Haydn, Joseph: Sinfonie Nr 101 in D-Dur "Die Uhr" - Jetzt schlägts 13

  • Liebe Taminoianer,


    wie bereits angedroht folgt nun eine Kaskade von Threads über Haydn Sinfonien, die Nr 104 existiert ja bereits.


    Heute steht nun die Sinfonie Nr 101 mit Beinamen "Die Uhr" auf dem Programm, die ebenfalls in die Gruppe der "Londoner Sinfonien" einzuordnen ist. Die Uraufführung war März 1794
    Der Titel stammt nicht von Haydn, er bezieht sich auf den 2. Satz mit seinen hin und her pendelnden Achtelnoten.


    Düster bis nachdenklich, je nach Interpretation ist der Beginn des ersten Satzes, der sich jedoch nach kurzer Zeit in ein Presto verwandelt.


    Der zweite Satz, der an das Pendel einer Uhr erinnert gibt dem Werk seinen Namen. Meine 3 zum Vergleich hinzugezogenen Aufnahmen (Beecham-Johum-Karajan) zeigen sehr schön, wie unterschiedlich Uhren doch ticken können :yes:


    Der dreigetelte 3 Satz enthält im Mittelteil, dem Trio, konzertante Einlgen durch Holzbläser.


    Ein brillanter 4. Satz beschließt das Finale


    Im Laufe des Threads, so einer zustsandekommt, werde ich dann auf einige Unterschiede der mit zur Verfügung stehenden Aufnahmen näher eingehen.



    Beste Grüße aus Wien


    Alfred


    PS: "Pesto" wurde inzwischen wieder zu "Presto" :D

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Düster bis nachdenklich, je nach Interpretation ist der Beginn des ersten Satzes, der sich jedoch nach kurzer Zeit in ein Pesto verwandelt.


    Hm, Pesto, lecker, wäre etwas für unsere Mozartwirte. =)
    ich denke gerade bei der 101 lohnt es eine HIP-Aufnahme mit einzubeziehen. Harnoncourt, Kuijken, etc. ich werde jetzt mal zum frühstück den guten Nikolausi konsultieren.

  • Ist es wirklich schon so spät... ?


    Salut,


    wird Zeit dass der Uhrenthread Belebung findet:


    Ob die Uraufführung wirklich im März 1794 war, ist knapp fraglich, da es bereits am 3. März 1794 eine Wiederholung des Konzertes gab. Sollte die UA am 1. oder 2. März gewesen sein? In den letzten Sinfonien hat es Haydn übrigens zum Standard gemacht, sie mit einer langsamen Einleitung zu versehen.


    Ich höre nun eine Einspielung des St. Petersburg Radio & TV Symphony Orchestra unter Leitung von Stanislav Gorkovenko. Bei dieser aufnahme kommt das Ticken der Uhr im 2. Satz sehr schön heraus, es klingt sehr "modern".


    Grüße vom rosaroten Panther


    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo,


    ich besitze nur eine Aufnahme der Uhrensinfonie, mit der ich aber sehr zufrieden bin.



    Diese beiden späten Haydn-Sinfonien sind zugleich meine Liebsten.
    Obwohl ich noch nicht alle (also die Späten) so sehr verinnerlicht habe.


    Meiner Meinung nach trifft hier Harnoncourt den richtigen Ton, das Orchester ist ein glänzender Klangkörper. Mir gefällt die Aufnahme jedenfalls. :yes:



    Gruß, Peter.

  • Hallo!


    Ulli hatte mich nach der Qualität der Aufnahmen der späten Londoner Symphonien von Dorati gefragt. Allerdings habe ich von ihm da nur Nr.100 und Nr.101.
    Ich habe das als Anlaß genommen, mich mal näher mit einem schon lange nicht mehr gehörten Werk zu beschäftigen: Der Symphonie Nr. 101 D-dur von Haydn.


    Durch "Zusammenschnorren" (Ausleihen) standen mir vier interessante CD-Aufnahmen zum Vergleichen zur Verfügung:
    Dorati / Philharmonia Hungarica
    Harnoncourt / Concertgebouw Orchestra
    Karajan / Berliner Philharmoniker
    Marriner / Academy of St. Martin in the Fields

    Ich habe für jeden Satz eine Rangfolge erstellt, das und meine Kommentare sind natürlich absolut subjektiv.


