist und Komponist) und Professor am Pariser Conservatoire).
    Es gab aber darüber hinaus noch einige Fehlgeburten.


    Mir ist ein solcher Lebensrytmus vollkommen unbegreiflich und ich finde es erstaunlich genug, dass sie überhaupt 28 Jahre alt geworden ist.




    Dieses „energetische Weltwunder“ wurde am 24.3.1808 als Maria Felicia Garcia in die berühmte spansiche Sängerfamile Garcia hieingeboren.
    Der Geburtsort Paris ist hier eher ein Zufall, denn die Garcias waren als Operntruppe in ganz Europa unterwegs.(siehe auch im Thread zu ihrer schwester Pauline Viardot).


    Maria wurde von ihrem Vater Manuel Garcia unterrichtet, um nicht zu sagen: gedrillt.
    Sie besass von Natur aus eine Mezzostimme(damals noch umfassend und pauschalisierend Contralto genannt), der die harte Schule des Vaters alle Biegsamkeiten und Höhenexpansionen eines Koloratursoprans abrang.
    Nach zahlreichen Zeugenaussagen hatte die Malibran während ihrer gesamten Karriere zunehmende Probleme mit der Höhe und nciht umsonst hat Rossini ihr die Mezzopartien in die Kehle geschrieben und Bellini seine Puritani-Elvira für sie nach unten transponiert.
    Wäre sie nicht nur 28 Jahre alt geworden, hätte ihr höchstwahrscheinlich nur ein Stimmfach-Wechsel (aus heutiger Sicht) wie ihrer Schwester und eine eingehende Beratung des gesangspädagogisch genialenBruders die Stimme retten können.


    Dass sie neben Bellinis Norma und Sonnambula auch Beethovens Fidelio und Rossinis Tancredi interpretierte rückt sie sehr in die Nähe ihrer Schwester Pauline.
    Die beiden Stimmen sollen sich nach Berichten u.A. von Alfred de Musset zeitweise zum Verwechseln ähnlich gewesen sein.


    Fortsetzungen und Photos folgen

  • Maria Garcia begann ihre Opernlaufbahn offiziell mit 15 Jahren in privaten Salon-Aufführungen von Rossinis Othello in Paris.
    Keine andere Rolle hat sie so häufig gesungen wie Rossinis Desdemona-ihr Name wurde von der Mitwelt untrennbar mit dieser Figur verbunden. Das Bild im ersten Beitrag oben zeigt Maria in ebendieser Rolle.
    Den Maestro selbst lernte sie bereits im Alter von drei Jahren in Neapel kennen, wo die väterliche Truppe in Rossinis Anwesenheit den Barbiere einstudierte und aufführte und wo Maria mit fünf Jahren ihre erste Bühnenrolle in Rossinis „Agnese de Paër“ spielte.
    Die lebenslange Freundschaft zwischen Rossini und seiner hochbegabten „ piccola Marietta“ begann mit dieser Begegnung.


    Bevor die Familie Garcia sich 1825 von Liverpool nach New York einschiffte, um die italienische Oper in die Neue Welt zu importieren, gab es noch ein denkwürdiges und quasi symbolisches Ereignis in London.


    Maria Malibran im Duett mit dem letzten weltberühmten Kastraten Giambattista Vellutti.


    Der Musikologe Patrick Barbier beschreibt diese Begenung in seiner dokumetarischen Biographie „ La Malibran“(Pygmalion Edition) über mehrere Seiten. Hier traf der inzwischen überlebte Typ des alten barocken Divo auf den aufsteigenden Stern einer neuen romantischen Diven-Generation.
    Keine der anwesenden Star-Sopranistinnen wollte sich dem für seine eifersüchtigen Duett-Eskapaden berüchtigten Kastraten stellen-die 16 Jahre alte Maria sprang ein und nahm die Herausforderung an und hat sich offenbar sehr tapfer geschlagen.




    Ihre eigentliche Karriere als Opernsängerin durchinszenierter Aufführungen begann dann aber erst in den USA .


    Nachdem Rossinis Barbiere und Othello ein durchschlagender Erfolg waren, hatte die Truppe Garcia auch den Don Giovanni im Programm. Zur allergrössten Begeisterung und unter der höchsten Anteilnahme von niemand Geringerem als Lorenzo da Ponte:
    Mozarts berühmtesten und besten Librettisten hatten die Irrungen und Wirrungen seines wilden Lebens nach Amerika verschlagen und auf diesem Kontinent war man damals noch (mehr als heute.... :D) abgeschnitten von den neuesten Erungenschaften europäischer Hoch-Kultur, insbesondere der Oper.


    Da die Garcia-Truppe keinen Tenor hatte, der den Don Ottavio singen konnte, engagierte Da Ponte auf eigene Kosten einen Herrn Milon, um die italienische Ur- Aufführung „seiner“ Oper in den USA unter keinen Umständen scheitern zu lassen.
    Maria sang die Zerlina und wurde dafür von Da Ponte selbst mit höchstem Lob bedacht. In seinen Memoiren schreibt er:


    „Das war mein schönster Traum., der sich nun erfüllt hat. Der Erfolg war eine Verheissung.(....) Alles war wunderbar, ganz besonders Maria Mailbran als Zerlina.“


    Der nun 17jährigen Maria wurde die väterliche Tyrannei inzwischen immer unerträglicher und sie entschloss sich zur Flucht von der Familie.
    Im Booklet der Malibran Cd von Cecila Bartoli gibt es einen Zeitungsartikel, der behauptet, Manuel Garcia habe seine Tochter gar missbraucht.
    Darauf gibt es keine stichhaltigen Hinweise und die Wahrscheinlichkeit halte ich für eher gering.


    Auslöser der Flucht Marias scheint mir vielmehr seine grosse Eifersucht auf ihren Erfolg, der den Seinen inzwischen überstrahlte und sein autoritäres, cholerisches Temperament zu sein.
    Angeblich hat Garcia seine Tochter bei einer Vorstellung des Othello real mit einem Messer bedroht. Maria panisches Erschrecken wurde vom Publikum fûr perfektes Theater gehalten.


    Wie auch immer: sie verheiratete sich gegen den Willen ihrer Eltern mit dem 27 Jahre älteren Geschäftsmann Eugène Malibran-der ihr den Namen gab, unter dem sie noch heute berühmt ist und den sie trotz jahrelanger Trennung und Scheidung niemals ablegte.


    Fortsetzung folgt

  • Liebe Fairy,


    damit Du nicht alles allein machen musst, hier, sozusagen als Vorschlatung vor Deiner Schilderung des historischen Ablaufes, eine kleine Abschweifung, die illustriert, wie stark der Mythos Malibran bis in unsere Zeit hinein gewirkt hat.


    1971 drehte der Filmemacher Werner Schroeter, der ein erklärter Fan von Maria Callas war, über die er auch ein paar Kurzfilme gedreht hat, und dem wir später den wunderschönen Opernfilm POUSSIÈRES D'AMOUR verdankten, einen Film unter dem Titel DER TOD DER MARIA MALIBRAN. Ich habe ihn mehrfach und mit wachsender Begeisterung gesehen, als Schroeter ihn damals in seiner eigenen 16mm-Kopie im Frankfurter Theater am Turm vorführte, wo wir als Vorläufer des späteren Kommunalen Kinos Filmprogramme organisierten.


