Bach: Musikalisches Opfer

  • „Aus Potsdamm vernimt man, daß daselbst verwichenen Sontag der berühmte Capellmeister aus Leipzig, Herr Bach, eingetroffen ist, in der Absicht, das Vergnügen zu geniessen, die dasige vortreffliche Königl. Music zu hören. Des Abends, gegen die Zeit, da die gewöhnliche Cammer-Music in den Königl. Apartements anzugehen pflegt, ward Sr. Majest. berichtet, daß der Capellmeister Bach in Potsdamm angelanget sey, und daß er sich jetzo in Dero Vor Cammer aufhalte, allwo er Dero allergnädigste Erlaubniß erwarte, der Music zu hören zu dürfen. Höchstdieselben ertheilten sogleich Befehl, ihn herein kommen zu lassen..."
    Mit dieser (im ganzen fast dreimal so langen) Meldung der „Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen" vom 11. Mai 1747, die von Zeitungen in Hamburg, Frankfurt a. M., Magdeburg und sogar in Leipzig nachgedruckt wurde, beginnt die dokumentari sche Uberlieferung des vielleicht aufsehenerregendsten Ereignisses im Leben Johann Sebastian Bachs, seines Besuches am Hofe Friedrich II. von Preußen. Ein Stück „Hohenzollern-Legende" ist allerdings auch hier schon im Spiel, denn die „mit Königlicher Freiheit" erscheinen den „Berlinischen Nachrichten" praktizierten eine permanente Selbstzensur, die sich auch auf den Bericht über Bachs Potsdamer Aufenthalt am 7. und 8. Mai 1747 auswirkt. Im Brustton der Überzeugung wird behauptet, der „berühmte Capellmeister" sei eigens gekommen, um mit „allergnädigster Erlaubniß" die „vortreffliche Königl. Music zu hören". Beinahe ungewollt, ohne Vorsatz von seiten des Potentaten, sei es dann zu einer Fugenimprovisation gekommen, der Voraussetzung für Bachs Entschluß, das „ausbündig schöne" Thema des Preußenkönigs in einer „ordent lichen Fuga" auszuarbeiten und durch den Druck vervielfältigen zu lassen.


    Das ist eine der überlieferten Varianten zur Entstehung des "Musicalischen Opfers", das einerseits als eines der instrumentalen
    "Haupt-Werke" Bachs gilt, zum anderen aber zu den Kompositionen gehört, die im Kozertbetrieb nie so recht heimisch wurden. Das liegt zum einen sicher daran, daß sich die Musik der Darstellung auf Instrumenten, die Erfindungen des 19. oder 20. Jahrhunderts sind, hartnäckig widersetzt, zum anderen sicher auch daran, daß ein Publikum, das durch Erziehung und Alltags-Kultur
    eher auf melodisch ohne grössere Schwierigkeiten Nachvollziehbares "getrimmt" ist, mit der zugegebenen Sperrigkeit
    von Aufbau, Faktur und klanglichem Ergebnis seine Schwierigkeiten haben mag. Darin gleicht es in gewisser Weise den späten Werken Beethovens, denen dieses (Opus 133 sei als Beispiel genannt) ebenfalls nachgesagt wird.
    Das Werk besteht aus unterschiedlich besetzten Ricercare,Canons,Fugen und einer viersätzigen "Sonata Sopr'il Soggetto Reale" a Traversa, Violino e Continuo, einer Triosonate, die hier als 4sätzige Kirchensonate präsentiert wird.
    In allen Teilen der Komposition ist das "Königliche Thema" entweder komplett oder bruchstückhaft präsent.
    Gemessen am Rang der Komposition sind die Aufnahmen derselben vergleichsweise rar. Ich besitze 2; eine aus dem Jahr 1983 mit dem Leipziger Bach-Kollegium, aufgenzeichnet im Konzertzimmer des Potsdamer Schlosses Sanssouci, wobei einer der legendären Hammerflügel Gottfried Silbermanns aus dem Jahre 1746 Verwendung findet, auf dem Bach vor dem König improvisiert hat. Nach dem Hören dieses Instrumentes konnte ich Bachs radikale Ablehnung dieser "Neuerung" mitleidend nachvollziehen, meine zweite Aufnahme ist eine frühe (aus 1979) Einspielung von Musica Antiqua Köln, für mich auch nach so langer Zeit immer noch eine der schönsten und "emotionalsten"
    Darsellungen dieser ausserordentlichen Kompositon, die es immer wieder schafft, mich nach dem Erleben widriger Umstände ins "innere Gleichgewicht zu bringen.


