Arme Gefallene und reiche Luder - Die Prostitution in der Oper

  • Die durch das u.g. OT ausgelöste Verschiebung in diesen neuen Thread ist eine Reaktion auf das immer wieder aufflammende Interesse an der Darstellung der Rolle der Frau als mehr oder weniger freiwilliges Lust- und Verfügungsobjekt des Mannes in der Oper.


    Prostitution wird ja nicht von ungefähr das älteste Gewerbe der Welt genannt, und so ist es kein Wunder, dass schon eine der allerersten Opern, nämlich Monteverdis L'INCORONAZIONE DI POPPEA, in der Charakterisierung der Schattenseiten dieser Tätigkeit kein Blatt vor den Mund nimmt, selbst wenn es dabei um eine Kaiserin geht. Auch andere antike Kurtisanen wie Dalila und Thais sind gerne veropert worden, von der Kameliendame LA TRAVIATA und den diversen MANONs bis hin zur LULU ganz zu schweigen. Wer da noch Anregungen braucht und sucht, kann sie u. a. in diesem Thread finden: Grisetten, Treulose, Kurtisanen - Das erste luderliche Rätsel


    Hier ist nun der rechte Ort, Opern zu nennen, deren Autoren sich im weitesten Sinne mit dem Phänomen der Prostitution auseinandersetzen, und darüber zu debattieren, welche Sängerinnen das besonders gut oder unpassend darzustellen wussten. Angeregt wurde er durch die folgende OT-Diskussion in dem Thread über die Sängerin Katia Ricciarelli, aus dem ich die entsprechenden Beiträge hierher übernehmen werde. Wenn in anderen Opernthreads ähnliche OT meinen Weg kreuzen, werde ich mit ihnen entsprechend verfahren. Ich bitte daher um Verständnis, wenn es hier erst einmal etwas durcheinander zu verlaufen scheint. Wie schnell sich das ändert, liegt ganz bei Euch.


    Jacques Rideamus als Moderator


    Lieb Severina!


    Natürlich spielt AN eine Kurtisane und sie ist keine, aber muss sie das so lasziv machen.
    Sie weiß, dass sie schön ist, aber das waren andere Manons auch, z.B.die Freni oder die Ricciarelli, aber sie blieben im Rahmen ihrer Möglickeiten.


    Das ist ja nicht nur meine Meinung, sondern auch die Meinung von, mit mir, an die UNI gehenden StudentInnen.


    Lieb Grüße sendet Dir Peter.

  • Lieber Wiener Peter, mir scheint du bist einfach ein Gentleman vom alten Schlag und willst auch einer Kurtisane noch ihre Würde und "schöne Seele" lassen. :angel:
    Aber die Sängerin einer Manon oder Violetta muss mit der Interpretation der jeweiligen Inszenierung gehen und kann sich auch nicht über ihre eigene Persönlichkeit hinwegsetzen. In modernen Inszenierungen wie der Berliner Manon oder der Salzburger Traviata mit Netrebko stellen die Regisseure Frauen von heute auf die Bühne. Und ob man das sehen will oder eben nicht: Kurtisanen, auch weniger fein, Huren genannt, verkaufen sich für Geld und müssen Männer finden, die dazu bereit sind.
    Ergo müssen sie sich entsprechend benehmen und ohne Laszivität dürfte das etwas schwierig sein.
    Das ist die Realität, die hinter dem Traviata-Stoff steht und das Vorbild der Violetta war Marie Duplessis, eine Französin, die für Geld zu haben war und ganz sicher nicht brav im Nähstübchen sass und gewartet hat, bis ein Herr vorbeikam und sie mit in sein Schloss nahm.
    Sondern eben reichlich lasziv in den Salons ihre Verehrer empfing.
    Man kann das verklären und ich bin die Letzte, die den Stab darüber bräche, aber man muss die Realität dahinter trotzdem im Auge behalten. :hello:


    Ich bin kein Netrebko Fan, finde aber wie Severina, dass sie die Violetta und auch die Manon in den jeweiligen Inszenierungen schauspielerisch gut rüberbringt und einfach als Persönlichkeit überzeugend darstellen kann.