    Der Film steht dem rekonstruierenden Unterfangen Cecilia Bartolis insofern fast diametral entgegen, als er weder eine biographische noch anderweitig erkennbare Geschichte anbietet, sondern eine freie Folge von im Wort- und übertragenen Sinn traumhaften Bildfolgen, die von der Legende ausgehen, Maria Malibran habe sich vor Publikum buchstäblich totgesungen. Schroeters damalige Lieblingsdarstellerin Maria Montezuma verkörpert darin eine Anti-Maria, die an ihrem künstlerischen Feuer zugrunde geht, und die damals bildschöne Christine Kaufmann, die nie jemand zauberhafter eingefangen hat als Schroeter, eine Fantasiefigur ambivalenten Geschlechts, unter der man sich eine Muse vorstellen kann, aber nicht muss (wie schon gesagt: man suche hier keine stringente Geschichte). EIn paar bezeichnende, aber keineswegs die schönsten Bilder aus dem Film findet Ihr hier: http://images.google.de/images…hroeter&btnG=Bilder-Suche


    Entsprechend der freien Assoziationsketten setzte Schroeter im Soundtrack Diverses von Brahms' Alt-Rhapsodie über Puccinis "Oh mio babbino caro" bis hin zu Strawinskis SACRE DU PRINTEMPS und nur ein historisch authentisches Stück, nämlich "Alle più care immagini" aus Rossinis SEMIRAMIDE, ein. Dennoch ist dieser heute leider kaum mehr auffindbare Film ein herausragendes Dokument einer bleibenden Faszination, wie es selten einer Sängerin, und gar einer historischen, die keiner der Mitwirkenden je gehört haben kann, gewidmet wurde.


    Auch darin lässt sich die bleibende Bedeutung Maria Malibrans ablesen, deretwegen Dein dankenswerter Thread eigentlich auch ein überfälliger ist. Danke dafür


    :hello: Jacques Rideamus

  • Lieber Jacques, danke! :]
    Sollte es irgendeine Quelle geben , in der ich diesen Film finden kann.....das klingt wunderbar und ganz und gar nach meinem Geschmack :angel:


    Nach meiner hervorragenden Biographie von Patrick Barbier gibt es ausser deisem Schroeter Film (er erwähnt ihn ebenfalls positiv!!!!)auch einen Film aus dem Jahre 1944 von Sasha Guitry mit Geori Boué(dieselbe die auf unserer Reynaldo Hahn Cd singt) und zwei Theaterstücke zu Maria Malibran.
    Ob ich davon irgendetwas ausfindig machen und auftreiben kann, weiss ich nicht.




    Und keine Sorge: ich mache im Rahmen meiner Zeitlcihen Möglichkeiten hier schon ganz eigennützig und auch ohne scihtbare Resonanz begeistert weiter, denn mich fasziniert diese Frau, ihr Leben und Wirken und ihr gesamtes Umfeld, ungeheuer.


    Was die evidente Verbindung zur Callas angeht: in Callas Pariser Wohnung hat man nach ihrem Tod zwei Porträts gefunden. Das eine war eine Photographie ihrer geliebten Lehrrerin Elvira de Hidalgo. Das Andere ein Bild der Malibran.


    Die Gemeinsamkeiten sind nur zu offensichtlich.


    Beide haben sich mit und für ihren Gesang verbrannt.
    Beide hatten ein Repertoire jenseits aller Stimmfächer, das nciht ganz unproblematisch war.
    Beide wurden weniger aufgrund besonders schöner Stimme sondern vor allem wegen einer unvergleichbaren Ausdrucksfähigkeit und Hingabe an die Rolle vom Publikum geliebt und angebetet.
    Beide haben eine neue Musiktheater-Auffassung begründet.
    Beide wurden schon zu Lebzeiten und erst Recht danach zum Mythos gemacht.
    Beide fanden ein verfrühtes, tragisches Ende.


    Mit der Biographie geht es wahrscheinlich erst morgen oder heute abend spät weiter.


    Fairy Queen

  • Maria Garcia wurde am 23.3. 1826 Madame Malibran und verliess Amerika im November 1827- die Ehe dauerte also nicht länger als 1 ½ Jahre.
    Während die restliche Familie Garcia zur Tournée in Mexico war, versuchte Maria ihren Lebensunterhalt als Sängerin zu verdienen.
    Ob sie nur wegen der schlechten Konzertsituation in dem opernmässig noch in Babyschuhen steckenden Amerika oder auch wegen einer zunehmenden Verschlechterung der Beziehung zu ihrem Mann allein zurück nach Paris ging, lässt sich schwer sagen.
    In jedem Fall war sie gezwungen, Geld zu verdienen, denn Monsieur Malibran verschuldete sich zunehmend mehr und war auch nach der Trennung auf die Einkünfte seiner Frau angewiesen.


    Die Ehe war mit Marias Abreise de facto beendet, denn das Paar lebte nie wieder zusammen . Die Verbindung wurde jedoch erst 1835 nach jahrelangen sehr aufreibenden Verhandlungen annulliert.


    Nach ihrer Ankunft in Paris wohnte Maria zunächst bei den Schwestern ihres Ehemannes.
    Eine junge respektable(Ehe)-Frau konnte zu dieser Zeit nicht allein leben, und darüber hinaus gab es sogar Pläne, Eugène nach Paris nachkommen zu lassen, sobald er seine Geschäfte geregelt hatte.
    In den ersten Monaten war der Ton der gegenseitigen Briefe noch durchaus liebevoll , wie z.B. die Briefanreden an „Mon petit chou“ zeigen .


    Das sollte sich jedoch bald ändern, denn Maria fühlte sich von ihrer Schwiegerfamilie so kontrolliert und unter Druck gesetzt, dass sie zu einer Freundin übersiedelte und ihr unabhängiges Leben begann.
    Mit der tatkräftigen Unterstützung von einflussreichen kunstbegeisterten Adligen und Pariser „Musikfürsten“ wie etwa Rossini, liess sich ihre Karriere mehr als erfreulich an.
    Sie gab sowohl öffentliche wie auch damals sehr beliebte und verbreitete private Konzerte und war nach kurzer Zeit auch am Theatre Italien engagiert.


    Damit war ihr grösster Traum in Erfüllung gegangen, denn dort wurden all die Werke aufgeführt, in denen sie stimmlich und darstellerisch brillieren konnte und wollte.


    Es gab einflussreiche Rivalinnen wie etwa Giulia Grisi, Giuditta Pasta, Henriette Sonntag, Wilhelmine Schroeder-Devrient u.A. und die Eifersuchts- Intrigen all dieser Diven sind Legende geworden.


    Einmal musste Maria in einer Aufführung des Othello die männliche (sic!) Titelrolle singen, weil die Schroeder-Devrient bereits als Desdemona besetzt war.
    Chopin sagte dazu ganz lapidar :
    „Maria ist zierlich und diese Deutsche ist gewaltig. Ich dachte, Desdemona würde Othello ersticken.“


    Marias Ruhm verbreitete sich rasch und wuchs gerade bei den Literaten und Künstlern in fast spirituelle Dimensionen.
    Ihre Ausdrucksfähigkeit, Persönlichkeit und komplette Hingabe an die jeweilige Rolle stehen fast überall im Vordergrund der enthusiastischen Lobeshymnen;
    Beispielhaft hier ein Zitat der Schriftstellerin George Sand, die einen sehr einflussreichen Künstler-Salon führte, in dem tout Paris ein und ausging und später Marias „kleine Schwester“ nach Kräften förderte:


    „Sie brachte mich zum Weinen und zum Erschauern, mit einem Wort: sie liess mich so mitleiden, als sei ich Augenzeugin einer Szene des wirklichen Lebens geworden..
    Diese Frau ist der vielversprechendste Genius Europas. So schön wie eine von Raphaels Madonnen., schlicht, mächtig, ungekünstelt.“




    Da es noch keine inszenierenden Regisseure gab, mussten die Sänger ihre Rollengestaltung in Eigenregie übernehmen.
    Maria konnte von einer Vorstellung zur Anderen ein Rollenportrait in spontaner Eingebung des augenblicks ganz neu definieren und diese besondere Gabe genossen ihre Zuhörer sehr. Es wird berichtet, dass auch nach der 125igsten Vorstellung des Othello noch eine aufs Neue bewegende und begeisternde Desdemona auf der Bühne stand.


