Carl Maria von WEBER: Die Sinfonien

  • Liebe Forianer,


    für heuer habe ich mir vorgenommen, einige Threadlücken im Forum zu schließen - vorzugsweise solche aus den Bereichen Klassik und Romantik.
    Man muß gar nicht nach sogenannte "Kleinmeistern" suchen, auch "große Namen" wurden sträflich vernachlässigt - nicht immer eine Nachlässiglkeit der Forenleitung, bzw der Forianer. Schreibt mal was über ein Werk das kaum auf CD erhältlich ist - und wenn - dann kaum je den Weg in die Regale der CD Sammler gefunden hat. Oft muß man sich fragen, ob man eine Empfehlung wagen kann - Geschmäcker sind grundverschieden - aber die Preise oft nicht. Etliches gibt es nur im Vollpreis-Segment.
    Diskutieren kann man über ein Werk überhaupt nur, wenn zumindest einige Forianer eine Aufnahme davon besitzen.
    Im speziellen Falle bin ich sanft optimistisch, da ja der Thread


    Nichts als "Freischütz"? - Carl Maria von Weber und seine Kompositionen


    von Claus Huth eine gewisse Vorarbeit geleistet haben mag.


    Weber ist dennoch als Symphoniker nicht allzu bekannt. Dafür gibt es verschieden Gründe: Zum einen hat lediglich zwei Werke der Gattung Sinfonie (Jugendwerke) hinterlassen, zum andern stand er nicht nur im Schatten Beethovens - nein er verabscheute dessen Tonsprache geradezu.


    Mit Mozart und Haydn hatte Weber ebenfalls nichts gemeinsam.
    Immer wieder liest man, der Freischütz klänge in seinen Sinfonien an allen Ecken und Enden durch. Dem kann ich, wenn auch nur bedingt beipflichten, ich höre auch Anklänge an Schubert.
    Interessanterweise hatte ich schon beim Ersthören ein vertrautes Gefühl - so als ob man die Werke schon gehört hätte. Dies soll aber nicht den Eindruck erwecken, die Stücke wären "beliebig" und hätten keinen hohen Wiedererkennungswert. IMO ist gerade das Gegenteil der Fall: Einzelne Sätze haben geradezu Ohrwurmcharakter und stellen überspitzt formuliert ein Paradebeispiel für eine "Romantische Sinfonie" dar, teils volkstümlich, teils feierlich, teils feurig...


    Ich besitze derzeit 2 Aufnahmen


    und


    Aber auch für diejenigen, die das Risiko eines Vollpreiskaufs scheuen, wurde gesorgt. Naxos hat die Sinfonien auch im Programm - und einige interessante "Zugaben"



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    ich mag diese Werke sehr gerne.
    Hört man leider viel zu selten :(


    Nach einigen Irrläufern,


    Horst Stein Decca
    Goodman Nimbus
    Rasilainen Finlandia


    bin ich wieder bei Sawallisch gelandet. meiner 1. CD mit Weber Sym. :yes:


    Hier stimmt alles sogar die Orchesteraufstellung :jubel:


    :hello:
    embe

  • Lieber Alfred,


    ich darf aus meinem Bestand folgende Aufnahmen der Sinfonien Webers hinzufügen:



    Für einen 20jährigen Komponisten schon eine erstaunliche Probe seines Könnens - auch wenn Weber sie später als "junge Hunde" bezeichnete, die man aus Mitleid hätte frühzeitig ertränken müssen.


    Liebe Grüße Peter

  • Die habe die oben schon aufgeführten CDs von NAXOS und EMI (Norrington) im Schrank. Vor allem die unter Norrrington ist sehr prägnant, transparent, eindringlich und virtuos gespielt. Gefällt mir recht gut. Einziger Schwachpunkt ist der Klang der Bläser, die sich anhören, als würden sie unausgesetzt "fu***n".


