Es muß jetzt doch endlich mal geschehen, ich muß für den "Komponisten" P.D.Q. Bach (1807 - 1742) !? werben.
Vorweg: P.D.Q. Bach hat nie existiert, er ist die Erfindung seines alter egos, des amerikanischen Komponisten und Universitätsdozenten Peter Schickele (*1935). Schickele betätigt sich nun seit Jahrzehnten als Entdecker vermisster Werke P.D.Q. Bachs. Als Forscher hat er sogar seine zwerchfellzereissende "endgültige Biographie" geschrieben, ich habe schon an anderem Ort darauf hingewiesen.
Die Biographie ist in englischer und deutscher Sprache unschwer auf dem Markt zu erwerben. Es ist der reine Wahnsinn, wieviel intelligenter, abstruser, musikalischer Humor und Nonsense hier verfasst ist. Eine großartige Satire auf Biographien und Sachbücher und Musik. Ich könnte seitenlang Beispiele zitieren, werde die auch später tun.
(wenn man sich die Perrücke auf dem Titelbild wegdenkt, hat man ein Bild von Schickele)
Nun, P.D.Q. ist der letzte, aber auch wirklich allerletzte Sohn von J.S.Bach und er hat, freundlich formuliert, wenig Talent.
Als Einstieg in das Werk des P.D.Q. möchte ich die CD "An evening with P.D.Q.Bach" empfehlen, ein Livemittschnitt von 1965, Label: Vanguard. Tonqualität ist bestens, nur lacht sich das Publikum unentwegt tot, was aber das Hören nicht vermiest, im Gegenteil.
21,99 ist diese Investition wert, ihr werdet mir danken, sofern ihr Humor habt. Zum Inhalt der CD: Schickele spricht persönlich Einführungskommentare zu den "Werken". 1.) "Concerto for Horn and Hardart" - Ein dreisätziges Concerto mit Solohorn und einem "Hardart". Leider weiß ich nicht, wie das Hardart aussieht, muß aber eine irrwitzige Konstruktion sein. "Horn and Hardart" ist ein Witz - das ist nämlich der Name einer amerikanischen Fast food-Kette.
2.) Mein Lieblingswerk, die Cantata Iphigenia in Brooklyn. Eine wunderbare barockkantatenmissgeburt. Es singt ein wirklich guter Countertenor, der sich durch allerhöchste und allertiefste Stimmlagen wacker durchkämpft. Nach einem Rezitativ fährt das Cembalo endlos mit Akkordbrechungen und Läufen fort, findet schlicht kein Ende, unheimlich lustig! Ein beteiligtes Instrument: die Weinflasche, gespielt von Schickele. Zu Beginn der cantate werden hohe Töne gebraucht, zum Schluß ein ganz tiefer Ton - Schickele muß allso zwischendurch den Wein saufen - da wünschte man sich natürlich ein DVd-Video von der Sache.
3.) Quodlibet for small Orchestra (hier gibt Schickele sogar zu, daß er selbst der Komponist ist.) 10 Minuten Musik in denen kein einziges Thema von Schickele selbst stammt - alles geklaut und hahnebüchen zusammengefuddelt, von Mozart bis Gershwin. Nicht das Klauen ist die Kunst, sondern die absurde, wirklich dicht, kontrapunktische Zusammensetzung des Diebesguts.
4.) Sinfonie Concertante - mit beispielsweise Dudelsack und allerlei ungewöhnlichen Vorfällen
Eine Erklärung warum P.D.Q.s Tanzmusik so seltsam unrhythmisch ist, aus Schickeles Mund gesprochen: Er hatte unterschiedlich lange Beine...
Eine weitere CD möchte ich unbedingt noch empfehlen: "Portrait of P.D.Q. Bach"
Vanguard Records, 1977, ebenfalls 21,99 bei amazon
Auf dieser CD befindet sich die "Missa hilarios" (ihretwegen wurde P.D.Q. exkommuniziert) - an dieser Orchestermesse, die nicht nur "geringfügig" vom verbindlichen Text abweicht, kann ich mich immernoch königlich amüsieren. Wenn ich jetzt Beispiele vom Humor der Messe schreibe, dann entsteht vielleicht ein falscher Eindruck, in dieser messe, die überwiegend im "klassischen Rahmen" bleibt, geraten so viele Musikstile durcheinander,... also ein Beispiel: das Sanctus sanctus wir auf die Melodie des "hare Krishna"-Lieds gesungen. Aber das ist nur ein klitzekleiner stilistischer Aspekt dieser Wahnsinnsmesse, so unendlichviele schräge Einfälle und unangebrachte Zitate....!!!!
2.) "Echo Sonata for two unfriendly groups of Instruments" sagenhaft!! ein Krieg zwischen Holzbläsern, die es redlich meinen und brav spielen und auf der anderen Seite den bösen Blechbläsern, die dem Holz böse ins Wort fallen und anderen schönen Schabernack treiben. (dauert leider nur 2 minuten, ist aber klasse)
3.) "Eine kleine Nichtmusik" (man muß bedenken, daß das der englische originaltitel ist, schickele treibt viele großartige Scherze mit der deutschen sprache - und sein amerikanisches Publikum versteht wohl nur bahnhof - ähm, railwaystation) - wiederum ein "Originalwerk" von Schickele. Auch umwerfend: die Streicher spielen die kleine Nachtmusik original und vollständig, alle Sätze - und die Bläser werfen, harmonisch mehr oder weniger optimal passend, Zitate aus der gesamten Musikgeschichte ein - bishin zum "Yankee doodle", aber hauptsächlich natürlich Themen aller "klassischen" Komponisten. Echt zum schlapplachen!
Beide oben genannte CDs haben die gemeinsamkeit, daß P.D.Q. auch ungewöhnliche Instrumente fordert, etwa Trompetenmundstück. Das wird dann aber auch wirklich virtuos gespielt!
So, das sollte es für den ersten Anlauf gewesen sein, in der Rubrik "Vorbildliche Opern-DVDs" habe ich schon P.D.Q.s Oper "The abduction of Figaro" vorgestellt, ein "Verschnitt" der bekanntesten Mozartopern.
Gruß, Markus