    Da sie ganz offensichtlich nicht in der Lage war, irgendeine Konzertanfrage abzulehnen, und nach eigener Aussage von ihrer künstlerischen Berufung besessen war, sang sie bald Tag und Nacht und wurde zum vergötterten Star der Musik-Metropole.


    Das sollte ein jähes Ende finden, als sie sich 1830 in den belgischen Violinisten Charles de Bériot verliebte-auch er ein aufsteigender Stern am Virtuosenhimmel..
    Als sich das Paar nach kurzer Zeit entschloss, seine Liebe öffentlich zu leben und Maria überdies schwanger wurde , verschlossen die Pariser Musiksalons ihre Türen und aus der angebeteten Diva wurde eine geschmähte Ehebrecherin, die „man“ nicht mehr empfangen konnte.


    Es folgten sechs Jahre fieberhafter gemeinsamer Konzertreisen und der offizielle Umzug des Paares nach Brüssel. Dort lebten nach dem Tod von Vater Garcia(1832) auch Marias Mutter, die den kleinen Charles-Wilfrid in ihre Obhut nahm und Marias noch minderjähhrige Schwester Pauline.


    Fortsetzung folgt

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  • Nach dem Tod ihres ersten Kindes im März 1832 bricht Maria zusammen mit Charles de Bériot und dem befreundeten Bass Luigi Lablache zu ihrer ersten grossen Italien-Tournée auf.
    Das Land stand damals in der Blüte seiner Opernproduktion und neben den „Gassenhauern“ Rossinis wurden alljährlich neue Meisterwerke von Mercadante, Donizetti und Bellini uraufgeführt.
    Die Primadonnen Giuditta Pasta und Giuseppina Ronzi de Begnis beherrschten die Szene und verdienten Rekordgagen mit ihren Auftritten.


    Maria Malibran suchte ihr Glück in Italien- ohne einen Vertrag oder ein Angebot in der Tasche zu haben- und nach einigen Anfangshürden feierte sie dort ihre unvergesslichsten Triumphe.


    Am 10. juni 1832 erhielt sie in Rom die Nachricht vom Tode ihres Vaters Manuel Garcia und begann am 30.Juni ihre italienische Karriere als Desdemona-eben der Rolle, die sie so oft mit ihrem Vater als Othello verkörpert hatte.


    Das römische Publikum tritt ihr zunächst sehr reserviert gegenüber, denn man gibt der Diva die Verantwortung für die Vervierfachung der Eintrittspreise, die der Direktor ohne Marias Wissen zu seinem eigenen Profit angesetzt hat.


    Auch Neapel hinterlässt trotz beachtlicher Erfolge im berühmten Teatro San Carlo einen Stachel im Fleisch: die Rivalin Ronzi de Begnis ist die Mätresse des dort residierenden Königs Ferdinand und Maria muss schliesslich ihren Intrigen weichen.


    Nach einem weiteren Aufenthalt in Rom in der Villa des frz. Malers Horace Vernet reist das Paar nach Bologna, wo Maria ihre ersten berauschenden italienischen Erfolge feiert.
    Nachdem sie im Februar 1833 in Brüssel ihren Sohn Charles-Wilfrid geboren hat, nimmt sie eine fieberhafte Konzerttätigkeit in England und Italien auf.
    Als hätte sie geahnt, dass ihr nur noch drei Jahre bleiben sollten reist sie mit einer atembraubenden Frequenz dieseits und jenseits der Alpen und des Ärmelkanals hin und her.


    Ihre erste Sonnambula in Neapel begründet ihren Ruhm als ideale Bellini-Interpretin.
    Sie übersetzt eigenständig die Sonnambula ins Englische und singt in Anwesenheit Bellinis die erste (englische) Amina in London.
    Bellini ist so überwältigt von der Stimme und Darstellungskunst der Malibran, dass sie für ihn in den zwei Jahren , die ihm noch zu leben bleiben, die Idealverkörperung seiner Rollen wird.
    Sie wird seine Traum-Norma und für sie transponiert er eigens die grossen Arien der Puritani-Elvira("Son vergin vezzosa" und "Vien diletto") 1 ½ Töne nach unten.
    Das zeigt, dass Marias Stimme für das Original nicht hoch genug gewesen sein muss und man sie als Koloratur-Mezzosopran definieren sollte.


    Cecilia Bartoli betont das im Booklet ihrer Malibran-Cd aus naheliegenden Gründen mit aller Emphase.(siehe Cecila-Bartoli-Thread und Cd-Besprechung).


    Leider gelangten diese Malibran-Puritani wegen Bellinis unerwartetem Tod 1835 sowie Marias eigenem Tod -auf den Tag genau ein Jahr später - nicht mehr zur Afführung . Sie wurden ihre erst 1986 in Bari mit Katia Ricciarelli als Elvira und unter der Leitung von Gabriele Ferro uraufgeführt. Erstaunlich , dass sich Maria Callas nicht dieser Fassung annahm.


    Die ausserordentlcihe Hochachtung, die Komponisten wie Bellini und Rossini der Malibran auch öffentlich bezeugen, befestigt ihren Rang als ausserordentlche Künstlerin und ihre kommenden Auftritte in Italien wurden zu Triumphzügen.
    Bei ihrer Einreise in Mailand 1834 wurde die gesamte Stadt beleuchtet und mit Medaillen
    „La ville de Milan à la Malibran“ (Die Stadt Mailand gehört der Malibran) geschmückt.
    Abendlich finden Serenaden unter ihrem Fenster statt, die jubilierende Menge begleitet sie durch die ganze Stadt, wenn sie das Thetro della Scala verlässt und der junge Giuseppe Verdi versäumt keine ihrer Vorstellungen.
    Büsten, Skulpturen und Gemälde entstehen, die heute Theater und Conservatorien schmücken.


    Am Vorabend von Marias Abreise nach Modena kommt das gesamte Orchester der Scala unter ihrem Balcon zum „Abschiedsständchen“ zusammen- ein Ereignis, dass wirklich die ganz und gar einmalige Postion dieser Sängerin aufzeigt.
    Die Reihe ihrer Triumphe führt von Mailand über Modena, Lucca, Bologna schliesslcih nach Venedig , wo sie einen derart umwälzenden Erfolg hat, dass ihr sogar ein eigenens Theater gewidmet wird.



    Sie wird die einzige Diva der Operngeschcihte , die in einem nach ihr benannten Theater singt und dort sogar zeitweise in Doppelrolle ihren ohnmächtig gewordenen Elvino vertreten musste, um den Fortgang der Sonnambula zu gewährleisten.
    Die Huldigungen der Venezianer sind unermesslich.
    Nicht nur, dass sie mit Gagen von bisher nicht gekannter Höhe belohnt wird-es gibt Gondel-Parcours und Serenaden auf dem Canale Grande ihr zu Ehren.
    Die Gondoliere kleiden sich in von ihr selbst entworfene Gala-Kostüme-ein Spektakel ohnegleichen, das fast sprituellen Charakter annimmt.
    Aber die englischen Verpflichtungen zwingen erneut zur Abreise und nichts und niemand kann den Reise und Arbeitswahn der Malibran stoppen.

