Das erste Mal, und dann? -- Prägung durch den ersten Höreindruck

  • Hallo,


    Wie stark prägt es euch eine Interpretation, wenn ihr ein Werk zum ersten Mal hört? Ist das dann die persönliche Referenz, die den Zugang zum Werk eröffnet hat und deswegen als besonders gelungen gilt? Oder wird diese Aufnahme gleich bei der nächst gehörten in die Tonne getreten, weil ihr bestimmt kleine Eigenheiten der ersten Aufnahme vermisst?


    Ich hatte schon beide Varianten. Fall 1: Telemann´s Suite burleque de Quichotte (TWV 55: G10) in einem live-Mitschnitt mit der Akademie für Alte Musik Berlin. Die haben den Galopp des Rossinante so genial gespielt, mit Verzögerungen, holprigen Temposchwankungen. Seitdem will ich nichts anderes mehr hören an dieser Stelle.


    Fall 2: Die h-Moll Messe mit Karajan. Als ich das Stück zum ersten Mal gesungen habe, war ich noch nicht so Alte-Musik-spezialisiert. Ich bin in einen Plattenladen gegangen und hab mir einfach eine Aufnahme, die nicht allzu viel kostete gegriffen, weil ich schon vorab wissen wollte, wie´s mit Instrumenten klingen wird. Heute kriege ich von dieser Aufnahme Ohrenbluten und Gehörgangkrebs. :D


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Ich lach mich schlapp,


    genau das gleiche ist mir mit der h-moll Messe passiert, sie war schön billig und damals dachte ich noch Karajan sei ein Garant für Qualität :rolleyes:


    Jetzt muß ich sagen gefällt mir die H-Moll Messe am Besten in der Interpretation von Ton Koopman, mittlerweile vielleicht auch schon "altes Eisen", aber mir sind neue Endeckungen lieber, als ständig neue Interpretationen, dafür sind 2000 - 3000 Jahre Musikgeschichte einfach zu Umfangreich und ich möchte soviel wie möglich kennen lernen.


    (Bei Karajan habe ich immer das Gefühl, dass er aus jedem Komponisten einen Mahler oder Wagner machen muß - laaaaangweilig)

  • Zitat

    Original von der Lullist


    (Bei Karajan habe ich immer das Gefühl, dass er aus jedem Komponisten einen Mahler oder Wagner machen muß - laaaaangweilig)


    Hallo Lullist,


    meinst du das im Ernst?


    Gruß

  • Och, eigentlich schon,
    irgendwie kann ich dem halt nichts abgewinnen wenn man gerade bei Bach mit schleppenden Tempi und übermäßig großen Orchestern etwas aus der Musik zu machen versucht was sie nunmal nicht ist.
    Dann soll man lieber gleich auf Stokowsky ausweichen, der hat es wenigstens richtig derb gemacht.


    Ich persönlich denke auch nicht das es "richtig" ist wie man Wagner oder Mahler Heute spielt: allein die Saiten der Violinen ... weshalb benutzt man nur bei Barockmusik Darmsaiten?
    Die ständige Modernisierung der Instrumente hat nur eines zum Ergebnis: Lautstärke. Diese quietschenden Geräusche die von den Metallsaiten erzeugt werden kann doch unmöglich das Klangideal sein?!


    Im übrigen oute ich mich mal als "Karajangegner" - ich habe mittlerweile recht viele Aufnahmen von ihm gehört - keine hat mich bisher davon überzeugt, dass er seinen Ruhm zu Recht hat! (Mein Großvater hielt so große Stück auf ihn und ließ nichts anderes zu - vielleicht rührt auch da ein wenig die Ablehnung her.
    Außerdem hat er sich fast nur auf ausgetreten Pfaden bewegt.


    Ich mag es ohnehin nicht wenn so ein Kult um lediglich einen "Interpreten" gemacht wird, die Musik hat im Vordegrund zu stehen nicht der Dirigent, es sei denn er dirigiert seine eigenen Kompositionen.
    Ich erinnere mich noch gut an einige CD Cover - da überstrahlte der Name Karajan alles, den Namen des Komponisten musste man suchen.


    Aber ich denke das führt alles vom Thema weg...

