Adventstürchen – Der TAMINO-Adventskalender 2007

  • Liebe Taminos und Taminas,


    Schön, dass wir in diesem Jahr schon die dritte Auflage des TAMINO-Adventskalenders erleben dürfen! Da wir in diesem Jahr viele Kalender-Neulinge sind, hier noch einmal die Idee, die ich im wesentlichen Ullis Einführungsbeitrag für den Adventskalender 2005 entnommen habe:


    Jeder Tag vom 01. bis 24. Dezember sollte EINEN (von anderen unkommentierten) Beitrag enthalten. Das Thema ist hierbei egal, sollte aber im weitesten Sinne mit Klassischer Musikund / oder der Adventszeit zu tun haben: Es können also Anekdoten, Werkbeschreibungen, Kurzbiografien [ :D ], CD-Empfehlungen (bitte mit erläuterndem Text), Nachdenkliches und, und, und sein… Die Überschrift in der Betreffzeile sollte dann wie folgt aussehen:


    Erstes Türchen: 01.12.2007 usw.


    An den eigentlichen Kalender wird sich ein Voting für den besten Beitrag anschließen, zu dem zu gegebener Zeit noch Einzelheiten veröffentlicht werden.


    Ich freue mich auf Eure Beiträge und wünsche uns allen einen schönen Advent 2007


    Elisabeth

  • Liebe Freunde,



    Meine Heimat, das Erzgebirge, ist als DAS Weihnachtsland schlechthin bekannt. Über Jahrhunderte hinweg hat sich dort eine Tradition entwickelt, die das Licht zum Mittelpunkt hat, und die noch immer gepflegt wird. Man sagt, das hinge mit dem im Erzgebirge allgegenwärtig (gewesenen) Bergbau zusammen. Wenn die Bergleute früh morgens in den Schoß der Erde hinab fuhren, war es zur Winterzeit noch dunkel. Und wenn sie nach vollbrachter Schicht wieder ausfuhren, war es schon wieder dunkel. Tageslicht sahen die meisten Bergleute also nur am Sonntag. Und das über Monate hinweg.


    Nun wird das Weihnachtsfest seit je her als Fest des Lichtes gefeiert. Christus, das Licht, kommt in die Welt, sagt die Bibel. Und so verbanden sich die Sehnsucht nach den Sonnenlicht mit der Sehnsucht nach dem spirituellen Licht.


    In der Adventszeit gibt es im Erzgebirge da, wo Menschen sind, keine Dunkelheit. Überall sind Lichter, auf den Tannenbäumen vor den Häusern, in den Fenstern die beleuchtete Schwibbögen, alles funkelt und glitzert im Schein der Lichter.


    Aber das ist nur ein Teil der weihnachtlichen Tradition. Es gibt noch eine ganze Menge mehr. Jeder kennt das sicher aus den Läden, die erzgebirgische Volkskunst anbieten und die es mittlerweile fast überall gibt. Den Weihnachtsstern, die Pyramiden, Bergmann und Engel, Schwibbögen, Nußknacker und natürlich die Raachermannln (Räuchermännchen). Und letztere möchte ich euch noch etwas näher vorstellen.


    Bereits seit weit mehr als 150 Jahren werden die Raachermannln im Erzgebirge hergestellt. Ursprünglich wurden sie noch geschnitzt - das Schnitzen war generell ein Nebenerwerb vieler Bergleute - , heute erledigt man das auf der Drechselbank. Sie dienen zum Abbrennen von Räucherkerzen in ihrem Inneren, die aromatische Düfte verströmen. Auch diese werden schon seit langer Zeit im Erzgebirge hergestellt und bestehen aus Holzkohle, Kartoffelmehl, Sägespänen von verschiedenen Hölzern und verschiedenen Duftstoffen. Im klassischen Räucherkerzchen ist das der Weihrauch. Die Zutaten werden zu einem zähen Brei verrührt, in Form gebracht und getrocknet.


    Einmal an der Spitze entzündet, glimmt das Räucherkerzchen langsam nach unten ab und verströmt dabei den aromatischen Rauch. Das passiert üblicherweise im Inneren des Raachermannls, und der Rauch entweicht durch die Mundöffnung der Figur.


    Die Raachermannln gibt es inzwischen in allen möglichen und unmöglichen Formen. Da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Klassische Figuren sind solche, die als Berufstände weit verbreitet waren, also beispielsweise der Förster, die Holzsammlerin, der Vogelhändler, Polizist, Tischler, Bergmann etc.


    Mein Lieblichsraachermannl, das mich seit meiner Kindheit begleitet, ist jedoch der Lehrer Lämpel, frei gestaltet nach Wilhelm Buschs Max & Moritz (Also lautet ein Beschluß, dass der Mensch was lernen muß. ). An dieser Figur hängen so viele Kindheitserinnerungen...





    Wie sehr die Erzgebirgler ihre Raachermannln lieben, weil sie die Vorboten für das kommenden Licht sind, wie groß die Vorfreude ist, wenn die Kisten mit dem Weihnachtsschmuck vom Dachboden geholt und die Figuren ausgepackt und in der Wohnung dekoriert werden, und natürlich von der Sehnsucht nach dem Licht, davon singt ein altes Lied:



    Kehrvers
    Wenn es Raachermannl naabelt
    un es socht kaa Wort drzu,
    un dr Raach steicht an dr Deck nauf,
    sei mer allezamm su fruh.
    Und schie ruhig is in Stübl,
    steicht dr Himmelsfriede ro.
    Doch in Harzen lachts un jubelts:
    Ja, de Weihnachtszeit is do!


    Strophe 1
    Gar für Gar giehts zun Advent
    offn de Buden nauf,
    ward a Mannl aufgeweckt:
    »Kumm, nu stiehst de auf!«
    Is es unden in dr Stub,
    rührt sichs net von Flack.
    Stieht wus stieht, doch bal giehts lus:
    Blästs de Schwoden wag.


    Strophe 2
    S'hot zwee stackendürre Baa
    un enn huhln Leib,
    zieht bedächtig an dr Pfeif
    zu senn Zeitvertreib.
    S'hot a fei schiens Gackel a,
    offen Kopp an Hut.
    Ober Maul un Nos sei schwarz,
    weils viel dampfen tut.


    Strophe 3
    Kimmt zen Fast dr gruße Gung
    aus der Fremd a ham,
    springt der klaane rüm ver Fraad,
    ach, dos is a Laam!
    Bricht dernooch de Dammring rei,
    namm mer’n Raacherma,
    stellne mitten offn Disch,
    zündn aa e Karzel a.


    Strophe 4
    Is der Heilge Omnd nu raa,
    werd jeds ze an Kind,
    wieder warn in jeden Haus
    Lichter agezünd.
    Jeeds hofft, dass zen Heilgen Christ
    aah a Packel kriecht,
    überol is Glanz un Pracht
    un wie gut das riecht.



    In diesem Sinne wünsche ich euch allen ein freudig erregtes Warten auf das Licht.
    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo Ihr Lieben,


    hinter diesem Türchen verbirgt sich


    Der Nussknacker und die Nussknacker Suite


    Die Geschichte des Nussknackers, die Musik und das Ballett gehören seit vielen, vielen Jahren zur Weihnachtszeit wie der Tannenbaum und der Kerzenschein.


    Woher kommt nun eigentlich der Nussknacker? Dazu habe ich folgende Legende gefunden.


    Die Legende des ersten Nussknackers
    Es war einmal ein reicher aber auch sehr kauziger und einsamer Bauer. Dieser Bauer hatte sein ganzes Grundstück voll mit Walnussbäumen. Der Bauer hatte allerdings keine Zeit um die Nüsse von Hand zu knacken um den Inhalt zu essen. Da er keine Zeit zum Öffnen der Nüsse hatte, offerierte er demjenigen einen Preis, der ihm eine einfache Lösung zu diesem Problem fand.
    Eines Tages kriegte der Bauer Besuch von einem Puppenmacher. Der Puppenmacher hatte eine bunt bemalte Puppe bei sich. Die Puppe hatte einen großen Mund mit einem starken Kiefer, genug groß und genug stark um eine Nuss zu knacken. So entstand der erste Nussknacker.



    Der Nussknacker hat nicht nur seine eigene Musik, sein eigenes Ballett und sein eigenes Märchen sondern auch sein eigenes Lied.



    Lied des Nussknacker


    Heinrich Hoffmann (1809-1894)


    König Nussknacker, so heiß ich.
    Harte Nüsse, die zerbeiß ich.
    Süße Kerne schluck ich fleißig;
    Doch die Schalen, ei, die schmeiß ich
    Lieber andern hin,
    weil ich König bin.
    Aber seid nicht bang!
    Zwar mein Bart ist lang
    Und mein Kopf ist dick
    Und gar wild mein Blick;
    Doch was tut denn das?
    Tu kei'm Menschen was,
    Bin im Herzensgrund,
    Trotz dem großen Mund,
    Ganz ein guter Jung,
    Lieb Veränderung,
    Amüsier mich gern
    Wie die großen Herrn.
    Arbeit wird mir schwer,
    Und dann mag ich sehr
    Frommen Kindersinn,
    Weil ich König bin.



    Doch nun zu den wohl bekanntesten Huldigungen des Nussknackers - Die Nussknackersuite und das Ballett


    Der Nussknacker - Musik von Peter Iljitsch Tschaikowsky


    Angeregt zu dieser Musik wurde der Komponist durch ein Theaterstück, das sein Bruder Modest für die Kinder seiner Schwester geschrieben hatte. Tschaikowski erzählte Marius Petipa von diesem Familientheater, der daraufhin ein Libretto verfasste.
    Das Werk wurde am 18. Dezember 1892 zum ersten Mal im Mariinski-Theater in Sankt Petersburg in der Choreographie von Lew Iwanow aufgeführt, weniger als ein Jahr vor Tschaikowskis Tod.


    Die vom Ballett abgeleiteten Suiten wurden sehr populär. Es gibt verschiedene Versionen dieser Suiten, bei denen Reihenfolge und verwendete Sätze variieren, inklusive einer Version von Tschaikowski selbst. Eine Version wurde in Walt Disney’s Fantasia benutzt.


    Ein Aufbau im Einzelnen:


    1. Ouverture miniature: Allegro giusto


    2. Danses charactéristiques
    - Mache: Tempo di marcia viva
    - Danse de la Fée Dragée (Tanz der Zuckerfee) Andante non troppo
    - Danse russe Trepak (Russischer Tanz) Tempo di Trepak, molto vivace
    - Danse arabe (Arabischer Tanz) Allegro
    - Danse chinoise (Chinesischer Tanz) Allegro moderato
    - Danse des mirlitons (Tanz der Blechföten) Moderato assai


    3. Valse des fleurs (Blumenwalzer) Tempo di Valse



    Der Nussknacker Das Ballett


    Premiere: 5. Dezember 1892 im Maryinsky Theater in St. Petersburg Musik: Peter I. Tchaikovsky
    Choreographie: Lev Ivanov
    Inszenierung: Marius Petipa


    Text von ballett-archiv.de


    1. Akt: (Ouvertüre miniature)


    1. Szene: Im festlich geschmückten Weihnachtszimmer
    Der Präsident und seine Frau begrüßen die Gäste, die den Heiligen Abend mit ihnen und den Kindern verbringen sollen. Es schlägt neun Uhr - die Kinder des Hauses, ihre Vettern und Nichten, Freunde und Freundinnen tanzen herein (Tempo die marcia viva). Als besonders willkommener Gast wird Onkel Drosselmeyer begrüßt, der den beiden Kindern Klara und Franz ein Glockenspiel mit vier Puppen - es sind zwei Paare: nämlich die Marketenderin und der Soldat, Harlekin und Kolumbine - mitgebracht hat. Man ergötzt sich an der Vorführung dieses Pas de quatre. Nun ist es für die Kinder an der Zeit, zu Bett zu gehen. Als sie ihre Eltern vergeblich bitten länger aufbleiben zu dürfen, zieht Drosselmeyer noch ein Geschenk aus der Tasche, um damit seinen Liebling Klara zu trösten: einen Nussknacker. Klara ist selig - da aber will auch Franz den Nussknacker; es kommt zum Streit zwischen den Geschwistern. Ein Familientanz, der Großvatertanz, dem Brauch entsprechend der Abschluss einer Festlichkeit, beschließt den Abend. Die Gäste verabschieden sich und die Kinder gehen ins Bett. Das Zimmer wird dunkel, man sieht nur noch den Umriss des Christbaums. Plötzlich scheit sich die vertraute Welt zu verändern. Klara, die nicht schlafen kann, sieht ihren Nussknacker, der nun als lebendiger Bub hereinkommt, an der Spitze einer Kompanie Soldaten. Sie kämpfen gegen eine Mäusehorde, die der Mäusekönig anführt. Nur dem Eingreifen Klaras ist es zu verdanken, dass der Nussknacker siegt. Zum Dank für die Errettung lädt der Nussknacker Klara ins Königreich der Süßigkeiten ein.


    2. Szene: Klara und der Nussknacker müssen durch einen Schneesturm
    Schneekönig und Schneekönigin gebieten den Schneeflöckchen (Kinderballett), sich niederzulassen, und huldigen Klara und dem Nussknacker mit einem Pas de deux (Andante); von Eiszapfen, Kristallen und Schneeflocken umgeben, verheißen sie Klara und dem Nussknacker eine glückliche Reise ins Königreich der Süßigkeiten.


    2. Akt: Im Königreich der Süßigkeiten
    Klara und der Nussknacker sind im Land der Süßigkeiten angelangt. Hier verwandelt sich der Nussknacker in einen schönen Prinzen, der die Zuckerfee herbeiholt, um Klara zu Ehren ein Fest abzuhalten. Es ist ein großes Divertissement, eine Reihe von traditionellen Charaktertänzen. Die erste Gruppe - "Schokolade" - ist ein Spanischer Tanz; die zweite Gruppe - "Kaffee" - wird choreographisch durch den Arabischen Tanz (Allegro) vorgestellt; es folgt "Tee"; man sieht eine Gruppe hüpfender Chinesen (Allegro moderato). Dann schließt sich ein Kosakentanz (Tempo di Trepak, molto vianve) an; als nächstes treten die Rohrflöten auf, die fünf Mirletons (Andantino). Der Blumenwalzer (Tempo di Valse) geht dem großen Pas de deux mit Solo-Variationen voraus, den die Zuckerfee und der Prinz (Andante maestoso, Andante ma non troppo) tanzen; Ballablie-Finale (Tempo die Valse). Das Ballett endet mit einer Apotheose: Um den Bienenkorb tanzen die Bienchen und huldigen ihrer Königin.


    Quellen: christmasmagazine.com und wikipedia



    Euch allen eine schöne Adventszeit mit vielen Nüssen und anderen Leckereien.






    Liebe Grüße


    Maggie

  • Der folgende Text stammt nicht von mir. Sondern von Björn Heymer. Björn Heymer ist Pfarrer der Philippus-Gemeinde in Köln Raderthal. Heute vor einem Jahr hat er diesen Text als Predigt vorgetragen.


    Predigten heißen in der Philippusgemeinde Verkündigung.


    Für mich hat diese Verkündigung eine Bedeutung in zweifacher Hinsicht: Sie hat mich seinerzeit sehr bewegt - des Inhaltes wegen. Und sie wurde gehalten in dem Gottesdienst, in dem Björn Heymer mich in die evangelische Kirche und in diese Gemeinde aufgenommen hat. Gleich zu Beginn des neuen Kirchenjahres.


