Rosa Ponselle - ein Wunder?

  • Liebe Taminos,


    nach langer Abstinenz möchte ich heute die Diskussion zu einer Sängerin eröffnen, die bis heute einen legendären Ruf genießt. Einer der größten Stars, die die Met je aufzubieten hatte, war Rosa Ponselle (ursprünglich Ponzillo, geb. 1897, verst. 1981).







    Eine üppigere Sopranstimme hat es vermutlich nie gegeben, höchstens noch lautere (Flagstad, Nilsson). So viele Parameter sind hier erfüllt, daß es kaum zu glauben ist. Das Volumen ist gewaltig, die Färbungen schillernd und reich, die Agilität für eine Stimme dieser Schwere mehr als beachtlich, die Atem- und Registertechnik perfekt, das Timbre persönlich, der Umfang einzigartig (vom dreigestrichenen D in der Höhe bis zum tiefen D in "Der Tod und das Mädchen"), die Phrasierung kultiviert und intelligent. Insbesondere das strömende, flutende Singen ist hier in einer Meisterschaft zu hören, die überwältigt.


    Nicht von ungefähr sprach Tullio Serafin von einem der drei Stimmwunder (neben Caruso und Ruffo) und Geraldine Farrar bezeichnete Ponselle und Caruso als jeglicher Diskussion enthoben. Warum also spricht Jens Malte Fischer von einem Gefühl der Enttäuschung angesichts ihrer Aufnahmen, einem unerfüllten Rest?


    Es liegt wohl nicht an dem fast einmütigen Ruhm, den Ponselle erworben hat, es ist vielmehr das einmalige Potential, das man hört und daraufhin noch mehr Einmaligkeit im Ergebnis erwartet. Denn kleinere Beckmessereien sind natürlich auch hier möglich: ein teils etwas matronenhafter Klang, manchmal zurückgenommene Noblesse, wo explosive Sinnlichkeit der Stimme möglich wäre, müheloses Singen, wo etwas mehr Leid, etwas mehr Erdenrest der Interpretation gut täte.


    Teils auch hört man (selbst in Aufnahmen aus der besten Zeit um 1925-30) leichte Schärfen bzw. eine verengte Säure, wenn sie die Stimme verschlanken muß, um Zierfiguren zu bilden (insbesondere beim Triller zu hören). Dies ist wahrscheinlich in Teilen der Aufnahmetechnik anzulasten.


    Das ist die Argumentation mit dem fiktiven Ideal. Aber läßt man der Sängerin die gleiche Fairneß angedeihen bzw. mißt sie mit den gleichen Maßstäben wie andere, dann erlebt man tatsächlich Wunder. Nur drei kurze Beispiele: "Ernani, Ernani, involami" ist ein einzigartiger Drahtseilakt zwischen zartester Koloratur und dramatischem Melos. "Suicidio" in dieser Kontrolle, mit diesen Oktavsprüngen und dieser Stimmverblendung - das macht auch Gioconda hörenswert. Und die große Szene der Norma ab "Sediziosi voci" - Callas mag eindringlicher sein und ihre fallenden Skalen glitzernder. Doch hier singt ihre (fast) gleichwertige Vorgängerin. Beide teilen sich den Norma-Olymp.
    Natürlich muß man auch ihre Forza-Leonore gehört haben, im Traum-Ensemble mit Martinelli und Ezio Pinza.


    Die Carmen war ihre letzte große Rolle, ein Flop sondergleichen (was mit Sicherheit auch an der spießigen Aufmachung lag). Ich habe Probeaufnahmen davon auf DVD - Carmen ist sie nun nicht, aber stimmlich ist der Auftritt auch nicht schlecht zu nennen. Die negativen Kritiken sorgten dafür, daß Ponselle ihre Karriere 1937 aufgab - mit 40 Jahren!


    Aufnahmen aus dem Jahr 1954 mit ihr selbst am Klavier bezeugen, daß sie als 57-jährige noch weit mehr als Reste ihrer Stimme besaß, vor allem, wenn man bedenkt, daß sie angeblich nur für Freunde gesungen habe und nie daran gedacht hatte, diese spontane Aufführung freizugeben.


    Wie seht Ihr die große Ponselle? Wie beurteilt Ihr andere Rollenportraits von ihr (Trovatore-Leonore, Violetta etc.)?



    Auf die Diskussion freut sich




    Christian

  • Lieber Christian,


    Zitat

    Original: Warum also spricht Jens Malte Fischer von einem Gefühl der Enttäuschung angesichts ihrer Aufnahmen, einem unerfüllten Rest?


    mit Jens Malte Fischers Ansichten über Sänger (und seiner teilweise recht hämischen Berichterstattung, besonders über Sängerinnen) liege ich häufiger über Kreuz - in diesem Fall spricht er mir - leider! - aus der Seele.