    1.Satz:
    1. :yes: Dorati: wunderbar beschwingtes presto, auch das einleitende d-moll-adagio ist bei ihm spannender als bei den anderen - Hörgenuß pur.
    2. :] Harnoncourt: wie zu erwarten viele Details herausgearbeitet, das "gegen den Strich" wie bei Mozart in Ansätzen, trübt aber nicht die Ausgelassenheit des Satzes - insgesamt auch sehr schön.
    3. :) Marriner: souveräne und solide Interpretation, begeistert aber längst nicht so wie Dorati oder Harnoncourt.
    4. :) Karajan: Wer hätte das gedacht? Karajan zwar letzter, aber auf jeden Fall eine annehmbare, ordentliche Haydn-Interpretation. Nach meinem Klassik-Einsteiger-"Ooooh, Karajan!" erfolgte dann ein "vor Beethoven ist Karajan schlecht". Das ist aber wohl nicht immer so.


    2. Satz:
    1. :yes: Marriner: ganz wunderbar, vom "Uhr"-Thema bis zum g-moll-Abschnitt trifft er genau den richtigen Ton, das Tempo ist auch genau richtig.
    2. :] Harnoncourt: auch sehr gut, Marriner finde ich aber "schöner", der Moll-Teil ist bei Marriner dramatischer.
    3. :) Dorati: Doratis Uhr tickt mir etwas zu schnell, auch sonst nicht sooo toll. Die Klangqualität ist bei Dorati auch schlechter.
    4. :kotz: Karajan: Dieser schleppend wabernde Klangbrei soll Haydn sein? Nach dem Hören dieses Satzes habe ich diese CD beiseite gelegt und mit den anderen drei weitergemacht.


    3. Satz:
    1. :yes: Harnoncourt: Ich habe jeweils nur das Menuett-Thema gehört. Dieses Menuett mochte ich nie besonders. Aber bei Harnoncourt in viel schnellerem tempo und "härter" klingt es ganz anders. Vielleicht nicht in Haydns Sinn interpretiert, aber sicher in meinem ;).
    2. :] Dorati: So wie ein Haydn-Menuett klingen sollte.
    3. :) Marriner: Es fehlt etwas Temperament und Schwung.


    4. Satz:
    1. :yes: Harnoncourt: Phantastisch! Er interpretiert das Finale im selben Stile wie das von KV 551 (bei Haydn gibts ja immerhin auch ne fugierte Passage) - genau wie da außergewöhnlich, spannend, mitreißend. Aber keine Aufnahme für alle Tage.
    2. :] Dorati: Konventioneller als Harnoncourt: gelungener, freudiger Kehraus.
    3. :) Marriner: siehe 3. Satz.


    Gesamtbewertung:
    1. :yes: :yes: :] :] Harnoncourt
    2. :yes: :] :] :) Dorati
    3. :yes: :) :) :) Marriner


    Ulli: Dorati kannst Du Dir guten Gewissens kaufen (sofern Nr. 101 für ihn repräsentativ ist), wenn Dir aber Harnoncourts Mozart sehr gefällt, solltest Du auch bei Haydn ihn wählen.


    Viele Grüße,
    Pius.

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  • 37 Jahre liegen zwischen den beiden Aufnahmen der Sinfonie 101 in D-Dur „Die Uhr“ mit dem Philharmonia Orchestra. Die erste stammt aus dem Jahr 1961 unter dem Dirigat Otto Klemperers (auf meiner CD zusammen mit Dvoraks 9.), die zweite aus dem Jahr 1998 unter Leitung von Leonard Slatkin.



    Heute Abend habe ich beide Satz für Satz gehört und verglichen. Ich möchte meine Eindrücke gern mitteilen. Als Laie kann ich das natürlich nur sehr subjektiv tun.


    Zunächst die Zeiten:
    Klemperer: 7.28 – 8.36 – 8.12 – 4.38
    Slatkin: 8.02 – 6.52 – 7.22 – 4.28


    Auffällig ist, das Klemperer im ersten Satz schneller, im zweiten Satz und im dritten Satz langsamer (im zweiten sogar deutlich langsamer) ist.



