Darius Milhaud - Empfehlungen gesucht

  • Hallo


    Ich würde mich künftig gerne mehr mit Darius Milhaud beschäftigen.
    Ich kenne leider nur sein witziges "Le Boeuf sur le toit" (Mitropoulos, 1945) und hatte gerade einen Ausschnitt aus einer Suite für zwei Klaviere im Radio gehört.
    Könnt Ihr mir seine wichtigsten Werke in den besten Einspielungen empfehlen?
    Besten Dank, Grüsse, Markus

  • Zwei Empfehlungen zu Milhaud für den Zugang (Cover habe ich leider nicht gefunden, konnte auch auf die Schnelle nicht feststellen, ob noch lieferbar, das hoffe ich aber):


    Symphonien No 1 und No 2 und Suite Provencale - Michel Plasson, Orchestre du Capitole de Toulouse (DG) und


    Milhaud, Kammersymphonien, Ensemble Villa Musica (D&G).


    Mit freundlichen Grüßen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Hi,


    sehr empfehlenswert sind seine Ballette La création du monde und Le bœuf sur le toit!


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus sehr empfehlenswert sind seine Ballette La création du monde und Le bœuf sur le toit!


    ...und zwar in folgender Einspielung:



    Man sollte sich nicht durch das etwas kitschige Cover abhalten lassen. Die Musik kommt Bernstein besonders entgegen: rhythmisch, jazzig, mit afrikanischen und südamerikanischen Einflüssen. Insbesondere der Beginn von "La création du monde" ist einfach magisch...


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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  • Hi,


    das mit Bernstein wird schon stimmen. Ich bin erst nachträglich darauf gekommen, dass es meine gute alte LP auch zu einer CD gebracht hat. La création du monde, erschienen bei Nonesuch und gekoppelt mit Weills Kleine Dreigroschenmusik.



    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo, von den unten genannten Aufnahmen kenne ich leider nur die mit Bernstein. Sehr empfehlenswert. Die Suite für zwei Klaviere wird wohl die Suite Scaramouche gewesen sein, ein sehr schönes Stück. Leider kenne ich es nicht in Aufnahmen sondern nur vom selber Spielen, es gibt allerdings wohl eine, wo Milhaud selber spielt, bei der Emi-Reihe Composers in Person.


    Gruß, flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

  • Hallo,


    habe heute im Radio sein Konzert für Marimba, Vibraphon und Orchester gehört.
    Was für eine wunderbare Musik!


    Entnommen von dieser neu erschienenen CD:



    Empfehlenswert!



    Gruß, Peter.

  • Hallo,


    mittlerweile habe ich mir die CD mit Celibidache besorgt und bin begeistert von diesem tollen Doppelkonzert, das so ganz anders, irgendwie exotisch und nach Urlaub klingt.
    Hörenswert ist hier auch die Suite francaise.


    Desweiteren kann ich die Violinkonzerte mit Arabella Steinbacher empfehlen:



    Die sind aber nicht ganz so eingängig wie das Boeuf sur le toit, das auch auf der CD mit drauf ist.



    Gruß, Peter.

  • Hallo Markusr,


    ein Thread, der irgendwie an mir vorbeigegangen ist - darf ich noch?


    Sehr gut gefallen hat mir die folgende, preiswerte Doppel-CD aus dem Hause Erato, auf der Du nicht nur die "Knaller", also Le boeuf sur le toit und La création du monde hervorragend dirigiert von Nagano findest, sondern auch eher rares für Klavier und Orchester und das herrliche Harfenkonzert (nach der Erfahrung mit Alwyns Konzert stelle ich doch fest, dass es bedauerlich wenig Solokonzerte für das Instrument gibt). Die Klavier/Orchesterwerke sind ebenfalls sehr gut gespielt von Claude Helffer und dirigiert von David Robertson



    Eine an Bernsteins Aufnahme heranreichende Interpretation der "Création du monde" mit dem New World Symphony Orchestra unter Michael Tilson Thomas findest Du auf der folgenden, sehr interessant zusammengestellten CD:



    Was mich selbst sehr interessieren würde, mir aber bisher nie über den Weg lief, ist Milhauds "Service sacrée", aufgenommen bei Naxos. Kennt hier jemand Werk und/oder Aufnahme?