    Immerhin gebührt Weber der Titel, als erster die phantastische Richtung der Romanik in der Sinfonie vertreten zu haben (nicht Berlioz!). Die erste der beiden Sinfonien ist wohl die weitaus bedeutendere. Ich meine, dass sie der zweiten in jedem Satz überlegen ist. Ich höre auch meist nur die Erste. Sie enthält tatsächlich viele Einzelheiten, die auf den Freischütz hinweisen. Der erste Satz war von Weber zunächst als Ouvertüre gedacht und wirkt deshalb formal etwas zerfahren. Gerade am Anfang kann man den Eindruck haben, den Beginn einer Ouvertüre zu einer Oper zu hören. Schon in diesem generell hellen, ein wenig ritterlich klingenden Satz kann man aber in den Bässen schon phantastische Anklänge vernehmen. Das poethische Hauptstück bildet dann das Andante mit seinen Wolfsschluchtbässen und Agathekantilenen. Wohl der schönste um diese Zeit nicht von Beethoven geschriebene langsame Satz. Er wirkt in seiner sehr gestischen Motivik und der durch die Bassinstrumente erzeugten Schwermut wie eine dramatische Erzählung. Das Finale wirkt vor allem durch die stets vorwegtutenden Hörner immer sehr erheiternd auf mich und ist von feurig-mitreissendem Schwung.


    Wirklich eine sehr schöne, frühromantische Sinfonie. Mannigfaltig und originell. Ich kann die Vorbilder gar nicht recht ausmachen (weder Mozart noch Haydn noch Beethoven). Anklänge an Schubert sind m. E auszuschließen, weil Schubert 1807 noch nicht mit Kompositionen hervorgetreten war. Allenfalls würde es also umgekehrt (Anklänge Webers bei Schubert) in Betracht kommen.


    Die Zweite ist mir gerade keine eingehende Erwähnung wert.


    Loge

  • Ich finde, Loge hat hier einige sehr charakteristische Eigenheiten dieser Sinfonie(n) erwähnt (ich finde die zweit auch recht wirksam), nämlich der "Mangel an Vorbildern" und die Konkurrenzfähigkeit gegenüber Beethoven - was die Schönheit einzelner Stellen betrifft.


    Mir ist nicht ganz klar, warum diese Werke sich nicht stärker im öffentlichen Bewußtsein etablieren konnten - an Einspielungen gibt es indes - wie ich feststellen durfte - keinen echten Mangel.


    Man mag einwenden, daß es sich lediglich um "Jugendwerke" (sie kamen in Rezensionen der Vergangenheit meist schlecht weg) handle, die wenig Eindruck in der Musikgeschichte hinterlassen haben - aber nichts desto weniger - die Werke sind auf ihre Art sehr effektvoll.


    Weber wollte übrigens mit den Werken durchaus erzählen, es war seine erklärte Absicht.


    Loges Bemerkung, Weber könne keine Anklänge an Schubert aufweisen, diese wäre schon zeitlich unmöglich - ist völlig richtig.


    Allerdings - Ungerechtigkeit der Geschichte - wird immer der "weniger Berühmte" mit dem Berühmteren, der "Referenz" verglichen - siehe als Beispiel Hans Rott- Gustav Mahler........


    Ich bin gerade dabei Weber für ich meu zu entdecken - und ich glaube da gibt es einiges, das entdeckenswert ist...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Hallo Alfred,


    bereits an anderer Stelle habe ich gesagt, dass es bei Weber noch viel zu entdecken gilt.


    Was mich an Weber zunächst faszinierte, war seine hervorragende Gabe, Atmosphären und Stimmungen musikalisch umzusetzen, so wird man sogleich nach den ersten Takten der "Freischütz"-Ouvertüre in den deutschen Wald versetzt. Berlioz schrieb gleich eine große Hymne auf die Agathen-Arie - völlig zu recht!


    Doch oftmals wird das alles nur auf den "Freischütz" reduziert.


    Weber galt zu Lebzeiten als einer der bedeutendsten Pianisten seiner Zeit (mit einer beeindruckenden Fingerspannweite!). We schon seine Klavierkompositionen sich durch Orginalität und etwas völlig Eigenes auszeichneten, so gilt das auch für seine Orchesterwerke. Bereits seine beiden Frühwerk-Sinfonien lassen deutlich erkennen, welch mächtiges Potential in Weber als Sinfoniker schlummerte.


    Später, ich war etwa 16, sah ich ein Bild von Weber, mit sehr androgynen Zügen. Ich war so faszieniert, dass ich unbedingt mehr über ihn erfahren wollte. - Eine Biografie musste her!


    Lieber Alfred,


    ich würde dir sehr empfehlen, wenn du dich Weber näherst, unbedingt auch eine Biographie zu lesen, um zu erfahren, wie vielschichtig sein Leben war, aber auch wie entbehrungsreich... Ich empfehle dir die Biografie von John Warrack.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • v. Webers Symphonien sind wirklich ziemlich einprägsame Werke, die ich erst heute durch diese CD kennengelernt habe:



    Anders als Loge kann ich keine signifikant höhere Bedeutung der I. gegenüber der II. Symphonie erkennen; beide gefallen sie mir, erscheinen mir in den einzelnen Sätzen aber auch irgendwie untereinander austauschbar, ohne daß ein großer Stilbruch entstände.