    Bei Klemperer ist das Adagio des Kopfsatzes keine Warteschleife, bevor es endlich losgeht, sondern konzentriert, gravitätisch schwebend mit Atmosphäre. Das Presto hält, was der Name verspricht, mit großem Orchester, schwungvoll, lebendig und farbig musiziert – Manko ist das altersbedingte Rauschen, das ich bei dieser spannenden Aufnahme später nicht mehr wahrnehme. Slatkin musiziert hier den leichteren, eleganteren, „schöneren“ Haydn.


    Im zweiten Satz klingt mir bei Klemperer das Orchester ein wenig zu massiv. Die Uhr, die da tickt, ist eine große Kirchturmuhr. Bei Slatkin ist sie eher mit einem Reisewecker vergleichbar. So schnell tickend habe ich schon lange keine 101 gehört. Was mir gefällt, ist hier die Leichtigkeit. Das Andante hört sich für mich aber eher ein wenig nach Andantino an und klingt für meine Ohren etwas zu flott.


    Der dritte Satz ist bei Klemperer auch vom Gefühl deutlich langsamer und etwas schwerer, während bei Slatkin heiterer, schwungvoller und munterer musiziert wird, ein leichtfüßig-hüpfender Tanz. Dafür – und das gilt auch beim zweiten Satz – wird bei Klemperer in der ruhigeren Konzentration manches hörbar und deutlich, was bei Slatkin untergeht.


    Der Finalsatz hat bei Klemperer ein deutlich symphonisches Gepräge. Das Vivace ist eine kraftvolle Lebendigkeit. Slatkins vierter Satz dauert fast genau so lang, vom Gefühl wird auch hier flotter und leichter gespielt.


    Subjektives Fazit: Slatkins Haydn ist ein leichter, eleganter und sympathischer Haydn, ohne Ecken und Kanten. Eine wirklich schöne, konventionelle Aufnahme, an der man sich erfreuen kann.


    Klemperers Haydn ist ein wenig schwerfälliger, symphonischer, dramatischer. Das Orchester ist mitunter recht massiv, manchmal für mein Empfinden (besonders im 2. und 3. Satz) zu massiv , und trotzdem – vielleicht liegt darin Klemperers Kunst – hat man das Gefühl viel mehr wahrzunehmen. Die Musik entfaltet sich mehr. Für mich ist die Klemperer-Aufnahme die interessantere, packendere.


    Freundliche Grüße von Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Glückliches Ostfriesland, wo musikalische "Laien" solche Besprechungen verfassen...


    (Ist das bei euch Volkssport? ;) )



    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ja, lieber Theophilus, bei uns sind alle so ... :D


    Vielen Dank, ich freue mich, dass dir die Betrachtung gefallen hat. Mit Laie will ich mich nicht reduzieren (und auch nicht kokettieren), sondern damit meine ich, frei nach dem griechischen Wortsinn (laikós), dass ich ein Nicht-Fachmann bin. Ich kann meine Einschätzung nur nach dem Hörempfinden bilden und habe hier das erste Mal eine laienhafte (nicht abwertend gemeint, sondern eben: nicht-vom-Fach) Besprechung formuliert.


    Ich kann es aber nicht anhand der Partitur begründen, die ich gegebenenfalls nur mit viel Mühe und nur z.T. hinterherhechelnd einigermaßen nachvollziehen könnte, wenn die Musik läuft. Da ich aber als interessierter Nichtfachmann durchaus ein gezielter Adressat von Konzertabonnements und CDs bin, möchte ich auch mitreden, ohne den Anspruch auf ein gültiges Urteil zu erheben.



    Ich habe noch zwei Einzelheiten gelesen, die ich gern weitergeben möchte:


    - Schon 1794 bei der Londoner Uraufführung hatte das Werk großen Erfolg. Der Beiname "Uhr" stammt vom Londoner Publikum.


    - Haydns Sinfonie Nr. 101 war für Klemperer ein Werk, dass er besonders gern bei Konzerten dirigiert hat.


    Freundliche Grüße von Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Hiermit ergeht im Rahmen unseres Haydnprojekts für diese Sinfonie der Startschuß.


    Tja, vor ein paar Tagen schreib ich noch, dass mir der späte Haydn zu formverhaftet sei, nun wäre ich, über der Partitur sitzend, froh, erschlösse sich mir diese Form so eindeutig...


