Chausson, Ernest: Symphonie en si bémol majeur

  • Ernest Chausson (1855 – 1899)


    Symphonie en si bémol majeur


    01. Lent
    02. Très lent
    03. Animé


    Entstehung: 1889 – 1890
    Uraufführung: 18.04.1890, Paris
    Dirigent: Ernest Chausson
    Verlag: Rouart & Lerolle, Paris (Erstausgabe); heute Salabert, Paris
    Dauer: ca. 36 Minuten



    Orchester:


    2 Piccoloflöten
    3 Flöten
    2 Oboen
    1 Englischhorn
    2 Klarinetten
    1 Bassklarinette
    3 Fagotte


    4 Hörner
    4 Trompeten
    3 Posaunen
    1 Tuba


    Pauken


    2 Harfen


    Streicher




    Ernest Chausson (1890)




    Über das Werk:


    Ich war umso glücklicher, diese Symphonie hören und loben zu können, als ich oft genug das frühere Schaffen des Komponisten kritisiert habe, der mir zu wenig Eigenständigkeit zu besitzen schien; nun, so glaube ich, hat sich seine Persönlichkeit offenbart, bewusster, klarer und farbiger. Es handelt sich jedenfalls um ein bedeutendes Werk von großartigem und schönem Zuschnitt, das unserer Schule alle Ehre erweist.


    (Aus einem Bericht zur Uraufführung 1890)



    Der erste Satz beginnt mit einer langsam aufkeimenden Einleitung, deren Thema in der langsamen Koda des Finales wieder aufgegriffen wird. Das anschließende Allegro stellt zwei Themenkomplexe auf: Das Hauptthema wird zunächst von Horn und Fagott intoniert, dann nach einer Steigerung im Fortissimo von Violinen und Bratschen. Das sich anschließende Seitenthema besteht aus zwei Komponenten: einem scherzhaften Holzbläser-Staccato sowie einer lyrischen Gesangsphrase der Streicher, die sowohl nacheinander als auch gleichzeitig auftreten und in immer neuen Klangfarben und Tonarten erscheinen. Die ausgedehnte Durchführung kombiniert alle Themen miteinander, selbst der Gedanke der langsamen Einleitung wird von den Posaunen und Trompeten cantus-firmus-artig aufgegriffen. Eine chromatische Tonleiter der Klarinetten leitet in die Reprise, in der das Hauptthema zwar in der Haupttonart B-Dur, jedoch rhythmisch leicht verändert erklingt. Eine kurze Coda (Presto) bringt dieses Thema auf eine fanfarenartige Kurzformel und führt den Satz zu einem triumphalen Schluss.



    (Hauptthema: Fagott und Horn)



    Eine ganz andere Stimmung breitet sich im zweiten Satz aus, einem breit ausgeführten Lamento. Der motivische Kern des ganzen Satzes ist ein prägnantes Dreitonmotiv, das anfangs aufsteigend, später absteigend eingesetzt wird. Die elegische Grundstimmung verdüstert sich nach und nach und entlädt sich schließlich in gewaltigen Akkordblöcken. Nach einer kurzen Phase der Entspannung endet der Satz pathetisch und feierlich in mühsam errungenem D-Dur-Glanz.



    (Dreitonmotiv: Erste Violine)



    Der dritte Satz beginnt stürmisch in b-Moll und gibt sich zunächst recht kämpferisch. Ein längerer Durchführungsteil kombiniert das Seitenthema spielerisch mit Motiven aus dem ersten Satz in immer neuen delikaten Klangmischungen. Eine geraffte Reprise der beiden Hauptthemen mündet überraschend in einen Blechbläserchoral (Grave), der die Einleitung zum ersten Satz aufgreift. Dieser Choral wiederum wird von den Streichern fortgesetzt und vom gesamten Orchester zu einer letzten monumentalen Steigerung geführt. Die Sinfonie endet, wie sie begonnen hat: ruhig und abgeklärt.