  • Hallo Das ist ja jetzt schon eine Menge Stoff zusammengekommen der nuir scheinbar von Thema wegführt.
    Das Thema war ja Prägung und unser Lullist zeigt ja hier, wie stark er geprägt ist. Wenn man bedenkt, daß die historischen Lullisten sogar Rameau als zu progressiv verabscheuten und bekämpften, dann ist die Abneigung unseres "Lullisten" gegen Karajan nur konsequent. Daß sie nicht gerecht ist, merke ich hier nur am Rande an, auch das gehört zur "Prägung" Hier rate ich zu einem eigenen Thread" Barockinterpretationen mit modernem Instrumentarium"


    Nun wieder ganz nahe ans Thema: Der Musikalischen Prägung dursch das "Ersthören" kann sich NIEMAND völlig entziehen, ähnlich nicht wie den Prägungen durch die "Erste Liebe".


    Nun gibt es allerdings auch Abstufungen.


    Wenn man wie ich, autodidaktisch zu klassischen Musik kommt, in etwa mit 15 (ich hatte sie schon früher im Radio gehört, mich aber nicht näher damit befasst) und sich die ersten Schallplatten (CDs) kauft, dann erliegt man der Versuchung, zu glauben, man würde ein Werk bereits kennen, wenn man es bereits im Plattenschrank stehen, und mehrmals gehört hat. Ich erinnere mich noch gut der Abneigung, die ich empfand, als ich eines meiner Lieblingswerke anders interpretiert hörte, als ich es gewohnt war. So erinnere ich mich genau, daß ich die Karakan Aufnahme der mir damals bekannten Beethoven-Sinfonien als zu schlank und soptlich empfand, zu schnell und zu dünn. (Ich war damals wärmer und bombastisch klingendere Einspielungen gewohnt, und nicht so schnelle) So prägte ich (für mich) damals das Schlagwort "Beethoven in Turnschuhen" (Zu Turnschuhen hatte ich ein gestörtes Verhältnis)


    Wenn einem dieses Gesetz der Prägung bekannt ist, bevor man sich mit Klassischer Musik befasst, (also beispielsweise "spätberufene" die einen Freundeskreis oder ein Forum wie unseres begleitend zu Seite hatten) dann ist man in der Lage die Tiefe der Prägung zu minimieren, ganz ausschließen lässt sie sich indes nicht. Aber wer wollte das schon.
    Möchte Ihr ein Deutsch sprechen, daß Eueren individuellen Akzent nicht mehr hat ?- Ich jedenfalls nicht.
    Aber man ist hier in der glücklichen Lage, zu wählen, von wem man sich prägen lässt, allerdings auch das mit Einschränkungen, sind wir doch alle Kinder der Zeit in die wir hineingeboren wurden. Denn es gibt tatsächlich so etwas wie Zeitgeist - allerdings hat er nichts mit jenem "Zeitgeist" zu tun, den gern jene "Meinungsmacher" beschwören, die gerne verschleiern möchten, daß sie selbst gar keinen eigenen Geist besitzen.


    Ist man aber einmal geprägt, so wird man alle Beurteilungen aus dieser Sicht vornehmen, egal ob man will oder nicht


    Daher würde ich, hatte ich eine Musikzeitschrift mit Rezensione redaktionell zu verantworten, jede Neuerscheinung von z w e i Kritikern rezensieren lassen, die Leser hätten dann die Wahl.


    Aber prinzipiell passiert ja ähnliches hier in diesem Forum



    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Hallo,


    ich denke, die Prägung auf die erstgehörte Interpretation wird um so stärker sein, je weniger man sich in einem Gebiet auskenntund je länger man nichts anderes hört. Weil einfach der Hintergrund fehlt. Es fehlt die Fähigkeit einzuschätzen, die erst durch vieles Hören bzw. Beschäftigung mit der Musik erworben wird.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • @ Lullist


    Ich glaube, das ist ein Mißverständnis. Du meinst vielleicht eine spezifische Färbung der Aufnahmen Karajans, seinen Interpretationsstil. Den gibt es ja. Nur hat dieser Stil wenig bis gar nicht mit "Mahler oder Wagner" zu tun. Such dir andere Begriffe aus. Einiges davon wurde schon auch in diesem Forum, u.a. von Alfred formuliert.


    Gruß

  • Zitat


    Ich persönlich denke auch nicht das es "richtig" ist wie man Wagner oder Mahler Heute spielt: allein die Saiten der Violinen ... weshalb benutzt man nur bei Barockmusik Darmsaiten?
    Die ständige Modernisierung der Instrumente hat nur eines zum Ergebnis: Lautstärke. Diese quietschenden Geräusche die von den Metallsaiten erzeugt werden kann doch unmöglich das Klangideal sein?!