    An Rosa Ponselles Singen gibt es so viel zu bewundern - du hast schon so viel aufgezählt, das ich hier nicht wiederholen muss - und doch fesseln mich ihre Aufnahmen nicht wirklich.


    Da ich ihr Timbre eigentlich gern höre, habe ich mich selbst gefragt, warum das so ist. Zuerst habe ich mich mit meiner - hier im Forum wohl auch langsam hinreichend bekannten ;) - Vorliebe für kleinere und etwas sprödere Stimmen herausgeredet: Die üppigen Stimmen mit überbordendem Reichtum sind es meistens nicht, die mich begeistern.


    Rosa Ponselle hatte in vieler Hinsicht dasselbe Repertoire wie Maria Callas, und wenn ich beide Sängerinnen vergleiche (die Callas hat sich gegen Vergleiche mit Ponselle immer gewehrt, weil diese mit so viel reicheren Mitteln gestartet sei), dann komme ich, glaube ich, darauf, was mir bei Ponselle fehlt und was du auch schon angesprochen hast: der Ausdruck des Leides, eine gewisse Zerbrechlichkeit, die für die romantischen Heroinen meiner Meinung nach auch dann essentiell ist, wenn sie stimmlich als donna di forza daherkommen. Callas hatte diesen Ton; Ponselle klingt mir oft einfach zu "mühelos-gesund". Ich höre daher Giannina Arangi-Lombardi, die stimmlich eine gewisse Ähnlichkeit mit Rosa Ponselle hatte, wenn sie auch nicht mit so einer Prachtstimme gesegnet war, in dieser Hinsicht lieber.


    Vielleicht ist uns aber heute eine genaue Beurteilung der Wirkung Ponselles gar nicht möglich, weil wir uns nur mit Tonträgern begnügen müssen - der immense Eindruck, den sie auf das damalige Opernpublikum gemacht hat, ist sicher ein Zusammenspiel gewesen aus Stimme, Singen, ihrer Schönheit und dem zurückgenommenen Pathos, das sie zumindest von den Bühnenfotos her vermittelte. Lediglich der Kritiker Henderson ätzte wohl fast ihre gesamte Laufbahn hindurch sinngemäß, dass sie wirklich eine prachtvolle Stimme habe und es schön wäre, wenn sie damit auch noch richtig singen könnte. Sicherlich ein Urteil, das dieser Sängerin auch nicht gerecht wird - trotzdem, es bleibt auch für mein Empfinden der schon angesprochene "unerfüllte Rest."


    Was ich von ihr noch nicht kenne, aber gern hören würde, wären erstens Lieder (auch aus dem etwas leichteren Repertoire) und zweitens ihre Carmen. Ich weiß aus Berichten, dass diese Rolle für sie ein derartiger Flop war, dass sie sich danach von der Bühne zurückzog, aber wenn ich sie singen höre, kann ich mir gerade bei ihr eine sinnliche, üppige, energische, aber nie aufdringlich-lasziv wirkende Carmen vorstellen.


    :hello: Petra

  • Meine Lieben,


    Der "fehlende Ausdruck des Leides" scheint mir weniger ein individueller Mangel zu sein als vielmehr typisch für einen damals verbreiteten Gesangstil, welcher der pathetischen Pracht einen größeren Stellenwert einräumte. Außerdem dürfte auch der seinerzeitige technsiche Standard für die vermißten Nuancen nicht sehr günstig gewesen sein.
    Ich habe mir gerade das "Vissi d'arte" und "Un bel di vedremo", beide aus 1919, wieder angehört. Da singt die Ponselle sicher nicht nur "äußerlich". Mit einiger Mühe spürt man darin doch auch die mitschwingende Empfindung (vor allem bei wiederholtem Hören). Dennoch ist die grundsätzliche stilistische Haltung natürlich ganz anders als bei der Callas, deren Interpretation unseren heutigen Erwartungen natürlich viel mehr entspricht.
    Damit will nichts gegen Eure im Prinzip schon zutreffende Kritik sagen, sondern sie nur nicht absolut verstanden wissen. Sie stimmt nur von einem "externen" Standpunkt, gemessen an den historischen Bedingungen stimmt sie nur relativ. Zumindest möchte ich das als These einmal hinstellen. Die Ponselle vergißt nie, Dame zu sein, das heißt sie läßt sich bei der Rollengestaltung vom Sentiment nicht überwältigen (obwohl ich vermute, daß sie das gekonnt hätte); sie singt sozusagen große Geste, jedoch nicht "leer" - das "Casta diva" von 1928 scheint mir das zu bestätigen, da ist doch sehr viel unterschwellige Subtilität enthalten.