  • Die Londoner Saison der Malibran im Jahre 1835 sollte eine denkwürdige werden.
    In drei Monaten verdiente sie nicht nur die astronomische Summe von 100 000 Francs, sondern machte vor allen Dingen mit einer Rolle Furore, die vollkommen ausserhalb all dessen lag, was sie bis dato gesungen hatte: Beethovens „Fidelio“.


    Zunächst aber ein Brief ihres Lebens-Gefährten de Bériot an einen Freund, der den mörderischen Lebensrhytmus der nun 27 jährigen in aller Deutlchkeit zeigt:


    „Die Saison in London ist dieses Jahr herausragend, es gab niemals vorher soviele Konzerte.
    Die Theater machen ein Vermögen, vor allem das Englische Theater (Anm.heute Covent Garden), ist immer voll ,seit wir die Sonnambula spielen.
    Maria hält sich trotz der ununterbrochenen Arbeit, die sie durchhalten muss, gut.
    Hier ihr Programm an drei bis vier Tagen pro Woche:
    Morgens um 10 Uhr Probe, nach einer Stunde am Klavier allein. Von 13-16 Uhr Konzert. Von 19-22 Uhr Oper. Danach ein oder zwei Privatkonzerte, und die arme Maria kommt nciht vor den frühen Morgenstunden nach Hause, um sich auszuruhen.
    Das ist das Leben, das sie hier in London und vollkommen gegen meinen Willen führt.
    Denn ich wehre mich natürlich mit all meiner Macht dagegen, dass sie noch Konzerte nach der Oper annimmt und ich weise eine grosse Anzahl ab. Zu ihrem Besten, denn Sie kennen diesen kleinen spanischen Dickkopf- sie würde sich töten, wenn man sie gewähren liesse.“




    Leider reichte selbst die Macht des geliebten Mannes nicht aus, den kleinen spanischen Dickkopf vor dem Selbstmord der totalen Erschöpfung zu bewahren.


    Vorher allerdings begeisterte sie noch in einer für ihr Repertoire und ihren italienischen Belcanto-Gesangsstil ganz unerwarteten Rolle- als Fidelio aus Beethovens gleichnamiger .Oper.


    Ihr ausserordentlicher Triumph in dieser dramatischen Partie, die so ganz frei von all den berühmten Rossini- und Bellini Verzierungen und Vokal-Kaskaden ist, überraschte nicht nur das Publikum und die Musikjournalisten sondern auch den Beethoven-Verehrer Hector Berlioz.


    Die englische Presse überschlug sich mit Lobeshymnen.
    Man sprach von fanatischem Erfolg und leidenschaftlicheer Energie und man konnte nciht genug loben dass sie „die edle Einfachheit der Beethoven-Melodien nicht durch die frivolen modischen Fiorituren“ verschandelt hatte.


    Der Journalist Atler schrieb zusammenfassend: „ es ist wahrlich selten in der Theatergeschichte in Konjunction zwei so leuchtende Kometen aufgehen zu sehen wie den Komponisten Beethoven und die Sängerin Malibran.“


    Das Berlioz- Zitat dazu will ich natürlich nicht vorenthalten. Er konnte es nur sehr schwer glauben, dass sich Maria tatsächlich an den simplen Notentext gehalten haben sollte.


    „Der Erfolg des Unternehmens war durch die Mitarbeit von Mme Malibran als Leonore gesichert.- so sehr das auch ihren musikalischen Gewohnheiten entgegengesetzt war.
    Sie hatte ungeheuerlichen Erfolg.
    Der berühmte Ausbruch „Ich bin seine Frau“ im Quartett des letzten Aktes hat Alle elektrisiert. Das passt perfekt, denn Mme Malibran mit ihrer leidenschaftlichen Energie musste erstaunliche Inspirationen in dieser Szene finden.
    Aber trotz der Versicherungen der englischen Journalisten kann ich nur sehr schwer glauben, dass sie mit ihrem Gesang diesen strengen Melodien Beethovens keine einzige Note hinzugefügt haben soll.
    Wie konnte sie sich z.B; in dem sogenannten unsterblichen Grabesduett enthalten, wo die Vokallinie nciht mehr als ein Duett-Rezitativ ist, dessen Bedeutung dem Orchester sogar untergeordnet ist?
    Ich kann mir das nciht vorstellen.
    Wenn das wirklich wahr ist, wenn Mme Malibran ihre ganz und sudländische Veranlagung in den Dienst des grössten Genies des Nordens stellen konnte und ihn würdig interpretiert hat, dann muss man sie Königin der Opernbühne nennen. Denn es gab vor ihr keine andere Sängerin, die das von sich sagen kann.“


    Dieser sehr interessante „Zeitzeugenbericht“ gibt nciht nur über die Malibran als Sängerin Auskunft sondern auch über den damals vorherrschenden Gesangsstil und den musik-revolutionären Charakter des Fidelio.
    Die Aufführungen des Fidelio in London wurden nciht selten von delirierenden Gefühlsausbrüchen des Publikums unterbrochen-Tränen, Seufzer, Schluchzen, Schreien scheint zu dieser zeit in den Reihen der Zuhörer „normal“ gewesen zu sein.
    Welcher Opernstar und welches Bühnenwerk kann heute noch solche Reaktionen erzeugen?


    Zum Abschluss dieser denkwürdigen Londoner Saison schenkte ihr der Theaterdirektor Alfred Bunn ein kostbares Geschmeide aus Diamaten und Rubinen in das er eingravieren liess:
    „ Für Madame Malibran, die herausragendste Künstlerin, die Europa je besessen hat. Bescheidenes Zecihen der Hochachtung, geschenkt von Alfred Bunn, London 1. Juli 1835.


    Ein gutes Jahr später sollte dieser leuchtendste Stern Europas, ebenfalls auf englischem Boden, sein Licht für immer auslöschen.

  • Die letzte vollständige Opernsaison der Maria Malibran-de Bériot fand vom September 1835 bis zum Mârz 1836 in Mailand statt.


    Die Reise dorthin machte das Paar unter den schlechtestmöglichen Bedingungen , denn in Oberitalien grassierte die Cholera, und Reisende wurden überall von Militärpatrouillen aufgehalten.
    Maria füchtete aber weder Pest noch Cholera sondern nur eines, nämlich nicht rechtzeitg zu ihren vertraglich festgelegten Aufführungen in Mailand zu sein. Deshalb scheute sie auch nicht davor zurück, auf abenteuerlichsten Wege mit Pferd und Maultier selbst zu ihrem Ziel zu reiten.
    Wenn nötig, sang sie den Zollbeamten einige Arien ihres Repertoires vor und erreichte auf diese Weise tatsächlich pünktlich ihren geplanten Sing-Marathon in Mailand.


    Auf ihrem Programm in der Scala di Milano standen:
    15mal Othello von Rossini
    12 mal L’elisir d’amore von Donizetti
    12 mal Il barbiere di Siviglia von Rossini
    8mal I Capuleti e i Montecchi von Bellini
    8mal La Sonnambula von Bellini
    7mal Maria Stuarda von Donizetti
    4 mal Giovanna Gray von Vaccai
    4mal eine Mischung aus zwei Akten Othello und einem Akt Maria Stuarda
    1mal Giulietta e Romeo von Vaccai



    Dazu kamen die üblichen gemischten öffentlichen und privaten Konzertprogramme.
    Ihre Wiederankunft in Mailand wurde vom Publikum am 12.September mit einer derartigen Hysterie gefeiert, dass das Theater von staatlichen Sicherheitskräften evakuiert werden musste.
    Maria Malibran stand nun unumstritten auf dem Gipfel des Sängerolymps.
    Neben zahlreichen öffentlichen Ehrungen inclusive eines vom stattlichen Militär gespielten Triumphmarschs, bot ihr die Stadt Mailand einen nie dagewesen Vertrag, für dem sie in 125 Aufführungen über drei Saisons die feste Summe von 450 000 Francs verdienen sollte.