    Aufgrund ihres Beinamens "die Uhr / the clock" könnte man meinen, dass sich bei dieser Sinfonie das allgemeine Interesse auf den zweiten Satz, der für diesen wohl nicht autorisierten Beinamen verantwortlich ist, richtet. Das wäre allerdings schade, weil diese Sinfonie in allen Sätzen bemerkenswertes zu bieten hat.


    Die Sinfonie wurde während Haydns zweitem Englandaufenthalt am 3.3.1794 uraufgeführt und wohl auch zu großen Teilen dort komponiert.



    Besetzung:


    zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten in A, zwei Fagotte, zwei Hörner in D, zwei Trompeten in D, Pauken, Streicher.


    Die Sätze:


    I. Der erste Satz beginnt mit Haydns bis dahin längster langsamer Einleitung*. Ein Adagio von 23 Takten im 3/4 Takt. Die Tonart ist d-moll, also die Moll-Variante der Grundtonart D-Dur. Der Hauptteil des Satzes dann, der mit dem ersten Thema beginnt, ist ein Presto im 6/8 Takt. Zweites Thema ab Takt 80. Die Exposition geht bis Takt 122 und wird wiederholt (die Rückführung zum Beginn des Presto erfolgt über die "Klammer 1" (5 Takte). Beginn der Reprise deutlich sichtbar in Takt 218 (eine Generalpause mit Fermate beendet den Durchführungsteil und das Hauptthema setzt wieder in D-Dur ein).


    Gestaltungsmerkmale der langsamen Einleitung sind liegende Akkorde unter denen sich bedrohliche Tonfolgen, zunächst als Tonleitern, später als handfestere Motive herumschleichen. Gerne auch mit Betonungen auf schwachen Taktzeiten. Thematisch sicherlich konsequent gebaut, vielleich könnte man einige Bezüge zum folgenden Hauptteil des Satzes konstruieren.


    Das erste Thema setzt sich aus zwei fünftaktigen Phrasen zusammen, was ja ein Verstoss gegen das klassische Ebenmaß ist! Der Beginn des Themas ist eine aufwärtssteigende vollständige A-Dur-Toneiter in Achteln, die Haydn auch hätte weglassen können um ein "korrektes" "klassisches" Thema zu erhalten. dann ein schaukelndes Motiv aus drei Tönen, das im dritten Takt ein Ton aufwärts sequenziert wird. Der Abschluß dieses Vorderatzes (erste füntaktige Gruppe des Themas) endet dann wieder in D-Dur, worauf wieder der Lauf in A-Dur beginnt und der Nachsatz in einer aufstrebenden Geste in D beendet wird. Das im forte dreinpolternde Orchster übernimmt dann scheinbar dieses Thema so wie es ist und beginnt mit dem A-Dur Lauf, den zweiten Takt des Themas spielt es auch noch so wie zuvor, im dritten Takt beschreitet man dann allerdings andere Wege und fährt mit einer abwärtsgerichteten vollständigen D-Dur Tonleiter fort um sich dann an einem hüpfenden Motiv (1/4 + 1/8 etc... melodisch als Spiegelung vom Hauptthema abgeleitet) zu erfreuen. ...



    II. Der zweite Satz (in der Tonart der Subdominate, also G-Dur) hat einen Takt Vorlauf. Hier sind vier Pendelschläge der Uhr zu hören (Fagotte plus Cello und Baß), wenn man sich denn das so bildlich vorstellen mag. Sodann setzt in den Geigen das Thema ein. Der erste Abschnitt, in dem das Thema vorgestellt wird, ist zweiteilig. Kurz und bündig und bescheiden orchestriert der erste Abschnitt: Takt 1-10, dieser erste Teil ist dann zu wiederholen, darauf der zweite Teil von T 11-34, in dem sich eine Art Studie über einen punktierten chromatischen Lauf dazugesellt, der dann gegen Ende sein wahres Gesicht zeigt: es ist eine Abspaltung des Endes des Themas. Es folgen dann einige Variationen des Themas. Hierbei ist anzumerken, dass die Tick-Tack-Beweung nicht ständig präsent ist. Sehr schön, wie Haydn hier in der Instrumentation mal das Tick-Tack und mal das Thema (die ja meist zugleich erklingen, wei das Tick-tack schlicht die Begleitung des Themas ist) hervorhebt und durch alles Orchesterstimmen wandern lässt. Manche bezeichnen den Satz auch als Rondo, weil bei der ersten "Variation" gar nicht viel vom Thema übrigbleibt ausser den punktierten Läufen. (an dieser Stelle (habe den zweiten Satz als letzten Punkt verfasst) muß ich aufbrechen und obgleich ich mit dieser Betrachtung noch nicht ganz fertig bin, geht das jetzt online.)


