Haydn: L'infedeltà delusa

  • Zu dieser Haydn-Oper gibt es noch keinen eigenen Thread, also eröffne ich ihn hiermit.


    Zum Titel: Man könnte ihn mit "Die vereitelte Untreue" übersetzen.


    Eine "Burletta per musica" in 2 Akten. Sie spielt im ländlichen Milieu, ohne Mitwirkung von Adligen.


    Vespina und Nanni sind Geschwister und leider eher arm. Vespina liebt Nencio (ein reicher Bauer), Nanni liebt Sandrina, die Tochter von Filippo (ein armer Bauer), damit sind alle handelnden Personen aufgezählt. Zum großen Ärger von Vespina und Nanni hat Filippo mit Nencio vereinbart, ihm seine Tochter Sandrina (gegen deren Willen) zur Frau zu geben. Nanni ist deswegen sehr frustriert, Sandrina natürlich auch, aber Vespina ist es, die handelt. Und mit viel Geschick und mehreren Verkleidungen schafft sie es, die Ehe zwischen Nencio und Sandrina zu vereiteln, so dass am Ende die "richtigen" Paare zusammenfinden.


    Das Ganze ist wirklich witzig aufgebaut, insbesondere die Verwandlungsszenen im 2. Akt. Die Heldin des Stückes ist ganz klar Vespina.


    Meine Aufnahme:


    [am] B00000E4U3[/am]


    Mit ihr bin ich sehr zufrieden, ist auch kein Wunder, bei der Besetzung. Genial ist dabei Barbara Hendricks als Sandrina. Wie sie Sandina als naives Mädchen vom Lande rüberbringt, das ist einfach herrlich. Ich fragte mich, wie das möglich ist, Barbara Hendricks ist eine dunkelhäutige Sängerin, die ich gefühlsmäßig nach New York oder so gesteckt hätte. Laut Wikipedia stammt sie aber aus einem 1000-Einwohner-Kaff namens Stephens (Arkansas). Vielleicht hat sie in ihrer Jugend das einfache Landleben selbst mitbekommen. Anders kann ich mir das nicht erklären.


    Live wurde die o.g. Aufnahme vor ein paar Tagen aber noch getoppt...



    Thomas Deck

  • In den letzten 9 Monaten sah ich alle Haydn-Opern, die derzeit in Europa gespielt werden. Die letzte war "L'infedeltà delusa" in Aix-en-Provence anlässlich des Festival d'Aix-en-Provence. Ich war ziemlich begeistert.


    Inszenierung: Eher modern, mit Betonung des einfachen, beschwerlichen Landlebens, aber nicht naturalistisch, eher abstrakt. Auf alle Fälle nachvollziehbar und überzeugend.
    Regie (Richard Brunel): Absolut klasse. Die 5 Darsteller waren die ganze Zeit auf der Bühne, auch wenn sie gerade nichts zu singen hatten. Tolle Personenführung. Während man bei der CD bei manchen Arien das Gefühl hat, sie seien etwas lang geraten, konnten sie bei der Aufführung gar nicht lang genug sein, weil es immer etwas zu sehen gab. Zum Glück war ich mit dem Text einigermaßen vertraut und wurden zumindest die Rezitative sehr deutlich wiedergegeben, zum Hochschauen auf die Übertitel hatte man nämlich überhaupt keine Zeit.


    Orchester (Le Cercle de l'Harmonie, Jérémie Rhorer): Hervorragend. Manche Stücke wurden so spannend rübergebracht, dass ich sie kaum wiedererkannte. Wenn Haydn-Opern immer so gespielt werden, steht ihrer Renaissance nichts im Wege.


