Haydn: Il mondo della luna - Auf dem Mond ist alles besser!

  • Nach langer Recherche kam ich einem unerhörten Skandal auf die Spur: Es gibt bei Tamino noch keinen Thread zu Haydns Oper "Il mondo della luna". Dieser Mangel ist hiermit behoben.


    In der Hoffnung, dass im Laufe der Jahre der eine oder andere Beitrag zu der Oper erscheint, beginne ich mit der Nennung meiner Aufnahme:



    Ich finde sie hervorragend. Leider scheint sie recht rar zu sein, bei Amazon.de ist sie derzeit ab 100 Euro zu bekommen. Bei Amazon.com immerhin für 75 $. Da muss man halt etwas Geduld haben.



    Thomas Deck

  • Haydns Opern erscheinen leider extrem selten auf dem Spielplan. Immerhin gab es im letzten Jahr einen hervorragenden "Orlando Paladino" unter Harnoncourt in Wien.


    2008 gibt es:


    "L'infedeltà delusa" in Aix-en-Provence (5.-15. Juli)
    "L'isola disabitata" in Regensburg (4. April bis 6. Mai)
    "Il mondo della luna" in Nantes (10.-16. Januar) und Angers (20.-23. Januar)


    Am 13. Januar werde ich die Oper in Nantes sehen. Falls noch jemand dort ist, (der Flug via London mit Ryanair kostet weniger als 60 Euro) bitte Bescheid geben.



    Thomas Deck


    PS: Die anderen beiden Opern sind natürlich auch geplant.

  • Eine der Stärken dieser Oper ist der überaus witzige Text von Goldoni. Und in der genannten Dorati-Aufnahme klingen insbesondere die Rezitative glasklar, damit könnte man glatt Italienisch z.B. beim Autofahren lernen.


    Das Original von Goldoni findet sich übrigens hier:
    http://www.intratext.com/IXT/ITA1289/_IDX090.HTM


    Leider ist die Übersetzung im Booklet der Dorati-Aufnahme durchsetzt von teilweise gravierenden Fehlern. Abhilfe:



    Dieses Büchlein gibt es für unter 2 Euro bei Amazon und ist wirklich nett zu lesen. Die darin enthaltene Übersetzung ist vorbildlich.



    Thomas Deck

  • Warum "Lunatismus": Goldoni benutzt mehrfach das Wort "lunatico". Das ist einerseits ein Bewohner des Mondes, andererseits ein wunderlicher, launenhafter Mensch.


    Beispiel:
    Il signor Buonafede ora di veder si crede le lunatiche donne sol lassù, e le lunatiche sono ancor quaggiù.


    Herr Buonafede ("gutgläubig") glaubt nun, "lunatische" Frauen nur dort oben zu sehen, aber die "lunatischen" gibt es auch hier unten.


    ["lunatisch" einmal als "auf dem Mond wohnend" und einmal als "launenhaft" zu vestehen]


    Die Franzosen können das elegant mit "lunaire" und "lunatique" übersetzen, wobei dann aber das Wortspiel verloren geht.



    Thomas Deck

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  • Guten Tag


    Zitat

    Original von thdeck
    Haydns Opern erscheinen leider extrem selten auf dem Spielplan.
    Thomas Deck


    Ab und zu werden Haydnopern doch schon mal ausgegraben;
    z.B. bei den
    "Schwetzinger Festspielen"


    1999: "Armida" ;Co-Produktion mit dem Badischen Staatstheater Karlsruhe.
    2003: "L'anima del filosofo, ossia Orfeo ed Euridice"; Co-Produktion mit dem Opernhaus Wuppertal.
    Beide Inzinierungen wurden begeistert aufgenommen :jubel:


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Hallo Thomas,


    als Vorbereitung auf meinen Sommerurlaub () habe ich soeben das von dir empfohlene Buch bei amazon bestellt.


    im übrigen scheint die Opernaufnahme in dieser Box:

    mit der von dir empfohlenen identisch zu sein.


    4 Opern zum Preis von 39,50€ scheint mir dann doch das bessere Preis-Leistungsverhältnis zu sein, verglichen mit der einzelnen Aufnahme für 100€


    Grüße
    von
    V.


  • Hallo V... (an diese Kunstnamen werde ich mich nie gewöhnen, falls wir uns in Stockholm tatsächlich sehen sollten, werde ich dich einfach Viola [ehemalige Klassenkameradin von mir] nennen, wenn du deinen Vornamen nicht rausrückst ;)),


    mit dem PLV hast du natürlich Recht, und dein Hinweis ist Gold wert (für das Forum, ich selbst habe die anderen Opern schon).


    Auch dein Hinweis zum Stottsteater Drottningholm klingt verlockend. Naiverweise dachte ich, http://operabase.com sei einigermaßen komplett, dies scheint aber nicht der Fall zu sein. Jetzt bin ich zwar nicht gerade der Schweden-Fan, aber da man mit Ryanair für 40 Euro (Komplettpreis) nach Stockholm kommt, fasse ich das ernsthaft ins Auge.


    Weißt du schon, an welchem Tag ihr die Oper sehen wollt?



    Thomas Deck

  • He, Kritik an meinem Usernamen ist immer auch Kritik an Mozart!! :P


    Um Off-Topics zu vermeiden, werden wir unsere Reisepläne zu gegebener Zeit in einem separaten Thread kund tun, sobald weiteres feststeht, außer der Tatsache, DASS wir gehen.