    III. Das Menuett in D-Dur ist der längste Satz dieser Sinfonie. Mit allen Wiederholungen dauert es an die 8 Minuten. Der A-Teil ist in einen 28taktigen ersten Teil, der wiederholt wird und einen deutlich längeren zweiten Teil, der ebenfalls wiedergolt wird, unterteilt. Auch im Menuett passiert bestimmt ganz schlaue thematische Arbeit und dergleichen aber ich bin zu faul mir das näher anzugucken. Im Trio erlaubt sich Haydn einen Scherz: die Streicher haben vier Takte Vorlauf mit einem leierkastenmässigen D-Dur-Akkord, der ansonsten unverändert bleibt. Im fünften Takt (plus Auftakt) gesellt sich endlich eine Flöte dazu, die einen schlichten Lauf von D nach D Aufwärts macht und dann noch einen Ton darüber hinaus auf das E macht, wo sie für einen Takt verharrt. Dieser Ton E ist Bestandteil der Dominanttonart A-Dur, die Begleitung der Streicher verarrt allserdings in D-Dur. Das klingt absichtlich schräg, so als wären die Streicher verwirrt und aus dem Konzept gebracht, weil der Flötist seinen Einsatz vermeintlich verschlafen und verspätet begonnen hat. Sinnigerweise wird dieser Scherz einem auch nicht durch Wiederholungszeichen zum zweiten mal aufgedrückt.



    IV. Was die Form betrifft, muß ich am Schlußsatz (D-Dur) noch etwas knabbern, denn mir hat sich noch nicht mit letzter Gewissheit erschlossen, ob die Expositon extrem kurz ist und nur bis Takt 28 geht oder ob sie wesentlich länger ist. In T 94 riecht es irgenwie nach einem verspäteten "zweiten Thema"... na das muß ich mir die nächsten Tage nochmal anschauen. Fest steht, dass dieser Schlußsatz kein harmlos heiterer Rausschmeisser ist, auch wenn er so anfängt. Es gibt einen d-moll-Abschnitt, in dem es bedrohlich zugeht, daruf lässt Haydn dann wieder in Dur ein Fugato aus Material des Themenkopfs beginnen. Der Repriese ab Takt 250 steht auch nur wieder sehr wenig Raum zur Verfügung da in Takt 280 der finale Doppelstrich winkt.


    Ist Haydn hier auf dem Weg, dem Schlußsatz mehr Gewicht zu verleihen? Wir könnten sowieso mal die Legende diskutieren, dass ab Beethoven der Schlußsatz einer Sinfonie "gewichtiger" werde als ihr Kopfsatz....


    Zu den Aufnahmen sage ich später mehr. Adam Fischer und Harnonourt haben mir beide sehr gefallen.




    * "Haydns Londoner Sinfonien" Herausgegeben von Renate Ulm. Bärenreiter/DTV, 2007

  • Der Schlußsatz ist mal wieder so eine Art "Sonatenrondo". Das Hauptthema wird zuerst ausführlich als Rondo-Thema, mit Wiederholungen vorgestellt. Dann folgt die Tutti-Passsage mit Modulation zuerst mit einer Variante des Hauptthemas (ab T.63) und eine Art zweites Thema (ab T.95 das freilich auch nicht ganz unabhängig vom ersten ist (das alles zusammen kann man als B-Teil sehen). Dann kommt die erste kurze "Reprise" des Rondothemas (A'). Als anschließende Durchführung ("C") fungiert hauptsächlich der Minore-Teil. Anstatt dann eine simple Rekapitulation zu geben, folgt der Fugato-Abschnitt über den Kern des Rondothemas wieder in der Grundtonart (A''), der ins triumphale Tutti ab 234 mündet. Die letzte Wiederkehr des Anfangs ab 251 sehe ich als Beginn der Coda. Also:


    A (ausführlich) (Überleitung) B A' C(Minore) A'' (Maggiore) Coda


    Man kann das natürlich noch feiner auflösen; diese Abschnitte sind ja weiter strukturiert und enthalten Verarbeitungen und Varianten des jeweiligen Materials. Ein Rondo im Sinne stur aneinandergereihter Abschnitte gibt es beim späten Haydn sehr selten.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Zur Zeit höre ich mit grossem Hörspass die Londoner-Sinfonien.
    Kein geringerer als Bernstein hat mich dazu mehr angeregt, als jede andere Aufnahme zuvor ...