    LG


    Waldi

  • Lieber Waldi,


    eigentlich ist der von dir beschriebene Gesangsstil einer der Gründe, warum ich immer wieder gern zu den Aufnahmen aus dem ganz frühen 20. Jh. zurückgreife: Wenn es auch einige typische Verismo-Sänger gibt, die ich trotz naturalistischer Effekte gern höre, so mag ich eigentlich die Sänger, die eine Rolle mit rein musikalischen Mitteln und diesem "zurückgenommenen Pathos" gestalten können, lieber.


    Und ich höre mir z.B. gern Aufnahmen mit Nellie Melba oder Elisabeth Rethberg an, die ebenfalls mit diesen Ausdrucksmitteln sangen und - zumindest für meine Ohren - die darzustellenden Empfindungen gerade deshalb unverstellter zum Ausdruck bringen konnten als manche spätere Sängerin, die sich "vom Sentiment überwältigen" ließ.


    Warum sich mir dieser Eindruck bei Rosa Ponselle nicht in dem Maße einstellen will, ist mir gerade deshalb selbst etwas schleierhaft (denn was die Noblesse und Subtilität des Singens angeht, die Stimmpracht und Technik, so war ja eigentlich alles vorhanden, da stimme ich dir in allem zu). Es gehört wohl zu den Mysterien in der Beurteilung von Stimmen, die sich einer logischen Begründung entziehen und letzen Endes immer subjektiv bleiben.


    :hello: Petra

  • Rosa Ponselle


    Hallo Petra,


    Zitat

    Original von Petra:


    Was ich von ihr noch nicht kenne, aber gern hören würde, wären erstens Lieder (auch aus dem etwas leichteren Repertoire)…


    Genau so etwas findet sich (auch) auf der Kollektion von Ponselle-Aufnahmen von Nimbus Records aus der „Prima Voce“-Reihe, „Ponselle“ Vol. 1 und 2 (NI7805 und NI7846).


    Da gibt es zum Beispiel eine Aufnahme von 1920, auf der sie ein Stück aus der Revue singt, in der sie aufgetreten war vor dem Start ihrer Opernkarriere: „Mademoiselle Modiste“, und sie gibt auch ein paar italienische Lieder zum Besten. Und das ist sicher auch sehr gut gesungen, aber dennoch: die Prachtstimme und „Leichtes“, das funktioniert hier nicht so , wie z.B. bei John McCormack, der auch eine Prachtstimme hatte, aber eben eine „leichte“. Denn auch wenn Rosa Ponselle die Stimme technisch „leicht“ führen kann, es bleibt immer eine dramatische, tragische, „schwere“ Stimme. Für mich bleibt sie genuin eine Opernsängerin, und sie benötigt tragische Rollen. Carmen – das würde passen. Nun ist sie gerade in dieser Rolle ausgebuht worden – aber ich möchte wetten, dass hier Inszenierung und Stimme nicht zusammen gingen; leider hat es keine zweite Inszenierung mit ihr gegeben.


    Der „unerfüllte Rest“ ist vorhanden, ist es aber nicht so, dass die Aufnahmetechnik zwar schon gut genug war, um hören zu lassen, dass dies eine unglaublich farbenreiche, voluminöse Stimme war, aber dennoch die Farben und das Volumen nicht wirklich einfing? Es ist schon richtig, dass die Sängerin immer die Kontrolle über die Stimme behielt, was aber gerade in ihrem Fall nicht mit Verzicht auf Emotion einherging, denn die Stimme selbst hatte davon ja so viel.


    Was würde ich geben für eine technisch hochmoderene Digitalaufnahme von „Forza del destino“ (bitte mit Martinelli, de Luca und Pinza), „Aida“ oder "Otello" (diesen, wenn irgend möglich, liebe Schallplattenfirmen, bitte mit Enrico Caruso und Titta Ruffo!!!) .


    Gruß
    Pylades

  • Hallo Pylades,


    danke für den Tipp mit der "Prima-Voce"-Reihe. Rosa Ponselle ist ja aus dem Vaudeville heraus entdeckt worden, und wenn ihre Stimme vielleicht auch ein wenig zu üppig für dieses leichte Fach ist, so würde mich dieses Repertoire bei ihr doch interessieren, gerade weil sie dank ihrer stupenden Technik die Stimme auch "leicht" führen konnte.


    Zitat

    Original von Pylades: Carmen – das würde passen. Nun ist sie gerade in dieser Rolle ausgebuht worden – aber ich möchte wetten, dass hier Inszenierung und Stimme nicht zusammen gingen; leider hat es keine zweite Inszenierung mit ihr gegeben.