    F.Q.

  • Lieber Mengelberg, ich fand Netrebkos Manon sowohl der Wiener als auch Berliner der Inszenierung schauspielerisch angemessen. Mir hat die Inszenierung an sich zwar nciht sonderlich zugesagt und im Vergleich zu MCVicar mit Dessay/Vlilazon fiel das um Klassen ab.
    Auch dass sie aus Massenets Manon Puccini gemacht hat und offenbar nicht zwscihen frz. und italien. Stil(und Sprache.... :wacky:) unterscheiden kann, fand ich alles Andere als in Ordnung, aber was dir da rein schauspielerisch ein solches Grauen macht, musst du mir doch erklären. ?(
    Da hat man endlch mal eine attraktive Sängerin auf der Bühne, die diese Rollen glaubhaft rüberbringt... aber das Thema hatten wir ja hier schon bis zum Abwinken! :D


    F.Q.



    Apropos Zeffirelli: kommt man auch in die Tamino-Hölle wenn man sich an den Kostümen erfreut???????


  • Hallo Mengelberg,
    wenn deine Aversion gegen AN sooo groß ist, hat's wohl wenig Sinn, wenn wir weiter darüber diskutieren. Nicht, dass ich mit deiner Einstellung ein Problem hätte - auch ich kenne Sänger, die für mich das berühmte rote Tuch sind und wo ich mich nur schwer durchringen kann, etwas Positives zu sehen. So hat eben jeder seine Feindbilder ;) :D Was Edwin betrifft, so kannst du seine Position im AN-Thread nachlesen, dann wirst du sehen, dass ich ihn richtig zitiert habe.
    Zu Zeffirelli: Dass ich mich positiv über seine "Traviata"-Verfilmung geäußert habe, kann schon sein - Film ist eben ein völlig anderes Medium, das ganz anderen Gesetzen folgt und wo zumindest ich mir eine andere Ästhetik erwarte als auf einer Bühne. Dort allerdings möchte ich so eine Ausstattungsorgie ganz bestimmt nicht sehen!
    Ich freue mich z.B. auch auf die Dornhelm-Verfilmung der "Bohème", die natürlich auch sehr "romantisch" und sentimental sein wird, wenn man den Szenenfotos glaubt. Aber s.o.
    So, und bevor jetzt unsere armen Mods verzweifeln, sollten wir weitere AN-Debatten, sofern du noch Bedarf siehst, in den richtigen Thread verlegen!
    lg Severina :hello:


  • Lieber Peter,
    natürlich muss sie das, wenn sie die Manon plausibel gestalten will. Und im übrigen bleibt sie absolut im "Rahmen ihrer Möglichkeiten" - gerade diese "Möglichkeiten" erwecken offensichtlich den Neid vieler, die sie eben nicht haben. Bei aller Wertschätzung für Frau Freni, aber Laszivität gehörte sicher nicht zum "Rahmen ihrer Möglichkeiten", deshalb war sie für mich auf der Bühne auch nie eine glaubhafte Violetta, weil sie immer irgendwie hausbacken wirkte ohne jede Spur von Koketterie.
    Das Übrige hat Fairy schon alles gsagt!
    lg SEverina :hello:

  • Lieb Fairy Queen!


    Ich wollte diese Worte nicht in den Mund nehmen, noch weniger niederschreiben.


    Ich kann es ja verstehen, dass Violetta, bei Dumas und Verdi eine Kurtisane ist,


    aber war die Garbo eine? Ja bestimmt, aber nicht so dezidiert, und ob die Freni eine Violetta sang, weiß ich eigentlich nicht, habe sie nur als Manon in einer Ges. LP,


    aber eine Hilde Güden war selbst als Kurtisane, eine Dame, die halt die schönen Dinge liebt, dehalb verachte ich sie ja nicht.