    In der Brilliant-Bach-Edition ist das "Musikalische Opfer" des Leipziger Bach-Collegiums noch lieferbar !



    Bach: Musikalisches Opfer Musica Antiqua Köln (1979) DGG


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • hallo


    auch ich bin mit der Goebel´schen Einspielung recht glücklich.
    Zudem habe ich noch eine Aufnahme von 1999 des "Thomas Consort Leipzig" - eine CD zur finanziellen Unterstützung der Restaurierung der Thomaskirche. Auch eine schöne Aufnahme - gerade auch weil auf Hochgeschwindigkeit dankend verzichtet wird. In dieser Aufnahme spielt alternierend Cembalo und Hammerflügel.


    Gruß, Markus


    (p.s.: ich werfe gedanklich immer wieder dás musikalische Opfer und die Kunst der Fuge in einen Topf. Daher dachte ich jetzt, daß es auch eine Aufnahme von Walcha für Orgel solo gibt, aber das ist natürlich die Kunst der Fuge und nicht das musikalische Opfer)

  • Ergänzend möchte ich hinweisen auf das 6-stimmige Ricercar, das 1935 von Anton von Webern orchestriert wurde, das als Programmpunkt eine erhebliche Popularität erreicht hat, möglicherweise sogar populärer geworden ist, als der musikalische Opfergang insgesamt.


    Vielleicht sollte auch auf die wunderschöne Triosonate für Flöte, Violine und Cembalo hingewiesen werden.


    Die von mir bevorzugte Aufnahme ist diejenige von Siegbert Rampe mit seinem Ensemble La Stravaganza.

  • Ich habe folgende Aufnahme des Musikalischen Opfers:

    Schön ist, dass das Ricercar a 6 zweimal, einmal mit Cembalo und dann noch mit Streichern und Cembalo, enthalten ist. (Auch ist das Thema Regium allein am Anfang der CD als Track.)


    Wie sieht denn die Orchestrierung von Webern aus? Hat er sonst noch etwas an dem Stück geändert?

  • Zitat

    Original von qwer


    Wie sieht denn die Orchestrierung von Webern aus? Hat er sonst noch etwas an dem Stück geändert?



    Hi :hello:



    bei Schulz aus: Der Konzertführer von Csampai/Holland heißt es:


    "Die thematischen Linien sind in kleine Partikel von nur wenigen Tönen aufgespalten. Die wechselnden Klangfarben mit pointiert ausgehörten Differenzierungen fordern analytisches Hören, ohne daß dadurch der Eindruck entstünde, der Musik sei ein ungemäßes Verfahren aufgestopft worden, Die Bach-Bearbeitung ist ist nicht zuletzt ein Nachweis dafür, wie sensibel, ja schüchtern Webern mit dem Material des Kompnisten, mit den Tönen, umgeht."


    Dies vorausgeschickt hat Webern das sechsstimmige Ricercar nicht substantiell geändert. Mit differenzierbaren Bläserstimmen hat Webern die Themeneinsätze gestaltet, zeichnet mit den Streichen kontrapunktische Linien nach, setzt Akzente mit Paukenwirbeln.


    Großartig gemacht!


    Referenz: "Bach/Webern, RICERCAR" mit Christoph Poppen und dem Munchener Kammerorchester. Ergänzt wird diese schöne CD insbesondere durch Bachs "Christ lag in Todesbanden" (BWV 4) unter Mitwirkung des Hilliard Ensembles. Erschienen ist die Scheibe bei ECM.


    Beste Grüße

  • Hallo,


    vielen Dank. Das klingt interessant, und ich wollte mir sowieso mal was von Webern anhören.