    Einige Tage nach ihrer Ankunft in Mailand erreichte sie die ganz Musik-Europa erschütternde Nachricht von unerwarteten Tod Vincenzo Bellinis im Alter von nur 34 Jahren in Puteaux bei Paris.
    Maria war davon tief getroffen und von Stunde an von der Idee besessen, dass ihr eigener Tod bald bevorstand.
    Dass sie ein Jahr später - am selben Tag wie Bellini - dann tatsächlich sterben sollte, erscheint angesichts dessen wie eine schicksalhafte Fügung.



    Charles-Auguste de Bériot (1802-1870)


    Am 29.3. 1836 ging in Paris ein langgehegter und hart umkämpfter Traum von Maria Malibran und Charles de Bériot in Erfüllung: Marias Ehe mit Eugène Malibran wurde annulliert, und das Paar konnte endlich in Paris heiraten.


    Die Hochzeit wurde nicht zuletzt wegen massiver Erschöpfungszustände der Braut bescheiden im kleinen Kreis (zu dem auch Maestro Rossini zählte) gefeiert.
    Da sich Eugène Malibran bis zum Ende einer Scheidung widersetzt hatte und sehr gerne weiter von den Gagen seiner Ehefrau profitiert hätte, konnte nur massive Hilfe einflussreicher Persönlichkeiten und raffiniertes Verhandeln schliesslich zum Ziel führen.


    Durch die Vermittlung des Melomanen und franco-amerikanischen Kriegshelden Moitier de Lafayette(er bezeichnete über 70jährig Maria als seine letzte Liebe und war ihr in tiefer Verehrung verbunden) , konnte ein Anwalt gefunden werden, der die Ungültigkeit der ersten Eheschliessung zwischen einer damals spanischen Staatsbürgerin und einem amerikanischen Staatsbürger in einem frz. Konsulat in New York nachwies.
    Maria konnte nicht oft genug wiederholen, dass dieser Tag der Eheschliessung mit Charles einer der schönsten Tage ihres Lebens sei.


    Sechs Monate war sie danach noch Madame Maria de Bériot, wenngleich sie für ihre Bewunderer und die Nachwelt immer die „Malibran“ bleiben sollte.


    Fortsetzung folgt

  • Am 5.Juli 1836 stürzte Maria Malibran, erneut schwanger, bei einem abenteuerlichen Ausritt in London vom Pferd.
    Die Verletzungen, die sich dabei zuzog und die sie weder nur ansatzweise auskurierte noch behandeln liess, müssen als Todesursache gewertet werden.
    Es scheint sich um ein wachsendes Hirnödem gehandelt zu haben und in den Konzertberichten, Briefen etc der Zeitgenossen zwischen dem Sturz und ihrem Tod im September ist bereits von erheblichen Ausfällen die Rede.


    Sie vertraut sich allein ihrem Hömöopathen Belluomini an und verschweigt sogar ihrem Mann-der ihr das Reiten in der Schwangerschaft quasi verboten hatte- das Geschehen.
    Nach Vermutungen der englischen Biographin April Fitzlyon hat Maria sogar den Sturz vom Pferd absichtlich provoziert, um eine Fehlgeburt einzuleiten und nciht die kommende Mailänder Saison versäumen zu müssen.
    Offiziell ist sie auf einer Treppe gestürzt, denn die Kopfverletzungen lassen sich nicht verbergen, da sie noch am selben Abend-vollkommen unfassbar!- wieder in Balfes „The Maid of Artois“ auftritt und an den drei folgenden Abend Beethovens Fidelio singt.


    Maria selbst wurde sich nach kurzer Zeit über ihren gesundheitlichen und stimmlichen Verfall klar.
    Da sie ohnehin von ihrem frühen Tod überzeugt war, wurden die Ahnungen nun zur Gewissheit. Statt sich zu schonen und von den besten Ärzten behandeln zu lassen, beschleunigte sie durch rastlose Aktivität den eigenen Niedergang immer weiter und ich frage mich bisher ohne Ergebnis , was die Ursache die für dieses fatalistische und autodestruktive „Lemmingsverhalten“ gewesen sein mag.
    Wollte sie es den romantischen Heldinnen ihrer Opern gleichtun?
    Man muss unweigerlich an Gestalten wie die Puritani-Elvira oder Norma denken.



    Maria schreibt schon am 12.7. an ihren Pariser Verleger Troupenas eine Art von Testament:


    „Mein lieber Freund, Sie würden mir eine grosse Freude machen, wenn Sie in einer neuen Edition alle meine Lieder und Romanzen vereinigen könnten und wenn Sie die Güte haben könnten , sie zu drucken und zum bestmöglichen Preis zu verkaufen und den Gewinn den Armen von Paris zukommen liessen.
    Ich glaube, dass ich keine Weiteren schreiben werde, denn ich fühle mich sehr schlecht.
    Ich singe noch nach bestem Vermögen für diese Engländer, aber meine Stimme schwindet, sie ist für mich verloren.
    Morgen bin ich in Birmingham aber ich glaube nciht, dass ich von dort wiederkehren werde.
    Das ist ohne Zweifel eine von den seltsamen Ahnungen, die mir, wie Sie wissen, oft kommen.
    Trotz alledem, ich möchte unter keinen Umständen sterben, ohne Paris wiedergesehen zu haben, diese grosse Stadt, die mir die ersten Anerkennungen geschenkt und mir das Herz bewegt hat.“


    Im August geben die de Bériots zusammen mit der 15jährigen Pauline Garcia ein Konzert in Lüttich. Die spâtere Viardot wird als Einzige in Marias Todesgewissheit und die Ursache ihrer ständigen Kopfschmerzen und Ausfälle eingeweiht und erhält das Vermâchtnis, ihre Nachfolge als Sängerin anzutreten.
    Pauline bewahrt dieses absolute Geheimnis der geliebten Schwester und ist zu jung ,um sich über die Konsequenzen klar zu werden. Sie wird es ihr Leben lang bereuen, die Umwelt nciht über Marias fortschreitendes Hirnödem aufgeklärt zu haben und keine umgehende ärztliche Behandlung erzwungen zu haben.


    Am 12. September sind Maria und Charles für das Festival von Manchester engagiert und diese düstere englische Stadt soll Marias Todesort werden. In der Todesnachricht in der Pariser Gazette musicale wird sie
    „La ville la plus sombre de la sombre Angleterre“
    genannt. (die düsterste Stadt des düsteren England)


    Am 14.September bricht sie nach der Zugabe zusammen, nachdem sie zuvor in luzider Voraussicht dem Dirigenten gesagt hatte: „
    „Wenn ich dieses Duo ( Anm. aus Mercadantes „Andronico“) wiederhole, werde ich sterben“
    Sie sang natürlich trotzdem und sollte recht behalten-es war ihr Schwanengesang .


    Nach tagelangem schwerem Todeskampf und konstanter Verweigerung nicht-hömöopathischer ärztlicher Eingriffe stirbt sie am 23. September 1836 in ihrem Hotelzimmer in Manchester.


    Am 1.Oktober wird sie in einem pömpösen Zeremoniell unter grosser Anteilnahme der gesamten Bevölkerung dort beigesetzt.