    Danke, Lullist !!!


    Es scheint aber wohl auch so zu sein, daß sich Stahl-, Metall- und andere Saiten nicht so "schnell" verstimmen und nicht so schnell kaputt gehen, wie Darmsaiten.


    Es lebe die Faulheit und der Kapitalismus!


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hi


    Zitat

    Es scheint aber wohl auch so zu sein, daß sich Stahl-, Metall- und andere Saiten nicht so "schnell" verstimmen und nicht so schnell kaputt gehen, wie Darmsaiten


    Es lebe die Faulheit und der Kapitalismus!


    Das hat weder mit Faulheit noch mit Kapitalismus zu tun. Ein großes Symphonieorchester wäre nach einer Viertelstunde vollkommen aus der Stimmung, da sich Temperatur und Luftfeuchtigkeit(!) während eines Konzertes merklich verändern.


    Stahlseiten reagieren nur auf die Temperatur, das muss beim Orchester hingenommen werden. Wo es genauer zugeht, zum Beispiel bei einem Streichquartett, kann es schon passieren, dass nach jedem Satz kurz nachgestimmt wird.


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich merke heute noch (nach ca. 18 Jahren) im Finale der Eroica an einer Stelle (der Beginn des ersten Fugato) auf, weil die erste LP, auf der ich das Werk kennenlernte, dort einen Kratzer über mehrere Rillen hatte :D


    Ein ernsthafter möglicher Fall ist Beethovens 5 mit C. Kleiber. Ich glaube, ich habe damals das Band in einem Jahr häufiger gehört als die Sinfonie seitdem.
    Einige Eigenheiten, z.b. die teils extreme Dynamik oder die Klangfarbe der Orchesterschläge wenn im 3. Satz nach der ersten piano-phrase die Hörner einsetzten (die bei Kleiber eben nicht alles übertönen), das entfesselte trio mit fetten Kontrabässen usw.


    Noch etwas fällt mir ein: Mozarts "Kleine g-moll"; hier hatte ich eine (leider offenbar nie auf CD erschienene!) LP mit C. Davis. Davis artikulierte das Seitenthema des Kopfsatz anders als heute (nicht nur bei den HIPstern) üblich, mit langem Vorschlag. daja-data, daja-data (heute oft: tjamm-tata, tjamm-tata usw.). Eine außerordentlich schöne Einspielung (ebenso #29 auf der Rückseite), die ich sehr gerne auf CD hätte.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Hallo,


    mir geht es ganz seltsam mit der Violinsonate von C. Franck. Die habe ich zuerst in einer Aufnahme mit D. Shafran, also in einer Bearbeitung für Cello kennen gelernt. Seitdem habe ich mehrfach versucht, sie als Violinsonate genauso zu mögen (ich habe eine Aufnahme mit Oistrach und eine mit Hölscher). Es gelingt mir nicht. Die Cello-Bearbeitung, insbesondere Shafrans Interpretation (es ist m.E. seine beste Aufnahme überhaupt, er spielt ungeheuer "kommunikativ", sein Ton geht direkt runter bis in den kleinen Zeh) kann ich nicht aus dem Kopf verbannen, wenn ich das Original höre. Mir scheint immer, dass eine Violine zu mager klingt, selbst wenn Oistrach spielt. Von anderen Bearbeitungen (ich habe auch eine Aufnahme mit Rampal/Argerich, also mit Querflöge und PF) ganz zu schweigen - die nehme ich nur Kurriosum wahr.


    Also, ums kurz zu machen: Ja, die beschriebene Prägung durch das erste Hören kenne ich auch. Sie tritt aber so stark nur ganz selten auf.


    Freundliche Grüße


    Heinz Gelking

  • Ich hatte ähnliche Erfahrung mit Schuberts 9ter. Hatte sie mehrere mal gehört, mal mit dem mal mit jenem. Es gab einige Unterschiede, aber so in etwa warens die selben.
    Und dann hörte ich sie mit Szell. Und das war der Hammer. Seit dem nur noch mit ihm!


    Das selbe passierte mit der Wasser bzw Feuerwerksmusik, wobei ich da gestehen muss, dass Szell eine eigen Orchestrierung hatte.


