Das Milton-Jahr 2008

  • Hallo, werte Kulturfreunde! :hello:


    Der wohl bedeutendste Geburtstag, der dieses Jahr als rundes Jubiläum zu feiern ist, ist der 400ste John Miltons (9. Dezember 1608 - 8. November 1674).
    John MIlton ist einer der großen Dichter der Weltliteratur und nach Shakespeare der wichtigste Literat, der von der Insel kommt.



    Ich habe mir vorgenommen, das Milton-Jahr mit der Lektüre seines berühmtesten Werkes "Paradise Lost" zu feiern. Sein Spätwerk (1667) "steht am Ende einer europäischen Epentradition, die mit Homer beginnt und mit Miltons religiöser Dichtung einen abschließenden Höhepunkt findet" (so Harenbergs Buch der 1000 Bücher).
    Nachdem er sein Vermögen im Bürgerkreig und sein Haus im großen Brand von London (1666) verloren hatte, wendete sich der mittlerweile gänzlich erblindete Dichter religiösen Themen zu und schuf nach "Paradise Lost" (das vom Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies handelt) noch "Paradise Regained" (über die Versuchung Christi in der Wüste).


    Ich habe freilich nicht vor, "Paradise Lost" im Original zu lesen, sondern werde das übersetzte "Das verlorene Paradies" lesen. Wer möchte noch mitmachen und dieses neben Dantes "Divina Commedia" bedeutendste christliche Epos der Weltliteratur dieses Jahr lesen (auf deutsch oder englisch)?
    Euch schrecken doch etwa 10565 puritanische Blankverse nicht ab?


    Es soll keine Vorschriften im Lesetempo geben, und jeder kann anfangen und aufhören, wann er will - ich selbst werde das Werk über das ganze Jahr verteilt lesen. Ich hoffe, daß sich einige beteiligen und eine interessante Diskussion zustande kommt. Da wir nicht parallel lesen, kann jederzeit über jeden Teil des Werkes diskutiert werden (ich weiß, das wird etwas chaotisch, aber hoffentlich bleiben zumindest Offtopics aus...) - dabei kann natürlich auch mitduskutieren, wer das Werk schon früher mal gelesen hatte und es nicht nochmal lesen will (ich werde es sicher auch nur das eine Mal lesen).
    Ich selbst werde Mitte März anfangen.
    Ich frage aber jetzt schonmal vorsichtig: Wer ist mit dabei? :yes:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Da bin ich glatt dabei... Das hat mich schon immer gereizt, jetzt habe ich endlich einen Anlass und entsprechenden Gruppendruck :D


    Prima! :yes:
    Lesen wir also, wie sich Dein biblischer Artgenosse im Apfelbaum geschlängelt hat... :D

  • Hallo, Blackadder!


    Also, dann fangen wir mal an. :yes:
    Da ich recht langsam lese und nicht immer Zeit habe, wird sich die Lektüre wohl über etliche Monate hinziehen. :rolleyes:
    Ob wir hier diskutieren oder per Mail, das sehen wir dann noch.
    Leider gibt es nicht mal einen Dritten im Bunde. :(


    Ich lese die Reclam-Ausgabe:



    Und Du?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Lieber Pius, lieber Blackadder


    ich habe vor langer Zeit einmal mit dem "verlorenen Paradies" begonnen, bin jedoch nie bis zum zweiten Gesang bzw. Buch gekommen. Ein Gruppenzwang - wie es Blackadder bezeichnet - würde mich schon anspornen, einmal weiterzulesen. Nur fürchte ich, dass ich als Laie wenig zu einer anspruchsvollen Diskussion beitragen könnte. Wenn aber mein dürftiges Literaturverständnis akpeztiert wird, würde ich mich gerne beteiligen.


    LG


    Emotione

  • Zitat

    Original von Pius
    Da ich recht langsam lese und nicht immer Zeit habe, wird sich die Lektüre wohl über etliche Monate hinziehen.