    Ich denke auch, dass es eher an der Inszenierung lag, was von Christian hinsichtlich der "spießigen" Aufmachung ja schon angesprochen wurde. Irgendwo habe ich auch gelesen, dass sie mit dieser Rolle aus ihrem bisherigen Image "ausbrechen" wollte und die "Carmen" etwas zu demonstrativ ordinär angelegt hat - und das ist etwas, das meiner Meinung nach weder zur "Carmen" noch zur Ponselle passt. Ich könnte sie mir in dieser Rolle durchaus vorstellen - als dramatisch-energische Carmen mit einer üppigen und sinnlichen Stimme.


    :hello: Petra

  • Liebe Leute,


    danke zunächst für Eure Rückmeldungen.


    Ich wollte Ponselle überhaupt nicht die "Seele" absprechen - ihre Violetta ist etwa das direkte Gegenbeispiel. Es gibt aber auch einige Beispiele, in denen sie etwas zu glatt, zu rund wirken kann (stets am ex post etablierten Ideal gemessen): etwa als Aida. Der sängerische Standard ist jedoch stets so hoch, daß - außer ein paar Kritteleien - nur sehr wenige überhaupt auf annähernd gleichem Niveau vergleichbar sind.


    petra
    Henderson hat, soweit ich weiß, nur eine vergiftete Kritik nach Ponselles Debüt (eben mit dem Hinweis auf ihre glorreiche Stimme, die sie jetzt noch zu führen lernen müsse) verfaßt und danach zu den glühenden Bewunderern der Sängerin gehört.


    Zur Carmen: Ich glaube auch, daß sie noch eine Tournee mit der Carmen gegeben hat, auch nach der reservierten Aufnahme an der Met. Von der Stimmcharakteristik her empfinde ich den Grundton als zu rund, zu stark von der Belcanto-Schule und der Grandeur des Organs geprägt, als daß es für Carmen der richtige gewesen wäre. Das Explosive (oder auch das Schlummernde, wie bei de los Angeles) gerät Ponselle daher zur bloßen Geste, trotz ihres grundsätzlichen Charmes.



    LG,



    Christian

  • Sorry, ich wollte noch eines anfügen:


    Man kann auch zu Ponselles Zeiten einige Diven finden, die Nuancen, Fragilität etc. in ihre Rollen legten: Bori oder Muzio fallen mir spontan ein. Also denke ich, daß das Argument, das Ponselles Darbietungen in manchen Fällen diesen Zugriff abspricht, auch im historischen Kontext seine Berechtigung hat (Hendersons Kritiken gegen Rosa Raisa etwa bezeugen, daß nicht die Stimmpracht allein Maßstab war).


    Dennoch stimme ich Waldi zu, daß Ponselle pauschal als bloße Stimmbesitzerin abzutun völlig verfehlt wäre.


    LG,


    Christian

  • Noch eine Präzisierung:


    Ich habe gerade nochmal in meine angesprochenen Carmen-Aufnahmen geschaut. Ponselles Szenen sind Probeaufnahmen zu einem MGM-Filmprojekt von 1936, keine Aufnahmen aus der Oper. Daher kann ich natürlich nicht beurteilen, wie die Produktion on stage ausgesehen hat (die Kritiken und Szenenfotos dürften da aufschlußreich sein).
    Ponselle aber, vokal nicht wirklich gefordert und daher mit viel Freiheit zu chargieren, wirkt unbeholfen und plump (Schenkenszene und Habanera): viel Flamenco-Getrappel und Cinemascope-Grinsen und verruchtes (!) Tambourin-Geklingel am ganzen Körper. In der Habanera (etwa bei "il te tient") schmissig geballte Fäuste wie im Musikantenstadl oder bei Opa Hoppenstedt. Das Ganze wirkt mehr wie ein hyperaktives Dirndl vor dem nächsten Hansi-Hinterseer-Konzert.


    Außerdem ist der Ton zwar guttural genug, aber etwa die Deckung der Vokale ist immer noch die der alten Schule, sodaß eine feurige Unmittelbarkeit kaum aufkommt - es ist halt stets die Diva, die in ein Zigeunerkostüm gesteckt wurde.


    Der hauptsächliche Eindruck ist nicht der, daß ihr die Carmen eben nicht liegt, sondern daß es sich um eine sehr rasche Produktion ohne echte Rollenanlage handelt - die künstlerische Intelligenz der Sängerin reichte offensichtlich nicht aus, um das nicht mit sich machen zu lassen.


    LG,


    Christian

  • Zitat

    Original von Il Grande Inquisitore:
    Der hauptsächliche Eindruck ist nicht der, daß ihr die Carmen eben nicht liegt, sondern daß es sich um eine sehr rasche Produktion ohne echte Rollenanlage handelt - die künstlerische Intelligenz der Sängerin reichte offensichtlich nicht aus, um das nicht mit sich machen zu lassen.