    :yes: Ich bin überrascht, wie so eine Sinfonie mit dem Titel "Die Uhr" so eine Energie ausstrahlen kann.

    Mit der Uhr will ich das mal für die Aufnahmen, die ich gehört habe so ausdrücken:

    Bei Bernstein (SONY) steht die Uhr in einem Actionfilmstudio. Die Aufnahme gefällt mir von allen bekannten am Besten; sie strahlt eine unglauliche Energie aus, dass es einfach nur Spass macht ohne jegliche Langeweile dort zuzuhören - man verspürt richtige Spannungsbögen - :thumbsup: Megahammeraufnahme.


    Bei Harnoncourt (WARNER) könnte ich mir die Uhr in einem Schlosssaal mit viel Gold und Prunk vorstellen. Die Aufnahme hatte mich (vor Bernstein gehört) auch in jeder Hinsicht positiv zufriedengestellt; aber als dann Bernstein anschliessend kam, war ich baff !


    Vergleich mit Solti (Decca): Hier liegt mir die sehr gute Decca-DMM-LP (mit 96+101) vor, die rein vom Orchesterklang wirklich ausgezeichnet klingt. Was ich nun gar nicht verstehe und bei Solti sonst ganz andes gewohnt bin - es fehlt bei Solti das Herausstellen der Ecken und Kanten. Zu oberflächlich brav wirkt mir das Ganze (Soltiuntypisch). Bei ihm steht die Uhr in einem modernen Wohnzimmer; glatte Flächen, wenig was das Auge (und hier natürlich das Ohr) reizt. Die Pauken, die laut damaliger Kritik nicht hörbar sein sollen (siehe Haydn-Londoner-Thread) sind zwar hörbar da, aber ein bischen zu soft integriert. Das Klangbild ist zwar deutlich und wirkt zunächst Lupenrein. Ein Funke will nicht so richtig überspringen, zumal die Tempi auch nicht gerade flott abgehen. Da es sich bei dieser Decca-LP um meine erste Haydn-Platte handelte, kann ich heute wie damals sagen - Haydn kann mich so nicht reissen.



    Ich könnte jetzt noch Jochum und Karajan nachschieben (habe auch reingehört). Aber bei Jochum ist die Klangqualität meiner DG-LP´s weit von der CD-Qualität entfernt obwohl er eine soweit schmissige Interpretation hinlegt (macht klanglich aber so keinen Spass) - die Uhr steht somit für mich in einem verstaubten Raum mit offenem Fenster. Und Karajan (DG) - ja, bei ihm steht die Uhr in der Berliner PH. Saubere Orchesterarbeit, für die ich aber 10-15Jahre gebraucht habe um wirklich Lust zu verspüren alle Londoner durch zu hören. Sind es die insgesamt zu braven Tempi bei Karajan, die mich nie vollends überzeugen konnten ?


    Aus heutiger Sicht stelle ich fest: 8-);):D Was soll man die auch Hören, wenn man Bernstein hat !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Es ist bekannt - oder wurde stets kolportiert - daß Karajan keinen Haydn "kann" - ebensowenig wie Mozart.
    Im Falle Haydns pflichte ich dem nicht bei, ich fand die digitalen Aufnahmen der Londoner Sinfonien nicht wirklich schlecht - allerdings klangen sie ein wenig steril. Erst als ich mit Jochum verglich war mir klar wie groß die Unterschiede sein können. Viel schlimmer aber war Haydn. Solti vermag Haydn ebensowenig zu dirigieren, wie Mozart und Schubert. Seine Aufnahmen klingen so - wie es Karajan immer nachgesagt wird: Perfekt aber seelenlos. Ich war daher lange Zeit davon überzeugt, daß Solti ein überschätzter Dirigent sei. Es lag aber wohl eher daran, daß ich jenen Werke die ihm liegen und wo seine Stärken zum Tragen kommen, eher nicht so gerne mag.
    Überhaupt ist Haydn, was sie Sinfonien betrifft - ein sehr schwieriger Komponist. Allzuschnell kommt der Eindruck von Belanglosigkeit auf, wenn die Interpretation nicht optimal ist. Wenngleich ich bei den späten Haydn Sinfonien eher für ein "modernes" Orchester plädiere - war es für die frühen Werke ein enormer Vorteil, daß plätzlich mit historischen Instrumenten gespielt wurde. Die vorhandene - aber meist überdeckte - Spritzigkeit der frühen und mittleren Sinfonien kam auf diese Art zum Vorschein...


