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Porcheria tedesca- 1791-
Sagitt meint:
Ich weiss nicht, ob sie einen eigenen thread verdient. La clemenza di tito, eine Auftragsarbeit, opera seria, anlässlich den Inthronisation des neuen Kaisers Leopold II. Uraufgeführt in Prag am 6.9. 1791 in Prag. Dieses Werk steht völlig im Schatten der Cosi und der Zauberflöte. Der Kaiserin soll diese " deutsche Schweinerei" nicht gefallen haben. man fragt sich, warum ? In der Oper tritt ein mildtätiger Herrscher auf, der einen Anschlag auf sich nicht mit Grausamkeit, sondern mit hoheitlicher Milde " ahndet" und so zu seinem höheren Ruhm beiträgt.
Musikalisch ist sie bei weitem nicht so stark wie die genannten Opern. Hätte ein anderer sie komponiert, würde man diese Werke vielleicht mehr schätzen, aber so stehen sie im Schatten der überragenden Geniestreiche. Opera seria- das war nicht so sehr Mozarts Metier,obwohl man zugestehen muss, bei genauern Hinhören sind sowohl Idomeneo als die clemenza Werke mit durchaus immer wieder anhörbaren Passagen. Bei Titus etwa die parto-Arie des Sesto oder die Scene, in der aufgrund des Anschlags ein Teil von Rom brennt, der Aufruhr im Volk.
Salut,
H. C. Robbins Landon schreibt in seinem Buch 1791 – Mozarts letztes Jahr im Kapitel Krönungstagebuch:
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In der Mozart-Literatur ist immer wieder behauptet worden, Kaiserin Marie-Louise habe La clemenza di Tito >una porcheria tedesca< - eine deutsche Schweinerei – genannt: Es gibt keinen zeitgenössischen Beleg für diesen Ausspruch, doch wenn er tatsächlich wahr ist, und die oben erwähnten Umstände rücken ihn in den Berech des Möglichen, dann hat sie dem Werk für alle Zeiten einen Stempel aufgedrückt […]
Mit den „oben erwähnten Umständen“ geht der Autor auf die gar furchtbare Besetzung ein, von der Niemetschek 1794 schrieb:
Tito wurde zur Krönungszeit als Freioper und dann einige Mal noch gegeben; aber da es das Ungefähr so haben wollte, daß ein elender Kastrat und eine mehr mit den Händen als der Kehle singende Primadonna, die man für eine Besessene halten musste, die Hauptarten hatten […] so gefiel sie minder im Allgemeinen.
in der Tat nimmt Mozarts Opera seria La clemenza di Tito eine besondere Stellung in Mozarts Schaffen ein:
Mozart trägt in sein Verzeichnüß aller meiner Werke unter N° 141 ein:
Den 5t September. – aufgeführt in Prag den 6t September.
La Clemenza di Tito. Opera seria in due atti per l’incoronazione di sua Maestá l’imperatore Leopoldo II. […]
Die vorhergehende Verzeichnisnummer ist Die Zauberflöte als N° 140, danach folgen als N° 142 zur Oper Die Zauberflöte der Priester-Marsch und die Ouverture, als N° 143 das Klarinettenkonzert (ohne Datierung, das Werk wurde aber bereits am 7. Oktober 1791 fertig gestellt) und als letzter Eintrag unter N° 144 Eine kleine Freymaurer-Kantate.