    Deshalb sei sie nun mein Beitrag zum Tamino-Adventskalender. Der bezogene Text steht bei Johannes im 4. Kapitel, Vs. 5-18


    Die Verkündigung ist zum Nachhören hier verfügbar


    Die Liebe nach der Du Dich sehnst


    Ihr Lieben,


    eine Mutter, die ihr Neugeborenes stillt – ist für mich eines der innigsten Bilder von Liebe.
    Es ist die totale Nähe, die hier zum Ausdruck kommt. Die Hingabe der Mutter an ihr Kind. Das überhaupt nichts dafür kann, geliebt zu sein –
    außer der Tatsache, dass es eben das besondere Kind ist.
    Oder dies: ein Paar in inniger Umarmung – beide Körper sagen nur das Eine:
    „Deine Nähe, deine Zärtlichkeit möchte ich immer haben“
    Das Paar sucht die Nähe des Anderen aus der Faszination:
    Dieser eigentlich fremde Mensch ist mir zugleich ganz vertraut.
    Indem man gibt, empfängt man zugleich etwas, was man allein nicht hat.
    Beide Bilder haben gemeinsam: Liebe sucht Nähe – und Liebe geht nicht allein.
    Nun ist die deutsche Sprache bei der Liebe ja verhältnismäßig arm.
    Das griechische Eros – also die sexuelle Bezogenheit aufeinander ist ebenso Liebe wie die Agape, die geschwisterliche Liebe. Oder auch Filia, die Freundschaft.
    Dass wir hier nur einen Begriff kennen deutet an:
    Wenn wir von Liebe reden, ist das immer auch eine Quelle großer Missverständnisse.
    Wie einer seine Liebe ausdrückt – kann sehr unterschiedlich sein.
    Und ob ein Anderer sich durch gut gemeinte Zuwendung wirklich geliebt weiß –
    das kann zumindest fraglich sein.
    Als Jesus dieser Frau am Brunnen begegnete – hat er sie geliebt?
    Immerhin hat er offenbar eine tiefe Sehnsucht in ihr geweckt –
    und zugleich vielleicht den wunden Punkt in ihrem Leben angesprochen:
    Du sehnst Dich nach Liebe und nach Angenommen Sein.
    Danach, dass dein Durst gestillt ist. Und zugleich ist in Dir der tiefe Schmerz des Scheiterns:
    Beziehungen können mächtig schief gehen.
    Manchmal genügt ein falscher Satz – und die Saat des Misstrauens ist ausgestreut.
    Und vergiftet das Vertrauen, das vielleicht lange bestanden hatte.
    Eine Enttäuschung, eine vielleicht unbedachte Tat – und etwas zerbricht.
    Und solche Erfahrungen des Scheiterns erhöhen die Sehnsucht noch.
    Dass da einer sei, wo das gelingt. Wo ich sicher sein kann: der steht zu mir.
    Wo es mir leicht fällt, mich ganz hinzugeben.
    In dieser Woche sprach ich mit vier Menschen, die in ganz unterschiedlichen Lebenslagen alle an einen ähnlichen Punkt gelangt sind:
    Auf einmal ist eine tiefe Verunsicherung da:
    „Bin ich noch geliebt? Kann ich mich auf den Anderen noch verlassen?
    Oder muss ich mich vor ihm schützen?“
    Verletzt werden wir meistens von Menschen, die uns sehr nahe stehen. Nicht von Fremden.
    Und wenn das geschieht, dann entsteht das lähmende Gefühl:
    „Ich bin allein. Ich vertraue mich am Besten niemandem mehr an“.
    Im Extrem ist ein solcher Rückzug tödlich.
    Morgen muss ich eine junge Frau beerdigen, von der mir so etwas erzählt wurde:
    Sie konnte nicht glauben, dass es bedingungslose Liebe für sie geben könnte.
    Selbst in ganz nahen Menschen fürchtete sie einen Feind.
    Und über Jahre zog sie sich mehr und mehr zurück.
    Bis sie vor einer Woche starb – mit 36 Jahren. Im Tiefsten an fehlender Liebe.
    Wir haben in der Vorbereitung für heute über diese Begegnung am Brunnen nachgedacht.
    Wie kaum eine andere Geschichte spricht sie von der unerfüllten Sehnsucht nach Liebe.
    Und davon, dass Jesus das offenbar erkennt und behutsam anspricht.
    Diese namenlose Frau hätte ihre tiefste Sehnsucht vermutlich gar nicht so auf den Punkt bringen können. Zuerst redet sie distanziert und selbstbewusst mit einem Fremden.
    Doch als Jesus von lebendigem Wasser spricht, da ist offenbar ihr Lebensthema angesprochen. Und da bricht es aus ihr heraus:
    Herr, gib mir von diesem wunderbaren Wasser!
    Dann hätte ich die Kraft, mein Leben zu verändern. Dann wäre meine Sehnsucht gestillt.
    Die Geschichte, so wie sie erzählt wird, bleibt rätselhaft, geheimnisvoll.
    In dem Gespräch sind Sprünge drin – wenn man das liest, versteht man gar nicht, was da bei der Frau aufgebrochen ist. Und warum.
    Woher wusste Jesus, was sie so tief bewegte?
    Manche Ausleger sagen: ihr Verhalten sprach Bände:
    Sie geht in der Mittagshitze zum Brunnen. „Um die sechste Stunde“
    Also wollte sie offenbar Begegnungen vermeiden.
    Denn um die Zeit geht man im Orient normalerweise nicht zum Brunnen.
    Wo sich morgens und abends immer Gelegenheit zu einem Schwätzchen bot, da war man um diese Zeit vor ungewollten Begegnungen ziemlich sicher.
    Und Jesus? Er war um diese Stunde da, weil er ein Durchreisender war.
    Er hatte kein schattiges Haus für diese Zeit.
    Und damit - in der Entwurzelung des Reisenden - ist er genau da, wo er der Frau begegnet.
    Er hat verzichtet auf Besitz, Wohnung und Normalität – ja, er wurde einer, der auf Hilfe angewiesen war. Gerade so begegnet er dieser Frau in ihrer Not.
    Und mehr noch: Er, der sonst immer der Helfer in Person war, der sonst immer für Andere da war – er bittet hier um Hilfe. Und er bittet eine Fremde, eine Frau, eine Frau aus Samarien.
    Damit überschreitet er alle Grenzen des Anstands, des guten Geschmacks und der Konvention.
    Er baut eine Brücke des Vertrauens, indem er sich helfen lässt.
    Schon das, einen Dienst anzunehmen, ist eine Sprache der Liebe!
    Sie gibt dem Anderen die Würde und Anerkennung.
    Jesus sagt mit seiner Bitte:
    Du kannst etwas, Du hast etwas, was mir fehlt. Ohne Dich fehlt etwas.
    Wenn diese Begegnung so etwas wie ein Muster ist dafür, wie Gott Menschen in Not begegnet, dann dürfen wir das übertragen: So denkt Gott über jeden Menschen – über Dich:
    Wenn Du fehlen würdest, dann würde etwas Wichtiges fehlen. Du bist ein Teil des Ganzen.
    Du kannst etwas für mich tun.
    Das altbekannte Zitat von John F. Kennedy hat seine Wurzeln hier:
    Ere sagte es so: „Frag nicht, was Andere für Dich tun. Frag, was Du für Andere tun kannst.“
    Sich geliebt zu wissen heißt dies - zu wissen:
    Es gibt jemanden, für den bin ich unendlich wertvoll. Der will nicht ohne mich sein.
    Ja, der lässt sich gefallen, dass ich ihm diene.
    Wir beginnen mit diesem Sonntag wieder die Adventszeit.
    Wieder nehmen wir uns eine Zeit der Vorbereitung, das Wunder der Liebe Gottes zu erfassen.
    Wir suchen nach einer Antwort auf die Frage: Wie wird die Liebe Gottes so konkret erfahrbar, dass sie mein Herz erreicht? Wie spüre ich etwas davon?
    Gott ist in seine Welt gekommen – nicht als ein Herrscher.
    Sondern als ein Liebender – und deshalb als einer, der uns zutiefst dient.
    Auch dieser Frau bietet er genau das an:
    dass er ihr das größte Geschenk ihres Lebens machen will.
    Nämlich die Erfüllung ihrer Sehnsucht, die immer wieder gesucht, aber nie gefunden hat.
    Nun reden wir von Jesus so, als sei er nicht seit fast 2000 Jahren tot.
    Wir glauben, dass Er lebt und dass Er auch heute so auf Menschen zugeht – wie damals.
    Damals begann die Begegnung mit einem Schluck Wasser. Jesus lässt sich dienen.
    Dieser Schluck Wasser an den Unbekannten wurde zum Schlüssel.
    Zu dem Schlüssel, der ihr den Raum der Liebe neu öffnete.
    Wie finden wir die Liebe, nach der wir uns sehnen?
    In der Nähe zum Auferstandenen – das ist die Erfahrung Vieler hier im Raum.
    Manchmal ist es ein Dienst an einem Unbekannten, der zum Schlüssel wird.
    Wo etwas geschieht im Namen Jesu, und man kann mitmachen, da begegnet man dem Herrn.
    Und dann immer da, wo wir von ihm hören oder lesen.
    Deshalb feiern wir Gottesdienste: als Angebote der Begegnung und der Nähe zum Auferstanden.
    Deshalb haben wir in den Welcome Taschen die Grundgeschichte unseres Glaubens.
    Meine Kinder sagen immer: das Super Buch. Das Buch, das von Jesus erzählt, die Bibel.
    Deshalb laden wir in Bibelgesprächskreise ein. Wo Menschen miteinander die Bibel lesen.
    Um darin den Auferstandenen zu finden.
    Er ist die Liebe Gottes in Person.
    Wer sich diese Liebe gefallen lässt, dessen Sehnsucht wird gestillt.
    Amen.


    Euch allen eine besinnliche, ruhige und auf das kommende Fest weisende Adventszeit.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ihr Lieben,



    Die Adventszeit verbinde ich seit meinen Kindertagen mit den wunderbaren Erzählungen von Karl Heinrich Waggerl (1897 - 1973), von denen ich Euch einige besonders schöne vorstellen möchte:



    DIE STILLSTE ZEIT IM JAHR



    Advent, das ist die stillste Zeit im Jahr, wie es im Liede heißt, die Zeit der frohen Zuversicht und der gläubigen Hoffnung. Es mag ja nur eine Binsenweisheit sein, aber es ist eine von den ganz verläßlichen Binsenweisheiten, daß hinter jeder Wolke der Trübsal doch immer auch ein Stern der Verheißung glänzt. Daran trösten wir uns in diesen Wochen, wenn Nacht und Kälte unaufhaltsam zu wachsen scheinen. Wir wissen ja doch, und wir wissen es ganz sicher, daß die finsteren Mächte unterliegen werden, an dem Tag, mit dem die Sonne sich wendet, und in der Nacht, in der uns das Heil der Welt geboren wurde.


    (…)


    Advent, sagt man, sei die stillste Zeit im Jahr. Aber in meinem Bubenalter war es keineswegs die stillste Zeit. In diesen Wochen lief die Mutter mit hochroten Wangen herum wie mit Sprengpulver geladen, und die Luft in der Küche war sozusagen geschwängert mit Ohrfeigen. Dabei roch die Mutter so unbeschreiblich gut, überhaupt ist ja der Advent die Zeit der köstlichen Gerüche. Es duftet nach Wachslichtern, nach angesengtem Reisig, nach Weihrauch und Bratäpfeln. Ich sage ja nichts gegen Lavendel und Rosenwasser, aber Vanille riecht doch eigentlich viel besser, oder Zimt und Mandeln.


    Mich ereilten dann die qualvollen Stunden des Teigrührens. - Vier Vaterunser das Fett, drei die Eier, ein ganzer Rosenkranz für Zucker und Mehl. Die Mutter hatte die Gewohnheit, alles Zeitliche in ihrer Kochkunst nach Vaterunsern zu bemessen, aber die mußten laut und sorgfältig gebetet werden, damit ich keine Gelegenheit fände, den Finger in den köstlichen Teig zu tauchen. Wenn ich nur erst den Bubenstrümpfen entwachsen wäre, schwor ich mir damals, dann wollte ich eine ganze Schüssel voller Kuchenteig aufessen, und die Köchin sollte beim geheizten Ofen stehen und mir dabei zuschauen müssen! Aber leider, das ist einer von den Knabenträumen geblieben, die sich nie erfüllt haben.



    Am Abend nach dem Essen wurde der Schmuck für den Christbaum erzeugt. Auch das war ein unheilschwangeres Geschäft. Damals konnte man noch ein Buch echten Blattgoldes für ein paar Kreuzer beim Krämer kaufen. Aber nun galt es, Nüsse in Leimwasser zu tauchen und ein hauchdünnes Goldhäutchen herumzublasen. Das Schwierige bei der Sache war, daß man sonst nirgendwo Luft von sich geben durfte. Wir saßen alle in der Runde und liefen blaurot an vor Atemnot und dann geschah es eben doch, daß plötzlich jemand niesen mußte. Im gleichen Augenblick segelte eine Wolke von glänzenden Schmetterlingen durch die Stube. Einerlei, wer den Zauber verschuldet hatte ‚—das Kopfstück bekam jedenfalls wieder ich, obwohl das nur bewirkte, daß sich der goldene Unsegen von neuem in die Lüfte hob. Ich wurde dann in die Schlafkammer verbannt und mußte Silberpapier um Lebkuchen wickeln, — um gezählte Lebkuchen.


    (…)


    Früher einmal war es auch überall auf dem Lande Brauch, daß man sich beim Vogelhändler umsah, wenn die Tage kurz wurden. Man handelte sich einen Gast für den langen Winter bei ihm ein je nach Gemütsart, der Schuster vielleicht einen dicken Gimpel, die Kellnerin den Stieglitz oder ein paar mausgeschwinde Zeisige. Heute hätte ich ja meine Zweifel, ob solch einem Vogel nicht doch die Freiheit in Busch und Baum lieber wäre als das behagliche Dasein in der Steige. Aber in der unbekümmerten Kindheit war ich selber fleißig hinter den Vögeln her. Nur hatte ich zu meinem Kummer gar kein Glück bei diesem Geschäft. Nicht einmal ein Hänfling geriet mir je in die Hände. Nur Spatzen fing ich zu Dutzenden. Sie hockten vor meinem Schlaghäuschen wie die Landstreicher vor der Klostertüre und warteten, bis sie nacheinander an die Reihe kamen. Dem Behäbigsten unter ihnen malte ich mit meinen Wasserfarben einen brandroten Bauch, damit ihn die Mutter als Gimpel gelten ließe. Aber sosehr wir uns beide Mühe gaben, das Singen erlernte er doch nicht. Und schließlich, weil er feine Manieren annahm und morgens zu baden pflegte, färbte er auch noch ab. Es half nichts, ich mußte ihn doch wieder entlassen.


    Man sagt ja, ein Spatzenpaar sei einmal bis in den Himmel hinaufgeflogen, um sich beim Schöpfer selber zu beklagen, weil sie seinerzeit gar nichts an Vorzügen mitbekommen hätten. Nun müßten sie sich bettelarm durchschlagen und kümmerlich von dem ernähren, was andere Tiere fallen ließen, während Fink und Star sich wenigstens im Winter bei den Leuten mästen durften. Und als sie nun gefragt wurden, welche Art Gefieder sie denn wünschten, sagte die Spätzin schnell: »aus Gold«, und was den Gesang betraf, so meinte der Spatz klüger als sein Weib: »von jedem ein bißchen«. Da lächelte der Herr, er nahm die beiden auf seinen Finger, so daß sie gleich goldgelb anliefen. Und als sie voll Entzücken die Schnäbel aufrissen, gab er ihnen ein wenig vom Gesang aller Vögel in die Kehle. Spatz und Spätzin legten sich augenblicklich einen Künstlernamen zu und nannten sich »Kanari«. Sie hatten viele Kinder und sind eine angesehene Familie bis auf den heutigen Tag. Nur die Gelehrten wissen, daß sie eigentlich doch zur Sippe der Sperlinge gehören.


    (…)


    Kurz vor dem Fest, sinnigerweise am Tag des ungläubigen Thomas, mußte der Wunschzettel für das Christkind geschrieben werden, ohne Kleckse und Fehler, versteht sich, und mit Farben sauber ausgemalt. Zuoberst verzeichnete ich anstandshalber, was ja ohnehin von selber eintraf, die Pudelhaube oder jene Art von Wollstrümpfen, die so entsetzlich bissen, als ob sie mit Ameisen gefüllt wären. Darunter aber schrieb ich Jahr für Jahr mit hoffnungsloser Geduld den kühnsten meiner Träume, den Anker-Steinbaukasten, ein Wunderwerk nach allem, was ich davon gehört hatte. Ich glaube ja heute noch, daß sogar die Architekten der Jahrhundertwerke ihre Eingebungen von dorther bezogen haben. Aber ich selber bekam ihn ja nie, wahrscheinlich wegen der ungemein sorgfältigen Buchhaltung im Himmel, die alles genau verzeichnete, gestohlene Zuckerstücke und zerbrochene Fensterscheiben und ähnliche Missetaten, die sich durch ein paar Tage auffälliger Frömmigkeit vor Weihnachten auch nicht mehr abgelten ließen.