    :hello:
    Vivi :D

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  • Hier haben wir es wieder mit einer der Haydn-Opern zu tun, die irgendwer als „Haydns beste“ bezeichnet hat. Dieser Titel gebührt zwar Orlando Paladino, aber man versteht durchaus, warum diese Oper neben L’isola disabitata und Orlando Paladino eine von Haydns meistgespielten ist. Es liegt nicht zuletzt auch am Verfasser des Librettos: Wenn Goldoni am Werk war, ist der Spaß gesichert, selbst heute noch. Wie üblich im Rokoko werden hier keine weltbewegenden Probleme von Göttern, Helden oder Königen behandelt, die Handlung ist vielmehr aus dem „normalen“ Leben gegriffen. Dass ein Teil der Handlung auf dem Mond spielt (wenn auch nur in der Einbildung des Herrn Buonafede), trägt sicherlich mit zum Reiz dieser Oper bei.


    Das Werk ist aus dem Jahr 1777 und hat im Hoboken-Verzeichnis die Nummer 7, d.h. es entstand nach L’incontro improvviso und vor La vera costanza. Goldoni schrieb das Libretto 1750 für den Karneval von Venedig, vertont wurde es von Baldassare Galuppi. Vor Haydn haben es noch mehrere andere Komponisten vertont (u.a. Piccini und Paisiello). Für die Haydn-Oper wurde Goldonis Text bis vor das Finale des zweiten Aktes wörtlich übernommen, das Finale und der (kurze) dritte Akt wurden neu geschrieben. Die Uraufführung war am 3. August 1777 auf Esterháza anlässlich der Hochzeit eines Sohnes des Fürsten Nikolaus Esterházy.



    Die Besetzung besteht aus sieben Personen:


    Buonafede (Bass): Reicher Kaufmann, Vater von Flaminia und Clarice. Führt ein strenges Regiment über seine beiden Töchter. Lehnt ihre jeweiligen Bewerber ab, weil er auf bessere Partien hofft. (Buonafede = „guten Glaubens, gutgläubig“)
    Ecclitico (Tenor): Hobby-Astronom, foppt gerne gutgläubige Leute. Hat es auf Clarice abgesehen, die seine Liebe erwidert.
    Ernesto (Bariton): Kavalier, möchte Flaminia heiraten.
    Clarice (Sopran): Tochter von Buonafede, die lustigere der beiden Töchter. Liebt Ecclitico, den sie so schnell wie möglich heiraten möchte, um dem Regiment des Vaters zu entfliehen.
    Flaminia (Sopran): Tochter von Buonafede, ernster als ihre Schwester Clarice. Mit Ernesto liiert, gegen den Willen des Vaters.
    Lisetta (Mezzosopran): Kammerzofe im Haus von Buonafede, der sie gerne heiraten würde, obwohl er ihr Vater sein könnte.
    Cecco (Tenor): Diener von Ernesto. Hat ein Auge auf Lisetta geworfen.



    I. AKT


    Die Ouvertüre (C-Dur) entspricht dem ersten Satz der Sinfonie Nr. 63 „La Roxelane“, wobei angenommen wird, dass die Sinfonie aus verschiedenen älteren Teilen zusammengesetzt wurde, die Ouvertüre somit als eigene Komposition für Il mondo della luna anzusehen ist. Sie wirkt eher festlich (mit Pauken und Trompeten), auf den ersten Blick gar nicht zum Inhalt der Oper passend.


    Nr. 1a Chor (Es-Dur) O luna lucente, di Febo sorella
    Ecclitico und seine „Schüler“ huldigen dem Mond und bitten ihn, seine Geheimnisse zu offenbaren (... e scopriti a noi che cosa sei tu).


    Ich neige dazu, die Ouvertüre und den ersten Chor als Einheit zu betrachten. So kann ich die Ouvertüre als Anspielung auf einen idealisierten bzw. eingebildeten Staat auf dem Mond interpretieren, während der Chor die erdgebundene Sichtweise annimmt: Von hier aus erscheint der Mond rätselhaft in weiter Ferne. Diese beiden gegensätzlichen Betrachtungsweisen ziehen sich durch die ganze Oper: Mal ist der Mond eine Idealwelt, mal ist er einfach nur ganz weit weg und entsprechend unergründlich.


    Die Handlung beginnt mit einem kurzen Rezitativ, in dem Ecclitico Anweisungen für die Beobachtung einer Mondfinsternis gibt.


    Nr. 1b Chor (F-Dur) Prendiamo, fratelli, il gran telescopio, o sia microscopio, o sia canocchial
    Hier kann man auch Vokabeln üben, da (mit didaktischer Absicht?) drei Begriffe für „Fernrohr“ angegeben werden. Die Sterngucker fragen sich dabei, ob auf dem Mond Menschen leben.


    Im anschließenden Rezitativ macht sich Ecclitico über die Gutgläubigkeit der Leute lustig und bekennt seine Absicht, mit falscher Astrologie „die Dummen genauso wie die Gebildeten zu betrügen“ (ingannando egualmente i sciocchi e i dotti). Da kommt auch schon einer: Signor Buonafede. Man diskutiert unter anderem darüber, ob der Mond Augen und Mund habe, was Ecclitico natürlich als Unsinn bezeichnet.


    Eines meiner Kunstbücher weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich das „Mondgesicht“ zumindest als fantasievolle Vorstellung noch lange gehalten hat. Im ersten Science-Fiction der Filmgeschichte Le Voyage dans la Lune („Die Reise zum Mond“) von Georges Méliès aus dem Jahr 1902 landet die Raumkapsel im rechten Auge des Mondgesichtes (zu sehen auf Youtube: „http://www.youtube.com/watch?v=u61BETPjxqM“).


    Jedenfalls wird Buonafede im Lauf der Diskussion extrem neugierig auf das, was man durch das Fernrohr auf dem Mond sehen kann.