    (Hauptthema: Oboe, Englischhorn, Klarinette und Trompete)



    Obwohl von Historikern lange Zeit als epigonales Werk der Franck-Nachfolge abgetan, wird Chaussons Symphonie B-Dur mittlerweile gepriesen als „eine der wenigen französischen Kompositionen, die den vielgestaltigen Herausforderungen der Gattung standhalten“ (Laurence Davies).



    Aufnahmen:


    An dieser Stelle möchte ich nur eine Aufnahme empfehlen, weiter fünf sind mir bekannt. Ich möchte Euch die Gelegenheit geben, Eure Lieblingseinspielung hier vorzustellen.



    BBC Philharmonic
    Yan Pascal Tortelier
    Chandos




    Davidoff

    Verachtet mir die Meister nicht

  • Hallo lieber Davidoff,


    danke für die Erinnerung an Chaussons Sinfonie. Ich besitze eine alte Aufnahme mit dem niederländischen Radio-Orchester unter Fournier.
    Ich liebe vor allem den langsamen Mittelsatz, der durchaus brucknersche Adagioqualitäten hat.
    Ich werde mir die Sinfonie nächstens wieder mal vornehmen (nach dem Schmidt Franz).


    Eine gute längste Nacht wünscht
    Walter

  • Hallo Davidoff,


    danke für den Tipp, ich mus mir das Werk wirklich mal wieder anhören.


    Bisher kenne ich nur die Einspielung von Armin Jordan:




    Um noch etwas mehr von Chausson kennenzulernen überlege ich, mir die Doppel-CD von Decca anzuschaffen:


  • Hallo,
    meine Empfehlung wäre die schöne Aufnahme von Ernest Ansermet,
    schon hochbetagt aber immer noch gut klingend auf Decca.


    Sehr schwelgerisches Stück Musik :yes:


    Kein Bild gefunden... :(
    Besitze die Scheibe in einem Schuber mit französischer Musik, aus den frühen 90igern, allesamt von Ansermet dirigiert.


    :hello:
    embe

  • Hallo Davidoff,


    Die Chausson: Sinfonie op.20 hat mich bisher nicht sehr angespochen und ich habe dieses Werk eher unter dem Begriff "langweilig" abgehakt. Ich vermute aber sehr stark das dies eindeutig an meiner NAXOS-Aufnahme mit Jerome Kaltenbach liegt.


    Soweit ich mich erinnern kann haben wir in dem Thread über Französische Komponisten schonmal das Thema Chausson behandelt.
    Dort hatte ich jedenfalls diese NAXOS-CD auch erwähnt:
    ---IMO nicht empfehlenswert
    Symphonie op. 20
    Korcia, Orchestre Symphonique et Lyrique de Nancy, Kaltenbach
    Label: Naxos , DDD, 96


    Wenn Du mir nun meine Vermutung über diese Naxos-CD bestätigst, wäre ich gerne bereit mir die von Dir empfohende CD (oder die Ansermet-Aufnahme von embe) zu besorgen um meine Ersteindrücke zu revidieren.
    ;) Denn wenn Du einen Thread zu diesem Werk startest, muß ja was dran sein !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Original von Teleton


    Denn wenn Du einen Thread zu diesem Werk startest, muß ja was dran sein!


    Richtig erkannt, lieber Teleton. An meinen Threads ist immer etwas dran. :hahahaha:


    Ich stelle hier nur interessante Werke vor und würde die Taminoarner nie mit langweiligen Threads quälen. :pfeif:


    Du solltest Dir vielleicht wirklich mal eine andere Einspielung der Symphonie zu Gemüte führen.


    Empfehlen kann ich folgende Einspielungen:


    Armin Jordan
    Basler Sinfonieorchester
    Erato (heute apex)



    Michel Plasson
    Orchestre du Capitole de Toulouse
    EMI



    Davidoff

    Verachtet mir die Meister nicht

  • Hallo,
    hab gerade mal in der Sammlung gestöbert,
    da finden sich neben Ansermet: Jordan, Kaltenbach und Serebrier.
    Hören tu ich aber fast ausschließlich Ansermet :D
    Warum nur?


    Im Ansermet Faden hab ich die Sym auch mal erwähnt...


    andythr
    Die Aufnahme isses aber meine Cover sehen anders aus.