    Wenn mein Wunschzettel endlich fertig vor dem Fenster lag, mußte ich aus brüderlicher Liebe auch noch den für meine Schwester schreiben. Ungemein zungenfertig plapperte sie von einer Schlafpuppe, einem Kramladen — lauter albernes Zeug. Da und dort schrieb ich wohl ein heimliches »Muß nicht sein« dazu, aber vergeblich. Am Heiligen Abend konnte sie doch eine Menge von Früchten ihrer Unverschämtheit ernten.


    (…)


    In meiner sonst recht kargen Jugend war die Weihnacht wirklich der Inbegriff einer freudenreichen Zeit. Aber ist sie das auch heute noch, — freudenreich? Ich jedenfalls laufe tagelang ruhelos durch die Gassen und starre in festliche Schaufenster, um für den und jenen irgend etwas aufzutreiben, was er noch nicht hat, weil er es gar nicht braucht.


    (…)


    Daheim, in meiner frühesten Zeit, gab es dergleichen Sorgen noch nicht. An einen Christbaum war nie zu denken, schon viel, wenn eine lange Weihnachtskerze die Nacht über brannte. Am Weihnachtsabend mußte bis zur Mettenzeit gefastet werden, aber die Mutter hatte Mühe, ihren Kindern diese frommen Opfer deutlich zu machen, Fasttage waren ja nichts Ungewöhnliches bei uns. Rote Glut leuchtete aus dem offenen Feuerloch und warf Schein und Schatten an die Wände, während wir vor der Bank knieten und den Rosenkranz nachbeteten. Nur der Vater durfte ab und zu aufstehen, um die Bratäpfel im Ofenrohr zu wenden, eine schwierige Arbeit, die ihn jedesmal so lang beschäftigte, bis die Mutter einen mahnenden Blick hinter sich warf. Köstlich zog der Geruch der Apfel über uns weg durch die Stube, so daß ich mich manchmal an meinem wäßrigen »Erlöse uns von dem Übel« verschluckte. Ich hatte ja noch einen anderen Duft in der Nase, den von einer Suppenschüssel mit heißen Würsten darin, die auf uns wartete, wenn wir steifgefroren aus der Mette nach Hause kamen. Das hielt ich damals für das eigentliche Weihnachtswunder: Daß es an diesem einzigen Tag im Jahr sogar noch um Mitternacht etwas Köstliches zu essen gab.


    Nun, das ist anders geworden, Gier nach Wurstsuppe plagt mich schon lang nicht mehr. Aber dafür meidet sich ein anderer Hunger. Wie ich es sagte, ich laufe wieder von einem Laden zum andern, um etwas zu finden, womit ich dem Freund oder der Freundin das Herz erwärmen könnte. Nicht, daß ich die Kosten scheute, viel mehr fürchte ich mich vor einem flüchtigen Lächeln des Dankes, einem verlegenen Lächeln wahrscheinlich. Warum nur ist es so schwer gewordene Freude zu schenken und dabei selber froh zu sein? Vielleicht müßten wir alle ein wenig ärmer werden, um wieder reicher zu sein.


    [Aus: Karl Heinrich Waggerl, Sämtliche Weihnachtserzählungen, Otto Müller Verlag Salzburg]



    Auf diesen wunderschönen CDs sind die alle Erzählungen – vom Autor selbst gelesen- mit schöner musikalischer Umrahmung zu hören:




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    Ich wünsche uns allen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit, in der es auch Zeit für feierliche und besinnliche Ruhe geben möge.


    LG, Elisabeth

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  • Der 5. Dezember ist bei uns noch immer ein besonderer Tag. Es ist der Tag des Festes von Sinterklaas (= Sint Nicolaas = Sankt Nikolaus). Ein richtiges Familienfest. Je mehr Verwandte dabei sind, desto besser. Es ist der Tag, an dem wir einander beschenken. Aber nicht ohne weiteres beschenken, oh nein. Wenn alles richtig verläuft, ist bei dem Geschenk ein Gedicht. Am liebsten ein Gedicht, das über den Inhalt des Päckchens verwirrend wirkt. Und wenn möglich wird auch geneckt. Je mehr, je besser.



    Früher wurden mehrere Geschenke als "Überraschung" eingepackt. Fast überall verzichtet man heute auf diese Gewohnheit. Meist fehlt die Zeit, sowas zu machen.
    Wo sind die Zeiten geblieben, zu denen ein großes Geschenk ausgepackt wurde, und dann eine neue Packung sich zeigte mit dem Namen eines anderen. Und so kam das Geschenk in immer mehr Hände. Manchmal ging es letztlich zurück zum ersten Empfänger. Zwar war es dann bereits viel kleiner geworden. Aber es konnte noch kleiner werden. Denn als die letzte Packung entfernt wurde, sah man z.B. eine Büchse. Die war dann gefüllt mit beispielsweise einem Gemisch von Öl und grüner Seife. Und auf dem Boden der Büchse war dann ein ganz kleines Geschenk zu finden.
    Ich gab einmal meinem Schwager eine TL-Lauflampe. Und machte davon eine Hexe. Die Lampe war der Leib der Hexe. Und noch sehe ich in Gedanken, wie er unter donnerndem Lachen unserseits den Rock der Hexe vorsichtig aufhob, um darunter zu spähen. Vergebens, denn auch da war es eingepackt worden.



    Wie alt diese Tradition von sich beschenken am 5. Dezember ist, weiß ich nicht. Sie entstammt schon dem Mittelalter. Keiner kann aber sagen seit wann, noch wo sie begann. In dem Schauspiel "Moortje" von dem Niederländischen Dichter Bredero (1585-1618 ), ist schon Rede von Sinterklaasgeschenken. Und von Äpfeln, worin Münzen verborgen waren. Das Gemälde von Jan Steen "Sint Nicolaasavond" oder "Het Sint Nicolaasfeest" (um 1668 ) zeigt rechts unten einen solchen Apfel.


    Aus dem 19. Jhdt. sind auch Beispiele bekannt. Ein sehr schönes finde ich das Geschenk für ein Mädchen. Sie bekam einen Wollknäuel. Davon mußte sie Strümpfe stricken für ein armes Kind. Erst als sie den Knäuel fast völlig gebraucht hatte, fand sie darin einen Gutschein für eine Puppe.


    Und das erinnert mich an eine Familie, die drei Häuser von uns entfernt wohnte. Ich muß damals sechs oder sieben Jahr alt gewesen sein. Eine Tochter hatte mein Alter. Als ich sie abholte zum Spielen, war der Tisch schon gedeckt. Da war aber für einen mehr gedeckt. Ich fragte darum "Wer kommt bei Euch essen?" Die Antwort habe ich nie vergessen. Nicht sie, sondern die Mutter antwortete. "Sinterklaas ist ein Fest für arm und reich. Wir haben's nicht schlecht, aber es gibt Familien, die sehr bedürftig sind. Darum hat Sinterklaas uns gebeten, daß jeder von uns jedes Jahr ein Geschenk auswählt, daß wir dann an einer bestimmten Adresse abliefern. Die Kinder wählen ein Geschenk aus den Geschenken, die sie von Sinterklaas bekommen haben. Das ist dann für jene Familie. Im Namen von Sinterklaas bringen wir es. Und um diese Familie nicht zu vergessen, wird ein Teller extra gedeckt".



    Übrigens ist das sich Beschenken zu Weihnachten ein Brauch, den ihr von den Amerikanern kopiert habt. Und die haben es wieder von Holländischen Kolonisten, die diese eingewurzelte Gewohnheit aus Holland mitnahmen. Nur änderte sich das Datum vom 5. Dezember auf den 24. Dezember. Vielleicht, weil die USA ein Land sind, wo man vor kurzem noch stolz darauf war WASP zu sein (White Anglo-Saxon Protestant). Denn ein Fest für einen Katholischen Heiligen...
    Und Sinterklaas wurde zu Santa Claus.



    Ein gutes Weihnachtsfest wünscht Euch
    Paul

  • Johann Wolfgang von Goethe


    Brief an Johann Christian Kestner am Weihnachtsmorgen 1772




    Frankfurt, den 25. Dezember 1772


    Christtag früh. Es ist noch Nacht, lieber Kestner, ich bin aufgestanden, um bei Lichte morgens wieder zu schreiben, das mir angenehme Erinnerungen voriger Zeiten zurückruft; ich habe mir Coffee machen lassen, den Festtag zu ehren, und will euch schreiben, bis es Tag ist. Der Türmer hat sein Lied schon geblasen, ich wachte darüber auf. Gelobet seist du, Jesus Christ! Ich hab diese Zeit des Jahrs gar lieb, die Lieder, die man singt, und die Kälte, die eingefallen ist, macht mich vollends vergnügt. ich habe gestern einen herrlichen Tag gehabt, ich fürchtete für den heutigen, aber der ist auch gut begonnen, und da ist mir's fürs Enden nicht angst.


    Der Türmer hat sich wieder zu mir gekehrt; der Nordwind bringt mir seine Melodie, als blies er vor meinem Fenster. Gestern, lieber Kestner, war ich mit einigen guten Jungens auf dem Lande; unsre Lustbarkeit war sehr laut und Geschrei und Gelächter von Anfang zu ende. Das taugt sonst nichts für de kommende Stunde. Doch was können die heiligen Götter nicht wenden, wenn's ihnen beliebt; sie gaben mir einen frohen Abend, ich hatte keinen Wein getrunken, mein Aug war ganz unbefangen über die Natur. Ein schöner Abend, als wir zurückgingen; es ward Nacht. Nun muß ich Dir sagen, das ist immer eine Sympathie für meine Seele, wenn die Sonne lang hinunter ist und die Nacht von Morgen heraus nach Nord und Süd um sich gegriffen hat, und nur noch ein dämmernder Kreis von Abend herausleuchtet. Seht, Kestner, wo das Land flach ist, ist's das herrlichste Schauspiel, ich habe jünger und wärmer stundenlang so ihr zugesehn hinabdämmern auf meinen Wanderungen. Auf der Brücke hielt ich still. Die düstre Stadt zu beiden Seiten, der stilleuchtende Horizont, der Widerschein im Fluß machte einen köstlichen Eindruck in meine Seele, den ich mit beiden Armen umfaßte.


    Ich lief zu den Gerocks, ließ mir Bleistift geben und Papier und zeichnete zu meiner großen Freude das ganze Bild so dämmernd warm, als es in meiner Seele stand. Sie hatten alle Freude mit mir darüber, empfanden alles, was ich gemacht hatte, und da war ich's erst gewiß, ich bot ihnen an, drum zu würfeln, sie schlugen's aus und wollen, ich soll's Mercken schicken. Nun hängt's hier an meiner Wand und freut mich heute wie gestern. Wir hatten einen schönen Abend zusammen, wie Leute, denen das Glück ein großes Geschenk gemacht hat, und ich schlief ein, den Heiligen im Himmel dankend, daß sie uns Kinderfreude zum Christ bescheren wollen.


    Als ich über den Markt ging und die vielen Lichter und Spielsachen sah, dacht ich an euch und meine Bubens, wie ihr ihnen kommen würdet, diesen Augenblick ein himmlischer Bote mit dem blauen Evangelio, und wie aufgerollt sie das Buch erbauen werde.


    Hätt ich bei euch sein können, ich hätte wollen so ein Fest Wachsstöcke illuminieren, daß es in den kleinen Köpfen ein Widerschein der Herrlichkeit des Himmels geglänzt hätte. Die Torschließer kommen vom Bürgermeister und rasseln mit den Schlüsseln. Das erste Grau des Tags kommt mir über des Nachbarn Haus, und die Glocken läuten eine christliche Gemeinde zusammen. Wohl, ich bin erbaut hier oben auf meiner Stube, die ich lang nicht so lieb hatte als jetzt.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zwei Ausschnitte aus Stifters Erzählung "Bergkristall". Der erste ist der Anfang der Erzählung, er legt den Grund für die sich entwickelnde Geschichte. Zwei Kinder verirren sich am Heiligen Abend im Schneetreiben. Der zweite Abschnitt führt in die Mitte der Geschichte: Vertrauen, Tapferkeit und aussichtslose Lage symbolisieren in einzigartiger Weise die Situation des Advents - als Verlorene warten wir auf ein Zeichen der Rettung


    Bergkristall


    Unsere Kirche feiert verschiedene Feste, welche zum Herzen dringen. Man kann sich kaum etwas Lieblicheres denken als Pfingsten und kaum etwas Ernsteres und Heiligeres als Ostern. Das Traurige und Schwermütige der Charwoche und darauf das Feierliche des Sonntags begleiten uns durch das Leben. Eines der schönsten Feste feiert die Kirche fast mitten im Winter, wo beinahe die längsten Nächte und kürzesten Tage sind, wo die Sonne am schiefsten gegen unsere Gefilde steht, und Schnee alle Fluren deckt, das Fest der Weihnacht. Wie in vielen Ländern der Tag vor dem Geburtsfeste des Herrn der Christabend heißt, so heißt er bei uns der heilige Abend, der darauf folgende Tag der heilige Tag und die dazwischen liegende Nacht die Weihnacht. Die katholische Kirche begeht den Christtag als den Tag der Geburt des Heilandes mit ihrer allergrößten kirchlichen Feier, in den meisten Gegenden wird schon die Mitternachtstunde als die Geburtstunde des Herrn mit prangender Nachtfeier geheiligt, zu der die Glocken durch die stille, finstere winterliche Mitternachtluft laden, zu der die Bewohner mit Lichtern oder auf dunkeln, wohlbekannten Pfaden aus schneeigen Bergen an bereiften Wäldern vorbei und durch knarrende Obstgärten zu der Kirche eilen, aus der die feierlichen Töne kommen, und die aus der Mitte des in beeiste Bäume gehüllten Dorfes mit den langen beleuchteten Fenstern empor ragt.
    Mit dem Kirchenfeste ist auch ein häusliches verbunden. Es hat sich fast in allen christlichen Ländern verbreitet, daß man den Kindern die Ankunft des Christkindleins- auch eines Kindes, des wunderbarsten, das je auf der Welt war – als ein heiteres, glänzendes, feierliches Ding zeigt, das durch das ganze Leben fortwirkt, und manchmal noch spät im Alter bei trüben, schwermütigen oder rührenden Erinnerungen gleichsam als Rückblick in die einstige Zeit mit den bunten, schimmernden Fittigen durch den öden, traurigen und ausgeleerten Nachthimmel fliegt. Man pflegt den Kindern die Geschenke zu geben, die das heilige Christkindlein gebracht hat, um ihnen Freude zu machen. Das tut man gewöhnlich am heiligen Abende, wenn die tiefe Dämmerung eingetreten ist. Man zündet Lichter, und meistens sehr viele, an, die oft mit den kleinen Kerzlein auf den schönen grünen Ästen eines Tannen oder Fichtenbäumchens schweben, das mitten in der Stube steht. Die Kinder dürfen nicht eher kommen, als bis das Zeichen gegeben wird, daß der heilige Christ zugegen gewesen ist, und die Geschenke, die er mitgebracht, hinterlassen hat. Dann geht die Tür auf, die Kleinen dürfen hinein, und bei dem herrlichen, schimmernden Lichterglanze sehen sie Dinge auf dem Baume hängen oder auf dem Tische herum gebreitet, die alle Vorstellungen ihrer Einbildungskraft weit übertreffen, die sie sich nicht anzurühren getrauen, und die sie endlich, wenn sie sie bekommen haben, den ganzen Abend in ihren Ärmchen herum tragen und mit sich in das Bett nehmen. Wenn sie dann zuweilen in ihre Träume hinein die Glockentöne der Mitternacht hören, durch welche die Großen in die Kirche zur Andacht gerufen werden, dann mag es ihnen sein, als zögen jetzt die Englein durch den Himmel, oder als kehre der heilige Christ nach Hause, welcher nunmehr bei allen Kindern gewesen ist und jedem von ihnen ein herrliches Geschenk hinterbracht hat.
    Wenn dann der folgende Tag, der Christtag, kömmt, so ist er ihnen so feierlich, wenn sie früh morgens mit ihren schönsten Kleidern angetan in der warmen Stube stehen, wenn der Vater und die Mutter sich zum Kirchgange schmücken, wenn zu Mittage ein feierliches Mahl ist, ein besseres als in jedem Tage des ganzen Jahres, und wenn nachmittags oder gegen den Abend hin Freunde und Bekannte kommen, auf den Stühlen und Bänken herum sitzen, mit einander reden, und behaglich durch die Fenster in die Wintergegend hinaus schauen können, wo entweder die langsamen Flocken niederfallen, oder ein trübender Nebel um die Berge steht, oder die blutrote, kalte Sonne hinab sinkt. An verschiedenen Stellen der Stube, entweder auf einem Stühlchen oder auf der Bank oder auf dem Fensterbrettchen, liegen die zaubrischen, nun aber schon bekannteren und vertrauteren Geschenke von gestern abend herum.
    Hierauf vergeht der lange Winter, es kömmt der Frühling und der unendlich dauernde Sommer – und wenn die Mutter wieder vom heiligen Christe erzählt, daß nun bald sein Festtag sein wird, und daß er auch diesmal herab kommen werde, ist es den Kindern, als sei seit seinem letzten Erscheinen eine ewige Zeit vergangen, und als liege die damalige Freude in einer weiten nebelgrauen Ferne.
    Weil dieses Fest so lange nachhält, weil sein Abglanz so hoch in das Alter hinauf reicht, so stehen wir so gerne dabei, wenn die Kinder dasselbe begehen und sich darüber freuen. – –




    [...]


