Tschaikowsky: Variationen über ein Rokoko-Thema für Cello und Orchester A-dur op. 33

  • Hallo!


    Ende 1876 komponierte Tschaikowsky sein „Quasi-Cellokonzert“ (Uraufführung: 18.11.1877 in Moskau) und widmete es dem befreundeten deutschen Cellisten Wilhelm Fitzenhagen.


    Das Werk beginnt mit einer Einleitung, die eine Einstimmung in den Gestus des Rokokos (bzw. was man sich in der Romantik als rokokohaft vorstellte) darstellt. Tschaikowsky war bekanntlicherweise großer Mozart-Verehrer, und die retrospektive Thematik sollte eine Reminiszenz an das große Vorbild vergangener Zeiten darstellen. Anders als bei seiner „Mozartania-Suite“ verwendet hier Tschaikowsky alleredings ein selbsterdachtes Thema, eine schlichte (semplice) neo-klassiche Melodie.
    Dem Thema folgen dann sieben charakterlich durchaus unterschiedliche Variationen. Ich zitiere aus Reclams Konzertführer:


    Zitat

    Die 7 Variationen sind durch vermittelnde und untereinander eng verwandte Orchesterzwischenspiele miteinander verbunden. Variation 1 figuriert die Ausgangsmelodie solistisch, Variation 2 führt dieses Prinzip weiter und steigert es; Variation 3 ist ein romantisch ausladendes Andante sostenuto in C-dur, Variation 4 kontrastiert dazu temperamentvoll tänzerisch; inmitten der 5. Variation gibt es für den Solisten Gelegenheit zu einer Kadenz, die jedoch nicht improvisiert wird, sondern Bestandteil der Komposition ist. Ein besinnliches Element ist die 6. Variation in d-moll, während die abschließende 7. Variation noch einmal alle Register der Virtuosität zieht.


    Freunde Tschaikowskys und des Cellokonzerts bewogen ersteren mehrfach dazu, zweiteres zu komponieren, jedoch erwiderte ersterer darauf stets „Warum spielt Ihr denn nicht meine Variationen?“
    So müssen wir alle denn auf ein „richtiges“ Cellokonzert von Tschaikowsky verzichten.


    Meine Aufnahme der Rokoko-Variationen ist folgende:



    Im Vergleich zum Ausschnitt in Radagasts Quiz (Tür Nr. 2, Beginn von Variation 7) – ich nehme an, es handelt sich um Kliegel – gefällt mir meine besser.


    Viele Grüße,
    Pius.


  • Eine glasklare und unpathetische Einspielung - quasi Gegenmodell zu du Pré -, die ich sehr schätze, natürlich auch das Dvorak-Konzert.


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Hallo,


    Ich weiss nicht...ich werde mit diesem Werk so garnicht warm.
    Ich finde dieses Thema "sau-blöd" und (wie du schon angemerkt hast) der heutige Hörer fragt sich doch zu recht, wo denn da der Rokoko ist...
    Naja...was nicht ist kann ja noch werden - hier meine Aufnahme (vielleicht ligts an ihr?):



    Darauf übrigens auch zwei kleinere Werke des besagten und (kompositorisch) wohl zurecht vergessenen "Fritzenhagen"...


    LG
    Raphael

  • Lieber raphaell,
    schau mal da: Gustav Rivinius, Tschaikowski- Wettbewerb- Gewinner 1990:
    "http://www.youtube.com/watch?v=XhiMOXaAy4M"


    Ich halte diese Werk für eines der gelungensten, ja großartigsten, was an Cello/Orchester Repertoire komponiert wurde. Man kann es, meiner Meinung nach, getrost mit den Klavier- und Violinkonzerten von Tschaikowsky vergleichen, es steht diesen um nichts nach, eher im Gegenteil!
    Melodien zum Dahinschmelzen und herrlich raffinierte Einlagen des Soloinstrumentes. Ja,es ist größtenteils "entzückend", hat aber auch schwermütige, ernste Stellen, z.B. die vorletzte Variation.
    Ansonsten braucht dieses Werk einen Cellisten mit besonders farbenreicher Tonpalette, also Harrell, du Pre, Schiff, wobei ich hier die ideale Interpretation noch nicht gefunden habe. Derzeit ist Rivinius mein Favorit....
    :hello:
    PS: Die geläufige Version dieses Werkes ist die von Fitzenhagen. Derzeit gibt es einen Trend zum Original zurückzukehren- leider :stumm:.