    Prima, das gibt mir Gelegenheit, fünfundzwanzig andere Bücher nebenher zu lesen, ich fürchte, Milton alleine würde meiner Psyche nicht gut tun :D


    Ich hab auch die Reclam-Ausgabe und zur visuellen Stimulierung ein paar höllische Pin-Ups dazugelegt



    Liebe Emotione, herzlich willkommen, niemand sprach von einer anspruchsvollen Diskussion, vor allem nicht, wenn ich Milton lese. :D

  • Zitat

    Original von Pius
    Ich lese die Reclam-Ausgabe:




    Hallo,


    nachdem ich festgestellt habe, dass der Milton auf Deutsch nicht in meinem Bücherschrank steht, habe ich ihn umgehend geordert. Ich mache bei der Pilgerschaft mit, sobald mein Exemplar eingetroffen ist.


    Liebe Grüße Peter

  • Na gut, das Buch werde ich mir auch besorgen, was mich aber noch nicht zu einer Mitarbeit festnagelt oder gar zu der obszönen Verpflichtung, das Buch auch lesen zu müssen.


    :D :hello:

  • Zitat

    Ich mache bei der Pilgerschaft mit, sobald mein Exemplar eingetroffen ist.


    Bunyans The Pilgrim's Progress ist dann der eigentliche puritanische Klassiker... ;)



    Eine englische Ausgabe mit ausführlichen Anmerkungen findet sich online:


    "http://www.dartmouth.edu/~milton/reading_room/pl/book_1/index.shtml"


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Emotione!


    Zitat

    Original von Emotione
    ich habe vor langer Zeit einmal mit dem "verlorenen Paradies" begonnen, bin jedoch nie bis zum zweiten Gesang bzw. Buch gekommen. Ein Gruppenzwang - wie es Blackadder bezeichnet - würde mich schon anspornen, einmal weiterzulesen. Nur fürchte ich, dass ich als Laie wenig zu einer anspruchsvollen Diskussion beitragen könnte. Wenn aber mein dürftiges Literaturverständnis akpeztiert wird, würde ich mich gerne beteiligen.


    Ich fände es prima, wenn Du auch mitliest! :hello:
    Zumindest Blackadder und ich sind auch nur Hobbyliteraten und Laien auf dem Gebiet. Besonders abgehoben wird die Diskussion hier wohl nicht werden, das ist auch nicht der Sinn der Sache.
    Ein paar literarische Querverweise seien mir aber erlaubt (wenn mir schonmal was schlaues einfällt :rolleyes: ).
    Sprach- und Stilanalysen oder vergleichbar "Trockenes" werde ich ganz sicher nicht machen (u.a. da ich davon keine Ahnung habe).


    Viele Grüße,
    Pius.


    P.S.: Es scheint, als könnten wir das nächste Frankfurter Treffen zum Lesezirkel umwidmen. :D

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  • Hallo nochmals!


    Ich habe erst ein paar Zeilen gelesen, möchte aber bereits meinen ersten Eindruck hier loswerden:


    Bereits das Vorwort zu Paradise Lost ist köstlich. Einen Teil daraus trage ich nun vorübergehend als Signatur. Milton erklärt auf recht süffisante Weise, warum sich in seinem Versepos die Verse nicht reimen bzw. warum er den Endreim für überflüssig hält.
    Das Vorwort und die Zusammenfassungen zu Beginn der einzelnen Bücher waren übrigens in der Erstausgabe von 1667 noch nicht drin, sondern erst ab 1668.


    Die ersten paar Zeilen des ersten Buches habe ich auch schon gelesen. Milton bittet jene Muse, die Moses beistand, als er den Israeliten die Gischichte ihres Volkes erzählte, nun bei seiner Geschichte vom verlorenen Paradies auch ihm beizustehen.
    Das ist insofern verblüffend, als daß ich in einem christlichen Epos keine Musen erwartet hätte. Milton lehnt sich hier eher an Homer an – Beginn der Ilias: „Künde, o Muse...“.