    Aber wann AN es so macht, dann missfällt es mir eben, ob als Manon oder Violetta, die Zeiten haben sich vielleicht geändert,


    das TV zeigt auch das Leben dieser "Damen", aber auf der Opernbühne, mag ich eben keinen absoluten Realismus,


    da mag ich ein "Verstehen"!
    Während Verdi an dieser Partie schrieb, war ja Verdis 2. Frau, Giuseppina Strepponi, sehr oft krank, und das Schicksal der Kameliendame, erinnerte sie an ihr eigenes Zusammenleben mit Verdi.


    War sie denn damals eine Kurtisane nur weil sie, wie heute es doch so oft üblich ist, ohne Trausschein mit Verdi zusammenlebte?


    Nein, denn dann müssten wir ja viele Damen, heute, als das bezeichnen.


    Ich gehe hoffentlich nicht zu streng ins Gericht.


    Liebe Grüße ich Dir, mit innigen Handküssen,aus dem, jetzt, sonnignen Wien, Peter.


  • Eine Kurtisane war nicht jemand, der in wilder Ehe lebte, sondern eine Edelprostituierte, eine Hure!!!!!! Mein Gott.....
    lg Severina :hello:

  • Schon korrigiert. Merci. :yes:


    Prohibition gibt's wohl fast nur in Inszenierungen, und eine Diskussion über deren Angemessenheit in älteren Geschichten wäre hier, wie so oft, OT.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Original von severina
    Eine Kurtisane war nicht jemand, der in wilder Ehe lebte, sondern eine Edelprostituierte, eine Hure!!!!!! Mein Gott.....
    lg Severina :hello:


    8o 8o Und jetzt fehlt nur noch jemand, der behauptet, die würden für Geld mit Männern schlafen...


    Außerdem ist der Threadtitel irreführend. Ich dachte, es folgen jetzt Insidertipps aus diversen Opernhäusern...clever gemacht, lieber Schackes :baeh01:

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • In Anlehnung an den Katia Ricciarelli Thread und Peters (der Wiener Peter) letzte Stellungnahme dort möchte ich zuerst noch einmal klarstellen, dass Prostitution nicht dasselbe wie wilde Ehe ist ;) . sondern ganz eindeutig als käufliche Erotik definiert ist. Es gibt zwar auch Leute die die Ehe zu Zeiten als bessere oder verdeckte Prostitution bezeichneten, aber da sollte man wirklich differenzieren.


    Herausragendstes Beispiel einer Prostituierten in der Oper ist die allseits bekannte Traviata, die vom Wege Abgekommene. Dass man da ihr eigentlches Metier zu gerne vergisst, hat viele verschiedene Gründe. Zum einen ist sie eine Edelkurtisane und damit in der Tradition der Hetären und Geishas, die sich von einem bestimmten Liebhaber über längere Zeit aushalten lassen konten und nicht das furchtbare Los von Strassendirnen teilten, die sich fortlaufend an wechselnde Kunden verkaufen mussten/mûssen, um zu überleben. Der eigentlche Broterwerb kann so weit besser verschleiert und beschönt werden.


    Diese Frauen unterschieden sich im Bild nach aussen kaum von den Mätressen reicher Männner, wenn auch die Motivation oft eine grundverschiedene war.


    Dazu kommt die Sympathie die Verdi für seine Figur hegt, ihre schwere Krankheit die das Mitleid des Publikums weckt und gleichwohl als Strafe für ihren Lebenswandel gewertet werden kann. Und natürlich vor allem, das Opfer und der Liebesbeweis, den sie für Alfredo bringt. damit adelt sie sich selbst und büsst ihre "moralischen Vergehen" ab.