  • Gut, daß flotan dies einmal klarstellt:


    Was wir heutzutage allermeistens hören, ist die Fassung von Fitzenhagen.
    Die Orginalfassung finde ich persönlich ungleich langweiliger umd höre sie mir auch nicht mehr an.
    Die effektvolle Variation, welche durch Fitzenhagen am Schluß steht und so qausi der Rausschmeisser ist, versteckt sich beim Orginal irgendwo in der Mitte.


    Gruß,
    Michael

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  • Hallo Flotan,


    Danke für den Link! Schon recht spektakulär das mal zu sehen!
    Es war zwar wirklich großartig gespielt, trotzem finde ich dieses Thema einfach nur :stumm:...! Keine ahnung woran das liegt - hat man einfach manchmal...


    LG
    Raphael

  • Hallo,


    Zitat

    Eine glasklare und unpathetische Einspielung - quasi Gegenmodell zu du Pré -, die ich sehr schätze, natürlich auch das Dvorak-Konzert.


    Sorry, aber gibt es von den Rokokovariationen eine Aufnahme mit Du Pre ? Das würde mich sehr interessieren ?


    Gruss


    Syrinx


  • Da hab ich mich etwas undeutlich ausgedrückt. Das Gegenmodell bezog sich auf die für beide Cellisten typische Spielweise, und natürlich auf das Dvorak-Cellokonzert.


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ich habe die Rokoko-Variationen erst in diesem Jahr (war es dieses Jahr?) kennengelernt. Und zwar mit der grandiosen Debüt-CD von Sol Gabetta.
    Das Stück hat mich eigentlich sofort mit dem ersten Hören begeistern können. Das Thema war sang- und somit merkbar. Die Variationen sind eindeutig zu hören bzw. das Thema in ihnen.


    Leider wurde mir die CD ja geraubt, aber lange sollte es nicht mehr dauern, bis ich sie mir wieder ins Regal stellen kann.




    Gruß, Peter.

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  • Hallo Peter,
    ähem.......kauf Dir doch vielleicht diese schon von Pius vorgestellte Aufnahme:


    Oder seine frühere Einspielung unter Roschdestwensky, die ist vielleicht sogar noch besser.


    Frau Gabetta sieht natürlich besser aus...............
    Sie spielt auch wirklich sehr ,sehr gut Cello.
    Aber ob es grandios ist.....???? :untertauch:


    Der Herr oben war es sicherlich....
    Just my 2 Cent......
    :hello:


    Michael

  • Hallo Michael,


    ich neige halt gerne zu Übertreibungen... :pfeif:
    Es geht mir ja bei der Gabetta-CD eigentlich nur um das Cover.
    Und nur ganz nebenbei auch um den Saint-Saens und Ginastera. Die hatte ich nämlich auch beide noch nicht.
    Dvoráks CK schon. Aber mal sehen, vielleicht stolper ich mal drüber.



    Gruß, Peter.

  • Ja, diese Cellistin ist gesegnet mit einem toll klingendem Namen und einem ziemlich .........(zensiert) Aussehen.
    Dazu kommt, daß Sie wirklich sehr gut spielen kann.


    Viel Spaß mit dem Cover- und der Musik natürlich, :D
    wünscht
    Michael

  • Zitat

    Ja, diese Cellistin ist gesegnet mit einem toll klingendem Namen und einem ziemlich .........(zensiert) Aussehen.