    Nr. 2: Chor (G-Dur) Felice e fortunato chi è amico della luna
    „Froh und glücklich ist der Freund des Mondes“ singen Eccliticos „Schüler“, die in Wirklichkeit seine Helfer sind bei den folgenden Inszenierungen.


    Ecclitico macht sich über Leute lustig, die meinen, man könne mit einem Fernrohr seinen Horizont erweitern:
    Quanti van scrutinando quello che gli altri fanno, e se stessi conoscere non sanno.
    „Wie viele beobachten genau, was die anderen tun, und vermögen sich selbst nicht zu erkennen.“


    Die Szene läuft nun nach folgendem Schema ab: Buonafede sieht ins Fernrohr, Eccliticos Gehilfen spielen ihm etwas vor, wobei Buonafede meint, er würde das auf dem Mond sehen. Es ist eine Welt, wie er sie gern hätte. Es gibt drei dieser Szenen, die Buonafede jedes Mal in einer Kavatine kommentiert. Anschließend interpretiert jeweils Ecclitico auf äußerst sarkastische Weise Buonafedes Beobachtungen:


    Nr. 3a: Intermezzo I (D-Dur)


    Nr. 3b: Kavatine Buonafede (D-Dur) Ho veduto una ragazza far carezze ad un vecchietto
    („Ich habe gesehen, wie ein Mädchen einen alten Mann liebkoste.“)
    Eccliticos Kommentar: Se una ragazza fa carezze a un vecchio, non la sprona l’amor, ma l’interesse. („Die macht das nur aus Berechnung.“)


    Nr. 3c: Intermezzo II (D-Dur)


    Nr. 3d: Kavatine Buonafede (D-Dur) Ho veduto un buon marito bastonar la propria moglie
    („Ich habe gesehen, wie ein guter Ehemann seine Frau mit dem Stock züchtigte.“)


    Ecclitico meint dazu: Volesse il ciel, che quanto fintamente ha mirato fosse nel nostro mondo praticato. („Schön wär’s.“)


    Nr. 3e: Intermezzo III (Es-Dur)


    Nr. 3f: Kavatine Buonafede (Es-Dur) Ho veduto dall’amante per il naso esser menata certa donna innamorata
    („Ich habe gesehen, wie eine gewisse verliebte Frau von ihrem Liebhaber an der Nase herumgeführt wurde.“)


    Ecclitico: E qui ancora si useria, se gli uomini non patisser la pazzia. („Das würde man auch hier so machen, wenn die Männer nicht die Verrücktheit duldeten.“)


    Hier muss man kritisch anmerken, dass dem heutigen Zuschauer, der schnellere Handlungsabläufe gewohnt ist, diese Szenen etwas gedehnt erscheinen. Da ist eine gute Regie gefragt, die hier durchaus ihre Möglichkeiten hat. In der Nantes-Aufführung hat man es sich etwas leicht gemacht, indem einfach der dritte Teil gestrichen wurde.


    Nr. 4: Arie Buonafede (F-Dur) La ragazza col vecchione
    Buonafede verleiht seiner Freude Ausdruck über das, was er gesehen hat.


    Buonafede geht ab, Ernesto und Cecco treten auf. Die drei erklären einander, wer es auf welche Frau abgesehen hat (Ecclitico auf Clarice, Ernesto auf Flaminia und Cecco auf Lisetta). Ecclitico hat bereits einen Plan.


    Nr. 5: Arie Ecclitico (Es-Dur) Un poco di denaro e un poco di giudizio, ci vuol per quel servizio
    („Für meinen Plan braucht man etwas Geld und Verstand ... und denkt dran, der Dumme und der Geizige wird nie etwas erreichen.“)


    Das Geld zur Umsetzung des Plans soll Ernesto beisteuern. Im anschließenden Rezitativ zwischen Ernesto und seinem Diener Cecco wird das von letzterem kritisiert. Ernesto hat für solche profanen Dinge aber keinen Kopf mehr:


    Nr. 6: Arie Ernesto (D-Dur) Begli occhi vezzosi dell’idolo amato
    („Ihr schönen reizenden Augen meiner Geliebten“)
    Er denkt nur noch an seine Flaminia.


    Cecco bleibt allein zurück und hat Gelegenheit, seine Sicht der Dinge darzulegen. In einem Rezitativ lästert er über die allzu positive Weltanschauung seines Herrn. Ich zitiere das mal komplett, weil damit sowohl die Aussage der Oper als auch die Grundhaltung in der Zeit des Rokoko bzw. der Aufklärung verdeutlicht wird:
    Qualche volta il mio padron mi fa da ridere. Ei segue il mondo stolido: cambia alle cose il termine, e il nome cambia benespesso agli uomini. Per esempio, a un ipocrita si dice uom divotissimo, all’avaro si dice un bravo economo, e generoso vien chiamato il prodigo. Così appella talun bella la femmina, perché sul volto suo la biacca semina.
    Die wesentlichen Aussagen lauten:
    Sein Herr (Ernesto) lässt sich zu leicht blenden: Den Heuchler nennt er fromm, den Geizigen sparsam und den Verschwender großzügig. Und eine Frau, die sich schminkt, nennt er schön.