    Fazit: So kanns weitergehen! :yes:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Ich zumindest hab mir vorgenommen, neben Milton auf jeden Fall des öfteren in Pepys' geheime Tagebücher hineinzuschauen, fällt die Veröffentlichung von "Paradise Lost" doch in die Zeit, in der letzterer ungeschminkt über sein Leben referiert. Ein weiterer Effekt: Man kann den historischen Kontext aus erster Hand erfahren... (außerdem hab ich Angst, dass Milton alleine mich mürbe macht :lips: )

  • Kann es sein, dass Milton tatsächlich die Odyssee als Anhaltspunkt für den Aufbau des Epos nahm? Dafür spräche auch die Gliederung in Gesänge. Im ersten Gesang (wobei in der deutschen Übersetzung Gesang, im Original jedoch Buch steht) gebraucht er mehrmals die Formulierung "künde mir" oder "melde mir" Muse. Ich habe heute den ersten Gesang wieder einmal "ins Unreine" gelesen. Er nimmt häufig Bezug auf die Mythologie. Eventuell um den damaligen Zeitgeist zu bedienen?


    Jedenfalls freue ich mich, dass jetzt doch mehr Taminos mitmachen und hoffe, dass ich dieses Mal weiter komme als zum ersten Gesang.


    @ Blackadder
    sind die Tagebücher Pepys, die ich nicht kenne, hilfreich? Oder dienen sie nur der Entspannung während der Lektüre des doch sehr puritanischen Milton.


    LG
    :hello:


    Emotione

  • Hallo, Emotione!


    Zitat

    Kann es sein, dass Milton tatsächlich die Odyssee als Anhaltspunkt für den Aufbau des Epos nahm? Dafür spräche auch die Gliederung in Gesänge. Im ersten Gesang (wobei in der deutschen Übersetzung Gesang, im Original jedoch Buch steht) gebraucht er mehrmals die Formulierung "künde mir" oder "melde mir" Muse. Ich habe heute den ersten Gesang wieder einmal "ins Unreine" gelesen. Er nimmt häufig Bezug auf die Mythologie. Eventuell um den damaligen Zeitgeist zu bedienen?


    Im Aufbau sehe ich keine direkten Bezüge zur Odyssee (nichtmal die Anzahl der Bücher ist glecih, bei Homer sind es 24). Daß Milton sich an Homer (und Vergil) stilistisch orientiert, schreibt er ja bereits zu Beginn des Vorworts:


    Das Metrum ist englischer heroischer Vers, wie das griechische Homers und das lateinische Vergils ohne Reim.


    Auch ansonsten ist das Vorbild Homer präsent, z.B. in dem von Dir angesprochenen Anrufen der Musen (IIRC hatte Vergil keine Musen nötig :D ).


    Der Bezug auf die griechische Mythologie im ersten Buch ergibt sich schon aus der Tatsache, daß sie der christlichen Mythologie sehr ähnelt und sich dadurch Bezüge anbieten:
    Kampf der Titanen gegen die Götter - Kampf der "bösen" Engel gegen Gott
    und
    Bestrafung der Titanen durch Verbannung in die Unterwelt (IIRC wurde der Ätna auf sie draufgeschmissen) - Bestrafung der Engel analog (ohne Ätna)


    Allerdings standen die Titanen in der griechischen Mythologie nicht mehr auf, die gefallenen Engel um Satan hingegen schon.


    Ob es damals Mode war, antike Bezüge herzustellen, weiß ich nicht, ich denke aber: nein. Dies war wohl eher typisch für die Klassik, weniger für die Barockzeit.


    Zudem bedient sich Milton nicht nur am greichisch-römischen Mythos, sondern (natürlich) auch an der Bibel (besonders häufig kommen im ersten Gesang Gleichnisse aus der Moses-Geschichte vor), aber auch an der orientalischen Antike. Die gefallenen Engel sind nach altbabylonischen, altarabischen, altwasweißichwelchen (ist nun wirklich nicht mein Gebiet; die Kommentare im Reclam-Anhang geben zumindest Anhaltspunkte) Gottheiten benannt.