    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

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  • Lieber Claus,


    Milhaud erhielt 1947 den Auftrag für die Komposition eines Gebetsgottesdienstes für den Shabbath vom reformjüdischen Tempel Emanu-El in San Francisco. Dieser Tempel hatte bereits Ernest Bloch den Auftrag für seine Komposition Avodath Hakodesh erteilt. Damit sind auch schon die Titel der beiden einzigen großen jüdischen Musikwerke genannt, die von berühmten Komponisten für Gottesdienstzwecke komponiert wurden.
    Der Untertitel des Service sacrée lautet: Sabbath Morning Service with additional prayers for Friday evening.
    Milhaud hat hier auf eine nahezu ausgestorbene Tradition aus der Provence zurückgegriffen, die den amerikanischen Juden vollkommen unbekannt gewesen sein dürfte, Milhaud aber wohl sehr viel bedeutet hat.
    Das Booklet gibt den hebräisch gesungenen Text auf englisch. Die gesprochenen Texte werden in der Aufnahme englisch gesprochen.
    Das Verständnis erfordert sehr konzentriertes Zuhören. Im übrigen handelt es sich um religiöse Texte, was nicht jedermanns Sache sein muß. Die Musik überzeugt mich, weil ich schon ein erhebliches Maß an Hingabe des Komponisten spüren kann. Alleine das ist doch nicht das schlechteste.
    Es ist keineswegs alles auf bloßen Schönklang gebügelt. Milhaud versucht aber wohl, verständlich zu bleiben. Schließlich sollte der Service ja auch der religiösen Allgemeinheit zusagen und nicht nur den ausgebufften Spezialisten. Allerdings hat er es uns nicht ganz leicht gemacht.
    Die SolsitInnen sind m.E. durchschnittlich und kommen eigentlich nicht wirklich aus sich heraus. Der Prager Philharmonische Chor ist zwar gut, wie auch das Tschechische Philharmonische Orchester unter der Leitung von Gerard Schwarz. Alle wirken aber sehr zurückgenommen und spielen und singen (Chor) m.E. unter ihren Möglichkeiten.
    Vieles davon ist gewiß auch der Aufnahmetechnik geschuldet, die ebenfalls sher zurückhaltend tätig war. Da verschwindet so manches im Ungefähren. Wenn man nicht sehr aufpaßt, bekommt man den Eindruck von Lustlosigkeit, Unvermögen und mittelmäßiger Musik. So erging es mir nämlich beim ersten Hören. Inzwischen habe ich meine Meinung bezüglich der Musik geändert. Beim Bariton habe ich immer noch den Eindruck, daß er zuweilen recht nasal ist und mehr spricht als singt.
    Eine merkwürdige Mischung für eine eigentlich ambitionierte Aufnahme eines religiösen Werkes.


    Ist Dir das eine Hilfe? (Dem Booklet sei übrigens Dank.)
    Schöne Grüße
    yarpel

  • Lieber yarpel,


    schön, von Dir mal wieder etwas zu lesen. Deine Schilderung ist mir eine große Hilfe - ich habe die CD jetzt noch mitbestellt, einfach weil mich das Stück sehr interessiert. Natürlich sehr schade, wenn weder Interpretation noch Aufnahmequalität eher mittelprächtig sind, aber wo bekommt man dieses Stück sonst her?