    Das heißt: Man soll nicht alles glauben, was man hört, man soll alles kritisch hinterfragen (Aufklärung). Schminken, Künstelei (Barock) sind out, Natürlichkeit ist in (Rokoko). So ähnlich kennen wir das auch von L’infedeltà delusa. Wie üblich wird das zuvor Gesagte in einer Arie zusammengefasst:


    Nr. 7: Arie Cecco (G-Dur) Mi fanno ridere quelli che credono che quel che vedono sia verità
    („Mich machen jene lachen, die meinen, das, was sie sehen, sei die Wahrheit.“)


    Anschließend treten endlich Flaminia und Clarice auf. Dabei wird schnell klar, dass Clarice die forschere, lebenslustigere ist, während Flaminia eher dazu neigt, dem strengen Vater zu gehorchen. Beide streben sie die Ehe an: Clarice sieht vor allem die Möglichkeit, der Tyrannei des Vaters zu entfliehen, Flaminia hat höhere Ideale:


    Nr. 8: Arie Flaminia (C-Dur) Ragion nell’alma siede, regina dei pensieri, ma si disarma e cede, se la combatte l’amor
    („Die Vernunft, Königin aller Gedanken, sitzt in der Seele, aber sie gibt sich geschlagen, wenn sie von der Liebe bekämpft wird.“)
    Eine feierliche, edle Arie in der strahlenden Tonart C-Dur, durchsetzt mit vielen Koloraturen, mit der Flaminias Naturell sehr gut charakterisiert wird.


    Flaminia geht ab, Buonafede kommt hinzu und macht Clarice mal wieder Vorhaltungen, sie habe unerlaubterweise ihr Zimmer verlassen. Diese weigert sich schlichtweg, derartige Verbote zu befolgen. Im Laufe des Wortgefechts bringt Buonafede diesen Spruch, der als Grammatikübung in jedem Italienisch-Lehrbuch stehen könnte: Se io ti maritassi, non castigherei te, ma tuo marito. („Wenn ich dich verheiraten würde, würde ich nicht dich bestrafen, sondern deinen Ehemann.“). Clarices Antwort:


    Nr. 9: Arie Clarice (A-Dur) Son fanciulla da marito, e lo voglio, già il sapete; e se voi non mel darete, da me stessa il prenderò
    („Ich bin ein Mädchen für einen Ehemann, und ich will es, ihr wisst es, und wenn ihr ihn mir nicht gibt, nehme ich ihn mir selbst.“)


    Clarice geht ab, Lisetta (Buonafedes Dienstmädchen) kommt, so dass auch die letzte Personenbeziehung der Oper klar gemacht werden kann: Buonafede hat es nämlich auf Lisetta abgesehen, aber diese geht nur oberflächlich auf sein Werben ein. Sie hat nichts am Hut mit ihm, liebäugelt aber durchaus mit seinem Geld.


    Nr. 10: Arie Lisetta (F-Dur) Una donna come me, non vi fu, né vi sarà: io son tutt’amor e fé, io son tutta carità
    („Eine Frau wie mich gab es nie und wird es nie wieder geben: Ich bin die reine Liebe und Treue, bin voller Barmherzigkeit.“)


    Jetzt können wir uns so langsam der Aufgabe widmen, Buonafede um sein Geld und seine Töchter (inkl. Lisetta) zu bringen. Hierzu bekommt Buonafede Besuch von Ecclitico. Grund: Ecclitico will sich für immer von seinem „Freund“ verabschieden. Er wird nämlich auf den Mond umziehen, auf Einladung des dortigen Groß-Imperators. Wie das gehen soll? Mit einer speziellen Flüssigkeit, die der Imperator geschickt hat. Nachdem man diese getrunken hat, schwebt man zum Mond. Buonafede will unbedingt mit. Ecclitico in seiner Großzügigkeit überlässt ihm die Hälfte der Flüssigkeit. Natürlich handelt es sich um ein Schlafmittel.


    Nr. 11a: Accompagnato Buonafede (C-Dur) Mondo, mondaccio rio, per sempre t’abbandono
    („Welt, schlechte Welt, ich verlasse dich für immer.“)
    Schnell wird Buonafede müde, und tatsächlich glaubt er – suggeriert von Ecclitico und angedeutet von nach oben strebenden Figuren des Orchesters – zu fliegen...


    Nr. 11b: Finale I (Es-Dur)


    (a) Vado, vado; volo, volo... (“Ich gehe, ich gehe, ich fliege, ich fliege...”)
    Buonafede schläft langsam ein, vom Orchester mit einer „schwebenden“ Melodie begleitet. Als Clarice und Lisetta dazukommen, hören sie ihn nur noch murmeln, dass er auf den Mond fliege. Sie glauben, er würde sterben.


    (b) Presto, presto! Qualche spirto troverò. Presto, presto tornerò.
    Allgemeine Panik, aber sämtliche „Wiederbelebungsversuche“ schlagen fehl. Clarice und Lisetta sind bestürzt. Ecclitico „findet“ ein Testament und liest daraus vor: 6000 Scudi für Clarice und 100 Dukaten für sein Dienstmädchen Lisetta, beides als Mitgift, wenn sie einen Mann finden. Beim Hören dieser Nachricht relativiert sich die Trauer von Clarice (Era mortale, questo si sa. – „Er war sterblich, das wusste man.“) und Lisetta (Era assai vecchio, questo si sa. – „Er war recht alt, das wusste man.“), und am Ende brechen sie beide in Lachen aus.


    Interessanterweise ist in dieser Szene – d.h. im ganzen Finale des ersten Aktes – Buonafedes „ernstere“ Tochter Flaminia nicht beteiligt. Vermutlich wäre bei ihr dieser krasse Stimmungsumschwung nicht glaubhaft:


    (c) Viva chi vive. Chi è morto, è morto. Dolce conforto la dote sarà.
    „Wer lebt, der soll leben. Wer tot ist, ist tot. Die Mitgift wird ein süßer Trost sein.“



    II. AKT


    Jetzt sind wir auf dem Mond. Ok, in Wirklichkeit ist es nur der entsprechend hergerichtete Garten von Ecclitico, aber für Buonafede ist es der Mond.