    Ich schließe meine soweit (erstes Buch bis Vers 540) gewonnen Eindrücke mit einem interessanten Zitat ab (erstes Buch, ab Vers 244):


    ...Und hätte nie auch nur der Kopf noch sich
    Daraus erhoben, hätts der Himmel nicht,
    Der allgewaltige, gewollt und ihm
    Erlaubt, nur frei zu walten seiner Ränke,
    [...]
    Damit er schließlich wutentbrannt erkenne,
    Wie alle seine Bosheit nur gedient,
    Unendlich Gutes, Gnade und Vergebung
    Hervorzubringen für den Menschen, den
    er eins verführte, ...



    Erinnert uns das nicht an folgendes aus Goethes Faust:


    Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
    Erlaubt ihr mir Triumph aus voller Brust.
    Staub soll er fressen, und mit Lust,
    Wie meine Muhme, die berühmte Schlange


    -


    Du darfst auch da nur frei erscheinen;
    Ich habe deinesgleichen nie gehaßt.
    [...]
    Des Menschen Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen,
    Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
    drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,
    der reizt und wirkt, und muß, als Teufel, schaffen.


    (Anfrage bzw. Wette Mephistos und Antwort des Herrn)



    Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.


    (Selbstbeschreibung Mephisto)


    Über die Welt- und Gottesbilder, die man daraus ableiten kann, sollten wir dann bei Gelegenheit diskutieren.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo!


    Zunächst nochmal zum formalen Bezug zu antiken Epen: Im Kindler steht folgendes:


    Zitat

    Besonders stark ausgeprägt ist der formale Einfluß, den Vergils Aeneis auf das Werk ausübte.
    Wie Vergil wählt Milton den Beginn in medias res und holt in langer Rückschau die Vorgeschichte nach.
    Die Einteilung in zwölf Bücher, die feierlichen Musenanrufe, der häufige Szenenwechsel und die ausführlichen Schlachtbeschreibungen sind nur einige der zwischen beiden Werken bestehenden Parallelen.


    Da habe ich mich also anscheinend geirrt, als ich eher Homer als Vorbild ausgemachtz hatte. Es ist wohl schon zu lange her, daß ich die Aeneis gelesen habe...



    Inzwischen habe ich das erste Buch gelesen.
    Etwas, daß noch etwas diffus bzw. unklar bleibt, sind Teile des Inhalts von Satans Rede an sein Heer.
    In der Zusammenfassung des ersten Buches schreibt Milton:


    Zuletzt erwähnt er jedoch die Erschaffung einer neuen Welt und einer neuen Art von Geschöpf, nach einer im Himmel gehörten Prophezeiung oder Sage.


    Ich vermute mal, daß damit die Schöpfung des Menschen bzw. der Menschenwelt gemeint ist. Das wird aber wahrscheinlich noch klar werden im Verlauf des Epos.
    Der Zusatz:


    Denn daß es lange vor dieser sichtbaren Schöpfung Engel gab, war die Meinung vieler Kirchenväter.


    ist dann wohl eine Legitimation Miltons, warum die Handlung des "Verlorenen Paradies" teils vor der Schöpfung spielen kann.



    @Johannes: Vielen Dank für den link auf die englische Übersetzung. Leider mußte ich feststellen, daß die Versangaben (und Versanzahlen) dort mit meiner Übersetzung nicht übereinstimmen - bei mir sind es z.B. im ersten Buch 978 Verse, im Englischen nur 798.
    Aber wenn man eine Stelle sucht, dann findet man sie schon.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Da habe ich mich also anscheinend geirrt, als ich eher Homer als Vorbild ausgemacht hatte.