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo Claus, hallo Thomas!
    Sucht Ihr immer noch Milhaud-Werke?
    Ich empfehle Euch die beiden Kurz-Kammeropern "Le pauvre matelot" und "Les malheurs d'Orphée".
    Die beiden Werke sind absolut faszinierend: Der "Arme Matrose" atmet die Atmosphäre einer Moritat, aber auf welchem Niveau! Die gar erschröckliche Geschichte wird in klarer, natürlich polytonal gewürzter Sprache erzählt und lässt am Ende wirklich den Atem stocken.
    Der "Orpheus" ist womöglich noch besser: Sehr subtil komponiert, die Musik ist von einer unvergleichlichen Schönheit, die Polyphonie ist sauber, schmucklos und von wirklicher Größe. Eine sehr ernste, zugleich auch tröstliche Musik.
    Und als guter Mensch, der ich nun einmal bin, schreibe ich auch dazu, wo man diese ziemlich rare CD bekommt: http://cdmail.fr
    Zur Warnung: Es sind historische mono-Aufnahmen, aber technisch gut nachbearbeitet und einfach ideal musiziert.

    ...

  • Hallo Edwin,


    ich beklage auch, dass die Opern von Darius Milhaud von den Labelfirmen
    überhaupt nicht beachtet werden. Von allen französischen Komponisten
    kommt Milhaud am schlechtesten weg.


    Als Opernkomponist ist er in meiner Collection nur ein einziges Mal vertreten und zwar mit der Oper "Medée". Aus ihrem älteren Recital, bei Emi 1996 editiert, singt Natalie Dessay die Arie "Chers Corinthiens" aus der genannten Oper



    Auf diesem Recital befinden sich noch drei weitere Seltenheiten:


    Sauguet: Les Caprices de Marianne "O amour mistérieux amour"
    Poulence: Les Mamelles de Tirésias "Les oiseaux dans la charmille"
    Bondeville: L'Ecole des maris " "O ciel, pardonne encore"


    Gibt es über die beiden von Dir erwähnten Opern Tonträger?


    Gruß
    Engelbert

  • Hallo Edwin,


    Milhauds "Pauvre Matelot" habe ich vor ein paar Jahren hier in Hamburg in der "Opera stabile" (Studiobühne der Staatsoper) gesehen, gesungen und gespielt von Mitgliedern des Opernstudios. Was mir damals auffiel, war, daß sich Milhaud offenbar bei der Komposition von den Shanties der Seeleute hat inspirieren lassen. Die Geschichte ist schon ziemlich traurig und ernüchternd...


    Sonst kenne ich von Milhaud nur die (im Vergleich zum "Matelot") "Große Oper" "Christophe Colombe", und die auch nur von einer Live-Aufnahme aus den 50ern aus Paris (Disques Montaigne).


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Milhaud hatte auch einiges an Kammermusik geschrieben, so auch diverse Streichquartette. Es sind nicht weniger als 18 Streichquartette die er während seines gesamten Lebens geschrieben hatte.


    Das von uns schon an anderer Stelle bereits gelobte Petersen-Quartett hat ein Album mit verschiedenen französischen Streichquartetten aus der letzten Jahrhundertwende aufgenommen. Auf der CD befindet sich neben Ravel und Chausson auch ein Werk von Milhaud. Es ist sein erstes Streichquartett op. 5.
    Bereits in seinem 1. Streichquartett zeigt Milhaud großes Interesse am melodischen Verlauf der einzelnen Stimmen. Strenge thematische Arbeit stand für den Komponisten zeitlebens weniger im Vordergrund. Und so scheinen die melodischen Linien der vier Stimmen in allen Sätzen wie in einem „Schmelztigel innigster Empfindungen“ (Milhaud) zusammen zu fließen. Trotz dieser unglaublichen Gefühlskraft strebt Milhaud jedoch nach jener französischen Klarheit, um die schon seine großen Vorbilder Claude Debussy, Gabriel Fauré und Maurice Ravel gerungen hatten.




    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo Engelbert,

    Zitat

    Gibt es über die beiden von Dir erwähnten Opern Tonträger?


    Die beiden Opern kannst Du bei cd.mail (Link von mir oben angegeben) bestellen. Sie füllen zusammen eine CD. Den "Matrosen" gibt es weiters in einer IMO nicht ganz überzeugenden BIS-Einspielung. Beide CDs kannst Du bei cd.mail finden, wenn Du bei recherche avancée bei titre de l'oeuvre einfach "pauvre matelot" eingibst.


