Beethovens Neunte vs. Mahlers Achte - Vergleichbar?

  • Ich weiß nicht, ob ich alleine dastehe mit meiner Meinung, aber mir erschienen die Neunte von Beethoven und die Achte von Mahler schon immer recht ähnlich: Beide dürften fraglos der jeweilige Höhepunkt im Schaffen der Komponisten gewesen sein - wenngleich die Beethoven'sche Gigantomanie eine sehr viel höhere Wertschätzung zu genießen scheint als Mahlers "Symphonie der Tausend". Durch die Tatsache, daß die Texte der Schlußchöre von Schiller bzw. Goethe - den beiden wohl herausragendsten deutschen Dichtern - stammen, drängt sich ein Vergleich noch mehr auf.


    Die unterschiedliche Wertschätzung, welche die beiden Werke genießen, wurde bereits hier im Forum deutlich, vielmehr aber durch die höchst unterschiedliche Anzahl an Einspielungen: Fraglos, Beethovens Neunte liegt uns x-mal öfter vor. Nicht einmal Herbert von Karajan nahm Mahlers Achte auf, Bernstein aber immerhin, dazu Solti und Tennstedt, Maazel und Abbado, Haitink und Kubelik, um ein paar prominente Dirigenten zu nennen. Nichtsdestotrotz sehr viel weniger als bei Beethoven.


    Sind die beiden Symphonien eures Erachtens vergleichbar?


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Ich weiß nicht, ob ich alleine dastehe mit meiner Meinung, aber mir erschienen die Neunte von Beethoven und die Achte von Mahler schon immer recht ähnlich: Beide dürften fraglos der jeweilige Höhepunkt im Schaffen der Komponisten gewesen sein


    Euer Hoheit täten besser daran sich im Vorfeld zu informieren: "fraglos" ist hier - mit Verlaub - gar nichts. Mahlers 8. ist sogar die vielleicht umstrittenste Symphonie im gesamten Korpus und ob Beethovens 9. der Höhepunkt in seinem Schaffen ist, ist auch mehr als fraglich. Vielleicht täten wir besser daran Höhepunkt durch "des Hoheits liebste, da gigantomanischste" zu ersetzen?? :rolleyes:



    Zitat


    Sind die beiden Symphonien eures Erachtens vergleichbar?


    :hello:


    Ich bin zwar kein Musikwissenschftler, aber ich erkene keine großen Gemiensamkeiten. Hier eine Symphonie mit Schlusschor, da eine als Symphonie getarnte Kantate im weitesten Sinne. Gemein sind ihnen die im Vergleich zum übrigen Zyklus überdurchschnittlich großen Ausmaße. Aber ansonsten.....


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    Gemein sind ihnen die im Vergleich zum übrigen Zyklus überdurchschnittlich großen Ausmaße.


    Naja, bei Mahler noch nicht mal das, die Dritte ist allemal länger, die Zweite regelmäßig auch.


    Ansonsten sehe ich das genauso wie Du. :yes:


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Wenn Äpfel und Birnen vergleichbar sind, DANN gibts es natürlich Ähnlichkeiten, aber EINE Gemeinsamkeit haben sie garantiert:


    BEIDE sind NICHT, wie immer wieder suggeriert wird, die Gipfelwerke ihrer Schöpfer, aber das war wohl hier eher nicht gemeint, oder ? :stumm:

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Ich weiß nicht, ob ich alleine dastehe mit meiner Meinung, aber mir erschienen die Neunte von Beethoven und die Achte von Mahler schon immer recht ähnlich: Beide dürften fraglos der jeweilige Höhepunkt im Schaffen der Komponisten gewesen sein - wenngleich die Beethoven'sche Gigantomanie eine sehr viel höhere Wertschätzung zu genießen scheint als Mahlers "Symphonie der Tausend". Durch die Tatsache, daß die Texte der Schlußchöre von Schiller bzw. Goethe - den beiden wohl herausragendsten deutschen Dichtern - stammen, drängt sich ein Vergleich noch mehr auf.


    Gibt's Superlative z.Zt. im Sonderangebot? :D


    Nach welchen Kritereien ist der "Höhepunkt" im Werk eines Komponisten zu bestimmen? Da gibt's viele Möglichkeiten.
    In mancher Hinsicht - äußerer Aufwand, ideeller "Gehalt", Selbsteinschätzung des Komponisten (zumindest bei Mahler) - ist es nicht gänzlich absurd, den beiden Sinfonien eine besondere Stellung im Gesamtwerk der beiden Komponisten zuzuweisen. Dass viele Rezipienten gerade aufgrund des affirmativ-monumentalen Charakters diese beiden Sinfonien eher kritisch betrachten, sollte nicht verschwiegen werden (naja, die drei letzten Postings bestätigen das eh). Ich hatte mit Beethovens Neunter nie Probleme, mit Mahlers Achter habe ich zumindest früher schon eher ein wenig gehadert.