    Eine unverfälschte und unbussfertige Prostituierte als Heldin auf die Opernbühne zu stellen war für Verdi sicher ganz unmöglich. Bezeichend dafür ist die Empörung, die Alfredos Geste, ihr Geld als Bezahlung für ihre Liebesdiesnte hinzuwerfen, auslöst. Eigentlich ist das genau angemessen, wenn man den Beruf beim Namen nennt. Aber Violetta hat sich im Herzen des Publikums und ihrer Mitsänger (z.B. Germont) da schon lange von der Prostituierten wegentwickelt.


    F.Q.



    Pardon, habe die Postings von Blackadder und das verschobene Posting aus dem anderen Thread nciht vorher gesehen :untertauch:

  • Zitat

    Original von Blackadder


    Außerdem ist der Threadtitel irreführend. Ich dachte, es folgen jetzt Insidertipps aus diversen Opernhäusern...clever gemacht, lieber Schackes :baeh01:


    :D :hahahaha: :pfeif:


    Dann lasse ich den Titel doch gerne, auch wenn ich ursprünglich mit diesem Ergebnis einer Notoperation auf die Schnelle nicht ganz glücklich war.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Dann müsste man die kleien Cho Cho San, die ja als Geisha eine Ehe für "100 Jahre" schießt,


    auch in diesen Kreis aufnehmen, die ist es aber doch wirklich nicht.


    Dieses Mädchen liebt doch den Hallodri wirklich, und geht keinesfalls eine neue Beziehung ein, sondern wartet auf ihren untreuen Geliebten, bis in den Tod.


    Liebe Grüße Peter, aus dem sonnigen Wien.

  • Lieber Peter, du bist das beste Beispiel dafür , wie hervorragend die Beschönigung und Versüsssung der Prostitution in der Oper auch heute noch funktioniert. ;)


    Erstmal muss man den ganz entscheidenden Unterschied zwischen Dirnen und Kurtisanen deutlich machen.
    Erstere sind grob gesagt auf die Quantität ihrer Kundschaft angewiesen, um genug Geld zu verdienen und damit dass was man im Volksmund unter einer Hure versteht.
    Letztere verkaufen ihre Liebes-Dienste zwar auch für Geld, aber sind begehrt und gebildet genug um einen môglichst reichen Mann über längere Zeit so zu faszinieren, dass er sie quasi als Dauer-Geliebte mietet.
    Was ihn keinesfalls daran hindert, daneben noch verheiratet zu sein. Das war und ist in gewissen Kreisen immer noch gang und gäbe


    Eine solche teuer zu mietende Luxus-Dauergeliebte ist unsere Traviata.


    Im alten Griechenland waren das die Hetären, die hoch gebildet waren und ihre Liebhaber vor allem mit Konversation und den verschiedensten Künsten unterhielten.
    Erotik gehörte zwar mit dazu, war aber in all das eingebettet. Bezahlt wurden sie dennnoch dafür ,und diesen ganz entscheidenden Unterschied zur freiwilligen und uneigennützigen unbezahlten Hingabe in eienr normalen Liebesbeziehung sollte man nie aus den Augen verlieren!
    Die Geishas waren auch zuallererst Untehalterinnen in verschiedensten traditionellen japanischen Künsten, von Gesang und Tanz über Teezeremonie, Blumenstecken usw. Auch sie wurden gegen Geld gemietet und erotische Dienste waren nciht ausgeschlossen, wenn auch nicht im Vordergrund dieses Berufes.
    Dass sich Kurtisanen natürlch auch verleiben können, ist logisch(wenn das auch nciht eben berufsförderlich ist )
    Und es ist ja wohl der gut nachzuvollziehende Wunschtraum vieler Männer , dass sich eine Kurtisane gerade in ihn verliebt und dafür ihr lasterhaftes Leben aufgibt.
    Cho-Cho San ist eine käufliche Frau ohne lasterhaften Hintergrund-also ein idealbild eienr Geisha, die nur enem Mann alleine gehört.