    Nr. 12: Sinfonia (D-Dur)
    Als Einleitung gibt es dieses schöne Stück, was die Haydn-Fans auch als ersten Satz des Flötentrios Hob. IV:6 kennen.


    Während Buonafede noch schläft, erklärt Ecclitico Ernesto, was Sache ist. Flaminia und Clarice sind bereits eingeweiht, Lisetta muss noch hergeholt werden. Ziel ist bekanntlich, Buonafede seiner drei Frauen zu berauben. Dieser wacht langsam auf und findet sich in einer exotischen Gartenlandschaft wieder, d.h. auf dem Mond, wie Ecclitico versichert.


    Nr. 13: Ballett (F-Dur)
    Die Ballettmusik hat die gleiche Melodie wie das Stück davor, nur in einer anderen Tonart. Buonafede ist entzückt.


    Nr. 14: Ballett (B-Dur)
    Dem Buonafede wird allerhand geboten. Hier ist es der dritte Satz des Flötentrios Hob. IV:11, gespielt von einer Violine und einer Blockflöte, dazu tanzende Nymphen. Dennoch fragt Buonafede nach dem Mond-Groß-Imperator, auf dessen Einladung er und Ecclitico ja hier sind. Antwort: Gleich bekomme er eine Audienz, vorher müsse er sich aber noch umziehen.


    Nr. 15 Chor D-Dur Uomo felice, cui goder lice di questo mondo l’alta beltà
    („Glücklicher Mensch, dem es erlaubt ist, die erhabene Schönheit dieser Welt zu genießen.“)
    Das singen vier „Edelleute“, die Buonafede eine ähnlich extravagante Kleidung verpassen, wie sie Ecclitico schon trägt. Buonafede fragt nach der Etikette, die im Umgang mit dem Groß-Imperator gefordert ist. Das hätte er nicht fragen müssen, wenn er gewusst hätte, dass Haydn die Oper im Geist der Aufklärung komponierte:
    Il nostro gran monarca non vuol adulatori. Egli è un signore ch’è tagliato alla buona, e di buon core.
    („Unser großer Monarch will keine Schmeichler. Er ist ein Herr, der aus gutem Holz geschnitzt ist und ein gutes Herz hat.“)
    Buonafede fragt auch nach seinen Töchtern und seiner Kammerzofe. Jaja, die kommen auch. Bei der Gelegenheit kann es Ecclitico nicht lassen, ein paar Seitenhiebe auf das weibliche Naturell loszulassen:


    Nr. 16: Arie Ecclitico (F-Dur) Voi lo sapete come son fatte: Ora vezzose, tutte amorose; ora ostinate, fiere, arrabbiate
    „Ihr wisst ja, wie sie sind: Bald reizend, ganz liebevoll, bald starrsinnig, stolz, zornig.“
    Und später: „Sie sind lunatisch (=launisch, vom Mond beeinflusst), sie wechseln ihr Aussehen, ihr Denken, sie sind von Natur aus wenig aufrichtig.“


    Im 18. Jahrhundert durfte man so was noch öffentlich äußern. Allerdings geht es Ecclitico hier vor allem darum, Buonafede das zu sagen, was er gerne hört.


    Nr. 17: Marsch (C-Dur)
    Unter Begleitung von Marschmusik erscheint nun endlich der Groß-Imperator in einem bizarren Triumphwagen.


    Der Groß-Imperator ist in Wirklichkeit Cecco. Und da haben wir wieder einen Hinweis auf die Zeit der Aufklärung, im Barock noch undenkbar, aber im Rokoko schon möglich: Die Rolle des Imperators wird vom Diener gespielt, sein Herr muss vor diesem niederknien. Der Mond als utopische Zukunftsvision einer klassenlosen Gesellschaft.


    Dazu passt auch Ceccos Spruch: Son informato che là nel vostro mondo trionfa l’albagia, né di titoli mai v’è carestia. („Ich weiß dass auf eurer Welt der Hochmut triumphiert und an Titeln nie Mangel herrscht.“)


    Ernesto ist im Gefolge des Groß-Imperators und wird von Buonafede bald erkannt, belehrt diesen aber sogleich eines besseren. Er sei ein Stern namens Hesperus: Ernesto, auf der Erde, stehe unter seinem Schutz. Buonafede schluckt das, zumal er eine Bitte hat: Ob denn seine beiden Töchter auch herkommen könnten? Ja, das sei kein Problem, ein Komet werde sie herbringen. Lisetta müsse aber mitkommen, und Buonafede müsse sie als Dienerin abgeben. Bei der Gelegenheit erklärt der Groß-Imperator (d.h. Cecco), dass man vom Mond aus den ganzen Unsinn, der auf der Erde getrieben wird, sehen könne:


    Nr. 18: Arie Cecco (G-Dur) Un avaro suda e pena e poi crepa, e se ne va. Un superbo senza cena vuol rispetto, e pan non ha.
    „Ein Geizhals müht sich ab, und irgendwann kratzt er ab und verschwindet. Ein Stolzer ohne Abendessen will Respekt und hat nicht mal Brot.“ Kritisiert wird also Heuchelei und Verstellung, Gutgläubigkeit und mangelnder Realitätssinn. Man kritisiert sozusagen die Verfehlungen der Barockzeit.