    Bei youtube ist Rosa Ponselle mit Carmens Habanera zu hören - und zu sehen. Der erste Eindruck war für mich wirklich erschreckend, und das lag absolut nicht an ihrer vokalen Interpretation, sondern an der fürchterlichen Aufmachung und den gewollt plakativ-verruchten Gesten, die weder zur Stimme noch zur Persönlichkeit passen wollten: eine Mischung aus Carmen Miranda und Charley´s Tante.


    Ich habe danach die Augen geschlossen und mir das Ganze noch einmal angehört. Sicher- ihre Carmen mag vielleicht nicht die derjenigen Interpretinnen sein, die diese Rolle mit leichterer Stimme im Stil der Opéra comique sangen, sondern eine üppigere, sinnlichere Rollenvertreterin, aber meiner Meinung nach passt auch diese Stimme sehr gut zu der Rolle. Es ist einfach ein anderer Carmen-Typ, der vor dem Auge des Ohrs steht.


    Was ich aber höre - und was der eigenwilligen Gestik diametral gegenüber steht - ist dennoch ein leichter, ironischer Tonfall für die Habanera, der aber auch Gefährlichkeit impliziert. Verbunden mit der sinnlichen Stimme ist dies meiner Meinung nach durchaus ein sehr gestisches Singen, das mit entsprechender Aufmachung und sorgfältigerer Anlage der Rolle in Bezug auf die Gestik und Mimik sicherlich ganz anders herüber gekommen wäre, zumal Rosa Ponselle zusätzlich zu ihrer Prachtstimme ja eigentlich auch die optischen Qualitäten mitgebracht hätte.


    :hello: Petra

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  • Rosa Ponselles Liveaufnahme der Traviata aus der MET (05.01.1935) ist meines Erachtens nicht geeignet, ihren Ruf als "Wunder" zu bestätigen.



    Was mir vorher nicht bewusst war, hier aber auch schon anklingt, ist Ponselles eigenwilliges Pathos, das sie in diese Rolle einbringt: Das offenkundigste Beispiel ist die zweite Szene des zweiten Akts, in dem Ponselle nach Alfredos "Questa donna conoscete?" so lange hysterisch in dessen Solo hineinquengelt, bis es zuende ist. Als Kollege der Ponselle hätte ich mich da aber auch herzlich bedankt. Dazu kommen noch einige andere ähnliche Gestaltungsideen, die ich jetzt nicht kleinlich aufzählen will, die sich aber in der Summe doch zu einem Bild zusammenfügen. Oft verschleppt Ponselle auch das Tempo; Ettore Panizza am Pult lässt es mit sich machen.


    Das "Sempre libera" singt sie transponiert, um die Cs zu vermeiden. Gerade Angst vor hohen Tönen war es wohl, die sie zur Carmen bewegte. Insgesamt erscheint es mir bemerkenswert, dass eine Sängerin, die zentrale Rollen des eigenen Repertoires (Traviata, Norma, Aida) teilweise nur transponiert singen konnte oder wollte, sich den Ruf eines Stimmwunders erwerben konnte. Aber auch die Geläufigkeit, die sicher für eine derart dramatische Stimme gut ist, ist nicht ganz ideal. So werden die Verzierungen im "Sempre libera" doch eher mit Verve als Akuratesse angegangen.


    Dennoch gibt es einiges, das es an Ponselles Violetta zu bewundern gibt: ihr Legato, der Farbenreichtum der Stimme, die Intensität im "Addio del passato" zum Beispiel. Damit man mich nicht falsch versteht: Ponselle ist sicher keine schlechte Violetta, aber ein "Wunder" ist diese Aufnahme auch nicht. Besser als Ponselle gefällt mir in diesem Mitschnitt Lawrence Tibbett als Giorgio Germont. Der ist wirklich richtig gut!


    Einige einzelne Arienaufnahmen von Rosa Ponselle haben einen anderen Charakter. Hier ist vielleicht eher eine "zurückgenommene Noblesse" zu hören, die der Live-Traviata abgeht. Die satte Üppigkeit der "Suicidio"-Arie über alle Registergrenzen hinweg ist beeindruckend. Auch kommen in den Einzelaufnahmen die technischen Fähigkeiten Ponselles besser zur Geltung. So hatte sie anscheinend tatsächlich perfekte Triller, zum Beispiel zu hören in der Cabaletta ihrer Aufnahme der Arie aus dem ersten Ernani-Akt.