    Puccini ials Womanizer par excellence hat sich seine Cho-Cho San- schon nach Männerwunsch zurechtgeschnitzt. Pinkerton hat Cho-Cho-San immerhin gekauft und die Ehe hatte für ihn ganz offenscihtlich nur zeremonielle Gültigkeit . Auch er hat er in dieser Geisha keine ernstzunehmende Ehefrau gesehen.
    Ich werte überhaupt nciht moralisch, sondern will hier nur Einiges klarrücken.
    Wie gesagt:
    Eine Prostituierte im Sinne einer Dirne (siehe oben) hat auf der Opernbühne(bis zum 20 JH) als Heldin ohnehin keine Chance- Verklärung muss also unbedingt her.
    Und dass gerade bei diesem Thema Scheinmoral, wilde Spekulationen und schwimmende Grenzen an der Tagesordnung sind, wundert nciht.
    Aus Prostituierten liebende Frauen werden zu lassen drückt so richtig schön auf alle Publikumsdrüsen und eignet sich hervorragend als romantisches Sujet.
    Die Gratwanderung, die Librettist und Komponist dabei machen müssen um nciht über die Stränge zu schlagen ,zeigen Verdi und auch Massenet sehr gut.
    Alban Berg (Lulu) oder Schreker (Der ferne Klang) lebten da schon in etwas freieren Gedankenwelten.


    Fairy Queen

  • Liebe Fairy,


    das war eine hervorragende Zusammenfassung der verschiedenen Berufsbilder der Prostitution und der Gründe, warum wann nur welche Facetten davon in der Oper angesprochen werden konnten. Auch Dalila und Thais gehörten ja als Tempelkurtisanen dem Beruf der Edelkurtisanen an, denen man wegen relativer Treue (meist zum Geld eines Mannes oder Einfluss eines Oberpriesters) mildernde Umstände zubilligte.


    Es gibt aber keine Regel ohne Ausnahmen. Eine ganz besondere ist THE BEGGAR'S OPERA von 1728 (!). In diesem seinerzeit ungemein erfolgreichen Werk von John Gay und John Christopher Pepusch wimmelt es nachgerade von Straßendirnen und ähnlichen, ziemlich realitätsnahen Abbildern dieser Gesellschaftsschicht, weshalb Bert Brecht und andere sie ja mit nur milden Anpassungen in der DREIGROSCHENOPER aktualisieren konnten.


    Neben der Oper hat sich übrigens auch das Musical intensiv dieses Berufes angenommen, und das, als Kind des 20. Jahrhunderts, sogar recht unverblümt. Man denke an GUYS AND DOLLS, GENTLEMEN PREFER BLONDES, GIGI, die Dulcinea in MAN OF LA MANCHA und natürlich Sondheims SWEENEY TODD (eigentlich fast eine Oper) oder A LITTLE NIGHT MUSIC. Auch die Operette kennt einige nur notdürftig beschönigte "Grisetten" und machte große Kurtisanen wie die MADAME POMPADOUR und DIE DUBARRY sogar zu Vorbildern. Geld und außerordentliche Karrieren sind ja nicht erst in unserer Zeit ein Wundermittel gegen soziale Stigmata.


    Ansonsten waren aber die Straßendirnen meist auf Nebenrollen beschränkt oder wurden so beschönigt, dass man sie kaum noch als solche erkennen konnte. Das gilt besonders für einige Heroinen Puccinis, won der Manon über die Mimi bis hin zu Cio-Cio-San, und wahrscheinlich hat sich auch Minni, das Mädchen aus dem Goldenen Westen seine Kneipe erst einmal hart verdienen müssen. Puccinis heimliche Vorliebe für dieses Berufsbild bei vordergründiger Leugnung dieses Umstands hast Du ja schon angedeutet.