    Ich werde aber in den nächsten Tagen (mein 12 Tage Urlaub naht) einige Vergleiche mit der "Uhr" anstellen


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Schmerzlich vermisse ich hier, wie auch bei der Paukenschlag-Sinfonie, einen Hinweis auf Pierre Monteux (1875-1964).


    Dieser angesehene Dirigent, den man weltweit hauptsächlich als Spezialisten für französische Musik, aber nicht zuletzt auch als Dirigenten der skandalösen Uraufführung von Strawinskys "Le Sacre du Printemps" in Paris 1913 kennt, hat sich aber auch immer wieder für die deutsch-österreichische Musik eingesetzt. Berühmt ist bis heute sein Beethoven-Zyklus aus den Jahren 1957 bis 1960 (für Decca/RCA), aber auch als Brahms- und Schubert-Interpret hat er sich einen Namen gemacht. Die Musik von Joseph Haydn stand zwar nicht im Zentrum seines umfangreichen Repertoires - damit unterschied er sich nicht von den meisten seiner zeitgenössischen Kollegen, von Thomas Beecham und Bruno Walter einmal abgesehen - aber er hat im April 1958 in den Wiener Sofiensälen immerhin zwei seiner bekanntesten Werke in die Rillen gebannt, die Nr. 94 (mit dem Paukenschlag) und die Nr. 101 mit dem Beinamen "Die Uhr":


    Beide Sinfonien sind dem bis in sein hohes Alter quicklebendigen, humorvollen Franzosen wohlgelungen. Seine Interpretation sprüht von französischem Esprit und feinsinnigem Humor, die dem Geist Haydns voll gerecht wird. Wie ein "geborener Franzose Haydn meistert, ist ein Erlebnis für sich", hieß es in einer frühen Kritik über diese Aufnahme. Technisch sind die frühen Stereo-Produktionen nicht zu beanstanden, und die glänzend aufgelegten Wiener Philharmoniker, die "ihren" Haydn naturgemäß bis in die Fingerspitzen kennen, tragen zum Gelingen der Aufnahmen bestens bei.


    Ich persönlich stelle sie nach wie vor, trotz ihres Alters, in die erste Reihe. Das gilt übrigens auch für die sinnreich gekoppelten Brahms'schen "Haydn-Variationen", die ein Jahr zuvor in London aufgezeichnet wurden.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Für all jene, die sich durch den Beitrag Nemorinos für die gestrichene Monteux Aufnahme interessieren und wehmütig blicken, habe ich eine gute Nachricht: Es gibt sie wieder - zumindest laut jpc Auflistung - und zwar programmidentisch in der Version von Australian Eloquence.

    Die Aufnahmetechnik ist gut - in jenen Pioniertagen der Stereophonie versuchten die Tontechniker das Beste aus der neuen Technik herauszukitzeln. Noch war Stereo keine "Routinetechnik".....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    vielen Dank für den Hinweis auf die Wiederveröffentlichung durch die australische DECCA. Die war mir gar nicht bekannt! Es freut mich aber, daß die schöne Aufnahme wieder verfügbar ist.


    LG nach Wien,

    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Monteux mit den Sinfonien Nr. 94 und 101

    Beide Sinfonien sind dem bis in sein hohes Alter quicklebendigen, humorvollen Franzosen wohlgelungen. Seine Interpretation sprüht von französischem Esprit und feinsinnigem Humor, die dem Geist Haydns voll gerecht wird. Wie ein "geborener Franzose Haydn meistert, ist ein Erlebnis für sich", hieß es in einer frühen Kritik über diese Aufnahme. Technisch sind die frühen Stereo-Produktionen nicht zu beanstanden, und die glänzend aufgelegten Wiener Philharmoniker, die "ihren" Haydn naturgemäß bis in die Fingerspitzen kennen, tragen zum Gelingen der Aufnahmen bestens bei.


