Hans Werner Henze (*1926)
DAS VOKALTUCH DER KAMMERSÄNGERIN ROSA SILBER
Exercise mit Strawinski über ein Bild von Paul Klee
Handlungsloses Ballett
Entstehung: 1950, rev. 1990
Uraufführung (konzertant): 08.05.1951, Berlin
Dirigent: Ferenc Fricsay
Uraufführung (szenisch): 15.10.1958, Köln
Dirigent: Siegfried Köhler
Uraufführung der rev. Fassung: 14.01.1991, London
Dirigent: Hans Werner Henze
Verlag: Edition Schott, Mainz
Dauer: ca. 18 Minuten
Boris Blacher gewidmet
Orchester:
1 Piccoloflöte, 1 Flöte, 1 Oboe, 1 Englischhorn, 1 Klarinette, 1 Bassklarinette, 2 Fagotte
2 Hörner, 2 Trompeten, 2 Posaunen, 1 Tuba
Pauken
Schlagzeug: kleines hängendes Becken, Beckenpaar, kleine Trommel
Streicher
Ablauf:
01. Introduction
02. Pas d’action
03. Variation A, Variation B
04. Intermede
05. Pas de deux
06. Conclusion
Über das Werk:
"Das Vokaltuch der Kammersängerin Rosa Silber" hat Henze 1951 im Auftrage von RIAS geschrieben. Die Komposition des Fünfundzwanzigjährigen wurde von Ferenc Fricsay mit dem RIAS-Symphonieorchester aus der Taufe gehoben. Obwohl durch den Untertitel "Balletszenen für Orchester" und den musikalischen Aufbau eigentlich für die Bühne bestimmt, vergingen sieben Jahre, bis das heitere Werk zum erstem Mal in Köln als Ballett aufgeführt wurde.
Den seltsamen Titel hat der Komponist nicht selbst erfunden, sondern von dem Maler Paul Klee (1879 - 1940) übernommen. Er wird erst verständlich, wenn man das Bild kennt, das er bezeichnet. Klee lebte jahrelang in München, wo er als eifriger Opernbesucher Gelegenheit hatte, die Sopranistin Rosa Silber zu hören. Sie hat ihm offenbar einen so nachhaltigen Eindruck gemacht, dass er ihr in zweien seiner Werke ein Denkmal gesetzt hat: als "Fiordiligi" und im "Vokaltuch der Kammersängerin Rose Silber". Der Titel "Vokaltuch" ist nicht surrealistisch sondern wörtlich zu nehmen. Der Maler hat die Initialen der Sängerin und die fünf Vokale in Kleinbuchstaben auf der Leinwand angeordnet.
Der gänzlich abstrakte Inhalt des "Vokaltuchs" ist mit musikalischen Mitteln nicht wiederzugeben. Auch formale Entsprechungen sind nicht vorhanden. Der Aufbau der Ballettszenen besteht aus sechs, zum Teil ineinander übergehende Sätze. Wenn sich Henze ausdrücklich auf das Vorbild Klees beruft, so kann es sich dabei nur um einen ersten schöpferischen Impuls gehandelt haben. Die tänzerischen Formen werden durch die musikalische Technik der Variation zu einem geschlossenen Zyklus vereinigt. Das Thema, ein provenzalisches Lied, erklingt zu Beginn unbegleitet von der Posaune. Obwohl die weiter Verarbeitung auf der Basis der Zwölftontechnik vorgenommen wird, behauptet sich die Tonalität D bis zum Schluss. Auch werden harmonische Komplexe nicht vermieden, so dass dem Hörer dieses von Igor Strawinski und Boris Blacher beeinflusste Frühwerk keine allzu großen Probleme zugemutet werden.
Davidoff