    Disque Montaigne brachte in der Frühzeit der CD die hervorragende Einspielung des "Christophe Colomb" unter Manuel Rosenthal heraus, eine mono-Aufnahme, die es aber nicht an Klarheit und Dynamik fehlen lässt. Leider im Moment absolut nicht zu bekommen. Eine Schande!


    Die drei "Opéras minutes", die Stoffe der Antike in jeweils rund 10 Minuten erzählen (das ist keineswegs nur-lustig, sondern lediglich auch-lustig) und denen ich erstmals bei einem Bayreuther Jugendfestspieltreffen begegnet bin, gibt es in einer soliden Produktion unter Anton Rickenbacher bei Koch, und zwar geradezu ideal kombiniert mit den Sechs kleinen Symphonien, die einen ähnlichen ästhetischen Ansatz haben.


    Den "Maximilien" brachte der Österreichische Rundfunk in einer guten deutsch gesungenen Produktion, leider gibt's davon keine CD. Mein Tipp: Beim ORF anrufen, es werden mitunter - gegen leider nicht unbeträchtliche Kosten - von Aufnahmen des ORF-Archivs CDs für den Privatgebrauch gebrannt.

    ...

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Das 4. Streichquartett ( 1918 ) wurde vom


    Leipziger Streichquartett für MDG 2005 eingespielt.



    Ergänzt wurde die CD mit Werken von Maurice Ravel und Germaine Tailleferre.


    Das Leipziger Streichquartett hat mit dieser interessanten Zusammenstellung sich einerseits für zwei nahezu unbekannte Werke engagiert, andererseits eine neue Sichtweise auf Ravels Werk ermöglicht. Ravel ist hier nicht derjenige, der auf Debussy reagiert, sondern sein Stück wird zum anregenden Vorbild für das Quartettschreiben der nachfolgenden jungen Komponisten.


    Das Leipziger Streichquartett spielt die drei Quartette mit spürbarem Engagement und technisch souverän, ja stellenweise ausgesprochen virtuos. Die vier Musiker haben eine beispielhafte, flexible Homogenität erreicht, die ihnen auch feine Abstufungen bei den Klangfarben erlaubt. Nur an manchen Übergängen von einer Phrase zur anderen wünscht man sich noch etwas mehr unbestimmtes Schweben, unterschwelliges Flirren, einfach ein wenig mehr "französisches Parfüm". Das fehlt auch dem informativen, aber leider etwas trocken geratenen Booklet-Text.
    Fazit: eine gelungene, verdienstvolle Kombination, die den Blick auf ein ungewohntes musikalisches Zeitbild ermöglicht.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Darius Milhaud gab 1992 zu Claude Rostand Frage warum er so viele (18 Streichquartette) geschrieben habe folgende Antwort;


    J’ai trop fait de musique de chambre dans mon enfance… pour ne pas en avoir conservé le goût. Et puis c’est la forme, le quatour surtout, qui porte à la méditation, qui porte à exprimer le plus profond de soi, et avec des moyens limités à quatre archets. C’est peut-être un genre moins direct, mais très satisfaisant par son austérité, son caractère essentiel de musique pure, et aussi par l’économie de moyens dont on doit s’accommoder. C’est à la fois une discipline intellectuelle, et le creuset de l’émotion la plus intense.


    Übersetzt ins deutsche :
    Ich habe in meiner Kindheit viel Kammermusik gespielt… und an ihr Geschmack behalten. Es ist die Form, vor allem das Quartett, das die Meditation, welche das tiefste Innere von sich selbst auszudrücken vermag und dies nur mittels vier Bögen. Mag sein, dass es eine weniger direkte Form ist, aber durch seine Schmucklosigkeit, dem Charakter reiner Musik und auch durch die Wirtschaftlichkeit der Instrumente(Mittel) – an die man sich gewöhnen muss – ist das Quartett so befriedigender. Das Quartett ist allemal eine intellektuelle Disziplin und der Schmelztiegel intensivster Gefühle.