    Das anschließende Gespräch zwischen „Hesperus“ (Ernesto) und Buonafede geht ebenfalls gegen barocke Künstelei:
    „Hier werdet ihr keinen sehen, der in der Tasche Fläschchen mir Balsam oder andere Zutaten bei sich trägt, die nützlich sind, wenn die Frauen in Ohnmacht fallen.“ – „Aber wenn es eine tut, wie helft Ihr?“ – „Wenn es solche Späße gibt, lassen wir sie mit Prügeln wieder zu sich kommen.“


    Wie gesagt, das ist nicht als frauenfeindlich zu verstehen, sondern als Absage gegen Unnatürlichkeit und Verstellung. Ernesto kommentiert das in seiner Arie:


    Nr. 19: Arie Ernesto (g-Moll) Qualche volta non fa male il contrasto ed il rigore. Sempre pace, sempre amore, fa languire anco il piacer.
    „Manchmal sind Streit und Strenge nicht schlecht. Immer Frieden, immer Liebe, lässt auch das Vergnügen vergehen.“
    Das ist eine der schönsten Arien der Oper. Haydn hat die Melodie später für das Benedictus der Mariazeller Messe verwendet.


    Buonafede ist von der neuen Umgebung sehr angetan und sieht sich um, dabei entwickelt sich ein reizender „Dialog“ mit einem Echo, das in eine „Arie mit Ballett“ mündet:


    Nr. 20: Arie Buonafede (D-Dur) Che mondo amabile, che impareggiabile felicità!
    „Was für eine liebenswerte Welt, was für ein unvergleichliches Glück!“
    Wir haben hier das Rokoko-Thema „Zurück zur Natur“. Je nach Inszenierung wird diese Szene mit einem Tanz von mehr oder weniger fantasievollen Gestalten begleitet. Haydn nutzt dabei die Gelegenheit zu allerlei Lautmalerei, wenn die Rede von klingenden Bäumen, singenden Vögeln und antwortenden Echos ist.


    Bisher fehlte Lisetta, sie wird jetzt mit verbundenen Augen hergebracht. Ecclitico erklärt ihr, sie sei jetzt auf dem Mond, aber sie glaubt natürlich kein Wort, da sie das Gedankengut der Aufklärung bereits verinnerlicht hat. Buonafede kommt hinzu und bestätigt Eccliticos Aussage, nutzt das Zusammentreffen mit Lisetta aber hauptsächlich, um sich an sie ranzumachen, was diese wenig erquicklich findet. Im Duett geht’s weiter:


    Nr. 21: Duett Buonafede-Lisetta (D-Dur) Non aver di me sospetto, malizioso io non ho il core. – Vi conosco, bel furbetto, malizioso è il vostro amore.
    „Habt kein Misstrauen, ich habe kein böses Herz. – Ich kenne Euch Schlaukopf, Eure Liebe ist schlimm.“


    Der Groß-Imperator (samt Gefolge) kommt hinzu und wird natürlich sofort von Lisetta als Cecco erkannt. Dieser antwortet geschickt: „Meine Schöne, ich bin nicht Cecco, aber ich bin der Eure.“ Und er will sie zur Mondkönigin machen. Lisetta zögert, aber mit folgendem Heiratsantrag kommt er zum Ziel:
    Eh via, venite in trono, se vi piace il mio volto. Sia Cecco, o non sia Cecco, che cosa importa a voi? Dopo ci aggiusteremo fra di noi. („Ach was, steigt auf den Thron, wenn Euch mein Gesicht gefällt. Ob Cecco oder nicht, was interessiert Euch das? Das machen wir anschließend unter uns aus.“)
    Der Antrag hat Erfolg: È questa una ragion che non mi spiace. Vengo. („Dieses Argument gefällt mir, ich komme.“) Buonafedes Protest verhallt ungehört. Lisetta wägt ihr neue Stellung in einer Arie ab:


    Nr. 22: Arie Lisetta (G-Dur) Se lo comanda, ci venirò („Wenn ihr befiehlt, dann komme ich.“)
    Sie kann noch nicht ganz glauben, was hier geschieht und zieht auch in Betracht, dass man sie nur zum Narren halten will (Ah, mi volete tutti burlar!), aber Cecco führt sie schließlich auf den Thron.


    Mit dem Verlust von Lisetta hat sich Buonafede abgefunden. Jetzt fragt er nach seinen Töchtern, ob sie nicht auch das Glück hätten, auf den Mond zu kommen. Cecco beruhigt ihn: Sie seien unterwegs und würden in Kürze hier herabsteigen. Hier schlägt wieder die Aufklärung zu: Warum „herabsteigen“ und nicht „hinaufsteigen“ (auf den Mond), fragt Buonafede. Cecco erklärt: Aus Sicht des Mondes ist eben die Erde „oben“ und der Mond „unten“. Heute würde man sagen: Man darf die Welt nicht eurozentrisch sehen!


    Nr. 23: Ballett (F-Dur)
    Flaminia und Clarice kommen mit einem Fahrzeug auf dem Mond an. Die Musik hat Haydn auch für den dritten Satz des Flötentrios Hob. IV:10 verwendet.


    Flaminia erkennt sogleich Lisetta, aber Buonafede erklärt, sie sei jetzt Mondkönigin geworden. Der Imperator (Cecco) befiehlt Hesperus (Ernesto), die beiden Frauen zu ihren Gemächern zu führen. Buonafede protestiert, seine Töchter dürfen nicht alleine mit einem Mann gehen. Er hat immer noch nicht kapiert, dass die Zeit der Aufklärung angebrochen ist, und wird daher von Cecco unterrichtet: „In unserer Welt tun dies die Frauen in der Öffentlichkeit und nie im Verborgenen.“ Bemerkung von mir: Irgendwann werden auch unsere moslemischen Mitbürger so weit sein.