    Dass Ponselle so oft in eine Reihe mit Maria Callas gestellt wird, ist möglicherweise vor allem der Ähnlichkeit im Repertoire geschuldet. Einige stimmliche Gemeinsamkeiten gibt es aber auch mit Renata Tebaldi: das reiche, warme, eher dunkle Timbre, die Probleme mit der Höhe. Ponselle hatte freilich die bessere Agilität.


    Unverständlich, dass sie nicht die Tosca gesungen hat. Die Rolle hätte ihr meines Erachtens von Stimme und Ausdruck gut gelegen.

  • Die Frau ist für mich ein absolutes Wunder! Anfangs hat sie eine phänomenals Höhe gehabt. In der zweiten "Trovatore" Arie in einer Aufnahme von 1918 (1919?) legt sie ein müheloses Des (?) und einen lupenreinen Triller hin. Die Höhe ist ihr später abhanden gekommen und sie hat selbst gesagt, sie später lieber Santuzza oder Carmen gesungen hat, weil sie einfach angenehmer liegen. Sie hat zuletzt auf Adriana Lecouvreur bestanden, die ihr Gatti-Casazza verweigert hat. Sie hat zwischen Hollywood (für Carmen) und Met gepokert - und beides verloren. Es gibt eine hochinteressante Biographie von Andrew Farkas.
    Puccini hat sie (zu ihrem Leidwesen) nie auf der Bühne gesungen. Sie war an der Met abonniert für Norma, Vestalin, Africana und Verdi.
    Ihr Mißerfolg als Carmen lag jedenfalls glaube ich weniger an ihrer konservativen Rollenauffassung - sie als Sängerin war dem Publikum im Gegenteil zu ungewohnt, das sie in Belcanto"-Rollen kannte. Auch als Violetta war das Met-Publikum wohl eher Stimmen wie Lily Pons und Bori gewohnt. Stimmlich hört man jedenfalls auf den Mitschnitten keine gravierenden Mankos.
    Nächstes Mal mehr.

  • Liebe Taminos !



    Das Rosa Ponselle insgesamt schlecht weg kommt, das dürfte wesentlich auch mit daran liegen, dass wahrscheinlich niemand von uns diese Ausnahmekönnerin auf der Bühne gehört hat.


    Die Aussage von Tullio Serfain ( also kein Geringer ) gewinnt umsomehr an Bedeutung, weil seine Maria Callas ausdrücklich Rosa Ponselle als ihr grosses Vorbild bezeichnet hat.


    Ich bin sicher, dass auch Rosa Ponselle einiges anders in ihren Rollen akzentuiert hätte, wen sie heute sänge.


    Ihre Stimme alleine bleibt für mich unverändert ein Faszinosum ( wie das von Maria Callas oder Martha Mödl und Astrid Varnay oder Giulietta Simionato ).


    Höchste Kunst!


    Viele Grüsse ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Caruso hat sie 1917/18 bei einem Bekannten in dessen Gesangsstudio gehört und sich sehr für sie eingesetzt. Ihr Debüt in der schweren Rolle der Leonora in der Premiere von Forza del Destino (vor allem wenn man bedenkt, daß sie davor nur in Vaudeville aufgetreten ist und davor noch nie auf einer Opernbühne gestanden ist) war ein großes Risiko für den damaligen Direktor der Met Giulio Gatti-Casazza. Er soll gesagt haben: "Wenn dieses Mädchen kein Erfolg ist nehme ich das nächste Schiff zurück nach Italien."
    Ponselle war so nervös, daß Caruso sie auf der Bühne stützen mußte. Sie erzählte später: "Er war aber selbst ein Nervenbündel, rauchte vor der Vorstellung unzählige Zigaretten und zitterte bei unserem ersten Duett wie Espenlaub. "Sei nicht nervös, ich helfe Dir." flüsterte er mir während des Duettes zu. Es war "like the blind leading the blind".


    Hab noch ein paar Photos gefunden:



    Forza del Destino mit Caruso und Mardones


    http://nohway.files.wordpress.com/2009/04/ponselle1.jpg


    Carmen


    http://aprilemillo.files.wordp…6359_442908_1509653_n.jpg


    mit Martinelli


    http://img473.imageshack.us/img473/5351/rosanormajb4.jpg


    Norma


    http://www.metoperafamily.org/…e/ponsellepucchdl7108.jpg


    mit Puccini

    Einmal editiert, zuletzt von La Gioconda ()

  • Ja Ponselle - eines von Serafins "drei Wundern". Im aktuellen Callas-live thread wurde auf sie Bezug genommen, weil Callas sie einmal als "the greatest of us all" und als eines ihrer Vorbilder bezeichnet hat.