Mozart wurde mit der Komposition von La clemenza di Tito angeblich Mitte Juli 1791 beauftragt. Trotz seines Unwohlseins soll er die Oper in nur 18 Tagen geschrieben und mit dem Theater-Ensemble einstudiert haben. Man merkt der Oper schon eine gewisse Hektik an, die sich nach meinem Empfinden in manch kurzer Ensemble-Nummer darstellt; viele Arien und Ensembles erreichen nicht einmal die Taktzahl 100 und wirken etwas abgehackt, die Finali sind extrem gerafft (162 bzw. 127 Takte), während die Zauberflöte – an der er schließlich gleichzeitig arbeitete – Finalsätze von weit aus mehr als 500 Takten aufweist. Das Duettino Nr. 3 zählt gar nur 24 Takte. Die originär dreiaktige vorlage Metastasios wurde auf zwei Akte verkürzt. Die finalen Chöre der Clemenza sind in den Schlustakten mit denen der Zauberflöte absolut identisch. Trotzdem hat Mozart hier nicht schlampige Arbeit „abgeleistet“, sondern schreibt sogar, dass Mazzolà als Librettist die Vorlage erst „zur wirklichen Oper umgearbeitet“ hat. Das war für Mozart durchaus wichtig. Des extremen Zeitdrucks wegen hat Mozart die Komposition der Secco-Rezitative an seinen Schüler Süssmayr abgetreten. Die von Sagitt zitierte Arie Non, piú di fiori vaghe catene der Vitellia hatte Mozart bereits im Frühjahr 1791 komponiert und aufgeführt (der damals unterlegte Text ist heute nicht bekannt). Nun schreibt er in aller Hektik ein paar Takte Überleitung, um vom F-Dur der Arie zum G-Dur (!) des nachfolgenden Chores Che del ciel zu gelangen.
Mozart gilt zwar schlechthin als der Verfechter der „Teutschen Oper“, zu deren Genre er leider nur mit Die Entführung aus dem Serail, Der Schauspieldirektor und letztlich Die Zauberflöte beitragen konnte. Aber er war auch ein großer Meister und Liebhaber der italienischen Opera seria und Opera buffa, sonst hätte er wohl kaum Cosí fan tutte erst wenige Monate vorher – am 26. Januar 1790 – vollendet und aufgeführt. Ursprünglich sollte Antonio Salieri Cosí fan tutte schreiben, er resignierte aber an dem angeblich schlechten Sujet (wir danken ihm sehr) und auch auf jenen viel die erste Wahl zur Komposition der Clemenza, welche er in einem Brief von Ende August 1791 ablehnt:
[…]Und außerdem mußte ich, ohne es zu bedauern, die Komposition der Oper ablehnen, welche für die Krönung in Böhmen in Vorbereitung ist, für welche Oper der Impresario fünfmal von Prag nach Wien kam, um mir den Auftrag aufzunötigen, und mir sogar 200 Zechinen [Dukaten] entgegenhielt, einen Auftrag, den ich nicht annehmen konnte, da ich mich allein den Angelegenheiten des Hoftheaters zu widmen hatte […]
Und außerdem hätte er es nicht vollbracht! Die Auftraggeber hatten sich wegen der Kürze der Zeit – nicht unbedingt wegen des Stoffes – für La clemenza di Tito entschieden, da dieses Libretto bereits vielfach in den Jahren zuvor vertont wurde. Das Ur-Libretto stammt von Pietro Metastatsio, der es 1734 verfasste. Seither gab es rund 60 Vertonungen Metastasios Librettos, unter anderem von Gluck, Hasse, Veracini, Wagenseil, Jomelli, Scarlatti, Myslivecek… und nur dem Glück haben wir Mozarts Titus als „wirkliche Oper“ dem Librettisten Mazzolà zu verdanken.
Was die Musik der Oper betrifft, so kann ich nur wortgetreu an den bereits oben erwähnten Bericht Niemetscheks von 1794 anknüpfend zitieren:
[…] …so gefiel sie minder im Allgemeinen, als sie es vermög ihrer wahrhaft himmlischen Musik verdiente. […] Es ist eine gewisse griechische Simplizität, eine stille Erhabenheit in der ganzen Musik, die das fühlende Herz leise, aber desto tiefer trifft. […]
Eterni dei, vegliate
sui sacri giorni suoi,
a Roma in lui serbate
la sua felicità.
Viele Grüße,
Ulli