    Gruß
    qwer

  • Der Webern ist insofern interessant, als dass er sehr weit davon entfernt ist, dass Stück durch Instrumentation klarer oder einfacher zum machen. Eher scheint Bachs Polyphonie durch eine zusätzliche Ebene der Klangfarben überlagert oder erweitert; eine sehr schöne CD mit Bach Bearbeitungen ist diese hier (Weberns ist indes die "ernsthafteste"):



    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von ThomasBernhard


    (p.s.: ich werfe gedanklich immer wieder dás musikalische Opfer und die Kunst der Fuge in einen Topf. Daher dachte ich jetzt, daß es auch eine Aufnahme von Walcha für Orgel solo gibt, aber das ist natürlich die Kunst der Fuge und nicht das musikalische Opfer)



    Hi,


    das ist gar nicht so abwegig, wenn man bedenkt, daß das sechsstimmige RICERCAR ("Regis Iussu Cantio Et Reliqua Canonica Arte Resoluta" = Das Thema und Übriges auf Befehl des Königs in kanonischer Kunst aufgelöst) aus dem MO sich teilweise verselbstständigt hat und auch auf der Orgel oder dem modernen Flügel, von der Orchesterversion Weberns ganz zu schweigen, dargeboten wird. So wird dieses Stück z.B. in der Hänssler-Bachedition isoliert auf der Orgel dargeboten.


    Was lernen wir draus?


    Nun, Bachs Musik zeichnet sich eben dadurch aus, daß sie auf unterschiedlichste Weise, in unterschiedlichster Instrumentation dargeboten werden kann, ohne daß - jedenfalls im Regelfall - der Kern dieser Musik Schaden nimmt.


    Beste Grüße

  • Hallo!


    Diese Aufnahme des Musikalischen Opfers gefällt mir sehr:



    Sie ist kammermusikalisch als Quartett besetzt:
    Berthold Kuijken, Flöte
    Sigiswald Kuijken, Violine
    Wieland Kuijken, Viola
    Gustav Leonhardt, Cembalo


    Und als besondere Überraschung ist auf der CD noch die Kantate "Ich habe genug" BWV 82 und die (chronische) d-moll-Toccata drauf - weder auf der CD noch im Booklet noch bei JPC erwähnt. Daher kenne ich auch die Interpreten der Kantate nicht (bei BWV 565 wird wohl Leonhardt an der Orgel sein).


    Die CD ist derzeit für nur 5 Euro zu haben!


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Mit Bach habe ich bisher noch wenig Freundschaft geschlossen.
    Angeregt durch Webern und Gubaidulina habe ich mich allerdings nun entschieden, meine Bach-Sammlung zu erweitern und zu den Goldberg-Variationen - kennengelernt durch Hannibal Lecter - :pfeif: das "Musikalische Opfer" hinzuzukaufen. 8)


    Ich liebäugele mit dieser Einspielung:


    Kennt die wer? Empfehlenswert oder eher nicht?

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  • Zitat

    Original von Myschkin
    Ich liebäugele mit dieser Einspielung:


    Kennt die wer? Empfehlenswert oder eher nicht?


    Ich habe das selbe Anliegen und dieselbe Frage bezüglich dieser Aufnahme:



    Vielleicht meldet sich ja jemand...


    Viele Grüße,
    Pius.


  • Die hat mir vor ein paar Monaten ein Freund geliehen - sehr konzentriert und klangsinnlich gespielt.


    Wer sich an dieses Werk wagt, tut es im Allgemeinen mit Verstand - ich favorisiere diese Aufnahme:


  • Zitat

    Original von Myschkin
    Ich liebäugele mit dieser Einspielung:


    Kennt die wer? Empfehlenswert oder eher nicht?


    Jedenfalls fiel der R-Strich, welcher diesen komplizierten Buchstaben von einem P unterscheidet, einem offenbar blinden oder kyrillisch verankertem Coverdesigner zum Opfer... :wacky: Allein deswegen würde ich schon die 8,-- € mehr opfern und mir Savall zulegen.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli


    Jedenfalls fiel der R-Strich, welcher diesen komplizierten Buchstaben von einem P unterscheidet, einem offenbar blinden oder kyrillisch verankertem Coverdesigner zum Opfer... :wacky: Allein deswegen würde ich schon die 8,-- € mehr opfern und mir Savall zulegen.