    Klar besteht zwischen beiden Sinfonien ein Zusammenhang: Mahlers Achte stellt sich als Chorsinfonie und "Weltanschauungswerk" in die Tradition von Beethovens Neunter. Aber: das gilt tendenziell auch für "Roméo et Juliette" von Berlioz und für den "Lobgesang" von Mendelssohn. Und vor allem: Zumindest die zweite Sinfonie Mahlers orientiert sich von ihrer ganzen Struktur und Semantik viel stärker an Beethovens Neunter als seine Achte. Mahlers Achte ist übrigens durchaus eine veritable Sinfonie und keine verkleidete Kantate; die formale Komplexität des Werks sollte man nicht unterschätzen.



    Zitat

    Die unterschiedliche Wertschätzung, welche die beiden Werke genießen, wurde bereits hier im Forum deutlich, vielmehr aber durch die höchst unterschiedliche Anzahl an Einspielungen: Fraglos, Beethovens Neunte liegt uns x-mal öfter vor.


    Ja, mein Gott, Beethovens Neunte ist ein Schlüsselwerk der Sinfoniegeschichte, sie war und ist außerdem immer noch eines der beliebtesten Werke für irgendwelche offiziellen Anlässe, das Freudenthema kennt jeder, Beethovens Sinfonien zählen eh zu den am häufigsten aufgenommenen Werken der Musikgeschichte usw. usw.
    99,9 % aller Werke der Musikgeschichte sind seltener aufgenommen worden als Beethovens Neunte.


    Man bedenke auch die ganz anderen Besetzungsanforderungen von Mahlers Achter: Nicht nur das Orchester ist viel stärker besetzt, man braucht auch zusätzliche Blechbläser, doppelt soviele Gesangssolisten und vor allem 3-4mal soviele Chorsänger plus einen Kinderchor (und außerdem einen Raum, wo die alle reinpassen). Wenn man diese Schwierigkeiten in Rechnung stellt, dann handelt es sich bei Mahlers Achter um ein extrem häufig aufgenommenes Werk. Wenn ich das richtig sehe, gibt es über 50 Aufnahmen dieser Sinfonie (davon natürlich viele Livemitschnitte). Wohl kaum ein anderes Werk mit einer derartig hypertrophen Besetzung ist so oft aufgeführt und aufgenommen worden wie Mahlers Achte.


    Welche Schlussfolgerungen aus einem Vergleich der Aufnahmezahlen gezogen werden können, ist mir allerdings eh unklar.



    Zitat

    Nicht einmal Herbert von Karajan nahm Mahlers Achte auf,


    Oh, da fällt aber ein düsterer Schatten auf Mahlers Achte :D. Also wirklich: HvK hat auch Mahlers Erste, Zweite, Dritte und Siebte nie aufgeführt oder aufgenommen - und bei den anderen Mahler-Sinfonien (mit Ausnahme der Neunten) hätte er's auch besser sein gelassen... :rolleyes:



    Zitat

    Bernstein aber immerhin, dazu Solti und Tennstedt, Maazel und Abbado, Haitink und Kubelik, um ein paar prominente Dirigenten zu nennen. Nichtsdestotrotz sehr viel weniger als bei Beethoven.


    Boulez (2x), Gielen (2x), Maazel, Stokowski, Mitropoulos, Nagano, Horenstein, Rattle, Chailly etc. etc.



    Viele Grüße


    Bernd

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  • Zitat

    Ja, mein Gott, Beethovens Neunte ist ein Schlüsselwerk der Sinfoniegeschichte, sie war und ist außerdem immer noch eines der beliebtesten Werke für irgendwelche offiziellen Anlässe, das Freudenthema kennt jeder, Beethovens Sinfonien zählen eh zu den am häufigsten aufgenommenen Werken der Musikgeschichte usw. usw. 99,9 % aller Werke der Musikgeschichte sind seltener aufgenommen worden als Beethovens Neunte


    Na und ? Trotzdem kann ich op. 125 nicht ausstehen ! auf Mahlers 8. jedoch könnte ich ebenfalls gerne verzichten.


    Mein Großvater sagte mir einmal: "Weisst du, was Theodor Heuss und Walter Ulbricht gemeinsam haben ? Beide fühlen sich dank Beethovens op. 125 rein und geläutert" !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear


    Na und ? Trotzdem kann ich op. 125 nicht ausstehen ! auf Mahlers 8. jedoch könnte ich ebenfalls gerne verzichten.


    Mein Großvater sagte mir einmal: "Weisst du, was Theodor Heuss und Walter Ulbricht gemeinsam haben ? Beide fühlen sich dank Beethovens op. 125 rein und geläutert" !


    Der zitierte Passus war keineswegs wertend gemeint, sondern sollte nur in Kurzform erläutern, dass und warum Beethovens Neunte so überaus häufig aufgeführt wurde und wird.


