Glinka schrieb die Musik zu dieser fünfaktigen Zauberoper in den Jahren 1837 bis 1842. Nach Glinkas "Iwan Sussanin" ("Ein Leben für den Zaren") war es die zweite Oper des Komponisten.
Als Textgrundlage wählte Glinka Puschkins Poem "Ruslan und Ljudmila". Zunächst sollte Puschkin selbst sein Poem zu einem Libretto umarbeiten. Der Tod des Dichters im Jahre 1837 verhinderte diese Arbeit. Die jüngere Forschung hat nachgewiesen, daß der größte Teil aller Texte von Walerian Schirkow stammen. Als weitere Mitarbeiter am Text gelten: Michail Glinka selbst, ferner Nestor Kukolnik, Nikolai Markowitch, Michail Gedeonow, Konstantin Bachturin und Alexander Schachowski.
Im Gegensatz zum Poem Puschkins entwirft der Komponist im Schlußakt die Utopie eines durch Leid geprüften und gereiften jungen Fürstenpaares - er läßt die trennenen Mauern zwischen den Herrschenden und dem Volk fallen.
Die Figurenkonstellation weist auffallend viele Paare auf: Ruslan - Ljudmila, Gorislawa - Ratmir, Naina - Finn, Tschernomor - Riesenhaupt. Dazu gesellen sich diverse Parallel- und Kontrastfiguren (zwei abgewiesene Freier, zwei liebende Männer, zwei unglückliche Freier).
Bei dieser Konstellation der Textgrundlage bietet Glinka ein Musik voller instrumentaler, melodischer, rhythmischer und dynamischer Kontraste. Mit seiner Variationstechnik faßt er die Figuren nicht nur differenziert-psychologisch, sondern charakterisiert sie unter Einbeziehung von Musiziermodellen unterschiedlicher Kulturbereiche (russische, finnische, persische).
Besonderes Augenmerk richtete der Komponist auf die Finali der fünf Akte. Hier verknüpfte er die Motive so, daß die Musik durch "die Verschiedenartigkeit des Eintritts der Stimmen von selbst Leben in den Vorgang bringt, so daß sich jede betonte Gestik der Mitwirkenden erübrigt" (Alexander Glasunow). Sehr deutlich kann man das im Fanale es 1. Aktes verfolgen, wenn die Stimmen nach dem Raub Ljudmilas alle aus ihrer Erstarrung erwachen und kanonisch einsetzen.
Die Uraufführung der Oper erfolgte am 9. Dezember 1842 im Großen Theater von St. Petersburg.
Allerdings wiederholte sich der große Erfolg von "Iwan Sussanin" nicht. Das lag unter anderem daran, daß der politisch rechte Flügel Rußlands offen gegen Glinka auftrat. Dazu kam, daß unglückliche Zufälle (Erkrankung einer Sängerin) die künstlerische Qualität der Uraufführung beeinflußten.
Es gab aber auch viele bedeutende Anhänger des Werkes: Ljadow (leitete 1864 die Aufführung des Mariinskij Theaters in St. Petersburg), Balakirew (studierte die Oper in Prag ein).
Am Moskauer Bolschoi-Theater wurde "Ruslan und Ljudmila" erst 1868 aufgeführt, befindet sich seitdem aber ständig im Repertoire). Das Werk wurde hier 1882, 1897, 1901 (Farlaf: Schaljapin), 1907, 1931, 1948, 1972 und wohl um 2000 neu inszeniert.
Nach der Moskauer Inszenierung von 1901 sang Schaljapin den Farlaf auch am Mariinskij Theater St. Petersburg 1904 und 1917.
Die deutsche Erstaufführung dieser Oper erfolgte 1950 an der Deutschen Staatsoper Berlin.
Ich selbst sah die Oper Anfang der 80er Jahre im Opernhaus Leipzig in einer faszinierenden Inszenierung.
Leider steht diese zauberhafte Oper mit ihren reichen szenischen und musikalischen Einfällen nur selten auf den deutschen Spielplänen. Die furiose wild dahin wirbelnde Ouvertüre bekommt man öfter zu hören, kann jedoch auf Dauer nicht entschädigen, diese Oper auch mal komplett hören zu wollen, mit übrigens einer Aufführungsdauer von 3 Stunden und 15 Minuten.
Für alle diejenigen, die diese Oper noch nicht live erleben konnten, gibt es zwei herausragende Einspielungen auf CD:
Jewgeni Nesterenko, Bella Rudenko, Tamara Sinjawskaja, Alexej Maslennikow, Waleri Jaroslawzew, Nina Fomina, Chor und Orchester des Bolschoi-Theaters Moskau, Dirigent: Juri Simonow, Melodija ADD Stereo 1979
Shtonda, Morozova, Lynkovsky, Gavrilova, Bolshoi Theatre Orchestra, Verdernikov
Label: Pentatone, stereo & multichannel (Hybrid), DDD, 2003
auf CD und DVD (Livemitschnitt):
Orgnovenko, Netrebko, Diadkova, Gorchakova, Kirov Opernorchester & Chor, Gergiev (210 Min.)
Label: Philips , FSKoAB, 95
Herzliche Grüße
von LT