Schubert: Streichquartett Nr. 6 C-Dur D46


  • Franz Schubert [1797-1828]
    Quartett Nr. 6 C-Dur D46
    Quatuor festetics


    Nachdem ich die gleichfarbige Haydnbox schon nicht bekommen habe, wenigstens den Schubert als temporärer Ausgleich. Zudem scheint mir Schuberts Streichquartettschaffen in diesem virtuellen Lexikon leicht unterrepräsentiert.


    Warum also nicht mal über dieses Quartett schreiben?


    Als ich die CD [die auch D804 - welches mir mehr oder minder unbekannt - enthält] einlegte, war ich von den ersten Tönen des Adagio des ersten Satzes sehr überrascht und angetan und glaubte, zunächst D804 zu hören, wähnte mich also in einem der letzten Schubertjahre. Umso erstaunter war ich, als eine rote Ampel Gelegenheit bot, mich zu belehren...


    Das Quartett ist phänomenal! Nicht nur die langsame Einleitung ist faszinierend, auch der darauf thematisch aufbauende Hauptsatz hat mich schier umgehauen. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, es handele sich dabei um schlichtes C-Dur, obschon ich vom "großen Quintett in C" gelernt haben sollte. Auch klingt der Satz nicht unbedingt nach einem Streichquartett der herkömmlichen Art - das ist irgendetwas anderes, Tonmalerei zum Beispiel. Besonders begeistert mich die absteigende Chromatik - der Satz ist also wie für mich gemacht. Vincent Vivès deutet dies als einem "Abstieg zur Hölle" nicht unähnlich. Die verwendeten sextolischen Tremoli sind auch bereits extremer Schubert wie ich ihn mag. Pate für die Konstruktion des 1. Satzes dürfte Mozarts "Dissonanzenquartett", ebenfalls C-Dur, KV 465 sein.


    Der zweite Satz ist da etwas quartettiger und bringt ein wenig Süße ins dunkle und wüste C-Dur. Es ist ein Andante con moto in G-Dur, notiert im 3/4-Takt - klingend zunächst im 6/8tel-Rhythmus.


    Erstaunlicher Weise beginnt das irrsinnige Menuett in B-Dur [welcher Teufel hat den Franzl hier geritten?]. Es ist sehr bestimmend und doch wieder von besonderer Feinheit bestimmt.


    Das Finale wollte mir erst nicht so recht passen - ein zunächst typisch tänzelnder Quartettsatz, der ebenfalls sein Vorbild in KV 465 gesucht haben mag. Polkaesk und humorvoll - also ganz contraire zu den übrigen Sätzen - nimmt er beschwingt seinen Lauf.


    Das Quartett komponierte Schubert angeblich in der erstaunlich kurzen Zeit vom 3. bis 7. März 1813. Warum auch nicht, wenn Gott in 7 Tagen die ganze Welt erschuf? Einen Anlass zu dieser unabhängigen Komposition konnte ich nicht ausmachen.


    Die Einspielung des Quatuor festetics begeistert mich sowieso völlig - allein der Klang der Instrumente ist so umwerfend! Ich meine allerdings, daß das Finale ein wenig mehr Pfeffer verdient hätte, denn das Mitschwingen zum Polkrhythmus will nicht so recht in Fahrt kommen. Dennoch gefällt mir auch dieses interrupte Spiel sehr - vielleicht gerade deswegen?


    Für die einzelnen Sätze werden benötigt:


    01 - 9'15"
    02 - 5'12"
    03 - 4'47"
    04 - 4'49"


    Ich werde nun jedenfalls weitere frühe Schubertquartette erkunden. Wie beruhigend, daß es noch etwas auf diesem Sektor gibt, das ich nicht kenne...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo,


    auf mich wirkt der erste Satz des genannten Quartetts sehr irritierend und verstörend. Bereits die Adagio-Einleitung empfinde ich als ungemein traurig, fahl und ausweglos, so dass sich beim Hören unwillkürlich die Frage stellt, ob sich darauf wirklich ein ganzes Streichquartett aufbauen lässt. Auch das anschließende Allegro erscheint mir zerrissen.
    Ich stimme Ulli voll zu, wenn er vermutet, dass hinter diesem Satz etwas mehr steckt. Für mich ist das eher eine Art "Rede". Ich weiß zwar nicht was mir Schubert sagen will, es kann jedoch nichts angenehmes sein. Was ging wohl im Hirn des 16jähirgen Schubert vor, als er diese Musik ersann?
    Möglicherweise lohnt sich das Grübeln insoweit gar nicht. Könnte es nicht sein, dass die Antwort möglicherweise schlichtweg in einem von Schubert ersonnenen Konzept liegt, das von der Traurigkeit und Zerissenheit des Anfangs schließlich zu einem fröhlichen und unbekümmerten Finale führt? Was denkt ihr?


    Von dem Streichquartett D 46 habe ich die Aufnahme mit dem Leipziger Streichquartett:



    Aufgefallen ist mir, dass das Leipziger Streichquartett für den dritten Satz trotz eines zügigen und keineswegs schleppenden Tempos 6'15 benötigt. Damit ist das Leipziger Streichquartett scheinbar viel langsamer als das Quatour festesics in der von Ulli genannten Aufnahme (4'47).
    Für die übrigen Sätze benötigt das Leipziger Streichquartett ungefähr die gleiche Zeit:


    01 - 9'02; 02 - 5'22; 03 - 6'15; 04 - 4'48


    Viele Grüße
    Frank

  • Welches der beiden frühen C-Dur Streichquartette von Schubert war es eigentlich, dessen langsamer Satz als Filmmusik bei einem Woody Allen Film diente?