    So weit sie in der Dämmerung zu sehen vermochten, lag überall der flimmernde Schnee hinab, dessen einzelne winzige Täfelchen hie und da in der Finsternis seltsam zu funkeln begannen, als härte er bei Tag das Licht eingesogen, und gäbe es jetzt von sich.
    Die Nacht brach mit der in großen Höhen gewöhnlichen Schnelligkeit herein. Bald war es ringsherum finster, nur der Schnee fuhr fort, mit seinem bleichen Lichte zu leuchten. Der Schneefall hatte nicht nur aufgehört, sondern der Schleier an dem Himmel fing auch an, sich zu verdünnen und zu verteilen; denn die Kinder sahen ein Sternlein blitzen. Weil der Schnee wirklich gleichsam ein Licht von sich gab, und weil von den Wolken kein Schleier mehr herab hing, so konnten die Kinder von ihrer Höhle aus die Schneehügel sehen, wie sie sich in Linien von dem dunkeln Himmel abschnitten. Weil es in der Höhle viel wärmer war, als es an jedem andern Platze im ganzen Tage gewesen war, so ruhten die Kinder enge aneinander sitzend, und vergaßen sogar die Finsternis zu fürchten. Bald vermehrten sich auch die Sterne, jetzt kam hier einer zum Vorscheine, jetzt dort, bis es schien, als wäre am ganzen Himmel keine Wolke mehr.
    Das war der Zeitpunkt, in welchem man in den Tälern die Lichter anzuzünden pflegt. Zuerst wird eines angezündet und auf den Tisch gestellt, um die Stube zu erleuchten, oder es brennt auch nur ein Span, oder es brennt das Feuer auf der Leuchte, und es erhellen sich alle Fenster von bewohnten Stuben und glänzen in die Schneenacht hinaus – aber heute erst – am heiligen Abende – da wurden viel mehrere angezündet, um die Gaben zu beleuchten, welche für die Kinder auf den Tischen lagen oder an den Bäumen hingen, es wurden wohl unzählige angezündet; denn beinahe in jedem Hause, in jeder Hütte, jedem Zimmer war eines oder mehrere Kinder, denen der heilige Christ etwas gebracht hatte, und wozu man Lichter stellen mußte. Der Knabe hatte geglaubt, daß man sehr bald von dem Berge hinab kommen könne, und doch, von den vielen Lichtern, die heute in dem Tale brannten, kam nicht ein einziges zu ihnen herauf; sie sahen nichts als den blassen Schnee und den dunkeln Himmel, alles andere war ihnen in die unsichtbare Ferne hinab gerückt. In allen Tälern bekamen die Kinder in dieser Stunde die Geschenke des heiligen Christ: nur die zwei saßen oben am Rande des Eises, und die vorzüglichsten Geschenke, die sie heute hätten bekommen sollen, lagen in versiegelten Päckchen in der Kalbfelltasche im Hintergrunde der Höhle.
    Die Schneewolken waren ringsum hinter die Berge hinab gesunken, und ein ganz dunkelblaues, fast schwarzes Gewölbe spannte sich um die Kinder voll von dichten brennenden Sternen, und mitten durch
    diese Sterne war ein schimmerndes, breites milchiges Band gewoben, das sie wohl auch unten im Tale, aber nie so deutlich gesehen hatten. Die Nacht rückte vor. Die Kinder wußten nicht, daß die Sterne gegen Westen rücken und weiter wandeln, sonst hätten sie an ihrem Vorschreiten den Stand der Nacht erkennen können; aber es kamen neue und gingen die alten, sie aber glaubten, es seien immer dieselben. Es wurde von dem Scheine der Sterne auch lichter um die Kinder; aber sie sahen kein Tal, keine Gegend, sondern überall nur Weiß – lauter Weiß. Bloß ein dunkles Horn, ein dunkles Haupt, ein dunkler Arm wurde sichtbar, und ragte dort und hier aus dem Schimmer empor. Der Mond war nirgends am Himmel zu erblicken, vielleicht war er schon frühe mit der Sonne untergegangen, oder er ist noch nicht erschienen.
    Als eine lange Zeit vergangen war, sagte der Knabe: »Sanna, du mußt nicht schlafen; denn weißt du, wie der Vater gesagt hat, wenn man im Gebirge schläft, muß man erfrieren, so wie der alte Eschenjäger auch geschlafen hat, und vier Monate tot auf dem Steine gesessen ist, ohne daß jemand gewußt hatte, wo er sei.«
    »Nein, ich werde nicht schlafen«, sagte das Mädchen matt.
    [...]



    Am Ende steht die Erinnerung an das Gleichnis mit den törichten und den klugen Jungfrauen, in der Sinfonie "Lobgesang" von Mendelssohn so genial komponiert. Glauben heißt Wachbleiben - wer wartet, darf die Zeit nicht verschlafen.


    Liebe Grüße Peter

  • Auch wenn viele Menschen in all dem vorweihnachtlichen Geglitzer diese Bedeutung des Advents nicht mehr kennen oder gar spüren: Advent ist eigentlich als eine Zeit der inneren Vorbereitung auf das Weihnachtsfest gedacht, so wie die Fastenzeit innere Vorbereitung für Ostern bedeutet.
    Das heisst im christlichen Ursinn: spirituelle Reinigung, Meditation, Fasten, Busse tun.
    Nach innen schauen und vor allem dahin schauen, wo Licht ins Dunkel gebracht werden sollte. Denn das Licht in Gestalt von Kerzen (oder seien es sogar nur es nur all die vielen Glitzerlichter in unseren Städten) spielt im Advent eine ganz besondere Rolle. Man kann ihm trotz aller Sinnentleerung seine ursprüngliche symbolische Bedeutung wiedergeben.
    Jeder Mensch hat seine dunklen Stellen, seine ganz persönlichen „Lieblings-Sünden“. Vielleicht korrespondieren sie sogar mit einer der sogenannten kardinalen „Tod-Sünden“?


    Neid, Stolz, Hochmut, Zorn, Geiz(auch mit sich selbst geizen), Süchte jedweder Art(vom Überfressen über den Alkoholkonsum bis zur Sexsucht), Eitelkeit, Feigheit, Verlogenheit, Betrug, geistige und körperliche Faulheit und was es derer noch alles geben mag.
    Jeder von uns hat eine oder mehrere Haupt-Baustellen.
    Wenn wir uns nun eine dieser Baustellen in den Advent mitnehmen und ein bisschen ausleuchten würden?
    Ich habe eine Weihnachtsvorbereitungsgeschichte für mich im Hinblick darauf gefunden und möchte sie hier nacherzählen. Es handelt sich um eine wahre Geschichte, die insofern auch etwas mit Musik zu tun hat, als es um den Grossvater des Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy geht. Zum „Fest der Liebe“ passt sie in meinen Augen besonders gut.



    Wahre Liebe


    Der berühmte jüdische Philosoph und Aufklärer Moses Mendelssohn war mit vielen Gaben gesegnet, aber äussere Schönheit gehörte nicht dazu. Im Gegenteil: alle Bilder und Berichte zeigen ihn als sehr kleingewachsenen, missgestalteten Mann mit groteskem Buckel. Umso heller strahlte dagegen die Schönheit seines Geistes und seines Herzens.
    Mit 32 Jahren noch Junggeselle und sehr schüchtern im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht lernte er den Hamburger Kaufmann Abraham Gugenheim kennen. Dieser berichtete ihm von der begeisterten Bewunderung seiner Tochter Fromet für die Schriften des neuen jüdischen Sokrates und bot ihm sogleich die Hand der 24 jährigen Tochter an. Jûdische Paare wurden damals grundsätzlich von den Eltern und oft mit Vermittlung eines professionellen „Ehevermittlers“(Schadchen) zusammengebracht.
    Moses reist also nach Hamburg, um seine künftige Braut kennenzulernen. Sie erscheint ihm nicht nur als Abbild himmlischer Schönheit, sondern er ist auch bezaubert von ihrem „anmutigen und denkkräftigen“ Wesen. Kurz und gut: er verliebt sich sterblich in Fromet und wünscht nichts sehnlicher, als sie zu heiraten.
    Sie aber erschrickt trotz vieler lebendiger und beglückender Gespräche mit ihm über den grossen Buckel und gesteht dem Vater ihre physischeAbneigung.
    Der sieht sich gezwungen, dem potentiellen Schwiegersohn die Ablehnung der Tochter mitzuteilen und der verschmähte Moses geht tieftraurig ein letztes Mal zu Fromet, um sich zu verabschieden. Fromet schlägt voller Scham die Augen nieder.
    Moses fragt sie „Glauben Sie, dass Ehen im Himmel geschlossen werden?“
    Sie antwortet, den Blick weiter gesenkt: „Ja, und was glauben Sie?“


    „Wissen Sie, bei der Geburt eines jeden Knaben verkündet ihm der Herr im Himmel, welches Mâdchen er einmal heiraten wird. Als ich geboren wurde, wurde mir meine spätere Frau gezeigt“ Er sieht Fromet zärtlich an. „Ich war tief gerührt von ihrer grossen Schönheit. Da fügte der Herr hinzu: Aber Deine Frau wird einen hässlichen Buckel haben. Erschrocken rief ich aus: O Herr, bloss das nicht! Ein buckliges Mädchen ist eine Tragödie! Ich flehe dich an: gib mir den Buckel und lass sie schön sein.“
    Da wurde Fromet von einer tiefen Erinnerung aufgewühlt. Sie sah Moses an, streckte ihre Hand nach ihm aus und wurde seine Frau.


    Moses Mendelssohn und Fromet führten eine überaus glückliche Ehe und wurden eines der ersten modernen jüdischen Paare der Geschichte. Noch nach 10 Jahren Ehe schrieb Fromet sehnsüchtige Liebesbriefe, wenn Moses auf Reisen war und er schrieb an einen Freund, dass er nichts auf der Welt mehr liebe als seine Fromet, weder Kinder noch Vater. Von den 10 Kindern überlebten Sechs:
    Brendel(später nach Konversion „Dorothea“, in zweiter (Skandal-)Ehe mit Friedrich Schlegel verheiratet), Recha, Joseph, Henriette, Abraham(Vater von Fanny und Felix) und Nathan.



    Viel Licht im Advent und eine wahre Liebe wünscht allen Taminos



    Fairy Queen

  • Ich möchte dieses Adventstürchen auf zwei Weisen nutzen. Erstens, um den geneigten Leser (aber selbstverständlich auch den aufrecht sitzenden oder gar den liegenden) mit einer Gestalt bekannt zu machen, die uns in dieser besinnlichen Zeit ein Vorbild an Gerechtigkeit, Gleichmut und Gelassenheit sein kann. Und zweitens auf den Umstand, dass ich durchaus zu ernstem Vortrage fähig bin.


    Bei der Gestalt, die ich ihnen vorstellen möchte, handelt es sich um den Heiligen Nikolaus Aspirinus, der im zwölften Jahrhundert im Byzantinischen Reich lebte und wirkte. Zu seinen Gefährten zählten Paracetus von Amol und ein Kopte namens Ali Ibu Profen, der auch nach dem Tod des Nikolaus’ die Geschichten und Legenden um den Heiligen zusammentrug. Ich präsentiere stolz eine kleine Auswahl, die meiner Ansicht nach, das gütige und liebevolle Wesen Aspirinus’ aufs Vortrefflichste zeigt. Mögen die Legenden in der kalten, dunklen Jahreszeit wärmen und Licht spenden…



    Der gerechte Nikolaus


    Nikolaus Aspirinus war berühmt für seine Gerechtigkeit und seinen Haarausfall. Darüber gibt folgende kleine Geschichte Auskunft.


    Aspirinus leitete für einige Jahre den Konvent des Heiligen Theoderos zur unbefleckten Tischdecke nahe Byzanz. Zu den Aufgaben des Abtes gehörte es, Verfehlungen der Mönche nach der Schrift zu verurteilen. Als eines Tages ein Bruder zu ihm gebracht wurde, der in der Nacht zuvor der Sünde des Lesens unter der Bettdecke gefrönt hatte und dabei entdeckt wurde, lag es an Nikolaus, die Strafe zu verkünden. Unglücklicherweise hatte Aspirinus aber keine Schrift zur Hand, so musste er aus dem Stehgreif improvisieren. „Verfahrt nach ihm, wie es im Buche Richter, Kapitel fünf, Vers sieben geschrieben steht.“


    Still war's bei den Bauern, ja still in Israel, bis du, Debora, aufstandest, bis du aufstandest, eine Mutter in Israel?“ -


    „Öhm, ich meinte natürlich, Vers dreiundzwanzig…“ -


    Fluchet der Stadt Meros, sprach der Engel des HERRN, fluchet, fluchet ihren Bürgern, dass sie nicht kamen dem HERRN zu Hilfe, zu Hilfe dem HERRN unter den Helden?“ –


    „Ups… Vers einunddreißig, vielleicht?“


    So sollen umkommen, HERR, alle deine Feinde! Die ihn aber lieb haben, sollen sein, wie die Sonne aufgeht in ihrer Pracht! Und das Land hatte Ruhe vierzig Jahre? ...Also umbringen?“


    „Ähm, ja genau, das solltet ihr tun.“


    Und alle staunten ob der Bibelfestigkeit des Abtes, der immer wusste, was zu tun war. Aspirinus, froh, noch mal so glimpflich davongekommen zu sein, schenkte sich noch einen Liter Wein ein und überflog seine Predigt über die Nächstenliebe.