    Sänger: Die Männer waren alle sehr gut, sowohl sängerisch als auch darstellerisch. Auch körperlich war einiges zu leisten (auch von den Frauen). Letztendlich wurden sie aber - auch aufgrund der Inszenierung - von den beiden Frauen an die Wand gespielt. Tolle Mimik von Ina Kringelborn (Sandrina), die natürlich auch stimmlich voll überzeugte, auch wenn sie letztendlich an Barbara Hendricks von der Dorati-Aufnahme nicht herankam, aber das schafft eh niemand. Der Star des Abends war Claire Debono als Vespina. Was die leistete war unglaublich. Entsprechend hat sie auch mit Abstand den meisten Applaus bekommen, gefolgt von Ina Kringelborn (Sandrina) und Jérémie Rhorer (Dirigent).


    Von den 5 Haydn-Opern war hier das Publikum am begeistertsten. Qualitätsmäßig würde ich diese Aufführung knapp hinter Harnoncourts "Orlando Paladino" vom letzten November in Wien setzen, aber deutlich vor "Il mondo della luna" in Stockholm.



    Thomas Deck

  • Für alle, die Thomas Deck um das Live-Erlebnis beneiden, aber selbst nicht nach Aix fahren können, hier noch ein Radio-Tipp:


    Übernächsten Sonntag bringt SWR2 Kultur einen Mitschnitt der Oper:


    Festlicher Radiosommer - Aix-en-Provence Festival


    Sendung am Sonntag, 03.08.2008, 20.03 bis 23.00 Uhr


    Joseph Haydn:
    "L'infedelta delusà",

    burletta per musica in 2 Akten
    Vespina: Claire Debono
    Sandrina: Ina Kringelborn
    Nencio: James Elliott
    Nanni: Andreas Wolf
    Le Cercle de l'Harmonie
    Leitung: Jérémie Rhorer
    (Aufführung vom 15. Juli aus dem
    Hôtel Maynier d'Oppède in Aix)


    Zitat

    Liebe macht erfinderisch“, so hat man den Titel dieser Oper passenderweise übersetzt – wörtlich heißt er „Die vereitelte Untreue“. Es ist die erste Oper von Haydn, die vollständig erhalten ist. Er komponierte sie 1773 auf Bestellung seines Dienstherrn, dem Fürsten Nikolaus Esterházy; dieser machte damit seiner italienischen Schwägerin ein opulentes Geschenk zum Namenstag. Wenig später war Kaiserin Maria Theresia zu Gast auf Schloss Esterházy, und man führte „L’infedeltà delusà“ noch einmal auf. Auch die Kaiserin fand Gefallen an der Oper: an ihrem witzigen Libretto, das im bäuerlichen Milieu spielt und in dem es nur so wimmelt von Verkleidungs- und Verwechslungsszenen, und natürlich an Haydns spritzig-geistreicher Musik.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Sagitt meint.


    man kann sie jetzt bei youtube sehen. Wirklich eine höchst genussreiche Aufführung. Ich finde sie musikalisch deutlich spannender als Dorati.

  • danke für den Tip - scheints leider nicht auf DVD zu geben. Großartig!
    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

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  • Sagit meint:


    was umso bedauerlicher ist, als Rhorer mit dieser spannenden Oper in dieser bemerkenswerten Wiedergabe ziemlich viel getourt ist, wie man dem schedule von cercle entnehmen kann.

  • L'infedeltà delusa
    (Untreue lohnt nicht),
    Burletta per musica in 2 Akten
    von Joseph Haydn.
    Text von Marco Coltellini in einer anonymen Bearbeitung
    Uraufführung: 26.7.1773 Schloss Eszterháza
    mit Karl Friberth • Magdalena Friberth • Leopold Dichtler • Nanni Dichtler • Christian Specht.
    Personen:
    Vespina, ein geistreiches junges Mädchen, Schwester Nannis und Geliebte Nencios (Sopran) • Sandrina, ein einfaches Mädchen, Geliebte Nannis (Sopran) • Filippo, ein alter Bauer, Vater Sandrinas (Tenor) • Nencio, ein wohlhabender Bauer (Tenor) • Nanni, Bauer, Liebhaber Sandrinas (Bass)
    Ort: Ländliche Gegend bei Florenz
    Zeit: Gegenwart (Ende des 18. Jahrhunderts)

    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)