    Ich persönlich stelle sie nach wie vor, trotz ihres Alters, in die erste Reihe.

    Lieber nemorino,


    ich habe Deinen Beitrag zum Anlass genommen die herrliche Decca-CD mit Monteux zu hören. Diese befindet sich in meiner Monteux - 23CD-Box mit allen Decca Aufnahmen.

    Du wirst lachen, aber bei mir als "Haydn-Fän(chen)" kein Wunder, die CD habe ich heute erstmals im PLayer gehabt.

    Verblüfft hat mich die saubere Klangqualität der Aufnahmen von 1959 ... ich habe diese nämlich nach dem Genuss der Brahms-Sinfonien mit Steinberg (DG, 1961-1965) gehört, die ich jetzt auch habe.

    Die Klangqualität der Decca-Haydn _ CD war ungleich besser und hatte nicht diesen aufgekratzten höhenbetonten "Command Classic-Sound" der DG-Übernahme ... ich werde an angemessener Stelle darüber noch berichten.

    :) Zur höchst lebenigen Haydn-Interpretationen von Monteux gibt es meinerseits wenig zu sagen, ausser, dass ich mich voll Deinen Worten voll anschliessen kann.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Verblüfft hat mich die saubere Klangqualität der Aufnahmen von 1959

    Lieber Wolfgang,


    endlich komme ich zu einer Antwort!


    es freut mich, daß Du durch meinen Beitrag auf die Haydn-Sinfonien mit Monteux aufmerksam geworden bist. Wie ich lese, haben sie Dir Spaß gemacht, obwohl Du nur ein "Haydnfänchen" bist. Nicht nur die Klangqualität, sondern auch Monteux' Dirigat macht reine Freude.


    Auch ich kannte in meiner Jugend nur ganz wenige Haydn-Sinfonien, doch in späteren Jahren habe ich mit großem Vergnügen den ganz Schatz dieser Werke kennen- und lieben gelernt. Antal Dorati hat da echte Pionierarbeit geleistet, mit seiner ersten GA aus den 1960/70er Jahren.


    Ich wünsche Dir eine gute Zeit!


    LG nach Bonn,

    Nemorino :hello:

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • So,


    ich mag Haydn sehr, die "Uhr" + "Paukenschlag" habe ich natürlich schon in der Sammlung, aber Monteux und Decca hatten mich gereizt. Kann nur sagen - schade, dass er nicht mehr Haydn aufgenommen hat, gefallen mir besser als die des verdienstvollen Dorati. Das Alter würde man nicht vermuten. Danke für den Tip !


    Kalli

  • Monteux und Decca hatten mich gereizt. Kann nur sagen - schade, dass er nicht mehr Haydn aufgenommen hat, gefallen mir besser als die des verdienstvollen Dorati. Das Alter würde man nicht vermuten.

    Hallo, kalli,


    man darf natürlich nicht vergessen, daß Pierre Monteux die Wiener Philharmoniker zur Verfügung hatte, während sich Dorati mit der Philharmonia Hungarica begnügen mußte. Dieses 1957 gegründete Orchester setzte sich mehrheitlich aus ungarischen Exilmusikern zusammen, die nach dem niedergeschlagenen Volksaufstand 1956 ihr Land verlassen mußten. Ins Leben gerufen wurde es in Baden bei Wien, siedelte aber schon bald nach Marl (Westfalen) über, nachdem die deutsche Bundesregierung tatkräftige Unterstützung zugesagt hatte. Das Orchester war gutes Mittelmaß, es konnte sich nicht mit den europäischen oder US-Spitzenformationen messen. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden die Subventionen eingestellt, und so war das Ende unvermeidlich. 2004 gab die Philharmonia Hungarica ihr letztes Konzert.


    Noch ein Wort zu Pierre Monteux: Es ist wirklich bedauerlich, daß dieser quicklebendige, vor Witz sprühende Franzose so wenig Haydn eingespielt hat. Doch das war zu seiner Wirkungszeit leider nur "Nischenprogramm", mit Ausnahme einiger Werke, die mehr durch ihre Beinamen (Uhr, Oxford, Paukenschlag, Henne etc.) als durch ihr Vorkommen in den damaligen Konzertprogrammen populär waren. Um so verdienstvoller war Antal Doratis umfangreiches Haydn-Projekt mit der DECCA.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).