    Nichtsdestotrotz möchte ich weder auf Beethovens Nr. 9 noch auf Mahlers Nr. 8 verzichten. Die rezeptionsgeschichtliche Problematik insbesondere der Beethoven-Sinfonie ist mir durchaus bewusst. Ich wende sie aber nicht gegen das Werk selbst, über dessen ideelle oder meinetwegen auch ideologische Problematik man diskutieren kann, dessen kompositorischer (und musikgeschichtlicher) Stellenwert aber schwer zu leugnen ist. Das gilt m.E. auch in etwas anderer Form für Mahlers Achte - hier haben z.B. Pierre Boulez oder Michael Gielen geschildert, wie sie nach anfangs erheblicher (auch von Adorno motivierter) Skepsis gegenüber dem gigantomanisch-affirmativen Charakter des Werks über die permanente Beschäftigung mit den Noten und ihrer Realisation mit dieser Sinfonie immer vertrauter geworden sind.


    Mögen muss man natürlich gar nichts, auch Beethovens Neunte oder Mahlers Achte nicht - das ist doch klar.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Also, meine Lieben, tut's das Eingangsposting nicht gar so zerpflücken. Die Werke sind ähnlich. Beide sind sie ein rechter Mist.
    :untertauch:
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    Schrecksekunde überwunden?
    Ich hab' ja mittlerweile auch die Hackeln wieder heraußen, die auf mich geflogen sind.


    Aber jetzt mal im Ernst: In einem Punkt sind die Werke wirklich verwandt: Daß der Komponist ein Opus summum anstrebte und scheiterte, wahrscheinlich, weil das Werk nicht innerlich zu seiner Größe gewachsen ist, sondern als großes Werk gewollt war. Allerdings scheitert meiner Meinung nach Beethoven auf einem höheren Niveau als Mahler.
    Wobei das Scheitern der beiden in einer Qualität erfolgt, von der die Mehrzahl anderer Komponisten nur träumen kann.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Also, meine Lieben, tut's das Eingangsposting nicht gar so zerpflücken. Die Werke sind ähnlich. Beide sind sie ein rechter Mist.


    Lieber Edwin


    Na soo direkt wollte ich nicht sein, aber nachdem Du jetzt die Harpyen-Opferrolle auf Dich genommen hast, seis so !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Ich liebe Mahlers Sinfonien sehr, aber zu der 8. habe ich nie eine besonders enge Beziehung aufbauen können, obschon mir die Sinfonien 2, 3 und 4, die ja auch vokale Teile enthalten, viel näher stehen.


    Beethovens 9. ist ein Schlüsselwerk der Musikgeschichte und ich liebe jeden Satz dieses bahnbrechenden Werk's, das mich von Jugend an, bis heute fasziniert.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

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  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Lieber Edwin


    Na soo direkt wollte ich nicht sein, aber nachdem Du jetzt die Harpyen-Opferrolle auf Dich genommen hast, seis so !



    So schlimm ist es mit dem Opfern ja nicht, zumal ersichtlich die Täter fehlen. :D



    Im Ernst: Wenn ich Zeit und Lust hätte, könnte ich Euch aus diesem Forum viel mehr abfällige, kritische oder zumindest skeptische Urteile über diese beiden Sinfonien zu Tage fördern als begeisterte, bewundernde oder anerkennende Stimmen.


    Das gilt mit einigen Einschränkungen auch für die Welt außerhalb des Forums.


    Arbeitshypothese: Skepsis gegenüber Beethovens Neunter und Mahlers Achter ist seit längerer Zeit vielfach eben keine Außenseiterposition mehr.


    Das gilt für das Mahler-Beispiel besonders stark. Gerade unter den begeisterten Mahler-Anhängern finden sich überdurchschnittlich viele, die mit der Achten Schwierigkeiten haben (ich nehme mich da, wie oben gesagt, gar nicht aus). Das hat musikalische, aber auch ideologische Gründe (und Adorno ist dafür weißgott nicht allein verantwortlich, auch wenn er in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle spielt).


    Bei Beethoven ist die Situation etwas anders - aber auch hier hat es schon immer (z.B. Hans von Bülow) skeptische und ablehnende Stimmen gegeben, die sich vor allem auf das Finale beziehen. Sowas kann man auch heute oft genug überall da hören, wo Beethovens Neunte gespielt und gehört wird. Es gibt ja auch Gründe für diese Position - aber originell ist sie heute nicht mehr, im Gegenteil: sie tendiert fast schon ein bisschen in Richtung cliché.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Es gibt ja auch Gründe für diese Position - aber originell ist sie heute nicht mehr, im Gegenteil: sie tendiert fast schon ein bisschen in Richtung cliché.


    Hallo Bernd, ich bin ja gerne bereit, mit mir reden zu lassen, falls es Dir, oder wem anderen, gelingen sollte, mir Schillers Text goutierbar zu machen, aber bis annitzo ist mir diese Kost nach wie vor arg unverdaulich !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo,


    Mahlers 8. ist mir erst durch Boulez relativ nüchterne Einspielungen hörbar geworden, aber mein Favorit unter Mahlers Symphonien ist sie auch nicht gerade. Irgendjemand hatte in einem Mahler-Thread die Solti-Aufnahme empfohlen und ich habe sie mir auch angeschafft: Gruselig, für mich, wie das Pathos hier noch auf die Spitze getrieben wird.