    Marias Mutter und ihr Ehemann Charles kämpfen monatelang für die Überführung des Leichnams nach Brüssel und bekommen schliesslich die Erlaubnis zur Exhumierung.


    Maria Garica Malibran de Bériot wird am 3. Januar 1837 ein zweites Mal mit allen nur denkbaren Ehrerbietungen in Ixelles (Brüssel) beigesetzt.




    Die emphatische Trauer im gesamten europäischen Ausland ist überwältigend. Nekrologe, Gedichte, Lobgesänge schiessen wie Pilze aus dem Boden.
    Beispîelhaft sei hier die Allgemeine Musikalische Zeitung Leipzig vom Oktober 1836 zitiert:


    „In ihr brannte ein unbekanntes Feuer und sie wurde von der doppelten Leidenschaft für das Drama und den Gesang verschlungen und unterwarf sich Beiden bis zu ihrem Tod.
    Ihre ganze Existenz wurde ohne Unterlass von Gefühlen bestimmt.
    Niemals Ruhe , Schweigen oder Aufgeben. Sie ahnte voraus, dass ihr Leben kurz sein würde und gab sich dem Gesang hin.“



    Soweit vorerst meinerseits zur unglaublichen Biographie dieser grössten Diva des 19 Jahrhundert.
    Kommentare , Ergänzungen Fragen usw sind nun herzlich willkommen.


    Im Thread über Cecila Bartoli findet sich bereits eine ausführliche Besprechung der Cd-Hommage „Maria“. Im Booklet gibt es viele Bilder und Dokumente zur Malibran.


    Ich bin aber gerne bereit, auch hier dazu noch etwas zu sagen, falls Bedarf besteht.


    Alle ( z.T.paraphrasierenden) Wiedergaben und Übersetzungen von Briefen, Zitaten, Artikeln usw aus dem Englischen oder Französischen stammen von mir selbst. Ich bitte daher bei nicht 100%igen wörtlichen Übereinstimmungen mit dem Original um Verständnis.


    Fairy Queen

  • Liebe Fairy,


    zu dieser ausführlichen und enorm gut lesbaren biographischen Darstellung einer der größten Sängerinnen (aller Zeiten, wie man vermuten muss) fällt mir derzeit nur ein Einzeiler ein:


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    Vielen Dank dafür


    :hello: Jacques Rideamus

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  • Liebe Fairy,


    wenn sogar Rideamus zu Deinem Beitrag nur dieser Einzeiler


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    einfällt, bleibt mir nichts übrig als mich dem anzuschließen.


    Ich hoffe, dass Dir die Arbeit beim Erstellen des Beitrags ebenso viel Freude machte, wie mir das Lesen Deiner Schilderung des Lebenswegs dieser außergewöhnlichen Sängerin, Darstellerin und Frau.


    Vielen, vielen Dank



    Emotione

  • Ich muss auch noch DANKE sagen und zwar an Peter Brixius, der all die schönen Bilder gefunden, auf Copyright überprüft und eingefügt hat. Ohne das wäre das Ganze eine arge Buchstabenwüste geworden :jubel:


    Liebe Emotione-mich hat dieses Thema so gefangengenommen, dass sogar mein Mann froh ist, dass ich endlich fertig bin und er mal wieder etwas Anderes zu hören berkommt als das Neueste vom Garcia-Clan.... :D
    Beinahe hätte ich schon ein neuen Kosenamen bekommen, aber glücklicherweise deckt sich mein eigener ja ganz gut mit dem Geschehen. :]


    jedenfalls hat mir das mehr als nur Spass gemacht, sonst hâtte ich mich gewiss nciht so engagiert.
    Diese Geschcihte ist für mich nicht nur wegen der aussergewöhnlichen Frau und Sängerin so packend, sondern auch deshalb, weil ich das Gefûhl habe, in eine ganze Kulturgeschichte einzutauchen. Immer neue Berühmtheiten tauchten im Laufe der Zeit als "Nebenfiguren" auf. Ob Bellini, Rossini, Berlioz, der neapolitische König, der General de Lafayette, Lorenzo da Ponte oder wer auch immer- hinter jeder Ecke eine neue Entdeckung.


    Und dass dieser Superstar so lange fast vergessen war und erst dieses Jahr durch Cecila Bartoli wieder ein wenig populärer wurde, fällt mir sehr schwer nachzuvollizehen.
    Ob es der Callas in 100 Jahren ähnlich geht?


    Fairy Queen

  • Zitat

    Original von Fairy Queen



    Und dass dieser Superstar so lange fast vergessen war und erst dieses Jahr durch Cecila Bartoli wieder ein wenig populärer wurde, fällt mir sehr schwer nachzuvollizehen.
    Ob es der Callas in 100 Jahren ähnlich geht?


    Wahrscheinlich! - denn Maria Callas hat ja (genauso wie die Malibran) nicht eine einzige Tonkonserve hinterlassen können ... ;)


    Viele Grüße,
    Medard

  • Liebe Fairy,


    auch wenn wir die Stimme der Malibran leider nicht mehr hören können -
    du hast die Geschichte ihres kurzen Lebens so anschaulich erzählt, dass man auch ohne Tonträger meint, sie vor sich zu sehen und zu hören.


    Und das "Eintauchen" in die Kulturgeschichte kann ich gut nachvollziehen, da ich gerne nach Aufnahmen von Sängern Ausschau halte, die noch mit einem Bein im 19. Jh. standen und auch immer gern Querverbindungen zu Komponisten oder anderen Kunstformen suche.


    Ich schließe mich allem Dank und allen Jubelmännchen an! :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:


    Und ich glaube auch, dass Maria Callas weniger schnell in Vergessenheit geraten wird, weil ihre Kunst dank der erhaltenen Aufnahmen einfach besser bewahrt werden konnte. Umso schöner finde ich es, wenn die Großen vergangener Zeiten, deren Kunst wir heute nur ahnen können, wieder aus der Vergessenheit geholt werden.


    Liebe Grüße
    :hello: Petra

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  • Liebe Fairy,


    dem kann ich mich nur anschließen und ganz begeistert drehe ich gerade die passende CD:

    Cecilia Bartoli - Maria


    Belcanto-Arien von Rossini, Bellini, Hummel, Halevy
    Cecilia Bartoli, Maxim Vengerov,
    Orchestra la Scintilla, Adam Fischer
    Label: Decca , DDD, 2006




    :jubel: :jubel: :jubel:


    LG, Elisabeth

  • Mir ist bei der Sichtung des Repertoires der Malibran aufgefallen, dass zu ihrer Zeit fast nur zeitgenösssiche Opern aufgeführt wurden und wenn man sch die obige Liste ihrer Opernsaison 1835 in Mailand ansieht, dann ist das so als würden heute an einem Haus nur die Opern gespielt die in den letzten 10-20 Jahren komponiert wurden bzw Uraufführungen sind.
    Undenkbar!


    Die Starsänger waren also auch die Promoter lebender Komponisten und umgekehrt.
    Und obschon z.B. Mozart erst 40 Jahre tot war-keine einzige Mozartoper auf dem Spileplan! 8o


    Diesen kompletten Wandel der Opern-Sitten finde ich schon ziemlich bemerkenswert.
    Dazu gehört auch , wie schnell der Fidelio oder die Sonnambula in Landessprache dann in England gespielt wurden.