    Die vier pariser Streicher Quatuor Parisii haben sich mit Milhaud befasst und sämtliche 18 Streichquartette eingespielt. Die Musik hebt idyllisch an und allmählich gewinnen rauere Züge die Oberhand. Vor allem Experimente mit polytonalen Schichtungen prägen die mittlere Phase der zwanziger Jahre, nachdem Milhaud von Cocteau in die „Groupe des Six“ einbezogen worden war. Später erhält das Melodische wieder Vorrang. Faure blieb lebenslang Milhauds Vorbild.



    Die fünf CD's sind auch einzeln erhältlich.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Milhaud schrieb 1942 ein interessantes Konzert für zwei Klaviere und Orchester



    Klavierduo Genova & Dimitrov, SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern,
    unter Alun Francis


    Sein Konzert für zwei Klaviere und Orchester erlebte seine Uraufführung am 13. Dezember 1942, gespielt von den Pianisten Vitya Vronski und Victor Babon, denen es auch gewidmet ist. Begleitet wurden damals beide vom Pittsburg Symphony Orchestra unter der Leitung von Fritz Reiner. Milhaud war ein exzellenter Musikpraktiker, Pianist und Geiger, de beispielsweise sein 2. Klavierkonzert bei der Uraufführung ebenso spielte wie den Part der 1. Violine bei der Uraufführung seiner beiden ersten Streichquartette. Milhaud kannte die technischen Probleme seiner Musik und wusste, welche Ansprüche er stellen durfte und welche nicht. Von den dreissig konzertanten Werken schrieb er allein fünf Klavierkonzerte und vier für zwei Klaviere und Orchester. Rückblickend schrieb er: „Einige Solisten wollen die erste Aufführung eines Konzertes spielen und aus diesem Grund hatte ich im allgemeinen recht zahlreiche Aufträge.“ Inhaltlich stellte sich Milhaud ganz bewusst und ausdrücklich in die französische Musiktradition: Die Spezifika der französischen Musik“ – schreibt er – „müssen in einer gewissen Klarheit, einer Nüchternheit, einer Leichtigkeit, einer massvollen Romantik und einem Sinn für Proportionen der Skizze und des Aufbaus eines Werkes und in dem Bestreben sich deutlich, einfach und knapp auszudrücken, ligen. Was die Liga der französischen Musiker angeht, in der ich Mitglied oder Schüler bin (es handelt sich um Rameau, Berlioz, Bizet, Chabrier, Satie) und die die wirklichen Vertreter des reinen Herzens unserer modernen und nationalen Tradition sind, so sind sie durch die Melodie miteinander verbunden.“ Bei aller Betonung des nationalen Charakters seiner Musik waren für Milhaud besonders die musikalischen Eindrücke seiner ausgedehnten Reisen und der Aufenthalt in aller Welt wichtig.
    Die drei Sätze in seinem Konzert für zwei Klaviere und Orchester sind auf Kontraste angelegt: Ein motorisch-tänzerisch geprägter, bewegter und Dissonanzen gespickter, lebhafter Satz und ein übermütiger Satz, der gelegentlich lateinamerikanische Wendungen aufnimmt, wie sie uns von „Scaramouche“ und „Le Boeuf sur le Toit“ vertraut sind, rahmen ein düster-melancholisches Trauerstück, „Funèbre“, ein. Dieser ist möglicherweise ein Verweis auf die autobiographische Situation des Komponisten, der, von schwersten Rheumaattacken geplagt, sein halbes Leben nur an Krücken gehen konnte und schliesslich gänzlich an den Rollstuhl gefesselt war.
    Das Pianistenduo Aglika und Liuben Dimitrov überzeugen durch gutes Zusammenspiel und einer problemlosen, pünktlichen Kurztonkoordination. Auch die Klangqualität lässt keine Wünsche offen, sehr hoch eingepegelt.


    Herzliche Grüsse aus der erneut verschneiten Schweiz


    romeo&julia

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  • Hallo romeo&julia!
    Wie ist's denn mit dem Orchester? Francis ist bei den Milhaud-Symphonien IMO nicht die beste Wahl, da klingt vieles sehr schwer und dickflüssig. Aber manche bekommt man ja nicht anders...
    LG

    ...