    Den Savall gibts übrigens bei Zweitausendeins für 9,99 Euro (ebenso wie weitere Alia Vox-CDs mit Savall). Daher meine Frage.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • ja dann erst recht.


    ich habe diese Aufnahme zusammen mit der Kunst der Fuge in der "Bach Box":


    008.jpg



    ich bin mit beiden Aufnahmen sehr zufrieden, auch wenn die Kunst der Fuge vielleicht etwas eigenwillig instrumentiert ist :D :


    Cornetto - Posaune - 4 Gamben - Oboe da caccia - Fagott


    hört sich stellenweise wie die Consort - Fantasien des frühen 17. Jahrhunderts an.


    :hello:

  • Zitat

    Original von Pius
    Den Savall gibts übrigens bei Zweitausendeins für 9,99 Euro (ebenso wie weitere Alia Vox-CDs mit Savall). Daher meine Frage.


    Dann brauchst Du Dich nur noch zu entscheiden, ob Du mein Bekannter bleiben magst... :D


    Da Dir der NH [für Abk.-Hasser: Nicht Hören!] eh bereits stiften geht, frage ich mich, warum Du über Ersatz überhaupt nachdenkst!? ?(


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Hallo Pius,


    ich kenne das "Musikalische Opfer" nicht sehr gut und habe auch nur die Goebel-Aufnahme zum Vergleich. Trotzdem kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass Savall mir viel, viel besser gefällt als Goebel.


    Ich bin nicht sicher, ob es an der Instrumentierung oder an der Spielweise oder an beidem liegt. Jedenfalls klingt bei Savall alles viel saftiger und farbiger als bei Goebel. Ich vermute das ist das, was Miguel mit "klangsinnlich" meint.


    So gerne habe ich das "Musikalische Opfer" jedenfalls noch nie vorher angehört und habe es auch noch nie so interessant gefunden wie mit der Savall-Aufnahme (die es übrigens auch beim Saturn für 9,99 € gibt).


    Mit Gruß von Carola

  • Das Werk ist tatsächlich "sperrig", auch für einen Bach-Fan. Ich habe drei Einspielungen, einmal eine Orchesterfassung mit der Capella Istropolitana und dann - aus der Brilliant Bach-Büchse - eine Cembalo-Fassung und schließlich noch eine Interpretation mit Orgel (Josef Popelka).


    Die Orchester-Fassung ziehe ich vor, weil die einzelnen Stimmen des an Komplexität nicht gerade armen Werks durch verschiedene Instrumente transparenter werden.


    Bach hat das Werk vermutlich geschrieben, um eine Anstellung am Hof Friedrichs zu erhalten, der allerdings auf Bachs Manuskript anscheinend in keiner Weise antwortete - vermutlich hatte er zu viel zu tun mit diversen Militäroperationen...

  • Hallo MM:


    die 3 Einspielungen, die du erwähnst, sind allesamt eher zum Weglaufen denn zum Zuhören...


    Warum bitte soll ein Orchester diese Musik transparenter herüberbringen als etwa ein Einzelinstrument ??


    Daß Bach mit 62 Jahren nicht einmal mehr eine Anstellung als Dorfkantor in Thüringen bekommen hätte, war ihm mit Sicherheit klar, denn in diesem Alter war man zu damaligen Zeiten entweder schon tot oder kaum noch einsatzfähig. Daß Bach ausserdem im Umgang, gelinde ausgedrückt, durchaus schwierig war, hatte sich garantiert auch bis Potsdam herumgesprochen.


    Dem preussischen Friedrich II muss schon zugestanden werden, ein Interesse an Bachs Werk gehabt zu haben, was sicher auf den Einfluss seiner Schwester Amalia, die wiederum eine glühende Bewunderin Bachs war und die begann, seine Handschriften zu sammeln, als sich noch kein Mensch sonstwo dafür interessierte, zurückzuführen ist.