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Cher Obsi,


    Das Cover von Arcana weist D46 als Quatuor N° 6 en ut majeur aus. Wir wissen aber von der Haydn-Edition [Arcana], daß auf den ästhetischen Covern stets verschiedene Opus- oder Œuvreangaben zu finden sind, die nicht unbedingt dem heutigen Gebrauch entsprechen Im Booklettext wird auf die Num[m]erierung nicht weiter eingegangen, sie fehlt in der Überschrift gar zur Gänze.


    Viel interessanter aber ist für mich, daß diese Ausgabe mit tome 4 gekenntzeichnet ist, aber keine weiteres tomes zu finden sind... wurden diese aus unerfindlichen Gründen niemals produziert oder sind sie einfach nur dermaßen vergriffen, daß sie überhaupt nirgends mehr erscheinen?


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • scher schöwaliee


    zu deinem zweiten focus vermute ich nach den darstellungen eines netten mannes, dass von einer ursprünglich geplanten gesamteinspielung zuerst halt die folge 4 aufgenommen wurde und die anderen dann nach und nach folgen hätten sollen. in unregelmäßiger reihenfolge. ich kenn das von der ursprünglichen einzelveröffentlichung der sonaten mit badura-skoda in den 80er/90ern


    es war ein schreckliches label, aber so schön und so schade,...

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  • Zitat

    Original von a.b.
    Welches der beiden frühen C-Dur Streichquartette von Schubert war es eigentlich, dessen langsamer Satz als Filmmusik bei einem Woody Allen Film diente?


    ich glaub, du irrst dich.

  • Zitat

    Original von observator


    ich glaub, du irrst dich.


    sicher nicht! Es war definitiv von Schuberts Quartett in C-dur im Abspann zu lesen. Der Satz war äußerst romantisch interpretiert. Damals suchte ich lange nach einer Einspielung - es gab keine. Dann kam langsam die LSQ-GA heraus und ich bekam die Ausgabe mit einem C-dur Quartett geschenkt (leider gabs die mit den Auryns erst später), allerdings war leider gerade das falsche der beiden Quatette drauf. Inzwischen habe ich schon seit langem die Leipziger abgestoßen - die spielen leider immer noch mit dem, wie ich finde, völlig inadäquten Cellisten - und weiß daher nicht mehr, welches der beiden in C-Dur es war.


    (Inzwischen kann ich mich auch nicht mehr an den Titel des Allen-Films entsinnen, ich glaube, es war jener mit der kurzen, überhaupt nichts zum Inhalt beitragenden Nebensequenz einer jüdischen Hochzeit, bei der das Tanzen so irritierend lang wurde, dass man fast sich schon verwundertete, bis dann plötzlich der Bräutigam umknickte und sich den Knöchel verstauchte. Auch meine ich mich noch einer riesigen Arzt-Bibliothek zu entsinnen, voll von Büchern, alle in dicken Ledereinbänden, mit bloß einem einzigen Taschenbuch, nämlich zum Thema Aids, dazwischen. Womöglich war es Crimes and Misdemeanors (Verbrechen und andere Kleinigkeiten) von 1989)

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Zitat

    Original von a.b.
    , mit bloß einem einzigen Taschenbuch, nämlich zum Thema Aids, dazwischen.)


    dann kann es kein früher allenfilm gewesen sein.


    in "crimes and misdemeanors", 1989 kommt eine jüdische hochzeit mit langem tanz vor. da gibt es auch das einzige schubertquartett in einem allen, aber das ist das d887.
    wenn du mir nicht glaubst, dann schau selbst.

  • Zitat

    Original von observator
    in "crimes and misdemeanors", 1989 kommt eine jüdische hochzeit mit langem tanz vor. da gibt es auch das einzige schubertquartett in einem allen, aber das ist das d887.
    wenn du mir nicht glaubst, dann schau selbst.


    8o
    Jetzt bin ich völlig verwirrt, denn das d887er wars definitiv nicht.

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Die im ersten Beitrag erwähnte CD des Festetics Quartett ist heute eingetroffen und läuft gerade - wie schade, daß dieser Zyklus vielleicht nie fertig werden wird, weil das Label Arcana nach Michel Bersteins Tod darnieder liegt.


    Die CD gehört aber zu den wenigen des Labels, die laut JPC noch lieferbar sind - nur haben die als Interpreten "Verdi Quartett" dazugeschrieben! Nicht ver- bzw. be-irren lassen und kaufen - die CD ist Klasse!


    Schuberts Streichquartette sind für mich Neuland, das ich HIP bevorzuge - aber so werde ich zum großen Liebhaber - welch zarte, fahle Farben, welche Dynamik usw.


    Aufnahmetechnisch auch Klasse!

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  • Zitat

    Original von miguel54
    Die CD gehört aber zu den wenigen des Labels, die laut JPC noch lieferbar sind - nur haben die als Interpreten "Verdi Quartett" dazugeschrieben! Nicht ver- bzw. be-irren lassen und kaufen - die CD ist Klasse!


    Hei,


    Du hast also tatsächlich diese CD bestellt? Ich hatte mich das nicht getraut, weil dort eben "Verdi-Quartett" steht.


    Übrigens - für Obsi: Dort wird D46 auch als Nr. 6 bezeichnet :wacky:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)


  • Ja - genau die habe ich bestellt - und es kam die vom Festetics Quartett aus dem ersten Beitrag mit D46 und D 804 8o !