    Fairy Queen

  • Liebe Fairy,
    großes Kompliment für diesen fundierten und obendrein noch so spannend geschriebenen Beitrag - ich war immer richtig neugierig auf die Fortsetzung! :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    Eine Frage: Hast du deine Informationen aus verschiedenen Quellen bezogen oder gibt es ein Buch, das du empfehlen kannst? Das würde ich nämlich gerne lesen!
    Mich erstaunt übrigens auch immer, wie begierig das Publikum früher auf Uraufführungen war, oft verschwand eine Oper bereits nach der PR-Serie für Jahre in der Versenkung, weil die Leute einfach nur Neues sehen und hören wollten. Schon ein gewaltiger Unterschied zu heute, wo doch nur ein relativ kleiner Kreis an neuen Opern interessiert ist. Ich muss gestehen, dass ich auch nicht dazu zähle und lieber in der Vergangenheit schwelge :O :O :O (Aber nur was die Musik betrifft, ansonsten mag ich's bekanntlich nicht museal ;) )
    lg Sevi :hello:

  • Zitat

    Original von severina
    Mich erstaunt übrigens auch immer, wie begierig das Publikum früher auf Uraufführungen war, oft verschwand eine Oper bereits nach der PR-Serie für Jahre in der Versenkung, weil die Leute einfach nur Neues sehen und hören wollten. Schon ein gewaltiger Unterschied zu heute, wo doch nur ein relativ kleiner Kreis an neuen Opern interessiert ist.


    Liebe Severina,


    Könnte - Du siehst, ich bin ja vorsichtig - vielleicht ein Grund sein, daß damals die Melodien leicht im Gehör lagen? Melodisch waren? Sogar manchmal Mitsinger waren.
    Denn das kann man von den Opern der heutigen Zeit nicht so leicht behaupten.


    LG, Paul


  • Lieber Paul,
    das ist sicher ein gewichtiger Grund, trotzdem denke ich, dass damals die Neugierde auf neue Werke einfach größer war als heute. Außerdem gingen dem PR- Publikum des 19.Jhdts. auch nicht alle neuen Opern sofort ins Ohr, dafür gibt es unzählige Zeugnisse. Viele der heute so populären "Reißer" fielen doch zunächst einmal kläglich durch, und trotzdem wollten die Opernfans damals immer Neues anstatt zu sagen: Ach, wir haben doch so viele tolle Opern, spielen wir doch die!"
    Dabei müsste es doch ganz im Trend unserer "eventgeilen" Zeit liegen, bei einer Uraufführung dabei sein zu wollen.....
    lg Severina :hello:

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  • Erstmal ganz lieben Dank an die versammelte Damenwelt sowie die beiden Herren für euer lobendes Interesse. Das ist gleichermassen wohltuend und motivierend. :angel:


    Liebe Severina,
    ich habe als Hauptquelle die hervorragende Malibran-Biographie des frz. Musikologen Patrick Barbier "La Malibran" aus der Pygmalion Edition benutzt. Daraus stammen die meisten von mir übersetzten Zitate der Zeitgenossen und der Malibran selbst. Dieses Buch ist eine Fundgrube des Who is Who der
    (nicht nur!) damaligen Musikwelt und enthält auch eine Bibliographie sowie die Auflistung aller Opernrollen der Malibran.
    Leider ist es nur in französischer Sprache zu kaufen. Falls der Verlag eine übersetzung machen will - ich biete mich gerne an!
    Daneben habe ich englische Aufsätze eingesehen, das Booklet der Bartoli Cd studiert, Wikipedia und andere Internetseiten konsultiert und auch meine Viardot-Biographien mit herangezogen.


    In England und Frankreich sind die beiden Sängerinnen wesentlich präsenter als in Deutschland, daher habe ich leider im Moment keine deutsche Literaturempfehlung zur Hand.
    Ich würde das sehr gerne ändern und immerhin gibt es ja Tamino, wo wir alles sammeln können.


    Lieber Paul, ich finde auch , dass man Rossini, Bellini und Donizetti besser mitsingen und ohrwurmmässig behalten kann als Alban Berg oder B.A. Zimmermann.
    Aber nicht besser als Mozart oder Händel, und deshalb kann dieses Argument hier leider nicht gelten.
    Mozart und Händel standen genausowenig auf unserem obigen Scala-Spielplan von 1835 wie andere Nicht-Zeitgenossen der Malibran. Bellini, Donizetti und Rossini waren in, ausserdem Vaccai und Mercadante und dann Ende!


    Ich glaube, die Leute waren einfach nur wild auf Neues und auf Uraufführungen. Altes galt als überkommen und der Historismus war noch nciht up to date.
    Auch Bach musste ja erst wieder ausgegraben werden.


    Ich stelle mir das so ähnlich wie mit der Kleidermode vor.
    Lange Röcke waren Schnee von gestern, es lebe der Mini! Und dann hat man genug vom Mini, wer ihn trägt ist altbacken, und nun müssen es Leggins mit tunika oder was auch immer sein.


    Nimm Händel als langen Rock, Mozart als Mini , Rossini als Leggins und Bellini als Tunika. :D
    Heute ist wilder Stilmix angesagt und man darf Alles tragen , was Spass macht.
    Vor 200 Jahren war das ein bisschen anders.


    Fairy Queen

  • Liebe Fairy,
    danke, das habe ich beinahe befürchtet, denn Französisch kann ich leider nicht :O Bleiben mir also vorerst nur das Booklet der Bartoli-CD und Wikipedia. Vielleicht liest ja ein interessierter Verleger mit und greift dein Angebot einer Übersetzung auf :D Und du wirst uns ja hoffentlich auf dem Laufenden halten, wenn du neue interessante Details herausfindest!
    Komisch, dass Hollywood diesen Stoff noch nicht entdeckt hat. Vielleicht ist es aber auch besser so :wacky:
    lg Sevi :hello:


  • Nun, ich denke, es kommen auch noch andere Dinge hinzu:


    Musik war damals immer ein "Live-Erlebnis", denn es gab ja noch keine "Konserven".


    Und die 1000.-te Aufführung von XXX wollte man auch nicht unbedingt, denn, wenn wir es heute schaffen können, im Laufe eines Tages 3 Wagner-Opern zu hören, so war die musikalische "Sendekapazität" damals doch beschränkt, und damit sicherlich der "Durst" nach "Musik" viel größer, als er heute sein müßte.


    Daraus könnte sich doch auch der "Wunsch" nach "Neuem" erklären, oder? "Neu" war ja "neu" auch in dem Sinne, daß man es einfach noch nicht gehört hatte, und man eben nicht noch ein "zweites" Mal etwas hören wollte, was man schon einmal gehört hatte, denn das wäre ja "Verschwendung" wertvoller Zeit gewesen, die man für "Anderes wahrnehmen" besser hätte nutzen können. Sicherlich, man hätte auch "andere ältere" Dinge hören können, da wären dann aber evtl. auch Leute im Publikum gewesen, die es evtl. schon "kennen". Daraus folgt: "Größter Zulauf" (mit natürlich auch größtem "finanziellen Gewinn" ) gab's wohl nur bei "ganz Neuem"...


    Oder sehe ich da was falsch?


    Matthias

  • Zitat

    Original von pfuetz
    Musik war damals immer ein "Live-Erlebnis", denn es gab ja noch keine "Konserven".


    Lieber Matthias,


    da müsste sich eigentlich etwas an wissenschaftlichen Untersuchungen finden lassen. Eine wäre die mir gerade nicht greifbare von F. H. Köhler: "Die struktur der Spielpläne deutschsprachiger Opernbühnen von 1896 bis 1966. Eine statistische Analyse." Koblenz 1968. Die technische Reproduzierbarkeit von Aufführungen hat da sicherlich den Anteil an einem Geschmackswandel, vor allem aber - so glaube ich - die strukturelle Änderung des Opernpublikums.