    Ob Bach für das unaufgeforderte Manuskript eine wie auch immer angemessene Entlohnung bekam, entzieht sich unserer Kenntnis. Seit dem 19. Jahrhundret wird immer wieder kolportiert, daß Bach sowohl für die "Brandenburgischen Konzerte" wie auch für das "Musikalische Opfer" keine Vergütung erthielt, der Beweis jedoch, daß es wirklich so war, konnte nie erbracht werden.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Hallo MM:


    die 3 Einspielungen, die du erwähnst, sind allesamt eher zum Weglaufen denn zum Zuhören...


    Warum bitte soll ein Orchester diese Musik transparenter herüberbringen als etwa ein Einzelinstrument ??


    mhhhh - kennst Du alle drei Interpretationen oder ist es eine Vermutung anhand der Kombattandenliste?


    Bei der Orchesterfassung lassen sich inho schlicht die einzelnen Stimmen besser verfolgen...

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  • Zitat

    Original von m-mueller


    mhhhh - kennst Du alle drei Interpretationen oder ist es eine Vermutung anhand der Kombattandenliste?


    Bei der Orchesterfassung lassen sich inho schlicht die einzelnen Stimmen besser verfolgen...


    Sicher, dass Du nicht die Kunst der Fuge meinst?
    Mich würde doch eine Orchesterfassung der Triosonate mit Flöte sehr wundern. Die beiden Ricercari a 3 und a 6 gehören aufs Tasteninstrument und der Rest wird meistens mit den Musikern gemacht, die man für die Triosonate eh braucht.
    Außer der berühmten Webern-Instrumentation des sechsstimmigen Ricercare habe ich noch nie von einer Orchesterversion gehört.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • eine klanglich und interpretatorisch sehr gelungene Aufnahme, sorry BBB, da hast Du mal schwer danebenvermutet


    doch, J.R., ich bin durchaus in der Lage, zwischen Kunst der Fuge und Musikalisches Opfer unterscheiden zu können

  • die Einspielung habe ich auch - ich finde sie ebenfalls zum davonlaufen.


    Die Capella Istropilitana ist ohnehin zum Abgewöhnen, aber das nur nebenbei.
    Die Aufnahmen hören sich alle an, als seien sie vor 40 Jahren entstanden, absolut furchtbar im Vergleich zu den HIP Ensembles.


    Die Savall Aufnahme ist da schon ein anderes Kaliber, wenn man das Musikalische Opfer mit verschiedenen Instrumenten hören möchte, dann ist das mit Sicherheit eine gute Wahl.


    Mir hat diese Aufnahme durch ihre schon angesprochene Klangwärme und ihre interpretatorische Liebe das Werk näher gebracht.


    :hello:


  • In der Savall-Aufnahme gibt es in der Tat so etwas wie eine "Orchesterfassung" des Ricercari a 6, ganz am Ende als letztes Stück gespielt. Im Beiheft steht dazu: "Eine erneute Darbietung des zuvor gehörten Stückes (Nummer Acht), diesmal jedoch für Orchester instrumentiert. Das Original ist zwar für das Cembalo geschrieben, doch es gibt nichts, was Musiker davon abhalten könnte, andere Interpretationen vorzuschlagen und dadurch die manchmal verborgenen Aspekte der kontrapunktischen Struktur und emotionalen Wucht der Polyphonie aufzudecken...."


    Ich selber würde allerdings bei dem hier spielenden siebenköpfigen Ensemble eher von einer kammermusikalischen Besetzung sprechen.


    Wie auch immer man die Begründung bewertet, das Ergebnis überzeugt in meinen allerdings immer noch recht uninformierten Ohren. Außerdem wird das Stück zuerst und zwar vor der Triosonate auf dem Cembalo gespielt.


    Mit Gruß von Carola

  • In der Frage der Reihenfolge scheint es erhebliche Unterschiede zu geben.