    Beethoven 9. habe ich sehr lange auch nie gehört. Erst durch den Erwerb zweier neuer GAs habe ich wieder reingehört und inzwischen auch viele ältere zum Teil von mir noch nie abgehörte Aufnahmen wieder herausgekramt. So lief sie bei mir in letzter Zeit sogar recht häufig. Doch, ich mag sie jetzt richtig, wenn ich gerade Lust auf volles Pathos habe und z. B mal wieder in Ernst Bloch reingeschaut habe. Ich habe aber noch keine Aufnahme gefunden, die mich insgesamt überzeugt hätte.


    :hello:Matthias

  • Lieber Matthias,

    Zitat

    Mahlers 8. ist mir erst durch Boulez relativ nüchterne Einspielungen hörbar geworden


    Das ist sicher die Idealaufnahme für den mitdenkenden Zuhörer. Dennoch habe ich den verdacht, daß sich Boulez auf eine Position zurückzog, die er in den letzten Jahren selten eingenommen hat: Kühle Analyse. Dadurch wird das Pathos des Werks erträglich, und da endlich einmal die Akkorde genau ausgehört sind und die Balancen stimmen, gibt es einige klangliche Aha-Erlebnisse. Aber auch diese vorzügliche Einspielung schafft es nicht, mir das Werk wirklich ans Herz zu legen. Ich bewundere es, aber es ist eine kühle Bewunderung. Hochachtung ohne Zuneigung.
    Was Beethovens IX. betrifft, rate ich zu einer DVD (zumindest habe ich die Aufnahme auf CD nicht gefunden), nämlich:

    Hier macht Gielen für Beethoven in etwa, was Boulez für Mahler tat: Klarer, analytischer Zugriff - und doch (deshalb?) wirkt die Sache kraftvoll und unglaublich frisch.


    :hello:

    ...

  • Bei der z.T. harschen Kritik an den beiden Werken, traut man sich fast nicht, sie für gut zu halten. Ich kenne aus meinem Bekanntenkreis durchaus ein paar Leute, die Mahlers Achte durchaus mögen - aber vielleicht haben die ja alle kein Ohr ... :wacky:


    Die Idee mit dem Schlußteil aus Faust II halte ich für einen genialen Einfall, die ganze Symphonie gefällt mir. Und das Publikum der Uraufführung 1910 sah das scheinbar ähnlich:


    Zitat

    Wikipedia
    Bei der Uraufführung am 12. September 1910 in der Neuen Musik-Festhalle in München (heute: Magazin des Deutschen Museums) dirigierte Mahler selbst das Orchester des Konzertvereins München (heute: Münchner Philharmoniker). Unter den 3000 Zuhörern befanden sich auch viele bekannte Schriftsteller, Komponisten und Dirigenten der Zeit wie Siegfried Wagner, Alfredo Casella, Stefan Zweig, Thomas Mann, Leopold Stokowski und Arnold Berliner, um nur einige zu nennen. Die Uraufführung sowie eine zweite Aufführung am folgenden Tag waren ein überwältigender Erfolg – der größte, der einem Werk Mahlers zu dessen Lebzeiten zuteil wurde.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Eure Durchlaucht,

    Zitat

    Die Idee mit dem Schlußteil aus Faust II halte ich für einen genialen Einfall, die ganze Symphonie gefällt mir.


    Aber es haut ästhetisch nicht hin: Lateinischer Pfingsthymnus und deutsches "Faust"-Finale, dem das "Veni creator" relativ willkürlich aufgepfropft wird - da stimmt für mich etwas nicht. Außerdem ist die Substanz für Mahlers Verhältnisse relativ dünn und die Themenverarbeitung gerät eher plakativ. Wenn man dagegenhält, zu welchen Leistungen Mahler in der Sechsten, Siebenten, Neunten und vor allem im Adagio der Zehnten fähig war, fällt für mich die Achte doch etwas ab.
    :hello:

    ...


  • Hallo Ulrich,


    mit dem Begriff "Ausmaße" bezog ich mich auch nicht au die Länge sondern vielmehr auf die Besetzung. Hier eine Symphonie der 100, da eine der 200.


    @all: Ich muß gestehen, daß der Saga Erste Teil - also der Pfingsthymnus - mich vor einigen Jahren beim kennenlernen so sehr fesselte, daß er mir für kurze Zeit die liebste Musik Mahlers wurde. Das Infirma nostri corporis ging mir durch Mark und Bein. Auch heute vermag mich dieses als auch der erste Teil zu begeistern, auch wenn ich den zwieten Teil, wie bereits immer, größtenteil zum Gähnen fand. :stumm: Dennoch ziehe ich eine 3. oder eine 9. Symphonie der 8. vor, auch wenn meine Sicht auf die 8. nicht ganz so kritisch ist, wie die manch anderer.