    Das Gegenteil ereignete sich bei Bach - Schönberg, Preludium und Fuge.
    Meine erste Aufnahme war ja eine Radioaufnahme. Dummerweise hatte ich den Dirigentennamen nicht aufgenommen oder behalten. Aber in allen Aufführungen bis jetzt, ist diese Aufnahme die beste!

  • Irgendwie scheit das bei mir nicht so ganz zuzutreffen. Die erste Aufnahme die ich je von Schuberts 9. hörte war meine Gesamtaufnahme mit Muti und die hat mir eigentlich von Anfang an nicht gefallen. Wo ich allerdings so eine Prägung bei mir feststellen kann ist z.B. das Brahms Klavierquintett. Wenn ich es in der Fassung für 2 Klaviere höre, fehlt mir einfach der Streicherklang.

  • Ich kenne das Phänomen aus dem Bereich von Opernaufnahmen! Die Aufnahmen der Werke, die ich als Teenager geschenkt bekam, haben meine Einstellungen anderen Aufnahmen (oder Live-Aufführungen) gegenüber sehr geprägt, weil ich diese früher eben rauf- und runtergehört habe und daher gerade bei einigen deutschsprachigen Opern [Mozart, v. Weber, Beethoven] bis heute nach wie vor sehr textsicher bin :]


    Wie ich in späteren Jahren gemerkt habe, waren die mich so prägenden Aufnahmen nicht die schlechtesten - so dass meine Prägung hier immerhin eine ganz ordentliche "Grundlage" und Erwartungshaltung gegenüber anderen Interpretationen zulässt ;)


    U. a. handelte es sich um:


    Carmen (DGG; Marilyn Horne, Metropolitan Opera, Leonard Bernstein)
    Zauberflöte (DGG; Fritz Wunderlich, Dietrich Fischer-Dieskau, Karl Böhm)
    Freischütz (DGG; Peter Schreier, Gundula Janowitz, Carlos Kleiber)
    Fidelio (DGG; G. Janowitz, René Kollo, Leonard Bernstein)
    La Traviata (DGG; Ileana Cotrubas, Placido Domingo, Carlos Kleiber)

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Ich habe eine mittelschwere Victoria de los Ángeles-Prägung, und mir fehlt bei vielen anderen Interpretationen der von ihr eingespielten Werke ihr großartiges Timbre. Ausnahmen bestätigen die Regel.


    Ansonsten habe ich einfach zu selten verschiedene Interpretationen der selben Werke, um meine Prägungen genauer definieren zu können.

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  • Eine fixe Prägung durch erstmaliges Hören würde ich bei mir eigentlich nicht diagnostizieren. Im Gegenteil, ich habe bei vielen Werken eher ein Faible für sehr unterschiedliche Interpretationen (selbst mit der Originalpartitur in der Hand wüsste ich ja nicht, wie das Werk "richtig" klingen sollte - insofern haben auch Interpreten keinen absoluten Wahrheitsanspruch).


    Bei Opern muss die Stimme - vor allem szenisch - auch im Einklang mit der dargestellten Figur sein, wobei deren Interpretation ja eine ziemliche Schwankungsbreite aufweisen kann. So kann ich den Grimes mehr als Gewalttäter oder mehr als Gebrochenen darstellen - nur muss ich dann auch die Stimme entsprechend wählen. Beides ist plausibel, beides kann großartig wirken.


    Einzig für den Bereich der Barockmusik (inkl Mozart und Haydn) bin ich insofern geprägt, als ich Probleme mit Interpretationen habe, die die HIP völlig ignorieren.

  • Lieber Thomas,


    Ich kenne diese Phänomene.


    Ich wuchs auf in die alte MP-Tradition: langsame Tempi, romantische Akzente. Das einzige, daß ich davon jetzt vermisse ist die Passage "Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen".
    Ich erinnere es noch ganz gut. Im Uni-Bibliothek, Abends, da hörte ich eine MP (ich mußte aufpassen und hatte ein kleines Radio mitgenommen). Und ich erschrack. So schnell. Aber dann kam die erste Alt-Arie. Die betonnen Mauern gaben einen schlechten Empfang. Und trotzdem hörte ich etwas sonderbares.
    Den Begriff Countertenor kannte ich ja schon. Ich hatte Platten von Alfred Deller. Aber dies? Ich konnte wegen des schlechten Empfangs nicht unterscheiden, was es war.
    Almählich habe ich mich gewöhnt an die schnellere Tempi, und finde die sogar schön.