    Ich denke nicht, dass Du Dich geirrt hast. Beide gelten als Miltons Vorbilder und die Aeneis ist von Homer beeinflusst, insofern von mir trotzdem volle Punktzahl :lips:

  • Hallo,


    jetzt habe ich endlich den ersten Gesang intensiv gelesen. Zunächst einmal, obwohl nicht zum Thema passend, erinnert mich die Sprache oft, besonders wenn Milton poetisch wird, sehr an Shakespeare.


    Mein Eindruck ist auch, dass Milton den Sturz der Engel vor der sichtbaren Schöpfung schilderte.


    Wörtlich heißt es ab Vers 785:
    "Der Raum vielleicht gebiert sich neue Welten,
    aus denen, wie im Himmel ruchbar ward,
    ein neu Geschlecht, wie er's im Schilde führt,
    erschaffen werden soll und dort verpflanzt,
    den Himmelssöhnen gleich geachtet würde als Auserkorene.


    Interessant für mich ist die Schilderung des Baus von Pandämonium. Dieser Palast erinnert mich fatal an Speers Germania. Sollte er vielleicht das Buch gelesen haben?


    :hello:


    Emotione

  • Nachdem das erste Buch ich nun vollendet,
    erkühn ich mich und bitt' um Milde wenn
    ich in den Wein des ernsten Vortrags Wasser gieße-


    Nach der Schilderung all der höllischen Gefährten bin ich der Ansicht, dass Tolkien seinen Milton gut kannte :D

  • Hallo, Emotione und Blackadder!


    Zitat

    Interessant für mich ist die Schilderung des Baus von Pandämonium. Dieser Palast erinnert mich fatal an Speers Germania.


    Oder an den Petersdom. :stumm::stumm:


    Wir haben es hier wohl zu einem Gegenentwurf zur Kirche Gottes in der Menschenwelt zu tun (oder zum Himmelspalast? IIRC wurde im ersten Buch nicht erwähnt, wie Gott so haust - nur von einem "Thron" war mal die Rede).


    Ob Babel, Speer, dieses Pandämonium oder... - Größenwahnarchitektur sieht sich wohl stets ähnlich. :D


    Zitat

    Nach der Schilderung all der höllischen Gefährten bin ich der Ansicht, dass Tolkien seinen Milton gut kannte


    Den Herrn der Ringe hatte ich nie gelesen. Ist Tolkiens Beschreibung der Kreaturen Milton so ähnlich? Wie weiter oben bereits gesagt, bedient Milton sich ja heidnischer Götter des nahen Ostens für seine Satanstruppe.


    Viele Grüße,
    Pius.

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  • Hallo!


    Mein 2500. Beitrag gilt John Milton.
    Irgendwie scheint die Diskussion nicht recht in Gang zu kommen. Etwas Provokatives gefällig?
    Gerade heute las ich folgende Zeilen aus der Mitte des zweiten Buches (bei Reclam Verse 631ff und 650ff):


    Denn auch die Geister, die verdammt, verlieren nicht ganz die Tugend.
    Auf daß schlechte Menschen auf Erden der eignen schönen Taten sich rühmen, die der eitle Ruhm nur weckte...


    Oh, Schande über Menschen! Teufel halten in Eintracht fest zu ihren Mitverdammten, und nur die Menschen leben stets entzweit von allen Wesen, die Vernunft besitzen...


    ...und überziehn die Erde grausam mit Kriegen, um sie zu verheeren und um sich gegenseitig umzubringen, wie wenn (was uns zur Eintracht führen sollte) der Mensch nicht sonst genug von Höllenfeinden zahllos umgeben wäre, Tag und Nacht, die allzumal auf sein Verderben lauern.


    Da steht doch zwischen den Zeilen eine klare Aussage: Satan und seine Höllenkumpel sind moralisch höher anzusiedeln als die Menschen.
    Und die Menschen wiederum machen auch von sich aus Böses, nicht erst durch den satanischen Einfluß.
    Das haben die Kleriker damals bestimmt gerne gelesen... :D
    Was meint ihr?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo!


    Heute habe ich gelesen, wen Satan an den Höllentoren so alles trifft - die Verwandtschaft, wie sich herausstellte. 8o
    Also, die Sünde als Tochter Satans scheint mir nachvollziehbar. Aber warum ist der Tod der Sohn der Sünde? Diese Symbolik begreife ich nicht. Der Tod sollte doch ein der Sünde übergeordetes, viel älteres Prinzip der Schöpfung sein? ?(
    Sehr interessant finde ich, wie der Tod beschrieben ist. Das könnte auch aus einem modernen Schauerroman oder Horrorfilm stammen. Die Leute damals haben sich beim Lesen sicher zu Tode erschreckt. :D


    Die Idee der Kopfgeburt kommt ja schon bei den alten Griechen vor (IIRC ist Apollo eine Kopfgeburt des Zeus); auch sonst erinnert mich diese Götterverwandtschaft und das muntere Treiben in der Verwandtschaft ersten Grades an die Zustände im Olymp.
    Zu Überlegen wäre aber auch eine Parallele zum christlichen Gottesverständnis. Kann man soweit gehen, zu sagen, Satan, die Sünde und der Tod bilden den Gegenentwurf zur heiligen Dreifaltigkeit im Himmel? Die geschilderten Zeugungen liegen IMO zumindest nahe am chrtistlichen Emanationsmythos.


    Leider habe ich im Internet Goethes "Kosmogonischen Mythos" nicht gefunden, in dem Goethe seine Version des Emanationsmythos wiedergibt (IIRC aber auch arg bei Plotin abgekupfert). Der Vergleich wäre sicher interessant, da Milton und Goethe da ähnliche Vorstellungen gehabt zu haben schienen.
    Bekanntlicherweise ist in Goethes Faust der Mephistophiles als Höllenkreatur eine echte Charakterrolle, vergleichbar mit dem Satan bei MIlton.
    Auch die Idee der hierarchischen Höllenwelt gibt es bei Goethe. Es klingt in der Walpurgisnachtszene an, daß mephisto nicht die No. 1 in der Hölle ist, sonder einer der handlanger des Höllencheft - "Herr Urian sitzt obenauf" (Vers 3959).


    Vielleicht kann einer der Literaturexperten hier (Perer B. ?) den Kosmogonischen Mythos von Goethe auftreiben. Ich habe ihn hoffentlich auch noch irgendwo rumliegen, weiß aber nicht wo.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo,


    ich habe das so verstanden, dass Sünde zwar Tochter und Buhlschaft und der Tod Sohn des Satans genannt werden. da sie jedoch bereits vor der Schöpfung existierten und es noch keine Zeit gab, könnte das durchaus ein Gegenentwurf zur Dreifaltigkeit sein.


    Der Tod als älteres Prinzip der Schöpfung leuchtet mir nicht so ganz ein, war es nicht die Sünde, die Eva verführte und erst danach durch die Vertreibung aus dem Paradies der Mensch sterblich wurde?


    Sünde und Tod folgen Satan ja dann auch auf seinem Weg zum Himmel.


    Soviel ich erinnere, ist Apollo der Sohn von Zeus und Leto. Die Kopfgeburt ist, wenn ich nicht irre, Athene. Ich habe das zweite Buch gelesen, würde mich aber sehr über Erläuterungen freuen, bevor ich weiterlese.


    LG :hello:


    Emotione

  • Zitat

    Original von Emotione
    Der Tod als älteres Prinzip der Schöpfung leuchtet mir nicht so ganz ein, war es nicht die Sünde, die Eva verführte und erst danach durch die Vertreibung aus dem Paradies der Mensch sterblich wurde?


    So gesehen hast Du recht, ja. Hätte mir auch einfallen können/sollen...


    Zitat

    Soviel ich erinnere, ist Apollo der Sohn von Zeus und Leto. Die Kopfgeburt ist, wenn ich nicht irre, Athene.


    :O :O


    OK, ab sofort schlage ich nach, bevor ich hier was schreibe...


    Zitat

    Ich habe das zweite Buch gelesen, würde mich aber sehr über Erläuterungen freuen, bevor ich weiterlese.


    Wenns was zu besprechen gibt, dann diskutier den Punkt einfach an. Vielleicht locken wir so auch Blacky aus der Reserve. :hello:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo,


    nach den ersten beiden Büchern kann ich nicht verhehlen, dass mir die Höllenbande eigentlich gar nicht so unsymphatisch ist. Man kann direkt Mitleid mit ihnen haben. Es wird niemals klar ausgesprochen, was denn nun der wirkliche Grund des Sturzes war. Zumindest bisher erscheint mir der Allmächtige doch ziemlich despotisch und grausam geschildert.


    Mein armes Gehirn hofft auf baldige professionelle Hilfe. :baeh01:


    :hello:


    Emotione

  • Zitat

    Original von Pius
    Vielleicht locken wir so auch Blacky aus der Reserve


    Zitat

    Sehr interessant finde ich, wie der Tod beschrieben ist. Das könnte auch aus einem modernen Schauerroman oder Horrorfilm stammen. Die Leute damals haben sich beim Lesen sicher zu Tode erschreckt. :D


    Ich gehe davon aus, dass ein großer Teil des Erfolges darin begründet liegt. Dieser wohlige und etwas zweifelhafte Grusel, der bei "Paradise Regained" dann wohl nicht mehr vorhanden war. Die Guten oder das Gute ist eben irgendwie immer langweilig, die Bösen faszinieren immer mehr. Und wenn man das vor allem genüsslich ausbreitet, dann macht das schon Effekt. Natürlich nur, um die Menschen zum Guten anzuhalten ;)


    Und wenn man dann noch Sympathie für dieses Höllenvolk empfindet, dann ist man halb schon in Satans Reich. Geh in Dich, Emotione

  • Bis jetzt bin ich ja nur in der Vorstufe zur Hölle. Nach dem zwölften Buch bin ich dann geläutert oder bekehrt oder auch nicht :O


    Mal abwarten und Lethewasser trinken.


    :hello:


    Emotione

  • Hallo, Emotione!


    Zitat

    Original von Emotione
    Es wird niemals klar ausgesprochen, was denn nun der wirkliche Grund des Sturzes war.


    Doch, es wird mehrfach erwähnt, daß Satan & Co. sich gegen Gott aufgelehnt hatten, um selbst mehr Macht zu erringen - sozusagen eine Meuterei der Engel (irgendwo steht, daß es ein Drittel aller Engel war).


    Ich bin jetztz übrigens auch mit dem zweiten Buch fertig.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Pius,


    das stimmt schon, es steht aber auch, dass sie einer einzigen Beschränkung wegen vom Schöpfer abfielen. Die Art dieser Beschränkung ist nicht definiert. Hierzu fehlt mir jeder Hinweis.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Hallo, Emotione!


    Zitat

    Original von Emotione
    Hallo Pius,


    das stimmt schon, es steht aber auch, dass sie einer einzigen Beschränkung wegen vom Schöpfer abfielen. Die Art dieser Beschränkung ist nicht definiert. Hierzu fehlt mir jeder Hinweis.


    Bitte zitiere doch die Stelle oder nenne mir die Zeile. Dann werde ich versuchen, in diese Passage etwas hineinzuinterpretieren. :rolleyes:


    Wie sich zu Beginn des dritten Buches zeigt, war es nicht die Beschränkung, sondern umgekehrt, die Freiheit (nämlich auch Böses zu tun), die Gott den Himmelsgeschöpfen (und später auch den Menschen) eingeräumt hatte, die Satan und einen Teil der Engel einen Aufstand gegen Gott betreiben ließ.


    Ansonsten kann ich mir nur die allgemeine Beschränkung vorstellen, daß eben Gott allmächtig ist und sonst keiner.


    Viele Grüße,
    Pius.

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