    Flaminia lässt sich gerne von ihrem „Hesperus“ geleiten:


    Nr. 24: Arie Flaminia (F-Dur) Se la mia stella si fa mia guida, scorta più fida sperar non so
    („Wenn mein Stern mich führt, weiß ich keine treuere Eskorte zu hoffen.“)
    Auch diese Melodie hat Haydn für ein Flötentrio verwendet, und zwar für den ersten Satz von Hob: IV:7.


    Es ist klar, dass jetzt auch Clarice zum Zuge kommen will, zumal Ecclitico als „Zeremonienmeister“ bereitsteht. Der Groß-Imperator ordnet an, dass Clarice als Kavalier Ecclitico zu Seite gestellt bekommt. Der Protest Buonafedes ist wie üblich zwecklos. Clarice singt eine aufklärerische Arie:


    Nr. 25: Arie Clarice (B-Dur) Quanta gente che sospira di veder cos’è la luna, ma non hanno la fortuna di poterla contemplar
    „Viele Leute sehnen sich danach, zu sehen, was der Mond ist, aber sie haben nicht das Glück, ihn betrachten zu können.“ Entscheidende Aussage:
    Chi non vede, il falso crede; ciaschedun saper pretende. Più che studia, manco intende, e si lascia corbellar.
    „Wer nicht sieht, glaubt das Falsche; ein jeder behauptet zu wissen. Je mehr er studiert, desto weniger versteht er und lässt sich hinters Licht führen.“ Das könnte wortwörtlich auch von mir (ungläubiger Thomas) kommen...


    Flaminia und Clarice sind mit ihren Liebhabern weggegangen. Lisetta fängt an zu quengeln, aber Cecco (d.h. der Groß-Imperator) beschwichtigt sie sofort: Er werde sie krönen und gleich auch heiraten.


    Nr. 26: Finale II (D-Dur)


    (a) Al comando tuo lunatico („Auf deinen lunaren Befehl“)
    Die komplette Mannschaft ist nun versammelt. Die Musik beginnt mit einem feierlichen Rhythmus, wie man es von vielen Haydn-Finali kennt. Immer mit der gleichen Melodie singen Ecclitico+Ernesto, Cecco und Clarice+Flaminia einige Zeilen (es geht um Lisettas bevorstehende Krönung), jeweils gefolgt von „Luna, lena, lino, lana, lino, lunula“ und weiterem Kauderwelsch, was Buonafede als Mondsprache interpretiert, die er leider nicht versteht. Er antwortet mit einer ähnlichen Melodie und versucht dabei ebenfalls, Mondsprache einzuflechten, sein Wortschatz ist aber auf „Cucù, cucù“ beschränkt.


    (b) Olà, si taccia un poco. Quel serto a me si dia; perché Lisetta io voglio incoronar.
    „Man schweige jetzt. Man gebe mir diesen Kranz, weil ich Lisetta krönen will.“
    Die Musik beschleunigt, der Groß-Imperator (Cecco) schreitet zur Tat. Die drei Schauspieler (Cecco, Ecclitico, Ernesto) sowie Clarice und Flaminia streuen immer wieder Mond-Kauderwelsch ein. Buonafede möchte irgendwie dazugehören und versucht mitzumachen. Das kritisieren die drei „Lunatischen“ als Spott. Buonafedes Verlegenheit wird sofort von Cecco ausgenutzt: Jetzt sollen auch die beiden Töchter verheiratet werden, und das nicht ohne Mitgift: Buonafede wird aufgefordert, sein Geld rauszurücken. Das habe doch auf dem Mond gar keinen Wert, meint dieser. Egal, her mit der Kohle. Buonafede gibt Ecclitico den Schlüssel seines Geldschranks.


    (c) La man di Clarice d’Ecclitico sia e un segno ci dia di gioia il papà.
    Die Musik geht in den 3/4-Takt über und wird lieblich: „Die Hand Clarices gehöre Ecclitico, und der Vater gebe uns ein Zeichen der Freude.“ Das war Clarices Trauung mit Ecclitico, und ebenso wird auch Flaminia mit Ernesto vermählt.


    Jetzt müssen wir genau aufpassen: Finita è la commedia. „Die Komödie ist zu Ende.“ Ecclitico, Cecco und Ernesto sagen das ganz beiläufig, die Musik gibt nicht den geringsten Hinweis auf diesen Umschwung. Ulrich Schreiber („Opernführer für Fortgeschrittene“) kritisiert das als dramaturgische Schwäche. Nun, Haydn sagte sich: „Was kümmert mich der Opernführer von dem Schreiber.“ Haydn machte so etwas nämlich öfter, und aus Sicht von Buonafede ist das auch ganz leicht nachvollziehbar: Ihm dämmert nämlich erst nach und nach, dass er reingelegt worden ist. Ecclitico, Cecco und Ernesto werden daher deutlicher:


    (d) Buonafede tondo come il cerchio della luna ritornare all’altro mondo per le poste adesso può.
    „Buonafede, rund wie der Mond, kann jetzt per Post in die andere Welt zurückkehren.“ Die Musik wird schneller, das Finale steuert auf den Höhepunkt zu.


    Buonafede tobt. Die zunehmende Dramatik wird musikalisch durch Wechsel in eine Molltonart unterstrichen. Der Akt endet im heftigsten Streit:
    Tutti nemici e rei, tutti tremar dovrete; perfidi, lo vedrete, per voi non v’è pietà.
    („Alles Feinde und Bösewichte, alle sollt ihr zittern; ihr Gemeinen, ihr werdet sehen, für euch gibt es kein Erbarmen.“)
    È ver, noi siamo rei, ma padre sempre siete; le furie sospendete, calmate per pietà.
    („Es ist wahr, wir sind schuldig, aber Ihr seid immer noch der Vater, legt den Zorn ab, beruhigt Euch, um Himmels willen.“)


    Wie das wohl ausgehen wird...