    Anderseits. Ich hatte Kozeluchs Klavierkonzert auf LP und CD. Und fand es ein schlechtes, billiges KK.
    Auf Anraten Taminomitglieder kaufte ich eine neue Ausgabe. Ich stehe auf meine Meinung. Ich bleibe es Massenproduktion finden. Billige Unterhaltungsmusik. Das liegt also nicht an den Ausführenden, sondern an die Komposition.


    LG, Paul

  • Hallo,


    ich beobachte bei mir folgendes Phänomen: Wenn ich ein musikalisches Werk in einer bestimmten Aufnahme (die möglicherweise aus mehr oder weniger objektiven Gründen als inadaequeat beurteilt wird) zuerst gehört habe und mir das Werk an sich gefällt, dann setzen sich bestimmte Parameter wie Tempi, dynamische Abstufungen, Klangfarben und vieles mehr nach diesem Eindruck fest - und beim Hören anderer Aufnahmen (die möglicherweise allgemein als besser gelten), die dieses oder jenes anders machen, empfinde ich diese Andersheiten als "falsch", auch wenn ich mir rational sage, dass es sich um andere und möglicherweise angemessenere Interpretationsweisen handelt.


    Habt ihr diese Beobachtung bei euch auch schon gemacht?


    :hello:




    Themen zusammengefügt.
    Thomas

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Jeder, der diese Erfahrung noch nicht gemacht hat, soll aufzeigen!


    ...


    Niemand? - Siehst du, ein allgemein bekanntes Problem! :D

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Man nennt dieses Phänomen "Prägung" - und es ist allgemein bekannt.


    Ich erinnere mich, wie empört ich war, als ich Werke, die ich bereits auf Platte hatte, ein zweites Mal erwarb - oder bei Bekannten hörte - und feststellen musste, daß es nicht so klang wie gewohnt.,,,,


    Es gibt aber Ausnahmen:
    Werke die einem bisher nicht so lagen - oder generell nicht besonders einprägsam sind - bekamen unter anderer Interpretation plötzlich jenes Feuer und jene Leuchtkraft, die man beim Ersthören - und in weiterer Folge beim Wiederhören vermisst hatte. Dergleichen ist aber eher selten.....


    Man kann übrigens ser Prägung langfristig (so erwünscht) teilweise wieder entkommen - indem man viele Interpretationen hört.


    Ich bin beispielsweise von Karl Böhm und Eugen Jochum geprägt - und in Sachen Beethoven von Karajan - ein wenig auch von Ferenc Fricsay.



    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Zitat


    Themen zusammengefügt.
    Thomas


    Danke! :hello:

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    mir geht es ganz seltsam mit der Violinsonate von C. Franck. Die habe ich zuerst in einer Aufnahme mit D. Shafran, also in einer Bearbeitung für Cello kennen gelernt. Seitdem habe ich mehrfach versucht, sie als Violinsonate genauso zu mögen (ich habe eine Aufnahme mit Oistrach und eine mit Hölscher). Es gelingt mir nicht. Die Cello-Bearbeitung, insbesondere Shafrans Interpretation (es ist m.E. seine beste Aufnahme überhaupt, er spielt ungeheuer "kommunikativ", sein Ton geht direkt runter bis in den kleinen Zeh) kann ich nicht aus dem Kopf verbannen, wenn ich das Original höre. Mir scheint immer, dass eine Violine zu mager klingt, selbst wenn Oistrach spielt.


    Das muss nicht unbedingt eine Frage der Prägung, sein:
    Mir geht es bei Francks Violinsonate genauso wie Heinz - nur das ich lange Zeit allein eine Aufnahme der Urfassung besaß(Kyung Wha Chung, Violine, und Radu Lupu, Piano), die mich trotz ausgesprochen guter Kritiken nie so richtig von diesem Werk zu überzeugen vermochte . Erst als ich zufällig eine für das Cello bearbeitete Version der Sonate in einem Boxset (Les Introuvables de Jaqueline du Pré) "miterwarb" war ich absolut davon hingerissen. Daraufhin beschloß ich, ich müßte der Ursprungsfassung noch einmal eine Chance geben, was ich auch getan habe. Der Erfolg jedoch blieb aus - bis heute liebe ich die Sonate allein in der Version für Cello und Klavier.