    Zitat

    Original von Joseph II.
    Bei der z.T. harschen Kritik an den beiden Werken, traut man sich fast nicht, sie für gut zu halten


    Das solltest Du dennoch tun - aber beim nächsten mal lieber vorsichtig sein bei subjektivem Enthusiasmus den man als Fakt verkauft (fragloser Höhepunkt) ;)


    :hello:
    Wulf

  • Lieber Edwin,


    danke für den Tip zu Beethovens IX. Der Gielen kommt auf meine Beschaffungsliste. Was Du schreibst, klingt vielversprechend.


    Zitat

    Edwin Baumgartner:Aber es haut ästhetisch nicht hin: Lateinischer Pfingsthymnus und deutsches "Faust"-Finale, dem das "Veni creator" relativ willkürlich aufgepfropft wird - da stimmt für mich etwas nicht. Außerdem ist die Substanz für Mahlers Verhältnisse relativ dünn und die Themenverarbeitung gerät eher plakativ.


    Vielleicht hätte Mahler lieber zwei Symphonien daraus machen sollen? :D


    Aber im Ernst, ich bin froh, hier lesen zu können, dass offenbar nicht nur ich seine 8. als etwas heterogen und die Verbindungen zwischen den heterogenen Teilen nicht wirklich als schlüssig empfinde.


    :hello: Matthias

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Was Beethovens IX. betrifft, rate ich zu einer DVD (zumindest habe ich die Aufnahme auf CD nicht gefunden), nämlich:

    Hier macht Gielen für Beethoven in etwa, was Boulez für Mahler tat: Klarer, analytischer Zugriff - und doch (deshalb?) wirkt die Sache kraftvoll und unglaublich frisch.


    :hello:


    Dem Manne kann geholfen werden... ;)


    Es gibt beim Amazon Marketplace die Möglickeit, die CD günstig zu erwerben.



    Von den Einspielungen, die sich Beethovens Metronomangaben annähern, ist das für mich die schlüssigste. Gielen bietet zwar den erwähnten "klaren, analytischen Zugriff" (in deutscher Orchesteraufstellung), aber er beschränkt sich nicht nur aufs "rein technische " Musizieren (wie etwa Zinman).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Naja,


    eine Gemeinsamkeit haben die beiden Sinfonien offenbar doch: Beide Werke werden von den Liebhabern der Sinfonien Beethovens und Mahlers offenbar eher selten gehört. Es handelt sich vermutlich um Hasser von Chorsinfonien...


    Vom Aufbau her vergleichbar wären eher M2 und B9 - ich meine auch gelesen zu haben, daß Mahler bei seiner Zweiten Beethovens Letzte zum Vorbild nahm und diese später auch eher als abschreckendes Beispiel diente, was die fortlaufende Numerierung angeht...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Zitat

    Original von Ulli
    eine Gemeinsamkeit haben die beiden Sinfonien offenbar doch: Beide Werke werden von den Liebhabern der Sinfonien Beethovens und Mahlers offenbar eher selten gehört.



    Es handelt sich vermutlich um Hasser von Chorsinfonien...


    Das trifft auf mich jedenfalls nicht zu. Beethovens Neunte hat mir nach wie vor viel zu sagen - jedenfalls die ersten drei wunderbaren Sätze. Mit Vokalmusik habe ich allerdings ein kleines Problem. Hinzu kommt, dass meine poetische Ader ziemlich dünn ist; da hat mir solch ein altes Gedicht eher wenig zu sagen. Ich erkenne aber trotzdem, dass Beethoven da ein einzigartiges Gesamtkunstwerk geschaffen hat.


    Edwin schrieb, dass Beethoven auf hohem Niveau gescheitert sei. Nun, dass mag man so sehen können, wenn man die Musik nur hinreichend theoretisiert. ;-) Jedenfalls scheint mir die Neunte das vielleicht einflussreichste Werk der Klassik im weitesten Sinne überhaupt zu sein. Oder?!


    Mahlers Achte ist eine andere Geschichte. Da ich nicht religiös bin, fällt der erste Teil für mich schon mal weg. ;-)
    Den zweiten Teil finde ich weitgehend langweilig. Die letzten gut 20 Minuten höre ich jedoch recht häufig - allerdings nur in der Bernstein-Aufnahme. Unglaublich, was der da für Power und Emotionen rausgeholt hat. So lasse ich mir sogar Vokalmusik gefallen. :angel:

  • Zitat

    Original von Ulli
    eine Gemeinsamkeit haben die beiden Sinfonien offenbar doch: Beide Werke werden von den Liebhabern der Sinfonien Beethovens und Mahlers offenbar eher selten gehört. Es handelt sich vermutlich um Hasser von Chorsinfonien...