  • Da gefällt mir die Aufnahme des 2. Violinkonzertes mit Louis Kaufman und Milhaud besser:


  • van Rossum:


    Dafür hast du bei der Steinbacher aber das erste Konzert mit drauf, dass es ja meines Wissens zur Zeit nicht woanders gibt.
    Außerdem dürfte die Aufnahmequalität um Meilen besser sein.



    Gruß, Peter.

  • Ich habe unlängst zum ersten Mal bewußt Les Choephores gehört. Ich weiß gar nicht recht, wie man das einordnen soll. Es ist irgendwo zwischen Oper und nichtszenischem Oratorium angesiedelt. Stoff ist eine Art Elektra in Kurzfassung, basierend auf der Tragödie Choephoroi des Aischylos. Die Choephoren sind Frauen, die am Grabe Agamemnons opfern sollen (meist mit Grabspenderinnen, Opferspenderinnen übersetzt). Jedenfalls ein ziemlich interessantes Stück, ziemlich anders als die wenigen eher spritzigen und humorigen Werke Milhauds, die mir sonst begegnet sind, eher düster, dem Sujet angemessen, und etwas fremdartig.
    Diese beiden Aufnahmen, die ich habe, sind leider vergriffen. Kürzlich gehört habe ich Bernstein.



    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)



  • Stimmt, dafür ist das erste Konzert auch nicht so doll. Da ist das dritte Konzert noch besser.

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  • Hallo van Rossum,


    von einem 3. Violinkonzert weiß ich gar nichts.
    Gibt es das auch auf CD irgendwo zu bekommen oder meinst du damit das Concerto de Printemps?



    Gruß, Peter.

  • Hallo petemonova!
    Milhauds 3. Violinkonzert stammt aus dem Jahr 1958, hat den Untertitel "Concert royal", Opuszahl ist 373.


    Hallo Johannes!
    "Les Choéphores" ist der Mittelteil einer Trilogie bestehend aus "Agamemnon", "Choéphores" und "Les Eumenides". Die Idee ist die zunehmende Ausweitung der Rolle der Musik. "Agamemnon" ist eine reine Schauspielmusik, bei der kaum eine Nummer musikalischen Eigenwert hat. "Les Choéphores" ist eine erweiterte Schauspielmusik (bei deren gesprochenen Chordeklamationen zu Schlagzeugbegleitung ich immer das Gefühl habe, dass Orff es sehr gut gekannt hat, als er die Hexenszene der "Bernauerin" schrieb). "Les Eumenides" ist dann eine reine Oper ohne Schauspielanteil.
    Logischerweise ist "Les Choéphores" der ungewöhnlichste, modernste Teil (während die "Eumenides" formal konventioneller sind), eine Musik von ungeheurer Kraft, wild und schön zugleich. Für mich ein Meisterwerk.
    LG

    ...



  • Also, den zweiten Teil der Frage hat Edwin ja schon beantwortet. Nun zum ersten Teil: Ja, das Konzert gibt es auf CD. Gabs mal in der 12-CD-BOX "50 Jahre Concours Reine Elisabeth 1951-2001". Erschienen bei Cypres und - bei 12 CDs zu erwarten - relativ teuer:


    Trackliste bei amazon.de


    und bei amazon.co.uk noch zu haben

  • Guten Morgen Edwin


    Wir kennen nur die Aufnahme mit Alun Francis und bescheiden uns daher mit ihr. Das Orchester hatten wir nicht erwähnt, doch ganz so zäh erscheint es uns nicht.


    Gruss


    romeo&julia

  • Zäh vielleicht nicht, aber überfordert. Dem Charme der zehnten bin ich mal sehr erlegen gewesen aber im Scherzo waren die Streicher immer störend. Nach wie vor sind die 10. und die 11. meine Lieblinge (ich kenne bei weitem nicht alle), und die gibt es ja nicht mit Plasson.

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