    Die Räuber


    Als Nikolaus Aspirinus als junger Mann durch den Kaukasus wanderte, weil er sich auf dem Weg nach Damaskus verirrt hatte, da begegneten ihm Räuber, die ihm sogleich das Messer an die Kehle setzten und all sein Hab und Gut verlangten. Aspirinus, solche Begegnungen gewohnt, verdrehte die Augen, murmelte ein „nicht schon wieder!“ und sagte den Dieben gelangweilt, er habe nichts bei sich, außer dem Wenigen, was er am Leibe trug. Da steckten die Räuber die Köpfe zusammen und diskutierten, ob sie die schäbige Kleidung des Aspirinus nun aufteilen, ihn selbst vierteilen und seine Haut auf dem Markt von Bokhara verkaufen sollten. Als Aspirinus ihrer Diskussion teilhaftig wurde, beschlich ihn Angst und er sann nach einer Idee, wie er aus dem Schlamassel heil herauskommen könnte. Die Räuber indes diskutierten fleißig weiter und zeigten allerlei wirtschaftliches Interesse, denn die Vorschläge zu welchem Preis man die dünne Haut des Asketen verkaufen sollte, wurde bis vier Stellen hinter dem Komma beratschlagt. Da meldete sich eine ihnen unbekannte Stimme und verkündete in verschwörerischem Ton, die Haut des dicken Anführers sei eigentlich wesentlich mehr wert als der dünne Lappen des ausgemergelten Wanderers, ungeachtet der Tatsache, dass der goldene Helm des Bandenchefs das Auskommen der Räuber für drei Monate sichern würde. Da wurde heftig zugestimmt und die abwehrenden Worte des Chefs, der seine Autorität schwinden sah, gingen in einem Tumult unter, der Aspirinus die Gelegenheit zur Flucht schenkte. Seit dieser Zeit mied Aspirinus den Kaukasus, ließ sich aber immer die Preise des Hautmarktes von Bokhara zusenden und lächelte noch Jahre später darüber…



    Aspirinus und die Klugheit


    Die Stadt Askarnat, die noch nicht in die Hände der Seldschuken gefallen war, gefiel sich mit der Behauptung, sie habe die klügsten Bewohner Nikaias. Um diese Behauptung zu überprüfen, bat man Aspirinus, der in der Nähe weilte, den Einwohnern eine Aufgabe zu stellen. Aspirinus, dem solcher Stolz zuwider war, sann sich eine Aufgabe aus, die er nach einigen Tagen den Bewohnern der Stadt verkündete. Man solle ihm die allerklügsten Köpfe der Stadt bringen, damit er sich ein Bild von der viel gerühmten Klugheit machen könne. Und flugs stellte man ihm zehn Männer und Frauen vor, die man als die klügsten Bewohner rühmte. Aspirinus holte nun eine große Axt unter seinem Gewand hervor und begann die klugen Köpfe vom Rumpf zu trennen, dass es nur so eine Blutspritzerei war. „Und das nennt ihr klug?“ fragte er die versteinerten Zuschauer. „Ich wollte die Köpfe, nicht die Rümpfe.“


    Da griffen sich die Bewohner Askarnats an die Stirn und wunderten sich, wie sie so dumm sein konnten. Anschließend luden sie Aspirinus zu einem Grillabend ein, denn sie hatten ja nun Fleisch im Überfluss und rühmten die Klugheit des Mannes, der ihren Hochmut auf so feinsinnige Art entlarvte. Und Aspirinus dankte Gott, die Stadt vor der Hybris bewahrt zu haben.



    Aspirinus und der alte Mann


    Einmal kam ein armer, alter Mann zu Nikolaus Aspirinus, als dieser gerade seinen Diener verprügelte. „Warum schlagt ihr diesen armen Kerl?“ fragte der arme, alte Mann.


    „Armer, alter Mann, wenn du nicht sofort die Fliege machst, brech’ ich dir beide Beine“, sagte Nikolaus in seiner herzerwärmenden Art, und gab damit ein vorbildhaftes Beispiel, dass er die Sprache des gemeinen Volkes genauso sprechen konnte wie die Sprache der Wissenschaften und Künste.
    „Ich frage ja nur“, sprach da der arme, alte Mann.


    Und der arme, alte Mann, dankbar für solch kostbare Information pries die Ehrlichkeit und Konsequenz des Aspirinus, als er wieder zu sich kam...



    Nikolaus auf dem Markt


    Nikolaus Aspirinus erzählte einmal folgende Geschichte aus seiner Kindheit:


    Der kleine Nikolaus wurde einmal von seinem Onkel Alexios auf den Markt nach Smyrna mitgenommen. Da aber niemand den kleinen Nikolaus kaufen wollte, mussten sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause in das kleine Dorf Osuoglu zurückfahren. Auf dem beschwerlichen Weg dorthin kamen sie an eine Passstrasse, die berüchtigt für Diebe und Wegelagerer war. Und gerade, als sie diesen Weg mit ihrem Esel beschritten, da stürzten auch schon mehrere Strolche aus dem Unterholz und forderten alle Wertsachen, Aktien und Kommunalobligationen. Da fiel der kleine Nikolaus auf die Knie und bat den heiligen Stephanus um Beistand. Und siehe da, ein Erdrutsch begrub die Räuber und leider auch den Onkel Alexios. Aber der findige Nikolaus sammelte die Münzen ein, die die Räuber vor Schreck fallen gelassen hatten und verkündete zuhause, er habe den Onkel als Lustsklaven nach Damaskus verkauft. Da jubelten alle und feierten mit dem Geld ein Fest, das das Dorf bis dahin noch nicht gesehen hatte.



    Aspirinus und der Seldschuke


    Als Aspirinus in Staatsgeschäften in der Stadt Nikosia weilte, da machte er die Bekanntschaft des Ritters Albrecht von Niederstaufen, der für seinen Blutdurst und ausgiebigen Hunger bekannt war. Als sie einmal bei einem Bankett zu Ehren eines seldschukischen Abgesandten zusammen saßen, erörterten sie die Frage, ob die Seele nach dem Tod gleich in den Himmel oder die Hölle käme, oder ob es für das Unzerstörbare einen Zwischenaufenthalt im Fegefeuer gäbe.


    Der Seldschuke sprach: „Bei Allah, es gibt nur die Gärten Allahs oder die ewige Verdammnis, allein das Fegefeuer ist eine gottlose Vorstellung.“


    Dem widersprach Aspirinus, der durch seine Zeit in Paris die neuesten Errungenschaften der Theologie kannte. „Im Purgatorium, dass es wirklich gibt, lieber, gottloser Freund, werden all die Sünden durch Pein und Schmerzen abgearbeitet, die zu gut für die Hölle, aber zu schlimm für den Himmel sind. Am jüngsten Tage werden auch die das Himmelreich sehen, die jetzt im Fegefeuer alle Qualen erdulden müssen.“


    „Totaler Müll“, sagte daraufhin der Seldschuke. „Fegefeuer, pfff… Auf so was kommen nur verkopfte Scholastiker.“


    „Stimmt ja gar nicht“, sagte Aspirinus in seinem demütigen Gleichmut.
    „Stimmt ja wohl.“


    „Nein, stimmt EBEN nicht.“


    Da stand der Seldschuke auf und drehte dem byzantinischen Gottesmann eine lange Nase. „Stimmt dohoch. Nänänänänä.“


    Da stand Albrecht von Niederstaufen auf, zog sein Schwert und hieb den Seldschuken entzwei. „Wie soll man bei dem Lärm essen?“ brummte er.
    Aspirinus hob seinen Becher, dankte für dieses Gottesurteil und es wurde noch eine lange Nacht…



    Vom Fuchs und dem Habicht


    Eines Winters kam Nikolaus Aspirinus in das Dorf Chmul nahe Syrakus. Der Dorfälteste, ein dynamischer Mittzwanziger, begrüßte ihn freudig und bot neben Speise und Unterkunft dem Geistlichen auch seine Schwester an. Am nächsten Morgen, nachdem Aspirinus von den gebotenen Gaben auf allerlei Wegen Gebrauch gemacht hatte, dankte er den Bewohnern nicht ohne ihnen eine Fabel mit auf den Weg zu geben. „Es war einmal ein Fuchs und ein Habicht, die stritten darüber, wer der Klügere sei. Da kam ein Bär des Weges, den sie darob befragten. Da verschlang der Bär beide und brummte: ´Ihr seid beide total bescheuert´“---



    Epiphaneia


    Aspirinus´ Eltern waren sehr arm, denn sein Vater hatte sein millionenschweres Vermögen im Casino von Mekka gelassen, als er probehalber zum Islam konvertierte. Deswegen gab es im Winter immer eingemachte Feigen und Schafskot zu essen. Nikolaus murrte nie, aber er machte sich Gedanken, wie er sein Scherflein dazu beitragen konnte, damit die Familie einmal andere Kost bekam.


    Als er eines Nachmittags von der Klosterschule die hundert Kilometer durch den hohen Schnee nach Hause lief, da stand vor ihm plötzlich eine helle Gestalt, ganz in Licht gehüllt und sprach mit sanfter, leiser Stimme: „Nikolaus, dein Leben ist rein wie der Schnee, auf dem du läufst, deine Seele gleicht dem warmen Südwind, der die Gerechten wärmt, deswegen hast du einen Wunsch frei.“


    Leider erkannte Nikolaus die Gestalt nicht, da sie direkt in der Sonne stand und der beginnende Schneesturm die Worte der Gestalt von ihm weg trug. Da zuckte die Gestalt mit den Schultern und verschwand. Und Nikolaus lief, machte sich immer noch Gedanken, kam aber zu keiner Lösung…

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  • Nach dem vielen schönen Besinnlichen ein kleiner Realitätsschub - natürlich gereimt:


    Adventszeit


    Die Zeit, in der ein Lichtlein brennt,
    Zunächst, nennt man Advent.
    Der Narr macht Pause vom Geschunkel,
    Denn draußen wird‘s zu früh schon dunkel.


    Und kalt wird‘s auch mit einem Male.
    Wer kann, sucht Zuflucht in 'nem Saale
    Der Heilsarmee. Manche Mallorca.
    Berliner finden das noch knorker.


    Finanzwelt rät zum Jahresende
    Zum Steuersparen, denn die Wende,
    Kaum dass wir etwas Rührung spüren,
    Folgt bald mit höheren Gebühren.


    Derweilen hetzt der Konsument,
    Weil schon das zweite Lichtlein brennt,
    In seiner Stadt von End zu End,
    Weil er zuviele Leute kennt,
    Noch kein Geschenk ihr eigen nennt
    Und vor Gerenne nicht mehr pennt.


    Zum Glück gibt‘s Gratifikationen
    Für solche, die im Wohlstand wohnen.
    Finanzminister sogar mahnen
    Nicht gar zu kräftig abzusahnen -
    Und freu‘n sich über die Millionen.


    Im Bahnverkehr nun kreisen Pann-
    en, die nur preisen kann
    Wer Geld erstreikt.
    Der Mensch vergeigt
    Das Potenzial zum weisen Mann.


    Jetzt wird es ernst. Das dritte Licht
    Gemahnt zu denken ans Gericht -
    Das eine auch, doch mein‘ ich‘s nicht,
    Vielmehr das Essen. Es gebricht
    Dem Kühlschrankvorrat das Gedicht.
    Wer denkt, Advent bedeut‘ Verzicht?


    Und wieder proben die Orchester
    Das Weihnachtsoratorium.
    Das gibt dem Musiker den Rest. Er
    Wünscht ein Moratorium.


    Verbannt wird nun, was sinnlich ist,
    Die Opern spielen Humperdinck.
    Im Kino läuft, was dienlich ist
    Dass Jugend nicht im Schund versink‘.


    Das vierte Licht nimmt uns die Reste
    Von Ruhe vor dem Weihnachtsfeste.
    Geschenke fehlen noch, und Äste
    Vom Tannenbaum sind nur Gebreste
    Ohne viel Schmuck, damit die Gäste,
    Natürlich nur mit weißer Weste,
    Bescheinigen: „Ihr seid das Beste“


    „Advent, Advent, ein Lichtlein brennt“
    Ein jeder dieses Liedlein kennt.
    Wie kann es sein
    Dass Groß und Klein
    Die Weihnachtszeit so friedlich nennt?



    Einen Monat nach dem 11.11. wünscht einen ungetrübten Advent Euer


    :hello: Rideamus

  • Cavatina


    Wien, 1825


    "Nää nää nää! So jeht datt nisch. Jarnisch. Wattann? Nää.“


    Das auf- und abschwellende Gemurmel dringt bis zu ihr herüber.
    Wie üblich ist der Alte während seiner Selbstgespräche wieder in sein unsägliches Kauderwelsch aus dieser Stadt am Rhein verfallen.


    Irgendetwas scheint mit seinem Geschreibsel für seine Schaber und Kratzer, über das der Holz so ausgiebig zu stöhnen geruht, wieder nicht im Ordentlichen zu sein.
    Würde das nun eigentlich der Russe bezahlen?
    Oder der schmierige Kunstkramer, dessen Name wohl im Lateinischen gleich seinen Berufsstand anzeigt, sie hatte von siebzig oder achzig Dukaten munkeln hören?


    Sie kennt sich da nicht recht aus, auch kann’s ihr gleich sein, für sie würde über ihre 120 Gulden hinweg nichts Weiteres herausspringen, außer vermehrter Quälerei mit den Büchern, in denen sie sogar über jede der jeweils sechzig sorgfältig abgezählten Kaffeebohnen sauberst Rechenschaft abzulegen gedrängt war.
    Welch Glück, dass sie im Rechnen, Lesen und Schreiben mehr denn leidlich sich zurecht findet! Und überdies, ohne jene anderen Büchlein wäre eine Verständigung mit dem Alten eh’ nicht zu bewerkstelligen.


    „Watt drübba? Schmechzlisch! Doloroso. Kappes!"


    Sie hätte gedacht, mit dieser Fugn, diesem Teufelswerk, das immer wieder in Fetzen aus dem Zimmer mit Bett und Klimperschrank herüberdröhnte, wäre alles geschafft und erledigt an Krähenfüßen für die Herren Musici, die ihre Gedärmekästen lieber einmal zum Wärmen dem Kamin anheim geben sollten, denn sie ständig zu malträtieren und aller Welt Ohren dazu. Was noch zwingen?


    Sie blickt hinaus in den Hof, in welchen dicke Flocken sich ohne Unterlass senken, als wollten sie ihn auffüllen.
    Ja, von drüben, wo der Alte haust und wütet, da hat man natürlich einen neugierigen Blick hin zur Fleglwiesn, wo allerhand possierliche und kuriose Dingelchen sich zuzutragen pflegen, selbst am Heiligen Abend, dort würde sie jetzt wohl lieber hinausgespitzen, denn dem Gebrabbel zu lauschen.


    Oder aber auch hätte sich ihr Auge hier im Stüberl gerne in einer jener Krippen mit dem lieben Jesulein darinnen und der Jungfrau dazu verfangen, die sie aus ihrer Kindheit noch kennt und die aufzustellen nun wieder erlaubt ist. Und Esel mit Ochs. Doch den Ochsen, den hat sie ja nebenbei.


    „Denn se wissen nisch, wattse spielen.“ Das Gemurmel schwillt zum Wetter. „Aus den Tränen widda zun Tränen. Unn zwischen? Ängstlisch…Con paura…Con angustia…Eng… Mumpitz!!!“


    Dann wieder Ruhe.
    Gleichsam dem Vergessen zum Benefiz, erträumend sich nur wieder dem hübsch drapierten Geschehen der Heilsnacht zuwenden, auch den Schaftreibern, den Vornehmen.


    Plötzlich ein Gepolter durchs Vorzimmer, dann gleich Vestibül und schon Küche, als wollt’s den gesamten Alsergrund zum Einsturz bringen und ihr, obwohl sie sich seit dem Oktober hätte dran gewöhnen sollen, wie oft das Schnüren der Brust, worinnen es auf den Schlag heftig zu pochen beginnt. Vom Fenster in die Ecke.
    Und schon füllt den Türrahmen die massige Gestalt aus.
    „Wo bleibt mir Kaffee! Verfluchte Tat!“ Der Boden zittert dabei, wie ihr Nacken.
    „’S is noch ned Zäät, vergeben. Mochn mei oams Herzl ganz beklemmt.“


    Die Zeit dehnt sich zwischen ihr und dem. Einen Tintentropfen entlässt seine Feder, oder seine Hand über sie, zum Boden.


    Jetzt aber wie der Anflug eines Kräuselns in den Stoppeln, die Schultern senken sich?


    Der Wüste wirft die Feder aufs Lager, beinahe hinein ins Potschamperl, wär’s nur geworden, dreht sich und hinaus in die Küche, es klingt ihr wie der Topf mit den braunen Edlstaanderln, schon ist er wieder drinnen, drängt in ihren Winkel hinein, greift mit seinen schwarzen Händen die ihren, reinen, sie fühlt sie sich füllen mit Bohnen, unabgezählt, ein Duftschwall.