    Das Bach-Lexikon (Laaber Verlag) setzt beispielsweise das Ricercare 6 an die fünfte Stelle, vor der Triosonate kommen hier noch zwei Rätselkanons. Bei Goebel kommt das Ricercare 6 aber als letztes Stück. Bei Savall taucht es hingegen zweimal auf, einmal unmittelbar vor der Triosonate, ein zweites Mal in "Orchesterfassung" als letztes Stück.


    Ist diese Abfolge der Canons und Fugen wirklich so beliebig? Hat jemand hier vielleicht den richtigen Aufbau digital zur Hand? (Ich mag das nicht alles aus dem Lexikon abschreiben und bei Wikipedia ist es auch etwas umständlich dargestellt).


    Mit Gruß von Carola

  • Zitat

    Original von Carola
    In der Frage der Reihenfolge scheint es erhebliche Unterschiede zu geben.


    Dabei ist die doch eher unerheblich, denn es war ja nicht als Zyklus gedacht.
    Angekündigt wurde es in den Zeitungen so:
    "Die Elaboration bestehet 1.) in zweyen Fugen, eine mit 3., die andere mit 6. obligaten Stimmen; 2.) in einer Sonata, a Traversa, Violino e Continuo; 3.) in verschiedenen Canonibus, wobey eine Fuga canonica befindlich."


    Dieser Wortlaut geht vermutlich auf Bach selbst zurück, denn es handelt sich um die Anzeige, dass das Werk "so wohl bey dem Autore, Capellmeister Bachen, als auch bey dessen beyden Herren Söhnen in Halle und Berlin zu bekommen seyn werde, a 1 thl."


    Von dem sechsstimmigen Ricercar gibt es zeitgenössische Fassungen für Orgel. Beide Ricercare sind originäre Cembalokompositionen, da gibt es kein Vertun.


  • Und bei der Triosonate wohl auch nicht. Die Canones sind auch nichts, was mehr als drei oder vier Instrumente benötigte. Daher frage ich mich immer noch, was unter einer Orchesterversion zu verstehen sein soll (wenn eben nicht eine aufwenige Orchestrierung von anderer Seite gemeint ist)


    werde mir den Savall evtl. zulegen, Harnoncourt &Co finde ich nämlich eher trocken (was freilich am Werk liegen mag, ich habe es schon lange, aber nicht viel Zeit drauf verwendet)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Carola!



    Inzwischen habe ich mir die CD ja auch gekauft, und es ist wirklich eine schöne Aufnahme. Ich bin zufrieden. Die olle Leonhard-Aufnahme (Sony) in Minimalbesetzung gefällt mir Kammermusik-Fetischisten freilich noch ein bißchen mehr... (siehe auch 19 Beiträge vor diesem)


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hier der Aufbau (nach dem Bach-Lexikon aus dem Laaber-Verlag):


    I. Ricercare a 3


    II. Canon perpetuus super thema regium


    III. Canones diversi super thema regium
    1. Canon a 2, cancrizans
    2. Canon a 2, Violini in unisono
    3. Canon a 2, per motum contrarium
    4. Canon a 2, per augmentationem, contrario motu
    5. Canon a 2, per tonos

    IV. Fuga canonica in epidiapente


    V. Ricercare a 6

    VI. Quaerendo invenietis (Rätselkanons)
    1. Canon a 2
    2. Canon a 4


    VII. Sonata sopr'il soggetto reale (Flauto traverso, Violine, Basso Continuo)
    1. Largo
    2. Allegro
    3. Andante
    4. Allegro

    VIII. Canon perpetuus (Flauto traverso, Violine, Basso Continuo)


    Übersetzungen sind nicht inklusive...


    Savall hat offenbar eine andere Reihenfolge gewählt und einige Stücke auch wiederholt, ich muss mir das noch mal genauer ansehen. Sehr schön finde ich in der Savall-Aufnahme jedenfalls, dass gleich zu Beginn das "königliche Thema" auf der Traversflöte, also dem Instrument des Königs, solistisch vorgetragen wird. Das steht zwar nicht in der Partitur, hat aber was.


    Mit Gruß von Carola


    PS. Freut mich, dass Dir die Savall-Aufnahme ebenfalls gefällt, Pius.

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