    Der Durchbruch
    Debütiert hat sie 1918 in der anspruchsvollen Rolle der „Forza del Destino“-Leonora. Gleich an der Met, am damals neben der Mailänder Scala wichtigsten Opernhaus der Welt, neben Caruso und einer erstklassigen Besetzung. Von Beginn an in der „big league“, also.
    Zuvor war sie noch nie auf einer richtigen Opernbühne gestanden, sondern war zusammen mit ihrer älteren Schwester Carmela als Gesangsduo im Vaudeville erfolgreich durch die Lande getingelt. Der Impresario William Thorner, der auch ein Gesangsstudio besaß, wo immer wieder berühmte Sänger zu Besuch waren, gab Carmela Ponzillo Gesangsunterricht. Bei einer dieser Gelegenheiten waren Caruso oder Titta Ruffo (Berichte gehen diesbezüglich auseinander) anwesend, hörten auch Rosa singen und attestierten ihr das weit größere Talent als ihrer Schwester. Thorner verschaffte ihr Kontakte zur Metropolitan Opera, wo Caruso sie förderte und den Direktor Giulio Gatti-Casazza darin bestärkte ihr eine Chance zu geben. Innerhalb von nur zwei Wochen lernte Rosa Ponselle die für sie völlig neue Partie der Leonora, was allerdings nur möglich war, weil sie abgesehen von ihrer phänomenalen Stimme auch eine exzellente Musikerin war. Sie konnte tadellos vom Blatt Klavier spielen und brachte somit alle Voraussetzungen mit, die ein solches Husarenstück erfordert. Und über Nacht wurde sie damit weltberühmt. Der Erfolg war trotz der Einschränkungen einiger Kritiker sehr beachtlich und die nächsten großen Rollen folgten schnell. Sie war laut eigener Aussage zu Beginn ihrer Karriere „eine Primadonna ohne Repertoire“, berichtet sie in der hochinteressanten Biografie (Rosa Ponselle: A Centenary Biography by James A. Drake) und das Arbeitspensum und der Druck während der ersten Jahre waren enorm.


    Die großen Jahre
    1919 bis 1926 sang sie weitere umjubelte Partien (u. a. Santuzza in der Cavalleria rusticana, die Rezia in Carl Maria von Webers Oberon, die Elisabetta in Verdis Don Carlos, die Mathilde in Rossinis Wilhelm Tell, Elvira in Ernani oder die Gioconda – meistens mit Giovanni Martinelli). 1927 kam ihre wohl beste Partie: Die Titelrolle in Vincenzo Bellinis Norma. Serafin scheint in ihr schon recht früh eine potentielle Norma-Stimme gehört zu haben und hatte sie vorerst mit „L´Africana“ und vor allem mit der Giulia in „La Vestale“ langsam an die Norma herangeführt.
    Die Norma wurde Ponselles Visitenkarte und war an der Met und auf Met-Tourneen immer wieder gefragt. Gerade diese anspruchsvolle Rolle aber verlangte ihr immer soviel ab („it´s easy if you sing it wrong“, sagte Zinka Milanov einmal. „Priesterin, Geliebte, Mutter, Rivalin“ all das emotional überzeugend darzustellen und gleichzeitig die unglaublichen gesanglichen Ansprüche diszipliniert zu erfüllen bezeichnete sie als Riesen-Herausforderung), sodass sie versuchte die Normas zugunsten stimmlich weniger anspruchsvoller Rollen (wie etwa Santuzza oder die Puccini Rollen, die aber anderen Sängerinnen vorbehalten waren) und vor allem den finanziell weitaus lukrativeren Konzert-Auftritten und Konzert-Tourneen zu verringern. Obwohl sie an der Met echten Primadonna-Status genoss, empfand sie sich doch als etwas unter ihrem Wert gehandelt. Sie war als eine von damals noch wenigen amerikanischen Sängerinnen ohne Erfolge im Ausland und ohne dementsprechenden Star-Status an die Met gekommen. Diese internationale Komponente fehlte ihr noch.

  • Internationale Gastspiele
    Warum ist sie selbst unter Liebhabern von historischen Sängern (zumindest in Europa) nicht so präsent? Dazu mag beigetragen haben, daß sie in Europa zwar durch ihre Platten eine gewisse Bekanntheit erlangt hat, hier aber kaum aufgetreten ist.
    Von 1929 bis 1931 sang Ponselle drei Spielzeiten in London am Covent Garden im Royal Opera House wiederum die Norma, als auch die Rolle der Violetta in La Traviata und La Gioconda (?). Auch die Auftritte in London waren große Erfolge für Ponselle. 1933 gab sie ihr einziges Gastspiel in Italien. Am Opernhaus in Florenz als Giulia in La Vestale von Gaspare Spontini.
    Das waren soviel ich weiß ihre einzigen Vorstellungen in Europa. An die Mailänder Scala hat sie sich eigenen Aussagen nach wegen des überkritischen Publikums und der hohen Erwartungen nicht „getraut“. Es gibt Gerüchte, dass sie ursprünglich für die „Aida“ Gesamtaufnahme mit Aureliano Pertile geplant war, bei der dann Dusolina Giannini zum Zug kam.