    Die Hände geben sie frei, eine lässt ein Übriges in ihre Tasche gleiten.


    „Dem Hosenknopf, wenn er, was gewiss ist, vorbeischneit, hörst du, meine Fregatte, denn ich hör’s nicht.“ Kein rheinländ’scher Ton mehr. „Gib sie ihm nur heut’ noch. Es wird Heilige Nacht.“


    Dann aber, die Feder behutsam, wie zärtlich, vom Laken pflückend:


    „Beklemmt. Dat isset.“

    Euch allen, liebe Taminen, eine friedliche Adventszeit,

    Euer

    audiamus

    .

  • Zum Advent gehört natürlich auch Zeit für:


    (Der Korrektheit halber sei angemerkt, dass dieses Video lediglich ein kleines musikalisches Spässle ist und keinerlei Rückschlüsse auf die Gepflogenheiten bei der Familie Pronath im Umgang miteinander zulässt.)


    Eine gesegnete Adventszeit wünscht Euch allen
    Frank

  • "Ick wull, wi weern noch kleen, Jehann, dor weer de Welt so groot."
    So lauten die Anfangszeilen eines Gedichtes von Klaus Groth, das mir gerade in dieser Zeit wieder in den Sinn kommt. Eigentlich passt es gar nicht in die Adventszeit: Es ist ein Gedicht über die Erinnerung an den Gefährten der Jugend, mit dem man am Brunnen saß und überlegte, wie hoch wohl der Himmel sei. Und über das Alleinsein in der „Schummertid“, der Zeit der Dämmerung. Es passt besser zum November mit seinen Sonntagen, die ans Erinnern mahnen, ans Loslassen und Abschiednehmen, nicht jedoch in diese Zeit des Aufbruchs. Dass mir dieses Gedicht gerade jetzt wieder einfällt, liegt vielleicht daran, dass der Advent es ein wenig schwer hat hier im Norden.


    Im Dezember möchten wir so gern den November hinter uns lassen - ein paar Lichter sehen, die uns einen neuen Weg zeigen: zur Hoffnung, zur Freude, zur Wärme. Der Herbst lässt sich jedoch nicht so ohne weiteres vertreiben: Und so schauen wir auch Anfang Dezember morgens noch meist in einen grauen, verhangenen Himmel, lassen uns von Stürmen die Haare zausen und schlendern missmutig durch regennasse Straßen. Oder wir stellen trotzig die Leuchter ins Fenster, behängen Bäume im Garten und manchmal auch die Hausfassaden mit Glühlampen, um dem Herbst zu zeigen: Siehst Du, Du hast deinen Anteil gehabt! Jetzt soll es endlich hell werden, leuchten, strahlen.


    Doch der Advent lässt sich nicht auf Kommando herbeirufen, nicht von dem glitzernden und funkelnden Feuerwerk und schon gar nicht von den Endlosschleifen in den Supermärkten: Klingelingeling, last white Chrismas, I gave my heart to Rudolph the red-nosed reindeer – manchmal möchte man wirklich nur noch auf eine garantiert hohoho-freie Südseeinsel auswandern!


    Glücklich die kleinen Kinder: Die fangen am 1. Dezember an zu zählen, egal ob es stürmt, regnet, ob sich der erste Frost über auf die Straßen legt und das erste Verkehrschaos produziert, ob man, wenn man die Nase aus der Tür steckt, ein paar verirrte Sonnenstrahlen oder schon ein paar Schneeflocken erwischt: Die Kleinen tragen zusätzlich zu dem bewährten bebilderten oder dem modernen päckchenverschnürten einen inneren Adventskalender mit sich herum, singen fünfmal am Tag „O Tannenbaum“ und fragen mindestens ebenso oft, wie viele Nächte sie noch schlafen müssen, bis es endlich soweit ist. Wen wundert es, wenn wir als abgeklärte Große über ihre kindliche Vorfreude lächeln und sie vielleicht klammheimlich in einem Winkel der Seele doch ein wenig darum beneiden.


    *


    Der Junge kam mit leuchtenden Augen nach Hause. „Die haben gespielt wie die Engel! So etwas möchte ich auch können!“ „Die“ – das waren die Mädchen der Flötengruppe, die zusammen mit dem Chor, in dem er seit einigen Monaten mitwirkte, für das Weihnachtssingen übte. Und „so etwas“ war der Sopranpart in „Kum ba yah“, der nicht die normale Melodie spielte, sondern in der Wiederholung „ganz weit nach oben geht, so als ob die Töne in den Himmel fliegen.“


    Hatte er vor einigen Monaten die ermunternden Ratschläge, die ihm nahelegten, seiner Liebe zur Musik wegen ein Instrument zu lernen, noch mit den Worten abgelehnt, er wolle lieber singen, so stand nun sein Entschluss fest, auch selbst die Töne in den Himmel fliegen zu lassen. Die Bedenken einiger wohlmeinender Verwandter („Ein Junge mit Flöte? Lachen die anderen dich da nicht aus?“) wurde mit einem verständnislosen „Warum sollten sie denn?“ gekontert.


    Weihnachten kam die Flöte ins Haus, und glücklicherweise bewahrheiteten sich die Zweifel der Großen nicht. Nachdem sich bei seinen Freunden die erste Verwunderung gelegt hatte , nahmen sie es gelassen hin, fanden es höchstens einmal “krass“, dass er, anstatt einem Ball hinterher zu jagen, der doch meist schneller war als er, versuchte, einem sperrigen Holzinstrument Töne zu entlocken, die zunächst furchtbar quietschten und mit zunehmender Übungsdauer doch noch schön klangen.


    Bis zum Engelsflug in „Kum ba yah“ war es zwar noch ein weiter Weg – die höchst irdischen Engel, die ihm vorschwebten, hatten schließlich schon zwei Übungsjahre mehr hinter sich gebracht – aber irgendwann, nach zahllosen quietschenden hohen Es und Fs stand im nächsten Jahr zu Weihnachten ein stolzer und etwas aufgeregter Neunjähriger vor der Gemeinde und konnte zusammen mit den anderen seine Töne in den Himmel fliegen lassen: c e g g g a a h g c e e e f f e – auf dem Papier nur eine nüchterne Buchstabenfolge, für ihn war es jedoch der Aufbruch zu einer Reise in die Welt der Musik, die bis heute anhält. Und man glaubt es ihm, wenn er manchmal etwas überschwenglich erklärt: „Musik ist mein Leben.“ Und hofft, dass ihm seine Träume erhalten bleiben.


    *


    Eigentlich war ich müde. Eine hektische Woche mit reichlich Ärger hinter mir, wollte ich nur noch nach Hause vor den Kamin, mit einem guten Buch oder etwas Musik: einigeln, Decke über den Kopf, Ruhe ... Ein lieber Mensch überredete mich zu einem Chorabend mit einem Ensemble, das ich sehr gern höre. Also aufgerafft, hinaus in die Dunkelheit, hinein ins Auto, wo dann doch so etwas wie Vorfreude aufkam.


    Die Sänger in bewährter Form, das Programm klug zusammengestellt: Ich bereute nicht, dass ich mich dazu hatte überreden lassen. Brittens „Rosa mystica“, eine Motette für vierstimmigen Chor, wurde angekündigt, ein Werk, dass ich noch nicht kannte. Ich habe Brittens Musik erst spät kennengelernt, und sie berührt mich mehr als die jedes anderen Komponisten, ohne dass ich als musikalischer Laie genau sagen könnte, warum das so ist. Ist es ihre Klarheit, das Visionäre, das Unsentimentale, das rhythmisch Prägnante, eine Mischung aus allem? Und wie verträgt sich das mit dem Motiv der mystischen Rose?


    Ein faszinierender Beginn - man wird in die Musik förmlich hineingezogen, und dabei ist sie gleichzeitig von einer Schönheit und Klarheit, die sich nur schwer beschreiben lässt und die an diesem Abend durch den Chor wunderbar zum Ausdruck gebracht wurde. Manchmal gibt es kleine Momente, die alles verregnete Grau vergessen machen. Und manchmal kommt der Advent, wenn man gar nicht mit ihm rechnet.


    Diese kleinen Momente sehen für jeden von uns anders aus, und ich wünsche uns allen recht viele davon.


    Liebe Grüße
    Petra

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  • Es ist Dezember 1915, vor der ersten Operation. Die Luftangriffe auf Paris haben aufgehört, aber es ist bitter kalt geworden. Selbst zu höchsten Preisen ist kein Brennmaterial zu haben. Claude Debussy macht sich immer erneut auf die Suche nach Kohlen, Emma hat sich eine Erkältung geholt, die zur Bronchitis wurde. Die Schmerzen werden unerträglich, beinahe wäre er zusammengebrochen, wenn er nicht rechtzeitig eine Bank gefunden hätte. Nun bricht die Krankheit aus: Darmkrebs. Debussy denkt an seine Tochter, Chouchou, dass sie seinetwegen eine freudlose Weihnacht haben werde. Dann denkt er an die vielen Kinder, deren Väter an der Front oder in dem Lazarett liegen - oder die schon gefallen sind. Er denkt an die Kriegswaisen, diejenigen, für die es kein Weihnachten geben wird. Er hört ihre hellen Stimmen voll Angst. Er sucht einen Text, in dem sie ihre Stimmen gefunden haben, aber es ist nicht anders als im feindlichen Deutschland, die Künstler sind noch fasziniert von der Schönheit des Krieges, niemand schreibt über seine Schrecken. So schreibt er dann selbst einen Text aus der Sichtweise der Kinder und vertont ihn:


    Claude Debussy: Noël des enfants qui n'ont plus de maisons


    Nous n'avons plus de maisons!
    Les ennemis ont tout pris,
    Jusqu'à notre petit lit!
    Ils ont brûlé l'école et notre maître aussi.
    Ils ont brûlé l'église et monsieur Jésus-Christ!
    Et le vieux pauvre qui n'a pas pu s'en aller!


    Nous n'avons plus de maisons!
    Les ennemis ont tout pris,
    Jusqu'à notre petit lit!
    Bien sûr! papa est à la guerre,
    Pauvre maman est morte
    Avant d'avoir vu tout ça.
    Qu'est-ce que l'on va faire?
    Noël! petit Noël! n'allez pas chez eux,
    N'allez plus jamais chez eux,
    Punissez-les!


    Vengez les enfants de France!
    Les petits Belges, les petits Serbes,
    Et les petits Polonais aussi!
    Si nous en oublions, pardonnez-nous.
    Noël! Noël! surtout, pas de joujoux,
    Tâchez de nous redonner le pain quotidien.


    Nous n'avons plus de maisons!
    Les ennemis ont tout pris,
    Jusqu'à notre petit lit!
    Ils ont brûlé l'école et notre maître aussi.
    Ils ont brûlé l'église et monsieur Jésus-Christ!
    Et le vieux pauvre qui n'a pas pu s'en aller!
    Noël! écoutez-nous, nous n'avons plus de petits sabots:
    Mais donnez la victoire aux enfants de France!



    Wir haben keine Häuser mehr!
    Die Feinde haben alles genommen,
    Sogar unser kleines Bett!
    Sie haben die Schule verbrannt und unseren Lehrer.
    Sie haben die Kirche verbrannt und unsern Herrn Jesus Christus!
    Und den armen Alten, der nicht davongehen konnte!


    Wie haben keine Häuser mehr!
    Die Feinde haben alles genommen
    Sogar unser kleines Bett!
    Natürlich, Papa ist im Krieg,
    Die arme Mama ist tot,
    Bevor sie das alles gesehen hatte.
    Was kann man da tun?
    Weihnachten, kleines Weihnachten, geh nicht zu ihnen,
    Geh nie mehr zu ihnen,
    Bestrafe sie!

    Räche die Kinder von Frankreich!
    Die kleinen Belgier, die kleinen Serben,
    Und auch die kleinen Polen!
    Wenn wir jemanden vergessen haben, verzeih uns.
    Weihnacht! Weihnacht! Vor allem: keine Spielsachen,
    Versuche uns unser täglich Brot wieder zu geben.


    Wir haben keine Häuser mehr!
    Die Feinde haben alles genommen
    Sogar unser kleines Bett!
    Sie haben die Schule verbrannt und unseren Lehrer.
    Sie haben die Kirche verbrannt und unsern Herrn Jesus Christus!
    Und den armen Alten, der nicht davongehen konnte!
    Weihnachten! Hör uns, wir haben keine kleinen Holzschuhe mehr:
    Aber schenke den Kindern von Frankreich den Sieg!


    Es ist ein naiver Text, aus der Sicht der Kinder von Debussy geschrieben. Es ist ein Text, in dem die Kinder die Wörter der Erwachsenen nachstammeln und in ihre eigene Sprache zu formen versuchen. Da steht der Hass auf den Feind direkt neben der Liebe zum Nächsten in der Christnacht. Da ringt sich die Verzweiflung die Hoffnung ab - wenn auch auf Kosten der anderen Kinder, deren Väter auch gefallen sind. In dem naiven Gedanken der Kinder kommt dieser Widerspruch nicht auf - deshalb ist dieses Gedicht in seiner ungelenken Fügung so wahr.


    Debussy hat zwei Fassungen des Liedes geschrieben, einmal eine als Klavierlied, einmal für einen zweistimmigen Kinderchor. Caplet und Busser wollten das Lied instrumentieren, doch Debussy wollte es mit einer verhaltenen Klavierbegleitung gesungen haben: "Man darf kein Wort von dem Text verlieren, der von der Raublust unserer Feinde eingegeben ist; das ist für mich die einzige Art, Krieg zu führen."


    Noël des enfants qui n'ont plus de maisons ist trotz seiner Kürze und seines Gelegenheitscharakters eines von Debussys Meisterwerken: Über dem keuchenden Rhythmus der Klavierbegleitung entwickelt sich eine sanft geschwungene melodische Linie mit pathetischen Akzenten, eine genaue Nachschrift des Worttextes, die ebenso wie die Harmonien an "Pelléas et Mélisande" erinnert.


    In dem am 17.5.1917 gegebenen Konzert hatte Debussy die Freude, dieses Lied von Rose Féart gesungen zu begleiten. Es war sein letztes Konzert.


    Die Aufnahme des Liedes, die ich empfehlen kann, wird von Victoria de los Angeles gesungen:




    Liebe Grüße Peter

  • Nach so viel Ernstem, Besinnlichem und Heiterem
    So gut Gemachtem und so weiterem...


    ... mache ich allen Ernstes für alle, die noch in letzter Minute verzweifelt nach dem richtigen Geschenk für jemand Lieben suchen, eine


    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - WERBEPAUSE - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -


    für ein ganz besonderes Buch, mit dem man unmöglich falsch liegen kann,
    nämlich dieses hier:



    Es wurde zusammengestellt von dem leider im letzten Jahr verstorbenen Humoristen Robert Gernhardt und Claus Caesar Zehrer und enthält "555 komische Gedichte aus fünf Jahrhunderten". Müsste ich ein Lieblingsbuch benennen, in dem ich seit seinem Erscheinen immer wieder lese, dann wäre es dieses. Besser und klüger kann man sich nicht unterhalten lassen.


    Die originalen Gedichte müsst Ihr schon selber lesen, aber ich variiere mal ein paar Klassiker daraus, passend zum Advent natürlich mit Bezug auf diverse hier angemeldete, aber auch unausgesprochene Wünsche der Taminos:



    Sinngedicht für Alviano


    Wer wird nicht einen Schreker loben?
    Doch wird ihn jeder hören? Nein.
    Der Komponist will gern erhoben,
    Doch lieber noch vernommen sein.


    nach Gotthold Ephraim Lessing: Sinngedicht an den Leser



    Für Waldi


    Ein Mammut, das in Rillen steckt'
    Hat Unser Waldi hier entdeckt.
    Da stak es schon seit fünfzig Jahren
    Fast ungehört und unerfahren.
    Jetzt, da von Lasern aufgeweckt,
    Erklingt es, wie man einst bezweckt',
    Und singt beseelt, trotz hohem Alter,
    Die "Macht des Schicksals" für den Walter.


    nach Heinrich Hoffmann: Das Mammut (leider nicht in dem Buch)



    Der Paul im Hospital


    Er lag im Krankenbette
    Und träumte von Gesang.
    Es rührte ihn der nette
    Taminobeileidsstrang.