    Vom Aufbau her vergleichbar wären eher M2 und B9 - ich meine auch gelesen zu haben, daß Mahler bei seiner Zweiten Beethovens Letzte zum Vorbild nahm



    :yes:
    Das steht m.E. jenseits vernünftigen Zweifels (hauptsächlich Kopfsatz und Finale natürlich)fest. Und obwohl ich Mahler 2 durchaus schätze, halte ich das vielgeschmähte Finale Beethovens für einen insgesamt gelungeneren, schlüssigeren und konziseren Satz gegenüber dem Mahlerschen. Auch Bruckner ist ohne Beethovens 9. (hier freilich besonders den Kopfsatz) undenkbar...


    Zu Mahlers 8. kann ich leider nicht viel sagen, obwohl ich mir schon vor ca. 2 Jahren die relativ neuen Einspielungen mit Nagano und Gielen gekauft habe, habe ich mich nie näher mit dem Werk befaßt (wiewohl schon ein paarmal gehört) und halte dessen 9. für das überragende Stück in seinem Oeuvre.

    Während ich bei Beethovens 9. (vgl. hierzu auch Bernds posting im "Rezitativ"-thread) und selbst bei Mahlers 2. (das Problem ist hier eher, daß das Finale vor dem Choreinsatz viel zu lang ist) den Choreintritt ziemlich schlüssig finde (ich habe jedenfalls keine Ahnung und kein Beispiel, wie man es besser machen sollte, die Alternative bestünde darin, den Choreinsatz überhaupt abzulehnen), sehe ich eher nicht wie der Pfingsthymnus und die Faust-Szene zusammengehen sollen. Insofern fehlt mir bei dieser von vornherein als solcher konzipierten Chorsinfonie eher der Zusammenhang als bei den zunächst instrumentalen Werken.


    Bei Beethoven scheint sich ja die Ablehnung fast ausschließlich auf das Finale zu konzentrieren (die ersten drei Sätze halte ich für ziemlich unangreifbar...).
    Wir haben das sicher schonmal in einem anderen thread angesprochen: Aufgrund der komplexen und langwierigen Entstehungsgeschichte des Werks (das anscheinend als eine Fusion zweier geplanter Sinfonien herauskam), ist ein instrumentales Finale vermutlich irgendwie denkbar. Anhand der endgültigen Gestalt der ersten drei Sätze ist für mich aber ein instrumentales Finale auf der Basis des Materials von op.132,v (wie es wohl zwischenzeitlich vorgesehen war) überhaupt nicht nachzuvollziehen. (Es mag natürlich sein, daß auch die ersten Sätze in diesem Falle etwas anders ausgesehen hätten). Es gibt schlicht kein Modell in Beethovens Oeuvre, anhand dessen ich mir ein alternatives Finale vorstellen könnte. Von den Dimensionen angemessen fällt einem natürlich als erstes op.133 ein, aber das ist m.E. zum einen viel zu einmalig, als daß man etwas ähnliches als Symphoniefinale hätte nehmen können, zum andern zu kammermusikalisch.


    Ich persönlich hatte niemals Schwierigkeiten mit dem Chorfinale und halte den Satz für eher unterschätzt. Viele scheinen hier einfach abzuschalten, darauf läßt jedenfalls der Unsinn schließen, der häufig verzapft wird (etwa der Vorwurf nationalistischer Züge, die sich im Text nun beim allerbesten Willen nicht ausmachen lassen). Ebenso wie Bernd habe ich den Eindruck, daß ein Naserümpfen hier schon lange als Ausweis einer gewissen sophistication dienen soll.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Auch wenn Mahlers Achte wohl nie die liebste Mahler-Symphonie der Forenmitglieder werden wird ( :D), hat die Kombination mit Beethovens Neunter doch immerhin eine gewisse Beteiligung an dem Thread bewirkt - der eigene der Mahler-Achten dümpelt ja vor sich dahin.


    Ich persönlich finde das Finale bei Mahler wirklich imponierend und keinesfalls mißlungen, so daß bereits das etwaige Schwächen der Symphonie m.M. nach ausgleicht. Jedem das Seine, muß ja niemand so sehen. Das ist wirklich Monumentalmusik - und da darf m.E. dann auch mal etwa Pathos à la Solti oder Bernstein rein.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Johannes,
    die "sophistication" sollte Ziel eines jeden Musikfreundes sein, dessen Geschmack nicht bei James Last endet. Insoferne finde ich das Finale der IX. Beethoven ganz anregend als Beispiel für Geschmack.
    Einleitung und "Freude"-Chor sind unübertrefflich. Danach jedoch fangen meiner Meinung nach die Probleme an.
    Nach "Und der Cherub steht vor Gott" folgt eine Orchestermusik, die wirklich nicht sehr gut ist, maßlos banal und dem Text kaum angemessen. "Froh" ist am Anfang ausgezeichnet komponiert, aber dann geht Beethoven die Luft aus.
    "Seid umschlungen" ist arg pathetisch - aber da reagiert der Komponist auf den mediokren Text. Kolossal ist "Überm Sternenzelt", wo tatsächlich eine unendliche Weite suggeriert wird (bei Gielen stockt mir hier wirklich der Atem).
    Danach geht Beethoven zum zweiten Mal die Luft aus, er produziert primär Lautstärke, erreicht aber nicht mehr den Schwung, der er mit der "Freude" am Anfang des Satzes hatte.
    Daß die IX. Beethoven zu den einflußreichsten Symphonien der gesamten Literatur gehört, ist unbestreitbar. Ich ziehe ihr 7 und 8 vor. Aber das ist eine reine Geschmacksfrage.
    :hello:

    ...