    Erstens finde ich sie gar nicht so ......... (zensiert), habe aber einmal eine ganz interessante Dvorak Cellokonzert- Pantomime gesehen. Da war in der 10. Reihe NIX mehr zu hören. Naja, ich hab mir einfach Rostro dazugedacht und dann wars ok.
    Die Dame spielt sehr sehr gut Cello, hat aber einen kleinen Ton (oder ein leises Guadagnini Cello), leider.
    :wacky:

  • Hallo,
    Wie Michael schon sagte, mit Rostro und den Rococo-Variationen kann man prinzipiell nichts falsch machen- das war eines seiner Paradestücke, und vermutlich gab und gibt es niemanden, der dieses Stück öfter als er gespielt hat. Ich hab ihn mal damit in Montpellier open air gehört- Rostro hat die Zeit des Orchesterthemas genutzt um seinen Bogen zu spannen und das Cello ein wenig zu putzen :pfeif:- hat aber trotzdem gut gespielt.
    Es gibt auch noch eine sehr gute Aufnahme mit Perenyi und dem Budapest Festival Orchester unter Fischer und dann noch diese hier:



    Sicher nicht jedermanns Geschmack, da wie üblich bei Wispelwey unglaublich intensiv, aber ich finde es sehr spannend und natürlich technisch auch von den Tempi her auf einem Wahnsinnsniveau.


    Gruss
    Syrinx

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  • Erstens finde ich sie gar nicht so ......... (zensiert), habe aber einmal eine ganz interessante Dvorak Cellokonzert- Pantomime gesehen. Da war in der 10. Reihe NIX mehr zu hören. Naja, ich hab mir einfach Rostro dazugedacht und dann wars ok.
    Die Dame spielt sehr sehr gut Cello, hat aber einen kleinen Ton (oder ein leises Guadagnini Cello), leider.
    :wacky:

    Zum fünfjährigen Jubiläum dieses Threads ... nein, war ein Scherz!


    Was ich nicht will, ist die Rokoko-Variationen zu besprechen, auf- oder abzuwerten. (Oben habe ich eine Aufnahme genannt, die mich sehr anspricht. Das Werk ist gewiss nicht meine Lieblingskomposition.)


    Auch um Sol Gabettas Äußeres soll es nicht gehen ... es gibt allerdings weit Schlimmeres ... :D


    Nein, worum es geht: Mir läuft gerade dieser Thread wieder über den Weg, und da: Déjà vu - genauso ist es!


    Denn ich hörte vor einigen Monaten in Erlangen Sol Gabetta mit dem Cellokonzert von Elgar. Ich hatte einen guten Platz (der Schostakowitsch war herzlich laut ...), Sol Gabetta hingegen hörte ich nur gelegentlich (dann war der Eindruck auch keineswegs unvorteilhaft ...). Sie scheint sich - aus welchen Gründen auch immer - wirklich nicht (immer) durchsetzen zu können. :yes: ;( Schade; ich war enttäuscht.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Freunde Tschaikowskys und des Cellokonzerts bewogen ersteren mehrfach dazu, zweiteres zu komponieren, jedoch erwiderte ersterer darauf stets „Warum spielt Ihr denn nicht meine Variationen?“
    So müssen wir alle denn auf ein „richtiges“ Cellokonzert von Tschaikowsky verzichten.


    Diese Bemerkung erinnert mich frappant an Richard Strauss, der auch kein "eigentliches" Cellokonzert komponierte, dafür aber seinen großartigen "Don Quixote".


    Was beide Werke verbindet, ist der Umstand, dass diese Stücke zwar keine Cellokonzerte im Wortsinn sind, und dazu müsste man auch Prokofjews grandioses "Symphonisches Konzert" hinzuzählen, dennoch sind diese Werke von großer Suggestionskraft, Farbigkeit und immenser Virtuosität für den Cellisten nur so gespickt und von enormer Aussagekraft. Dazu sind sie auch wunderschön, und ich höre sie immer wieder mit großer Begeisterung!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)