    Ach, Paule, werde munter!
    Die Freunde sind verdient.
    Gesund werd, und gesunter.
    Du hast schon ausgesühnt.


    nach Heinrich Heine: Das Fräulein stand am Meere



    Es sitzt Dichter auf 'nem Reim


    Audiamus sitzt und schwitzt am Reim
    Des Nachts in seiner Stub' daheim.
    Ein dummer Rhythmus schleicht sich ein.
    Er will nicht passen, ist zu klein.
    Dann reimt auf Mief er eine Kiefer
    Und gibt dann auf. Ja, endlich schlief er.


    Erwachend denkt er: das Gedicht,
    So nett es ist, Sonett ist's nicht.
    Doch will ich nicht mehr Zeit verlieren
    Um das Sonett zu arrangieren.
    Gleich ob Berliner oder Wiener,
    Gedichte brauchen die Taminer.
    Drum schlug er uns den Lim'rick vor.
    Mir scheint, audiamus hat Humor.


    nach Wilhelm Busch: Es sitzt ein Vogel auf dem Leim.



    Der unglückliche Basilio


    Basilio saß vor seiner Liste
    Von 68 Wünschen. "Mist, eh",
    Entfuhr es ihm, "Meschugge biste".


    Wisst Ihr,
    Weshalb?


    Ein Mondkalb verriet es mir im Stillen
    Basilio hier
    Flucht um der Hundert willen.


    nach Christian Morgenstern: Das ästhetische Wiesel



    Gurrecoeur


    War einmal ein Themenstrang
    Klug, doch auch ein Stück zu lang.
    Manch' Tamino schrieb ein Stück
    Zu des Autors großem Glück.
    Doch dann erhofft er tagelang
    Umsonst Taminos Tatendrang.


    nach Joachim Rimgelnatz: Der Bumerang



    Tamino serioso
    (molto grave zu lesen)


    Ein Freund der klassischen Musik
    Weist so den Tritsch und Tratsch zurück:
    "ich lache nie. Mir kommt's nicht vor,
    Mir selbst mein zartbesaitet' Ohr
    Durch mein Gemecker zu vergrätzen,
    Das nicht einmal die Ziegen schätzen,
    Bekämen sie es denn zu hören.
    Auch würd' es mein Empfinden stören.


    Viel lieber spiel ich Wertvergleichen.
    Soll doch einmal das Wasser reichen
    Der Soundso dem Favoriten
    Den ich erkoren aus der Mitten
    Der gänzlich unbekannten Vielen.
    Natürlich musste ich arg schielen
    Um selbst ihn ausfindig zu machen.
    Dafür kennt niemand seine Sachen
    Und ich bin Fachmann, oh wie schön.
    Soll'n and're doch zugrunde geh'n
    Bei dem Versuche, wen zu finden
    Mit dem sie noch mehr Eindruck schinden.
    Statt dessen schreibe ich mir Listen
    Vom www ab. Wenn die wüssten,
    Was ich noch alles wissen könnte,
    Wär ich allein im Elemente
    Der reinen Leere des Unsinn-
    igen. Wo käm'n wir hin
    Wenn jeder wüsste, wie ich's weiß.
    Wie ich mich brüste, macht die heiß.
    Natürlich ist es unbenommen
    Den Frommen, die zu staunen kommen
    Mich zu bewundern. Ich hab's gerne.
    Es braucht halt jeder seine Sterne.
    Nur eines lass ich lieber bleiben:
    Musik zu hören stört beim Schreiben.
    So bin ich, der ich huldig sitze
    Auf großen Wissens karger Spitze
    Drum stört mich Euer Quatsch, und wie,
    Denn ich bin ernst und lache nie.


    nach Wilhelm Busch: Der Philosoph



    Advent, es brennt


    Es grellt die Nacht. Die Lichtreklamen
    Verstören, die zum Schlafen kamen.
    Auf Häuserzeilen, Schornsteingipfel
    Zerläuft der kurz nur weiße Zipfel.
    Nur dort: ein Fenster ist fast dunkel.
    Nicht einmal das TV-Furunkel
    Das sich Programm nennt, macht noch Licht.
    Jedoch, geschlafen wird da nicht.
    Ein gleißend Lichtlein glimmt, nicht tot,
    Ein Laserstrahl, mal blau, mal rot.


    In dieser heute typ'schen Nacht
    Hat's Weihnachtsmännlein umgebracht
    Was uns verstört in unser'm Glücke
    An schleimheiliger Kunstmusicke.
    Es wandert in sein Fegefeuer
    Was uns nicht lieb und trotzdem teuer.
    Zerbrannt wird, was ihm dünkt nur Schmäh,
    Ob Kleiderschwan, ob and're Riäh.
    Auch was ihm -tümlich, schunklig scheint
    Zerstört er, ohne dass er weint
    Und allüberall in den Plattenritzen
    Da sieht man bläuliche Lichtlein blitzen.


    Man glaubt es kaum: das war ein Traum
    Von einer Hoffnung nur der Saum.
    Stell'n wir trotzdem die Lauscher auf.
    Gute Musik, nimm deinen Lauf.
    Es gibt genug davon für alle.
    Ich aber geh' gleich in die Falle.
    :hello:


    sehr frei nach Loriot: Advent



    Zum Schluss


    Es wird beim Türchen zum Advent
    Nach einer Seite abjeblendt.
    Unweigerlich verstummt die Führung
    Im Augenblick der größten Rührung.
    Das war's von mir. Ich grüß und renn.
    Na und denn?


    nach Kurt Tucholsky: Danach (erste Strophe)


    Ich entschuldige mich bei denen, denen das nicht feierlich und seriös genug war, und wünsche Euch allen einen besinnlich-heiteren Dritten Advent


    :hello: Rideamus

  • Nun, zugegeben, sehr adventlich oder besinnlich ist meine Geschichte nicht. Das Einzige was für ihr Erscheinen hier im Kalender spricht ist, daß sie sich genau so wie beschrieben in dieser Adventszeit zugetragen hat. Und deshalb beginnt sie auch wie alle wahren Geschichten mit…
    …es war einmal.


    Es war einmal an einem späten Abend in der Vorweihnachtszeit. Wie fast täglich hockte ich noch vor meinem Computer, als mich plötzlich ein seltsames Geräusch und ein blasses Leuchten, das vom Balkon her in das Wohnzimmer drang, aufschauen ließ. Was war das? Neugierig trat ich hinaus vor die Tür und plötzlich – wie aus dem Nichts - strich ein unwirklich scheinender blauer Lichtstrahl über mich hinweg und verschwand wieder. Verwundert schaute ich nach oben, nach den Seiten, nach unten. Nichts war mehr zu sehen. Na wer weiß, dachte ich bei mir, vielleicht kam es von einem Flugzeug auf dem Weg zum nahe gelegenen Flughafen oder der Nachbar hatte wieder einmal eine dieser fürchterlich blinkenden bunten und geschmacklosen Weihnachtsdekorationen ausprobiert.


    Zurück im Zimmer und am PC schaute ich auf die Uhr – noch 4’33 bis Mitternacht.


    Plötzlich hörte ich aus den CD-Stapeln neben mir und auch aus dem Schrank seltsame Geräusche, Worte, Satzfetzen. Jetzt ganze Sätze. Was war das? Konnten meine CDs plötzlich reden?


    „Na Antonin, da nennt er Dich nun seinen Lieblingskomponisten, und wie lange liegen wir nun jetzt schon hier fest, ganz unten im Stapel?“ „Ach sei doch still, Herbert, denk mal drüber nach, ob das vielleicht an dir liegen könnte.“


    „Eh’, Luciano, mach dich nicht so dick, ich brauche auch Platz.“ „Das glaube ich Dir gern, Montserrat, aber ich mache mich nicht dick. Ich bin, äh.., ich werde … einfach zu wenig gespielt, da muß ich doch dick werden“


    Ich glaubte, verrückt zu werden. Meine CDs konnten tatsächlich reden, und schlimmer, sie schienen zu multiplen Wesen geworden zu sein. Langsam glaubte ich so etwas wie einen Sprechchor zu erkennen. „Wir wollen gespielt werden, wir wollen gespielt werden,…“
    „Wer ist denn dran schuld, daß wir hier einstauben?“ „Na doch nur unser Besitzer!“
    „Genau! Dieser Ignorant!“ klang es gequält ganz hinten aus dem Regal
    „Verzaubern wir ihn, und dann machen wir, was wir wollen“
    „Oh ja!!“ „Spitzenidee!“ „Wonderful!“ „Formidable!“ „Cool!“ rief es von allen Seiten.


    Wieder ein blauer Blitz, diesmal so grell, daß mir kurz schwarz vor Augen wurde und dann sah ich das Zimmer plötzlich aus einer ganz anderen Perspektive. Langsam realisierte ich, daß ich plötzlich ziemlich klein, sogar sehr klein war und auf der Couchlehne saß. Und zwar zwischen zwei Plüschtieren, rechts von mir ein Drache, der fast viermal so groß war wie ich und der ständig versuchte Feuer zu spucken. Glücklicherweise ohne Erfolg. Links von mir eine Kuh, die mir immerhin bis zur Schulter reichte! Wenn jetzt bloß mein Sohn nicht ins Zimmer käme…


    Aber so unwirklich die Situation auch war, das Geschnatter der CDs zog mich schnell wieder in seinen Bann. Alles redete durcheinander.
    Plötzlich fuhr ein mächtiger Blechbläserakkord dazwischen. Mahler? Bruckner? Als dann donnernd auch noch eine Orgel einsetzte, wusste ich: Havergal Brian.
    Wie im richtigen Leben, dachte ich mir, wer mit dem meisten Wind den lautesten Krach macht, verschafft sich Gehör.
    Eine mächtige Bassstimme erklang jetzt: „Liebe Freunde, wir wollen uns doch nun, wo wir die Macht haben das zu tun, was uns gefällt, nicht streiten. Ich schlage vor, jeder von Euch, der möchte, erzählt uns hier seine Geschichte. Und wer es von uns am schlechtesten getroffen hat in seinem Dasein, der darf zuerst in den Player.“
    Schnell wurde man sich einig.


    Eine seltsam farblose CD begann den Tränen nahe zu erzählen. „Ich war einmal so schön und auch teuer und bin trotzdem gern gekauft worden, eben weil ich so schön war. Aber dann, dann kam ein neuer Chef, und der hat den Katalog…, na ihr wißt schon, plötzlich gab es mich nicht mehr. …Aber es kam noch schlimmer. Zweitvermarktung! ZWEITvermarktung!! Nun schaut mich doch an! Wenn ich Pech habe, lande ich im Tamino-Forum im Thread über das hässlichste Cover, und dann ist mein Ruf komplett ruiniert. Hu,hu,hu, erst so schön und jetzt so hässlich.


    „Na, wenn es um Schönheit geht, sollte ich ja sehr wohl mitreden dürfen. Schaut mich an wie schön ich bin. Damit kommt man ruck zuck ins Fernsehen, in die Zeitung und in die Hitparaden.“ rief mit unverkennbar russischem Akzent ein Fräulein Anna aus der Mitte des CD-Stapels.
    „Na, das mag schon sein, daß Du schön aussiehst, aber richtig schön singen sollte man auch schon können. Ist in deinem Jewelcase denn überhaupt was drin außer dem bunten Booklet?“ sprach eine Stimme mit Wiener Dialekt aus dem off. Die anderen kicherten verhalten und tuschelten.


    Eine CD im elegant-blauen Cover rief laut in die Runde: „Jetzt sind wir aber langsam off-topic, meine Herrschaften, bitte zurück zum Thema. Zum Beispiel du da. Du da oben auf dem Stapel, du siehst ziemlich unglücklich aus.“


    „Ich habe meine Seele verloren.“ sagte die angesprochene CD verstört, „Mich hat jemand gekauft und dann kurzerhand auf seinen Rechner kopiert. Ehe ich mich auch nur einmal im richtigen CD-Player drehen durfte, war ich - schwupp-diwupp - bei Ebay.“ Die anderen rückten vorsichtshalber ein Stück weg von diesem Zombie.


    „Mich hat er bloß gekauft, weil ich nur 2,40 bei Ebay gekostet habe, inklusive Versand auch noch, und dann hört er mich nur einmal an.“ „Sei froh, daß Du nicht als Untersetzer für’s Bierglas herhalten musst“
    „Was soll ich dann sagen, ich war eine kostenlose Dreingabe. Ich werd wohl nie ne Chance haben“ „Heft-CD, Heft-CD, nä nä nä nä nää nä“ skandierten die anderen höhnisch.
    „Na und ich?“, erklang eine seltsam gedämpfte Stimme, „Ich hänge hier seit Monaten rum, immer noch in meiner Cellophanhülle.“ „Und warum will er Dich nicht hören?“ „Mag keine Oper.“ „Warum hat er dich dann gekauft?“ „Sonderangebot“, schniefte die CD.


    „Also wir können Euch nicht verstehen!“, riefen die Weihnachts-CDs, „Uns geht’s prima“ „Hä, hä, hä, hääää!“ klang es höhnisch zurück, „Und wie lange noch?“


    „Na, Jungs und Mädels nun beruhigt Euch doch mal, das Gejammer bringt doch alles nix,“, sprach eine Stimme, die nur zu Papa Haydn gehören konnte und die sehr selbstbewusst und zufrieden klang, „hättet ihr armseligen Würstchen alle solche brillianten Volksliedbearbeitung drauf und wärt ihr dann womöglich noch in Holland, da würdet ihr gedreht, bis euch schwindlig wird. Da würdet ihr euch vorkommen wie im Paradies.“


    Mitten in die immer lebhafter werdende Diskussion - die Wohnzimmeruhr schlug gerade zum ersten Mal - drang ein dünnes, aber alles durchdringendes Stimmchen aus dem PC-Gehäuse „Euch geht’s ja allen viel zu gut! Ich stecke hier im PC in einem versteckten Verzeichnis und bin vergessen worden.“ „Wer bist DU denn?“ erklang es aus der Runde der CDs.
    „Ich? Na ich bin eine MP3-Datei, runtergeladen, 320 Kbit“ sprach das Stimmchen stolz
    „IIIIIIIIIIIIIIIIHHHHH…. ein GEIST“ schrie die ganz Runde unisono aus vollem Hals und mit lautem Krachen schepperte ein Stapel CDs vom Schreibtisch, begleitet von den letzten Klängen der schlagenden Uhr.


    Erschrocken zuckte ich zusammen. Da war ich doch tatsächlich beim Lesen in diesem Fremdforum eingeschlafen. Die Tastatur würde schöne Abdrücke auf meiner Stirn hinterlassen haben…

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Die folgende Geschichte soll zum Nachdenken anregen, wie unsere heutige Gesellschaft mit dem Wunder von Bethlehem umgehen würde.


    Was, wenn Weihnachten nicht vor 2007 Jahren, sondern heute stattgefunden hätte...


    Wahrscheinliche Zeitungsschlagzeile:
    Säugling in Stall gefunden - Polizei und Jugendamt ermitteln
    Schreiner aus Nazareth und unmündige Mutter vorläufig festgenommen



    BETHLEHEM, JUDÄA - In den frühen Morgenstunden wurden die Behörden von einem besorgten Bürger alarmiert. Er hatte eine junge Familie entdeckt, die in einem Stall haust. Bei Ankunft fanden die Beamten des Sozialdienstes, die durch Polizeibeamte unterstützt wurden, einen Säugling, der von seiner erst 14-jährigen Mutter, einer gewissen Maria H. aus Nazareth, in Stoffstreifen gewickelt in eine Futterkrippe gelegt worden war.


    Bei der Festnahme von Mutter und Kind versuchte ein Mann, der später als Joseph H., ebenfalls aus Nazareth identifiziert wurde, die Sozialarbeiter abzuhalten. Joseph, unterstützt von anwesenden Hirten, sowie drei unidentifizierten Ausländern, wollte die Mitnahme des Kindes
    unterbinden, wurde aber von der Polizei daran gehindert.