  • Hallo Giuseppe Secondo:


    ich finde die EINZELNEN Mahler-Teile an und für sich auch sehr schön und der Pfingst-Hymnus hatte mich, als ich ihn vor Jahren in der Aufnahme Soltis hörte, auch richtig "umgehauen". Es ist aber schon so wie Edwin sagte: die einzelnen Teile wollen nicht so zueinander passen und genau das schwächt letztendlich auch den Gesamteindruck. Mag sein, daß ich mich eh schwer tu mit Konzptionen, die als (Originalton Mahler) "Botschaften an die Menschheit" vom Komponisten deklariert wurden.


    Mahlers 8. ist die Sinfonie des Komponisten, die mehr als alle anderen, der Live-Atmosphäre bedarf. Ich hörte sie zuletzt 1999 auf einer Freilichtveranstaltung auf der Bundesgartenschau in Magdeburg und war immer wieder mal ein Stück begeistert. Daß am Ende eben doch ein "schaler Rest" blieb, liegt eben an der unstimmigen Konzeption des Ganzen.


    Bei Beethovens op. 125 stehen drei großartige Instrumentalsätze einem Chorfinale mit einem für mich unsäglichem (und unerträglichem) Text gegenüber, was in meinem Fall regelmässig zum Abbrechen nach Satz 3 führt.


    Dazu kommt, daß man das Werk immer wieder als Aufmarschkulisse für Diktatoren, von Mussolini über Hitler, Stalin bis hin zu Kim Il Sung missbrauchte und es auch deshalb mit einer schweren, erdrückenden Hypothek belastet ist.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Einleitung und "Freude"-Chor sind unübertrefflich. Danach jedoch fangen meiner Meinung nach die Probleme an.
    Nach "Und der Cherub steht vor Gott" folgt eine Orchestermusik, die wirklich nicht sehr gut ist, maßlos banal und dem Text kaum angemessen. "Froh" ist am Anfang ausgezeichnet komponiert, aber dann geht Beethoven die Luft aus.


    Was nun? Banal ist doch höchstens der Anfang des 'alla marcia' mit der 'türkischen Musik'. Isoliert betrachtet ist das gewiß an der Grenze zur Trivialmusik. Das trifft aber auf entsprechende Stücke aus der Zauberflöte, Haydns Jahreszeiten, dem Fidelio, den Diabellis und auch eine Menge aus Sinfonien von Bruckner und Mahler zu, wenn man den Zusammenhang außer acht läßt. Von italienischer Oper will ich gar nicht anfangen. Es geht hier aber zum einen ja explizit um ein Aufnehmen auch des Volkstümlichen, wofür das Freudenthema von Anfang an ein Beispiel ist, zum andern ist es eben die Darstellung des "Helden zum Siegen". Wie man das anschließende Orchesterfugato, was ja die Durchführung vertritt als "Luft ausgehen" charakterisieren kann, ist mir völlig unverständlich...


    Zitat


    Danach geht Beethoven zum zweiten Mal die Luft aus, er produziert primär Lautstärke, erreicht aber nicht mehr den Schwung, der er mit der "Freude" am Anfang des Satzes hatte.


    Auch das vermag ich nicht nachzuvollziehen; ich höre hier schlüssige Steigerungen und keinen Mangel an Schwung.


    Zitat


    Daß die IX. Beethoven zu den einflußreichsten Symphonien der gesamten Literatur gehört, ist unbestreitbar. Ich ziehe ihr 7 und 8 vor. Aber das ist eine reine Geschmacksfrage.


    Es ist m.E wenig zielführend, diese beiden Sinfonien heranzuziehen. Den Banalitätsvorwurf könnte man bspw. bei dem Trio des 3. Satzes der 7. oder dem Finale der 5. ebenso anbringen (und hat das getan), bei der 8. hat man die ironische Brechung, die in der 9. völlig fehl am Platz wäre. Eine gewisse "Naivität" ist für das Finale der 9. wohl notwendig, ebenso wie für die Zauberflöte oder die späten Haydn-Oratorien. Aus der Sichtweise postmoderner Ironie wird man diesen Werken immer ratlos gegenüberstehen.


    Ich weiß auch wirklich nicht, was ihr gegen den Text habt. Ich finde den zwar nicht überragend, aber keineswegs schlecht. Die von Klopstock, Nietzsche oder teils auch Rückert ('Um Mitternacht' :wacky: ) bei Mahler sind wohl kaum besser. Die Faust-II-Schlußszene finde ich selbst auch reichlich verquast, aber da bin ich vermutlich zu blöd dazu.