    Weitere Beispiele verrate ich erst einmal keine, aber die Schnitzeljagd, für die dieser Thread eingerichtet wurde, kann durchaus ergiebig sein. Übrigens auch die nach ihrem Komplementärberuf, den Kupplern. Mit dem Bruder der MANON und dem Onkel der BUTTERFLY wurden ja schon zwei angesprochen.


    Fröhliche Fahndung wünscht


    :hello: Jacques Rideamus

  • Maddalena in Verdis "Rigoletto" gehört auch in diese Kategorie, wobei natürlich bei ihr nicht ganz klar ist, ob das ihre freiwillige "Berufswahl" ist oder ob sie von ihrem Bruder Sparafucile dazu genötigt wird, als appetitlicher Köder reiche Freier in die Falle zu locken. Ganz ungern tut sie's jedenfalls nicht, und auch hier greift Verdi zu dem von Fairy so treffend beschriebenen Trick, dem leichten Mädchen die Sympathie des Publikums zu sichern, indem es sich in den Duca verliebt und ihm damit das Leben rettet. Dadurch verliert allerdings Gilda das ihre, aber das ist eine andere Geschichte......
    lg Severina :hello:

  • Ein weiterer ganz wichtiger Aspekt in Opern, in denen Kurtisanen die Heldinnen sind ist noch nciht genannt worden:
    Sie mûssen selbstverständlich sterben und damit für ihre moralische Verfehlung büssen.
    Eine Traviata die überlebt und "die Früchte ihrer Arbeit geniesst", ist nciht vorgesehen. Erst durch ihren Tod wird sie gerechtfertigt.
    Manon-ob bei Puccini oder Massenet-geht es genauso. Und Thaïs stribt ebenso wie Butterfly.


    Was für ein Skandal dagegen die Poppea von Monteverdi ist, sollte man sich mal auf der Zunge zergehen lasse: hier wird eine römische stadtbekannte Kurtisane nciht nur Opernheldin und Kaiserin, die ihre Vorgängerin Ottavia auf dem Gewissen hat,, sondern wird am Ende der Oper sogar noch mit Triumphgesang und dem herrlichsten Barockduett der gesamten Opernliteratur geehrt.
    Sauber sauber! :D


    Das wäre im 19 Jh undenkbar gewesen. :faint:


    Liebe Severina, ob die leichten Mädchen ihren Beruf freiwillig oder unfreiwillig, mit oder ohne Vergnügen ausüben, interesseirt in Opern auch nicht. Je genauer man die sozialen und menschlichen Abgründe dahinter anleuchtet, desto grösser der Skandal.
    Dazu musste erst Brecht auf die Bretter kommen.



    F.Q.



    P.S. Wieso fungiere ICH hier eigentlch als Threadstarterin????? Ich kann mich nciht erinnern, im wachen und nüchternen Zustand..... ?( :wacky:

  • Zitat

    Original von Fairy Queen


    Was für ein Skandal dagegen die Poppea von Monteverdi ist, sollte man sich mal auf der zunge zergehen lasse: hier wird eine römische stadtbekannte Kurtisane nciht nur Opernheldin und Kaiserin die ihre Vorgängerin Ottavia auf dem Gewissen hat,, sondern wird am Ende der Oper sogar noch mit Triumphgesang und dem herrlichsten Barockduett der gesamten Opernliteratur geehrt.
    Sauber sauber! :D


    Liebe Fairy,


    Opernliberettisten müssen es mit den Fakten ja so genau nicht nehmen :D


    Die historische Poppaea Sabina war jedenfalls keine Kurtisane, sondern stammte aus dem römischen Adel. Die Quellen- sprich Tacitus- zeichnen allerdings kein allzuliebenswertes Porträt der Dame. Ehrgeizig und ohne jegliche Skrupel soll sie gewesen sein.