    Schade eigtl., daß sie so selten gespielt werden, verglichen mit Beethoven.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Heute wollte ich einen Thread zu Webers Sinfonien erstellen. Zum Glück habe ich vorher genau recherchiert - und dann diesen gefunden, der noch dazu von mir selbst vor 7 Jahren gestartet wurde.
    Es ist interessant zu überprüfen, inwieweit die Beurteilung von damals mit der heutigen übereinstimmt, und wie kompatibel meine Einschätzung jenen gegenüber ist, die in einzelnen Konzertführern zu finden ist.
    Ich befasse mich fürs erste ausschliesslich mit der Sinfonie Nr.1, die ich heute speziell für diesen Beitrag gehört habe, und zwar von der hier abgebildeten CD. Vergleiche mit Konkurrenzaufnahmen sind ebenso geplant, wie die Beschäftigung mit der 2. Sinfonie, letzteres allerdings erst in ein paar Wochen. Ich möchte hier den Forianern Gelegenheit geben eventuell persönliche Eindrücke, die erste Sinfonie betreffend, hier niederzuschreiben.
    Stellen wir uns bei der Sinfonie Nr.1, sie entstand 1806/1807 die Frage, wie sie klingt, an wessen Vorbild sie sich orientiert. Sollte ich sie mit einem anderen Komponisten vergleichen - und das soll ich vermutlich - so fiele mir vor allem ein gewisser Carl Maria von Weber ein. Hier ist kein Mozart, kein Beethoven und (auch wenn das gelegentlich behauptet wird) kein Haydn zu finden - na ja - Haydn vielleicht ansatzweise im Finalsatz.
    Interessant, daß mich der erste Satz - trotz anderer Themen - immer wieder unterschwellig an die Ouvertüre zum Freischütz
    erinnert hat. Später konnte ich dann nachlesen, daß Weber das Ouvertürenhafte dieses Satzes selbst sehr wohl bewusst war.
    Wenn ich zuerst Schubert ins Spiel gebracht habe, dann denke ich an eine - entfernte - Verwandtschaft zur "Grossen" C- Dur Sinfonie. Der junge Weber verbindet geradezu genial (auch wenn manche Musikwissenschaftler dies anders sehen) den fröhlichen, mitunter sogar strahlenden "Wald- und Jagdklang" mit lieblicher Melodik und auch gelegentlich "triumphierend-schneidenden" Stellen. Hinreissend vor allem der 4. Satz!! Wer romantische Musik liebt und Webers Sinfonie Nr.1 nicht gehört hat, der verpasst etwas.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zunächst ist das Lebensalter erwähnenswert, in dem Weber seine 1. Sinfonie vollendete. Sieht man von Mozart ab, dann begann Weber sehr früh damit Sinfonien zu schreiben: Weber war 20 Jahre alt !!!, Beethoven bei seiner 1. Sinfonie 30 Jahre alt und Haydn war bei seinem Sinfonien-Erstling 27 Jahre alt.


    Für dieses jugendliche Alter war das schon eine ziemlich reife Leistung, die schon damals bewies, dass Weber auch im rein sinfonischen Schaffen durchaus noch mehr Herausragendes hätte leisten können. In einer späteren Reflexion war er sich der Schwächen bei dieser Komposition durchaus bewusst.



    Zitat von Alfred

    zum andern stand er nicht nur im Schatten Beethovens - nein er verabscheute dessen Tonsprache geradezu.

    Auch wenn Weber zu dem einen oder anderen Werk Beethovens den Kopf schüttelte, war er doch auch sehr oft von seiner Musik fasziniert. Im Dunstkreis seines 2. Klavierkonzertes erwarb Weber Beethovens 5. Klavierkonzert, dass ihn doch sehr stark beeindruckt haben muss, nicht umsonst stand das seinige ja dann auch in Es-dur!


    Außerdem dirigierte Weber selbst nicht nur Beethovens "Fidelio", sondern auch dessen 3. und 7. Sinfonie. Nicht zu vergessen, dass sich beide auch wirklich begegnet sind!



    :hello: LT