    Michael Walter (Hitler in der Oper) zitiert aus dem Köhler zwei Jahresstatistiken mit prozentuellen Anteilen von Komponisten an der Gesamtzahl von Aufführungen:


    1916/17
    Wagner 18,2
    Verdi 9,7
    Lortzing 6,6
    Mozart 6,5
    d'Albert 5,3
    Bizet 4,5
    Thomas 3,9
    Weber 3,3
    Offenbach 3,1
    Flotow 2,9
    R. Strauss 2,7
    Humperdinck 2,5


    1926/27
    Wagner 13,9
    Verdi 11,3
    Puccini 7,8
    Mozart 6,6
    Lortzing 6,0
    Weber 4,1
    R. Strauss 3,6
    Beethoven 3,5
    Bizet 3,1
    d'Albert 3,0
    Flotow 2,6
    Leoncavallo 2,3
    Mascagni 2,2


    Immerhin ist in beiden Statistiken noch ein großer Anteil an zeitgenössischen Komponisten zu erkennen. Geprägt wurde der Spielplan aber schon von Wagner, Verdi und Mozart, dazu kam in der Weimarer Republik Puccini.


    Liebe Grüße Peter

  • Lieber Peter,


    diese Statistik hilft, aber nur ein wenig... ;-)


    Die Malibran lebte 100 Jahre früher, und ich stimme Dir zu, natürlich hat sich der Geschmack im Laufe der Zeit gewandelt. Aber auch die Musik hat sich weiterentwickelt, und auch die "Globalisierung" nahm zu, so daß der "Stilmix", von dem Fairy spricht, leichter "konsumierbar" wurde.


    Findet sich denn hier irgendjemand, der Statistiken über "zeitgenössische Aufführungspraxis der Oper im Laufe (Wandel) der Zeit" einbringen kann, so daß wir einen "Quotienten" errrechnen können, der aussagt, wie das "Durchschnittsalter einer aufgeführten Oper" sich über die Jahre, Jahrzehnte und auch Jahrhunderte gewandelt hat?


    Klar, es spielen Faktoren wie "Gesellschaftstruktur" (Oper war früher keine "Volksbelustigung", sondern "Oberschichtstreffpunkt", dann kam eine "Öffnung", und heute haben wir es "partiell mit Snobismus" zu tun) eine Rolle, und auch hier eine Korrelation herstellen zu können, wäre interessant...


    Liebe Grüße,


    Matthias

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  • Hier noch ein Nachtrag, bzw ein DVD-Tipp, der einen Einblick in Cecilia Bartolis Recherchen zu ihrem Malibran-Projekt gibt und einige serh schöne und bewegende Momente festhält:


    bei Decca erschienen:


    Maria Cecila Bartoli: Doppel DVD The Barcelona Concert and Malibran Rediscovered




    Die Dokumentations DVD ist etwas für Polyglotte, heir wird durcheinander englisch, italeinisch und französisch gesprochen und gesungen. Etliche Probeneinblicke in Raritäten-vom Feinsten und auf's Feinste dargeboten. :jubel:


    Man wandert mit der Bartoli von der British Library zum Conservatoire de Bruxelles, vom Teatro San Carlo in Napoli zu Rossinis Wohnung in Paris, von Manchester nach Rom zur Villa Pamphili und zu Besuch bei den singenden Eltern der Bartoli und von der Malibran Geburtshaus in Paris zu ihrem Grabmal in Laeken.


    Die Konzert-DVD bringt ein etwas anderes Programm als die gleichnamige hier schon ausgiebig besprochene CD!
    Unter Anderen findet sich darauf die berühmteste Malibran-Arie, die gleichzeitig Pauline Viardots Operndebüt war:


    "Assisa a pié d'un salice" aus Rossinis Othello.


    Fairy Queen

  • Noch ein Nachtrag zu dieser DVD : Kennt jemand zufällig das HIP Orchester "La Scintilla"?
    Dirigiert wird von der ersten Violine aus( Ada Pesch) und ich bin von den Qualitäten dieser unprätentiösen Truppe ausserordentlich beeindruckt!
    Die obengenannte Desdemona-Arie ist ja an sich bereits ein Meisterwerk der Instrumentierungskunst Rossinis, der darinnen schon einen detlichen Vorgeschmack auf seine Nacholger Donizetti und Bellini gibt, aber hier wird das derart schön und sensibel interpretiert, dass ich mich nicht satt hören kann an der Harfe und den Holzbläser und den wirklch den Verhältnissen angepassten Pianissmi der Streicher :jubel: :jubel: :jubel:


    Die Bartoli singt diese emblematische und mystifizierte Arie mit grösster innerer Anteilnahmeund überwiegend geschlossenen Augen. Ihre ohnehin nicht sehr grosse Stimme bekommt vom Orchester jeden Raum für feinste Nuancen-was für eine Kunst!!!!
    Wer lernen will, wie man Sänger begleitet und glecihzeitig wunderbare Musik an sich macht, sollte sich das unbedingt anhören!!!!!


    Mir gefällt die DVD inzwischen viel besser als die gleichnamige CD und Bartoli ist at her best.
    Sie gehört zu denen, die man mit ihrer ganzen Ausdrucksfähigkeit live erleben muss- ansonsten geht ein grosser Teil einfach verloren.
    Wieviel Herzblut und engagement sie in dieses Projekt gestecvkt hat, wird mir jetet erst richtig deutlich.


    Da kann man wirklch nur jubeln: VIVA Maria, VIVA Cecila! Und Viva La Scintilla! :jubel: :jubel: :jubel:

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Noch ein Nachtrag zu dieser DVD : Kennt jemand zufällig das HIP Orchester "La Scintilla"?


    Das Orchester "La Scintilla" des Opernhauses Zürich entstand aus den Barockproduktionen der Oper. 1996 formierte es sich als eigenes Ensemble aus dem Opernorchester. Das Opernhaus Zürich lässt - so die Website - alle barocken und fast alle aus der klassischen Zeit stammenden Opern von seiner Barockformation «La Scintilla« spielen.


    Liebe Grüße Peter

  • Montag, 22. Dezember 2008 um 22.50 Uhr arte


    Cecilia Bartoli - Maria Malibran
    (Deutschland, 2008, 53mn)
    Regie: Michael Sturminger


    Der Filmemacher Michael Sturminger begleitet Cecilia Bartoli auf eine Wiederentdeckungsreise zu Leben und Wirken der ersten Diva der Operngeschichte, der legendären Primadonna Maria Malibran.


    Zitat

    In Begleitung von Cecilia Bartoli bekommt der Zuschauer faszinierende Einblicke in das Leben der ersten Diva der Operngeschichte, Maria Malibran. Mit untrügerischem musikalischen Gespür gestaltet die italienische Mezzo-Sopranistin Cecilia Bartoli, selbst ein absolutes Ausnahmegenie der Opernbühne, Arien und Lieder, die sich bis heute mit der Malibran in Verbindung bringen lassen und die ihre Seelenverwandtschaft zu ihr ausdrücken. Cecilia Bartoli erzählt von dieser Verbindung wie auch von ihrer eigenen Faszination. Zugleich gewährt sie Einblicke in die Produktion der ihrer Vorgängerin gewidmeten CD "Maria".


    Am Donnerstag folgt dann auf dem gleichen Kanal das "Barcelona Concert" Bartoli/Malibran, das es schon als DVD zu kaufen gibt.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald, ist das dieselbe Dokumentation, die bereits auf der DVD der Bartoli drauf ist oder etwas Anderes?
    Falls es etwas Anderes ist, bitte ich serh herzlich einen der Taminos mir das aufzunehmen ( Unkosten werden natürlcih ersetzt).
    F.Q.

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