    Da den barocken Hören der historische Hintergrund geläufig gewesen sein dürfte, sollte sich auch der Skandal auf der Bühne in Grenzen gehalten haben.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Lieber Caesar,
    der Skandal, den Fairy meint - wenn ich sie richtig interpretiere! - besteht doch in der Tatsache, dass hier am Ende das Böse siegt und nicht das Gute, denn das Luder Poppea kann ihre kriminellen Energien nicht nur ungestraft ausleben, sondern wird am Ende noch mit der Krone belohnt. Auch ich finde dieses Libretto ziemlich bemerkenswert und wundere mich immer wieder, dass diese unverhohlene "Regimekritik" damals so durchging. Oder sehen wir das heute wirklich ganz anders als das Publikum anno dazumal. Die altbekannte Frage, auf die es nie eine Antwort geben wird.....
    lg Severina :hello:

  • Liebe Severina,


    ich muss gestehen, dass ich das Libretto der "Coronazione" nicht sehr gut kenne. Du hast aber eine interessante Frage aufgeworfen: Für welches Publikum hat Monteverdi hier geschrieben? Die Oper ist in Venedig komponiert und dort ja wohl auch uraufgeführt worden: Venedig war seinerzeit ja eine Republik. Insofern könnte es leichter gewesen sein, solche Stoffe dort auf die Bühne zu bringen. Interessant wäre dann aber eine andere Frage- die bestimmt in einen anderen Thread gehört- was wissen wir über Aufführungen der Oper außerhalb Venedigs, gab es hierbei Probleme mit den Behörden etc. etc.?


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von severina
    der Skandal, den Fairy meint - wenn ich sie richtig interpretiere! - besteht doch in der Tatsache, dass hier am Ende das Böse siegt und nicht das Gute, denn das Luder Poppea kann ihre kriminellen Energien nicht nur ungestraft ausleben, sondern wird am Ende noch mit der Krone belohnt. Auch ich finde dieses Libretto ziemlich bemerkenswert und wundere mich immer wieder, dass diese unverhohlene "Regimekritik" damals so durchging. Oder sehen wir das heute wirklich ganz anders als das Publikum anno dazumal. Die altbekannte Frage, auf die es nie eine Antwort geben wird.....



    Hallo Severina und Christian,


    es ist doch meines Wissens bei der Poppea hinreichend belegt, dass die Oper eine antirömische Stoßrichtung hatte und auch als Kritik am päpstlichen Nepotismus im 17. Jahrhundert verstanden werden konnte und sollte (Aktualisierung!). Schließlich handelt es sich um eine in Venedig komponierte und aufgeführte Oper - und in der antirömisch eingestellten Republik Venedig lag ein solches Libretto durchaus im Trend und war sogar erwünscht. Dazu lässt sich bei Ulrich Schreiber und m.W. auch in Silke Leopolds Monteverdi-Buch einiges nachlesen.



    Viele Grüße


    Bernd


  • Hallo Bernd,
    danke für diesen Hinweis, das Buch ist schon für meinen nächsten Bibliotheksbesuch vorgemerkt. Wie du völlig richtig erfasst hast, besteht bei mir ein ziemlicher Nachholbedarf, was Hintergrundwissen zur Barockoper betrifft. :O
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    Neben der Oper hat sich übrigens auch das Musical intensiv dieses Berufes angenommen, und das, als Kind des 20. Jahrhunderts, sogar recht unverblümt. Man denke an GUYS AND DOLLS, GENTLEMEN PREFER BLONDES, GIGI, die Dulcinea in MAN OF LA MANCHA und natürlich Sondheims SWEENEY TODD (eigentlich fast eine Oper) oder A LITTLE NIGHT MUSIC. Auch die Operette kennt einige nur notdürftig beschönigte "Grisetten" und machte große Kurtisanen wie die MADAME POMPADOUR und DIE DUBARRY sogar zu Vorbildern. Geld und außerordentliche Karrieren sind ja nicht erst in unserer Zeit ein Wundermittel gegen soziale Stigmata.