    III. AKT


    Wie üblich ist der dritte Akt sehr kurz. Er beginnt mit einem kleinen Intermezzo:


    Nr. 27: Sinfonia (g-Moll)
    Die Moll-Tonart sagt uns, dass der Haussegen immer noch schief hängt.


    Buonafede tobt nach wie vor. Ernesto und Ecclitico reden auf ihn ein. Clarice und Flaminia seien nun mal vermählt und immer noch seine Töchter. Daher bräuchten sie auch eine Mitgift. Buonafede antwortet ironisch: „Lisetta am besten auch noch.“ Cecco bietet bei dieser sich bietenden Chance an, Zepter und Krone an Buonafede zu übergeben. Die drei geben sich wirklich alle Mühe, und am Ende wird Buonafede weich. Er fragt nach dem Schlüssel von seinem Geldschrank. Ecclitico gibt ihn zurück.


    Ecclitico überbringt Clarice die frohe Botschaft, was in einem Duett endet:


    Nr. 28: Duett Ecclitico-Clarice (B-Dur) Un certo ruscelletto per voi mi serpe in seno
    „Ein gewisses Bächlein schlängelt sich für euch in meiner Brust.“ Das ist eines der schönsten Stücke der Oper. Haydn beschreibt das Fließen des Bachs durch lautmalerische Figuren der Streicher.


    Anschließend versöhnt sich Buonafede mit seinen Töchtern, wobei auch Clarice zugibt, nicht frei von trascorsi (Verfehlungen) zu sein. Flaminia und Clarice stellen erfreut fest, dass jede von ihnen 6000 Scudi Mitgift bekommen hat, und selbst für Lisetta gibt es immerhin 1000 Scudi. Deren letzten Satz hört die Frau von heute sicher gern:
    Ed io contenta ancor più che regina, scendo dal trono e torno alla cucina. („Und ich, zufriedener denn als Königin, steige vom Thron und kehre zurück in die Küche.“) Die Aufklärung war damals noch nicht in alle Lebensbereiche vorgedrungen...


    Im Finale wird wie üblich Bilanz gezogen:


    Nr. 29: Finale III (D-Dur) Dal mondo della luna a noi ci vien fortuna, ci vien prosperità!
    „Von der Welt auf dem Mond kommt zu uns das Glück, kommt der Wohlstand.“
    Schlusschor:
    Godiamo, amici, di questa fortuna!......Genießen wir, Freunde, dieses Glück!
    Che oggi a terra ci vien dalla luna!......Das heute vom Mond auf die Erde zu uns kommt!
    Viviam da amici ed in carità,...............Leben wir als Freunde und in Barmherzigkeit,
    fuggiam i capricci che meglio sarà......enthalten wir uns der Launen, was besser ist.



    Thomas Deck

  • Hier der Hinweis auf eine Aufzeichnung am kommenden Samstag in 3sat:
    Zum Abschluss des Haydn-Jahres 2009 (= 200. Todestag) brachte das Theater an der Wien diese komische Oper auf die Bühne. Regie führte Tobias Moretti, es dirigierte Nicolaus Harnoncourt.


    3sat, Samstag, 9. April 2011 - 20:15 Uhr


    Il Mondo della Luna
    Dramma giocoso in drei Akten von Joseph Haydn (1777)
    Libretto: Carlo Goldoni


    Darsteller:
    Buonafede - Dietrich Henschel
    Ecclitico - Bernard Richter
    Ernesto - Vivica Genaux
    Clarice - Christina Landshamer
    Flaminia - Anja Nina Bahrmann
    Lisetta - Maite Beaumont
    Cecco - Markus Schäfer
    u.a.


    Orchester: Concentus Musicus
    Musikalische Leitung: Nikolaus Harnoncourt
    Inszenierung: Tobias Moretti


    Theater an der Wien, 2009


    Zitat

    Der alte Geizhals Signor Buonafede will hoch hinaus, nämlich zum Mond. Dieser Traum macht ihn zum leichten Opfer für seine beiden heiratswilligen Töchter Clarice und Flaminia und den verliebten Astrologen Ecclitico. Buonafede wird von Ecclitico in Trance und angeblich auf den Mond versetzt, wo der Astrologe und seine Freunde ihm die Töchter und obendrein die hübsche Dienerin Lisetta abluchsen können.
    Der Mond verkörpert in Joseph Haydns Oper "Il Mondo della Luna" ("Die Welt auf dem Mond") eine Gegenwelt zum intriganten Treiben auf der Erde. Die Oper ist eine Satire auf den Wunderglauben, der die dunkle Kehrseite des Aufklärungsgeistes bildet, aber auch auf das Abenteurertum, das diesen (Aber-)Glauben ausbeutet. Sie wurde am 3. August 1777 anlässlich der Hochzeit von Graf Nikolaus, einem Sohn des Fürsten Nikolaus Esterházy, mit Maria Anna Gräfin Weißenwolf in Schloss Esterháza (Eisenstadt) uraufgeführt, dann aber lange Zeit von den Bühnen verbannt. Erst im 20. Jahrhundert kam das Werk wieder zu Ehren - und mit ihm Haydn als Opernkomponist. Die Oper basiert auf einem Libretto von einem der herausragendsten Komödienautoren des 18. Jahrhunderts, Carlo Goldoni.
    (ORF)

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)