    :hello:
    embe


  • Dem kann ich mich anschließen!! Jordan hat IMO ein Händchen für Chausson (das ebenfalls auf der Scheibe - ich besitze die alte Erato-CD - eingespielte Poème symphonique Viviane macht er auch wunderbar und sein Le Roi Arthus ist wohl über jeden Zweifel erhaben). Als Vergleichseinspielungen kenne ich Plasson mit den Toulousern und die bei Naxos gelabelte Interpretation von Kaltenbach. Jordan nimmt für mich unter diesen eindeutig den Spitzenplatz ein, weil er das Klangspekturm farbig erstrahlen und richtig flackern läßt.


    Früher habe ich die Symphonie sehr häufig gehört, in letzter Zeit ist sie aber etwas aus meinem Blick (bzw. meinem Gehörgang) geraten. Werde sie aber anläßlich dieses Threads in den nächsten Tagen mal wieder hören.


    Ganz herzlich,
    Medard


    p.s.: hier noch das Bildchen der Erato-CD


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  • Eine wundervolle Symphonie eines -mit Ausnahme seiner Poeme-sträflich vernachlässigten Komponisten.
    Vor allem der überschwengliche erste Satz hat es mir sehr angetan.


    Ein :jubel: an Davidoff für einen weiteren, wichtigen thread.


    Ich besitze eine Aufnahme aus den 60ern unter Charles Munch, der in gewohnter Manier ein wahres Feurwerk entfacht.



    Eine Aufnahme, die sowohl interpretatorisch als auch tontechnisch (pentatone!) keine Wünsche offen lassen soll, ist die folgende:




    :hello:
    Wulf

  • Die Aufnahme mit Janowski kenne ich auch. Ebenfalls eine exzellente Einspielung mit tollem Klang.


    Davidoff

    Verachtet mir die Meister nicht

  • Es ist für mich eine wirkliche Freude, daß immer mehr meiner französischen Lieblinge ins Tamino-Rampenlicht rücken. Die Chausson-Symphonie lernte ich aus der Partitur kennen, es war damals keine Aufnahme greifbar. Aber das hatte den Vorteil, daß ich mich nicht einmal so sehr in den luxuriösen Klang verliebte, als vielmehr in die strukturelle Klarheit, mit der Chausson hier arbeitet.


    Ist diese Symphonie eher deutsch als französisch? - Man könnte auf die Idee kommen. Wagner steckt merklich dahinter, weniger Bruckner (Chausson geht nicht so blockhaft vor). Andererseits haben die modernen französischen Komponisten der damaligen Zeit Wagner sozusagen französisiert, soll heißen: Die Harmonik übernommen, aber Rhythmus und Melodie entwickeln sich in typisch französischer Geschmeidigkeit. Der für die französische Musik so wichtige Belgier César Franck hat in seiner genialen, nur ob ihrer immensen Wirkung im deutschsprachigen Raum als "Reißer" verachteten d-Moll-Symphonie gezeigt, wie man es machen kann. Und dieses Werk hat zahlreichen Komponisten, auch Chausson, als Modell gedient.


    Meiner Meinung nach ist Chausson aber das noch bessere Werk gelungen: Der erste Satz ist glänzend gebaut, der langsame Satz mit seinem ungeheuren Spannungsbogen ein wirklicher Wurf; das Finale beginnt etwas konventionell, doch dann verdichtet sich der Satz ungeheuer, und der verklingende Schluß ist ein Geniestreich der romantischen Symphonik.


    Mir persönlich steht die Tortelier-Aufnahme etwas fern, sie ist für mich nicht sehr gut ausgehört, etwas zähflüssig und gar üppig. Ich schätze sehr die Jordan-Einspielung (unbedingt den Füller "Viviane" anhören - eine wunderbare symphonische Dichtung, in der Chausson sich als wahrer Klangmagier erweist!) - und natürlich Monteux!


    :hello:

    ...

  • Gerade diese Aufnahme gehört, die klanglich zwar schon etwas Patina angesetzt hat, aber mir vielleicht gerade deshalb so gefällt. Chaussons Symphonie ist eine meiner Lieblingswerke der französischen Symphonik.