    Gruß


    katlow

  • Insider werden schon bemerkt haben, daß ich derzeit mit Vorliebe alte Themen "ausgrabe" um sie wiederzubeleben.
    Das ist dann angezeigt - und zudem leicht, wenn kaum jemand der derzeitigen Tamino-Besetzung in diesem Thread vertreten ist, es sich also für viele um ein völlig neues Thema handelt.


    Man kann also den Thread von vorne zu lesen beginnen - oder lediglich den ersten Beitrag.
    Oder ich stelle die Frage erneut:
    In diesem Fall geht es um die Frage inwieweit Euch das erstmalige Hören eines Werkes prägt,
    soll heissen ob ihr dann immer wieder diese Interpretation anderen Lesarten vorzieht.


    Ich will an dieser Stelle gleich eine Anmerkung machen:
    In meiner Jugend - und gerade damals lernte ich eine Menge des mir heute bekannten Musikrepertoires kennen war die Gefahr der Prägung relativ groß. Schallplatten waren teuer - und Alternativeinspielungen kaufte man selten - oder unfreiwillig (als Koppeliung auf der B-Seite eines gewünschten Werkes) Wenn man Geld investierte, so wollte man möglicht eine Repertoirelücke füllen.
    Heute ist die Situation eine völlig andere. Auf grund der aktuellen Tonträgerpreise, bzw des aktuellen Angebots ist es sehr wohl möglich zwei oder sogar drei verschiedene Aufnahmen eines Werkes, das man kennenlernen will, zu kaufen.


    Wie viele Klassiksammler von dieser Möglichkeit gebrauch machen - das weiß ich allerdings nicht...



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auf den ersten Nachdenker meine ich, es wäre wichtig, sich seiner Prägungen bewusst zu werden, und diese dann nicht als kulturrettend und sakrosankt auszurufen. Andere Menschen haben eben andere Prägungen.

  • Das gilt nicht nur für den Hörer, auch für den Interpreten, z. B. früher FiDi - später Fi-Di.


    Andeutungsweise die Möglichkeiten...


    meine 1.Prägung Fi-Di früh"
    " 2." " spät
    anderer Mensch 1. Prägung " früh
    " 2. " " spät


    ...der unterschiedlichen Höreindrück und darausfolgenden Bewertungen.


    Es wäre aber möglich, bei (s)einer 1. Prägung bleiben zu wollen, die auch begründen zu können und davon unabhängig die Prägungen anderer Menschen (und deren Begründung?) u.U. nicht nachvollziehen zu können, aber jedenfalls zu akzeptieren.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Mein Gott, wie die Zeit vergeht
    Indes- Manche Themen bleiben topaktuell, anger hingegen verlieren an Bedeutung oder - wie IMO in diesem Fall - müssen aus einem anderen Betrachtungswinkel gesehen werden.
    Die "Prägung durch den ersten Höreindruck" - ist die angesichts der vielen neu entdeckten Werke überhaupt noch möglich ?
    Früher hörte man einen gewissen Canon an Werken, der eigentlich - gemessen an heute - eher überschaubar war.
    Es gab einige Weltspitzenorchester, die teilweise Jahrzehntelang von dem selben Dirigenten geleitet wurden. Hier könnte sich relativ schnell so etwas wie eine Prägung entwickeln. Ob "durch den ersten Höreindruck" - wie im Titel angedeutet- bereits so etwas wie eine "Prägung" entstehen konnte, das sei mal als Frage offen dahingestellt.


    Heute ist es ja so, daß es oft über den "ersten Höreindruck" gar nicht hinaus geht.
    Da wird beispielsweise ein unbekannter Komponist "ausgegraben". Man erwirbt die Aufnahme und sie gefällt einem eigentlich recht gut, attestiert ihr beispielsweise "Mozartnähe"


    ABER - schon 3 Tage später wird man feststellen, daß leider kein einziges Thema mehr hängen geblieben ist.
    Liegt das nun am Werk oder am Stil des Komponisten, einer gewissen "Beliebigkiet - oder ist die Ursache, daß wir zu Beginn unserer Klassikhörer- Sammler- "Karriere"
    aus den Umständen heraus jede Aufnahme 4-6 mal hörten ?


    Das wäre heute bei dem Überangebot an Aufnahmen der letzten 60 Jahre (so lange gibt es in etwa Stereoaufnahmen in HIFI Qualität) nur mehr schwer möglich - es sei denn man würde sich spezialisieren und auf ein ganz bestimmtes Segment festlegen.....


    mfg aus Wien


    Alfred
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !