„Les Noces (Svadebka) verdienen einen Platz unter den größten Meisterwerken des 20. Jahrhunderts“, schreibt Robert Craft in dem Booklet der Naxos-Ausgabe.
„Ist das so?“, möchte ich fragen. Wie ist das Werk eurer Meinung nach heute einzuschätzen?
Mehrfach habe ich das Stück in den letzten Tagen gehört. Es hat mich gefesselt, mit seiner archaischen Kraft überwältigt, ja, begeistert. Aber eine hinter dieser archaischen Kraft liegende Bedeutung, die einem Meisterwerk des 20. Jahrhunderts doch wohl innewohnen sollte, ist mir bislang entgangen. Gibt es sie? Oder bedarf es keiner?
Craft schreibt, dass der Klang der Worte selbst Teil der Musik sei. Das halte ich, mit Verlaub, für normal bei Vokalwerken. Auch dass diese „Choreographischen Szenen aus Russland“ das einzige Werk neben Renard sei, in dem jeder Ritus, jedes Symbol und jede Bedeutungsebene ganz direkt seinem kulturellen Erbe entstammten, finde ich nicht sonderlich beeindruckend.
Gut, die rein perkussive Besetzung des Stückes - vier Klaviere, siebzehn Schlagzeuginstrumente, die Instrumente nach der Vorstellung Strawinskijs übrigens mit den Tänzern auf der Bühne - ist (gewollt) abnorm und von besonderer Wirkungsmacht. Auch ist beachtenswert, dass Strawinskij sich mit diesem Stück über die Gattungsgrenzen hinweggesetzt hat (so dass ich ein wenig überlegen musste, in welche Tamino-Schublade das Werk am besten gehört).
Nur habe ich nach mehrfachem Hören den Verdacht, hereingelegt worden zu sein. Les noces üben auf mich eine starke Sogwirkung aus. Ich werde von der Musik fortgerissen, komme sogar bisweilen in einen (schönen) rauschartigen Zustand - einen solchen, der typischerweise mit Wagner assoziiert wird. Bartok sprach diesbezüglich treffend von einem „Gefühl seltsam fieberhafter Erregung“. Solche Gefühle mit rein musikalischen Mitteln hervorrufen zu können, ist beeindruckend, sicher. Handelt es sich aber dennoch nicht nur um einen oberflächlichen Zauber, gewissermaßen um ein perfektioniertes rituelles Trommeln? Habe ich deshalb das Gefühl eines Katers? Ist das alles nicht mehr als „Showtime“?
Im Internet findet sich zum Stück ein Zitat von Boucourechliev, das ich den Taminos nicht vorenthalten möchte, wenn es mir auch nicht viel sagt:
„Es geht nicht um eine `Dorfhochzeit´, eine Braut, einen Bräutigam, eine Mutter, sondern um ein Ritual, das sich einiger Schlüsselfiguren bemächtigt, sie antreibt und in seiner unerbittlichen Bewegung zermalmt. Das Geschehen… geht in drei Richtungen vor sich: das Klagelied in der Form eines Trauergesangs, hier für die Betrauerung der Jungfräulichkeit, die im ersten Teil des Werks durch den Zopf symbolisiert wird (das russische Hochzeitsritual ist, richtig verstanden, ein Trauerritual); die Anrufung der gnädigen Götter und die Kanalisierung der Kraft der männlichen Fruchtbarkeit durch den Ritus und den Ablauf seiner Symbolik; schließlich das Lachen der Gemeinschaft, das immer neu die dunklen Mächte der Sexualität antreibt, die Brautleute reinigt, der Gottheit schmeichelt und sich gleichzeitig einem komplizenhaften `Voyeurismus´ hingibt, der aus Augenzwinkern, anzüglichen Kommentaren und Ausrufen besteht und so die Passionen anstachelt. Diese Elemente werden zum großen Teil vom Chor gewährleistet, einem durch seinen hieratischen Charakter wie durch seine Rolle sozusagen `antiken´ Chor, der abwechselnd als Zuschauer und als Handelnder agiert“
Zwei Aufnahmen besitze ich:
Die aus 1959 unter Strawinsky aus der Sammelbox und die mir deutlich besser gefallende unter Craft aus 2001:
Welche Aufnahmen kennt und empfehlt ihr?
Sehr gut sein soll ja die von Reuss. Zu dieser steht jedoch bei amazon, dass SACD-kompatible Hardware erforderlich sei. Andererseits ist von einer Hybrid-Sacd die Rede. Spielt die Sacd nun auf einem Nur-CD-Spieler?
fragt freundlich
Thomas