    Auf die Gefahr mich zu wiederholen: ich verstehe, daß man Schwierigkeiten mit dem Stück hat. Aber ich habe Mühe nachzuvollziehen, warum man nicht mindestens ebensolche oder eher viel größere Schwierigkeiten mit einer ganzen Reihe Werke von Berlioz, Liszt, Wagner, Bruckner und Mahler hat. Es sei denn, man legt bezüglich Textqualität, Pathos, Banalität u.a. von vornherein andere Maßstäbe an.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Johannes,

    Zitat

    Das trifft aber auf entsprechende Stücke aus der Zauberflöte, Haydns Jahreszeiten, dem Fidelio,


    Sicher, aber in diesen Werken hat die Musik ja auch eine quasi-dramatische Funktion. Die Diabellis gelten auch nicht gerade als Horte des edlen Geschmacks, bei Bruckner und Mahler sind Stilisierungen und Brechungen vorhanden, die es bei Beethoven nicht gibt.


    Jetzt also genauer mit Partitur (Bärenreiter Urtext):
    T 87, Tenor: Die Pausen zerhacken den melodischen Fluß, es wirkt atemlos - aber nicht atemlos vor Freude, sondern nur atemlos (weil zu viele Zerhacker).
    Fuge - für mich klingt das gewollt und angestrengt, die Hörner-Achtel mit den ewigen Tonrepetitionen (etwa T 486) sind auch kein Höhepunkt der Kompositionskunst. Genial dann der Übergang und das gesteigerte "Freude" - das funktioniert, hat aber den Nachteil, daß musikalische verdichtung und dynamische Steigerung relativ früh zusammenfallen. Soll dieser Höhepunkt übertroffen werden, müßte eine weitere thematische Verdichtung stattfinden, Beethoven wird am Schluß aber nur die Dynamik steigern, die Dichte der thematischen Arbeit hingegen ausdünnen.
    Der "Seid umschlungen"-Komplex ist fabelhaft, das habe ich bereits oben festgestellt.
    Die Erhöhung der Satzdichte mit "Seid umschlungen" als Cantus firmus wird ein wenig getrübt durch die leichte Banalität der "Freude"-Variation, ist aber glänzend.
    Nicht mehr gar so glänzend ist, was sich ab T 763 tut: Der Holzbläsersatz ist jämmerlich, die Singstimmen trommeln auf einem Ton oder in relativ kantigen Intervallen, denen jede Geschmeidigkeit fehlt, wodurch die Musik einen angestrengten Charakter bekommt. Die plötzlichen Adagio-Einbrüche, die auf dem Papier gut aussehen, sind wieder Zerhacker, wodurch die Musik an Schwung verliert. Die Koloraturen der Solisten bei T 832 muten in einem Satz, der bisher betont kantig war, deplatziert an. Ab T 851 herrscht dann nur noch Atemlosigkeit, es wirkt, als würde ein Kurzthema heruntergedroschen. Da der Satz thematisch ausgedünnt ist, erreicht die Musik nicht mehr den glanzvollen Charakter der beiden großen Steigerungen zuvor - das nenne ich "Luft ausgehen" - und die gesteigerte Dynamik ersetzt das kontrapunktische Raffinement.
    Damit ist dieser Satz für mich zu heterogen, zuwenig ausbalanciert (durch die zu frühen Höhepunkte), als daß ich ihn wirklich als Krönung dieser Symphonie betrachten kann. Die ersten drei Sätze - Wahnsinn!!! Aber das Finale ist dann für mich leider keine Krönung.
    :hello:

    ...

  • Eine Aufnahme, die mir persönlich sehr zusagte neben Solti, Bernstein und Järvi, ist unter Lorin Maazel aufgenommen worden.
    Ich kenne es als Video mit den Wiener Philharmonikern.
    Es gibt aber offenbar sogar mehrere Aufnahmen mit ihm, oder irre ich mich?


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • sind m. E. die beiden Sinfonien, weil sie wohl doch ein ziemlich verschiedenes Epochenbewußtsein zum Hintergrund haben. Aber vielleicht auch einen ganz verschiedenen psychologischen persönlichen Ansatz? Riccardo Chailly hat zu Mahlers 8. mal geäußert, daß er sie als ein einziges Liebesbekenntnis Mahlers zu Alma verstehe (seine Amsterdamer Aufführung von 1995 war die intensivste Interpretation, die ich je gehört habe). Der Ausdruck des Verzehrenden durchzieht in meiner Empfindung das ganze Werk, und insofern kann ich Chailly gut folgen.


    Um dem allzu Schwärmerischen aber gleich wieder einen Dämpfer zu verpassen, sei nochmal Hans Pfitzner zitiert, von dem das bekannte Bonmot zum Veni creator stammt und wenn er nun nicht kommt...


    :hello:

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