    Früher Rückzug
    Etwa 15 Jahre lang war Rosa Ponselle die große Primadonna der Met. Zurückgezogen hat sie sich leider schon 1937, sie war gerade erst 40 Jahre alt:
    Einerseits aus Trotz gegen das Management, das ihr die stimmlich angenehme „Adriana Lecouvreur“ verweigert hatte und andererseits deshalb, weil ausgerechnet ihre Wunschrolle "Carmen" bei der Kritik ziemlich durchgefallen war. Auch ergab sich zu genau dieser Zeit die Chance in Hollywood eine „Carmen“-Verfilmung zu realisieren. Sie spielte die Met und die Hollywood Filmstudios so lange gegeneinander aus, bis beide Seiten frustriert und verärgert das Handtuch warfen und Ponselle zwischen zwei Stühlen saß und ihre Karriere nicht ganz freiwillig beendete. Sie hatte zu dieser Zeit auch geheiratet und wollte wohl nun auch ihr Privatleben mehr genießen.



    "Nachfolgerin" Zinka Milanov
    Wie es der Zufall wollte, hielt aber gerade im Jahr ihres Rückzuges -unbewusst- bereits ihre direkte "Nachfolgerin" an der Met Einzug: Zinka Milanov, geborene Kunc, eine Jugoslawin, die in ihrer Heimatstadt Zagreb bereits alles gesungen hatte, was einem Sopran nur zuzumuten war. Und die bei Gastspielen in Dresden, Prag, Wien und Salzburg schon für internationales Aufsehen gesorgt hatte. Eigentlich waren sie nur neun Jahre auseinander: die 1897 in Connecticut geborene Rosa Ponselle (1897-1981) und die in Zagreb zur Welt gekommene Zinka Milanov (1906-1989). Dennoch verliefen ihre Karrieren sehr unterschiedlich, dauerte die der Milanov doch fast doppelt so lange wie jene von Rosa Ponselle.
    Milanov wollte sich an der Met nur noch auf das Repertoire konzentrieren, das ihr wirklich lagt. Und das war auch tatsächlich ihr Erfolgsrezept für die nächsten fast drei Jahrzehnte. 14 Rollen hat Zinka Milanov in dieser Zeit als Met-Ensemblemitglied in insgesamt 446 Vorstellungen gesungen. Dem gegenüber stehen 411 Auftritte von Rosa Ponselle in „nur“ 19 Spielzeiten, allerdings in 25 Rollen.

  • Heute vor 30 Jahren ist sie, 84jährig, in Amerika gestorben:




    Ponselle, Rosa
    (d.i. Rosa Ponzillo), amerikan. Sopran ital. Herkunft, * 22.1.1897 Meriden, † 25.5.1981 New York.



    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Robert Merrill schildert in seinen Memoiren eine hübsche Anekdote über Rosa Ponselle (ich glaube, von seinem Met-Debut):


    "I will move towards you", wies sie den noch unbekannten Bariton an; "never move towards me."


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose

  • Heute jährt sich wieder einmal der Todestag von Rosa Ponselle. Sie starb am 25.05.1981.


    Ich höre gerade die u. a. CD von ihr. Großartig die Szenen aus Verdis "Aida" mit Giovanni Martinelli als Partner.

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Nach langer Zeit höre ich mal wieder eine der größten Sopranstimmen aller Zeiten. Wie Manfred schon 2015 erwähnt, ist ihre AIDA mit Martinelli großartig. Aber noch mehr fasziniert mich ihre NORMA:


    W.S.

  • Lieber Kolleginnen & Kollegen von Historischen Aufnahmen


    Hier finden sich zwei digitalisierte Aufnahmen von Rosa Ponselle,


    http://pool.publicdomainprojec…x.php/Columbia-7340-49558
    https://pool.publicdomainproje…x.php/Columbia-7340-49571


    Aufgenommen noch „mechanisch“, so um 1918 - die Tonqualität ist daher „sehr historisch“; die (FLAC) Dateien sind weitgehend unbearbeitet, quasi „Original-Kopien“ der Schellackplatten.


    In diesem Public Domain Project finden sich noch viele weitere Titel, deren Urheberrechte abgelaufen sind. Alle können runtergeladen werden, Z.B um selber noch mit Klang- Korrekturen etwas nachzuhelfen.


    Gruss


    Urs




    PS: Ich hoffe, diese Links verstossen nicht gegen "Forumsrecht"..... ??