    Wie wahr - und fuer Konzerte immer sehr ergiebig fuer Charakterstuecke, denn die leichten Maedchen (ob prostituiert oder nur mannstoll, ich erinnere mal an "Everybody's girl" aus Steel Pier von Kander/Ebb - kennt man das in D ueberhaupt?) haben oft die besten und unterhaltsamsten Nummern zu singen ;)
    Ich habe selbst ein ganzes Programm fuer "Girls of the night", da weiss man gar nicht, wo man anfangen soll ;)


    Es gibt aber auch im Musical die eher tragischen Charakter, die sich z.B. verkaufen muessen, um ihre Kinder durchzufuettern (z.B. Fantine in Les Mis), oder "moralische Grenzfaelle" wie Lucy in "Jekyll & Hyde". Allen ist gemeinsam, dass sie immer grosse Sympathietraeger sind, oft aber auch nicht ungeschoren davonkommen (Fantine und Lucy sind am Ende beide tot).


    Aber ich bin schon ruhig, ist ja nicht wirklich Oper ;)

  • Zitat

    Original von Eponine
    Wie wahr - und fuer Konzerte immer sehr ergiebig fuer Charakterstuecke, denn die leichten Maedchen (ob prostituiert oder nur mannstoll, ich erinnere mal an "Everybody's girl" aus Steel Pier von Kander/Ebb - kennt man das in D ueberhaupt?)


    Kennt Mann, finde ich auch sehr gut, aber ich wollte nicht protzen.


    Aber wenn wir schon dabei sind: es gibt sogar ein ganzes Musical über das Milieu der Prostitution, das mehr als beachtlich ist: es stammt von Cy Coleman, dem wir so tolle Stücke wie SWEET CHARITY, ON THE TWENTIETH CENTURY und CITY OF ANGELS verdanken, und heißt schlicht und einfach THE LIFE.


    Das Musical erzählt die Geschichte der Straßenprostituierten Queen, die an der 42nd Street ihren Mann und sich selbst ernährt und schließlich soviel Geld gespart hat, dass sie mit ihm wegziehen und ein normales Leben führen könnte. Als sie aber abends heimkommt, muss sie feststellen, dass ihr Freund alles Geld gestohlen hat um seine Drogenschulden zu bezahlen. Später muss sie dann auch noch mit ansehen, wie ein Mädchen aus der Provinz von ihren Freunden auf die schiefe Bahn gebracht wird. Das klingt alles ein wenig nach Fellinis LE NOTTE DI CABIRIA, auf dem schon die Hurengeschichte SWEET CHARITY basiert (ok, da wurde sie zum "Tanzgirl" hoch moralisiert), ist aber einen ganzen Tick härter und realistischer. Ein sehr empfehlenswertes Musical, das leider gefloppt ist und nur in dieser tollen Aufnahme überlebt hat, weil ihm der rechte Hit fehlte:



    Und wenn wir von Musicals im Milieu sprechen, darf man natürlich nicht den französischen Klassiker von Marguerite Monnod vergessen, den alle Welt nur aus der Verfilmung von Billy Wilder kennt, in die sich aber nur zwei Melodien hinein gerettet haben: IRMA LA DOUCE


    Wenn jemand mal eine Aufnahme des Originals ortet, bitte melden.


    :hello: Jack Rideamusical

  • Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    IRMA LA DOUCE


    Wenn jemand mal eine Aufnahme des Originals ortet, bitte melden.


    :hello: Jack Rideamusical



    Lieber Rideamus,



    meinst Du diese?



    Irma La Douce (1960 Original Broadway Cast)
    [CAST RECORDING]
    Stuart Damon, Marguerite Monnot, Keith Michell, Fred Gwynne, George Irving, Clive Revill, Elizabeth Seal, Alexandre Breffort



    Die gibts beim britischen (.co.uk) und beim amerikanischen (.com) Amazon.


    LG, Elisabeth

  • Danke. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass es die wieder gibt. Ist zwar nicht das französische Original, aber immerhin eine autorisierte Fassung.


    :hello: J. R. II