    Festgenommen wurden auch die drei Ausländer, die sich als "weise Männer" eines östlichen Landes bezeichneten. Sowohl das Innenministerium als auch der Zoll sind auf der Suche nach Hinweisen über die Herkunft dieser drei Männer, die sich anscheinend illegal im Land aufhalten. Ein Sprecher der Polizei teilte mit, dass sie keinerlei Identifikation bei sich trugen, aber in Besitz von Gold, sowie einigen möglicherweise verbotenen Substanzen waren. Sie widersetzten sich der Festnahme und behaupteten, Gott habe ihnen aufgetragen, sofort nach Hause zu gehen und jeden Kontakt mit offiziellen Stellen zu vermeiden. Die mitgeführten Chemikalien wurden zur weiteren Untersuchung in das Kriminallabor geschickt.


    Der Aufenthaltsort des Säuglings wird bis auf weiteres nicht bekanntgegeben. Eine schnelle Klärung des ganzen Falls scheint sehr
    zweifelhaft. Auf Rückfragen teilte eine Mitarbeiterin des Sozialamts mit: Der Vater ist mittleren Alters und die Mutter ist definitiv noch nicht volljährig. Wir prüfen gerade mit den Behörden in Nazareth, in welcher
    Beziehung die beiden zueinander stehen."


    Maria ist im Kreiskrankenhaus in Bethlehem zu medizinischen und psychiatrischen Untersuchungen. Sie kann mit einer Anklage wegen
    Fahrlässigkeit rechnen. Ihr geistiger Zustand wird deshalb näher unter die Lupe genommen, weil sie behauptet, sie wäre noch Jungfrau und der Säugling stamme von Gott.


    In einer offiziellen Mitteilung des Leiters der Psychiatrie steht: "Mir steht nicht zu, den Leuten zu sagen, was sie glauben sollen, aber wenn dieser Glaube dazu führt, dass - wie in diesem Fall - ein Neugeborenes
    gefährdet wird, muss man diese Leute als gefährlich einstufen. Die Tatsache, dass Drogen, die vermutlich von den anwesenden Ausländern verteilt wurden, vor Ort waren, trägt nicht dazu bei, Vertrauen zu erwecken. Ich bin mir jedoch sicher, dass alle Beteiligten mit der nötigen
    Behandlung in ein paar Jahren wieder normale Mitglieder unserer Gesellschaft werden können."


    Zu guter Letzt erreicht uns noch diese Info: Die anwesenden Hirten
    behaupteten steif und fest, dass ein großer Mann in einem weißen
    Nachthemd mit Flügeln (!) auf dem Rücken ihnen befohlen hätte, den Stall aufzusuchen und das Neugeborene zu seinem Geburtstag hoch leben zu lassen. Dazu meinte ein Sprecher der Drogenfahndung: "Das ist so ziemlich die dümmste Ausrede eines vollgekifften Junkies, die ich je gehört habe."

  • Nach all den wunderbar tiefen und ernsten Türchen der letzten Tage habe ich mich spontan für eine heitere Atempause entschieden (und dazu ein Gedicht vom vergangenen Jahr recycelt), die euch ein kleines bisschen deutlich machen soll, wie es beim europäischen Nachbarn Frankreich vor Weihnachten zugeht.



    Ach helas! Toujours trop schnell
    arrivé ist schon Noël.
    On y va zum Metzger, vite!
    Das Gigot, canards confits,
    Austern und foie gras-ganz schnell!
    Und enfin die bûche Noël.


    Papa rêve von der maitresse
    und besorgt ein grand bijoux
    Grandmaman will in die Messe,
    Grandpapa ist dejà fou
    hat den Cognac schon genossen
    und die veille fort begossen.


    Petit Pierre, petite Florence
    die verlieren die patience
    Wann gibt's enfin ein cadeau?
    Maman seufzt nur: ça c'est trop!
    Denn sie muss noch zum coiffeur
    ahnt schon das ménage malheur.....


    Nur Tintin der petit chien
    wedelt voller espérance
    freudig bellend mit dem queue.
    Denn er hat es bien gerochen:
    Ein gigot: c'est avec Knochen!





    Bei Verstândnisproblemen bitte vetrauensvoll an die Verfasserin wenden. Alle Ähnlichkeiten mit bekannten Persönlichkeiten sind natürlich rein zufällig!



    Fröhlichen und gelassenen Endspurt der Weihnachtsvorbereitungen, auch ohne Austern und Foie gras, wünscht allen Taminos


    Fairy Queen

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  • Liebe Taminos,


    Weihnachten verbindet sich für mich neben vielen anderen Erinnerungen mit einer Stimme- der Stimme Heinrich Waggerls. Waggerls Weihnachtserzählungen gehören zu Weihnachten wie der der Besuch der Christmette in St. Martin und die schlesischen Weißwürste und das Gedeck für den unbekannten Gast- der ja an Heiligabend vor der Tür stehen könnte.


    Nach der Bescherung und nach dem gemeinsamen Festessen sitzt man gemeinsam im Wohnzimmer, packt die Geschenke aus, und liest die Weihnachtspost und dazu läuft dann -ganz früher eine Schallplatte (und auch deren Knarzen und Knacken gehört irgendwie zu Weihnachten dazu- inzwischen eine CD mit Waggerls Erzählungen. Das ist immer wie ein Fenster in eine Zeit die schon fern der unseren ist: Fernab jeglicher Hektik, zeitlos.


    Eine der Geschichten Waggerls möchte ich Euch heute zum 20. Dezember vorstellen:


    "Warum der schwarze König Melchior so glücklich wurde"


    Karl Heinrich Waggerl


    Allmählich verbreitete sich das Gerücht von dem wunderbaren Kinde mit dem Schein ums Haupt und drang bis in die fernsten Länder. Dort lebten drei Könige als Nachbarn, die seltsamerweise Kaspar, Melchior und Balthasar hießen, wie heutzutage eine Rossknecht oder ein Hausierer. Sie waren aber trotzdem echte Könige und was noch merkwürdiger ist, auch weise Männer. Nach dem Zeugnis der Schrift verstanden sie den Gang der Gestirne vom Himmel abzulesen, und das ist eine schwierige Kunst, wie jeder weiß, der einmal versucht hat, hinter einem Stern herzulaufen.


    Diese Drei also taten sich zusammen, sie rüsteten ein prächtiges Gefolge aus und dann reisten sie eilig mit Kamelen und Elefanten gegen Abend. Tagsüber ruhten Menschen und Tiere unter den Felsen in der steinigen Wüste, und auch der Stern, dem sie folgten, der Komet, wartete geduldig am Himmel und schwitzte nicht wenig in der Sonnenglut, bis es endlich wieder dunkel wurde. Dann wandelte er von neuem vor dem Zuge her und leuchtete feierlich und zeigte den Weg.


    Auf diese Art ging die Reise gut voran, aber als der Stern über Jerusalem hinaus gegen Bethlehem zog, da wollten ihm die Könige nicht mehr folgen. Sie dachten, wenn da ein Fürstenkind zu besuchen sei, dann müsse es doch wohl in einer Burg liegen und nicht in einem armseligen Dorf. Der Stern geriet sozusagen in Weißglut vor Verzweiflung, er sprang hin und her und wedelte und winkte mit dem Schweif, aber das half nichts. Die drei Weisen waren von einer solchen Gelehrtheit, dass sie längst nicht mehr verstehen konnten, was jedem Hausverstand einging.


    Indessen kam auch der Morgen herauf und der Stern verblich. Er setzte sich traurig in die Krone eines Baumes neben dem Stall und jedermann, der vorüberging, hielt ihn für nichts weiter als eine vergessene Zitrone im Geäst. Erst in der Nacht kletterte er heraus und schwang sich über das Dach.


    Die Könige sahen ihn beglückt, Hals über Kopf kamen sie herbeigeritten. Den ganzen Tag hatten sie nach dem verheißenen Kinde gesucht und nichts gefunden, denn in der Burg zu Jerusalem saß nur ein widerwärtig fetter Bursche namens Herodes.


    Nun war aber der eine von den Dreien, der Melchior hieß, ein Mohr, baumlang und so tintenschwarz, daß selbst im hellen Schein des Sternes nichts von ihm zu sehen war als ein Paar Augäpfel und ein fürchterliches Gebiss. Daheim hatte man ihn zum König erhoben, weil er noch ein wenig schwärzer war als die anderen Schwarzen, aber nun merkte er zu seinem Kummer, dass man ihn hierzulande ansah, als ob er in der Haut des Teufels steckte. Schon unterwegs waren alle Kinder kreischend in den Schoß der Mütter geflüchtet, sooft er sich von seinem Kamel herabbeugte, um ihnen Zuckerzeug zu schenken, und die Weiber würden sich bekreuzigt haben, wenn sie damals schon hätten wissen können, wie sich ein Christenmensch gegen Anfechtungen schützt. Als letzter in der Reihe trat Melchior zaghaft vor das Kind und warf sich zur Erde. Ach, hätte er jetzt nur ein kleines weißes Reckchen zu zeigen gehabt oder wenigstens sein Innerstes nach außen kehren können! Er schlug die Hände vors Gesicht, voll Bangen, ob sich auch das Gotteskind vor ihm entsetzen würde.


    Weil er aber weiter kein Geschrei vernahm, wagte er ein wenig durch die Finger zu schielen, und wahrhaftig, er sah den holden Knaben lächeln und die Hände nach seinem Kraushaar ausstrecken.


    Über die Maßen glücklich war der schwarze König! Nie zuvor hatte er so großartig die Augen gerollt und die Zähne gebleckt von einem Ohr zum andern. Melchior konnte nicht anders, er musste die Füße des Kindes umfassen und alle seine Zehen küssen, wie es im Mohrenlande Brauch war.


    Als er aber die Hände wieder löste, sah er das Wunder - sie waren innen weiß geworden.


    Und seither haben alle Mohren helle Handflächen, geht nur hin und seht es und grüßt sie brüderlich."




    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • 21. Adventstürchen, 21.12.2007


    Aus einem Kinderbuch für Erwachsene:


    Erich Kästner


    Interview mit dem Weihnachtsmann


    Eine vorweihnachtliche Betrachtung


    Es hatte schon wieder geklingelt. Das neunte Mal im Verlauf der letzten Stunde! Heute hatten, so schien es, die Liebhaber von Klingelknöpfen Ausgang. Mürrisch rollte ich mich türwärts und öffnete.


    Wer, glauben Sie, stand draußen? Sankt Nikolaus persönlich! In seiner bekannten historischen Ausrüstung. "Oh", sagte ich. "Der eilige Nikolaus!" - "Der heilige, wenn ich bitten darf. Mit h!" Es klang ein wenig pikiert. "Als Junge habe ich Sie immer den eiligen Nikolaus genannt. Ich fand es plausibler." - "Sie waren das?" - "Erinnern Sie sich denn noch daran?" - "Natürlich! Ein kleiner hübscher Bengel waren Sie damals!"
    "Klein bin ich immer noch." -


    "Und nun wohnen Sie also hier." - "Ganz recht." Wir lächelten resigniert und dachten an vergangene Zeiten.
    "Bleiben Sie noch ein bisschen!" bat ich. "Trinken Sie noch eine Tasse Kaffee mit mir!" Er tat mir, offen gestanden, leid.


    Was soll ich Ihnen sagen? Er blieb. Er ließ sich herein. Erst putzte er sich am Türvorleger die Stiefel sauber, dann stellte er den Sack neben die Garderobe, hängte die Rute an einen der Haken, und schließlich trank der mit mir in der Wohnstube Kaffee.


    "Zigarre gefällig?" - "Das schlag ich nicht ab." Ich holte die Kiste. Er bediente sich. Ich gab ihm Feuer. Dann zog er sich mit Hilfe des linken den rechten Stiefel aus und atmete erleichtert auf. "Es ist wegen der Plattfußeinlage. Sie drückt niederträchtig." - "Sie Ärmster! Bei Ihrem Beruf!" - "Es gibt weniger Arbeit als früher. Das kommt meinen Füßen zu Gute. Die falschen Nikoläuse schießen wie die Pilze aus dem Boden."


    "Eines Tages werden die Kinder glauben, dass es Sie, den echten, überhaupt nicht mehr gibt." - "Auch wahr! Die Kerle schädigen meinen Beruf! Die meisten von denen, die sich einen Pelz anziehen, einen Bart umhängen und mich kopieren, haben nicht das mindeste Talent! Es sind Stümper!" - "Weil wir gerade von Ihrem Beruf sprechen", sagte ich, "hätte ich eine Frage an Sie, die mich schon seit meiner Kindheit beschäftigt. Damals traute ich mich nicht. Heute schon eher. Denn ich bin Journalist geworden." - "Macht nichts", meinte er und goss sich Kaffee zu. "Was wollen Sie seit Ihrer Kindheit von mir wissen?" - "Also", begann ich zögernd, "bei Ihrem Beruf handelt es sich doch eigentlich um eine Art ambulanten Saisongewerbes, nicht? Im Dezember haben Sie eine Menge Arbeit. Es drängt sich alles auf ein paar Wochen zusammen. Man könnte von einem Stoßgeschäft reden. Und nun ..." - "Hm?" - "Und nun wüsste ich brennend gern, was Sie im übrigen Jahr tun!"


    Der gute alte Nikolaus sah mich einigermaßen verdutzt an. Er machte fast den Eindruck, als habe ihm noch niemand die so nahe liegende Frage gestellt. "Wenn Sie sich nicht darüber äußern wollen ..." - "Doch, doch", brummte er. "Warum denn nicht?" Er trank einen Schluck Kaffee und paffte einen Rauchring. "Der November ist natürlich mit der Materialbeschaffung mehr als ausgefüllt. In manchen Ländern gibt's plötzlich keine Schokolade. Niemand weiß wieso. Oder die Äpfel werden von den Bauern zurückgehalten. Und dann das Theater an den Zollgrenzen. Und die vielen Transportpapiere. Wenn das so weitergeht, muss ich nächstens den Oktober noch dazunehmen. Bis jetzt benutze ich den Oktober eigentlich dazu, mir in stiller Zurückgezogenheit den Bart wachsen zu lassen."
    "Sie tragen den Bart nur im Winter?" - "Selbstverständlich. Ich kann doch nicht das ganze Jahr als Weihnachtsmann herumrennen. Dachten Sie, ich behielte auch den Pelz an? Und schleppte 365 Tage den Sack und die Rute durch die Gegend? Na also. - Im Januar mache ich dann die Bilanz. Es ist schrecklich. Weihnachten wird von Jahrhundert zu Jahrhundert teurer!" - "Versteht sich." - "Dann lese ich die Dezemberpost. Vor allem die Kinderbriefe. Es hält kolossal auf, ist aber nötig. Sonst verliert man den Kontakt mit der Kundschaft." - "Klar." - "Anfang Februar lasse ich mir den Bart abnehmen."


    In diesem Moment läutete es wieder an der Flurtür. "Entschuldigen Sie mich, bitte?" Er nickte. Draußen vor der Tür stand ein Hausierer mit schreiend bunten Ansichtskarten und erzählte mir eine sehr lange und sehr traurige Geschichte, deren ersten Teil ich mir tapfer und mit zusammengebissenen Ohren anhörte. Dann gab ich ihm das Kleingeld, das ich lose bei mir trug, und wir wünschten einander auch weiterhin alles Gute. Obwohl ich mich standhaft weigerte, drängte er mir als Gegengeschenk ein halbes Dutzend der schrecklichen Karten auf. Er sei, sagte er, schließlich kein Bettler. Ich achtete seinen schönen Stolz und gab nach. Endlich ging er.


    Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, zog Nikolaus gerade ächzend den rechten Stiefel an. "Ich muss weiter", meinte er, "es hilft nichts. Was haben Sie denn da in der Hand?" - "Postkarten. Ein Hausierer zwang sie mir auf." - "Geben Sie her. Ich weiß Abnehmer. Besten Dank für Ihre Gastfreundschaft. Wenn ich nicht der Weihnachtsmann wäre, könnte ich Sie beneiden."


    Wir gingen in den Flur, wo er seine Utensilien aufnahm. "Schade", sagte ich. "Sie sind mir noch einen Teil Ihres Jahreslaufs schuldig." Er zuckte die Achseln. "Viel ist im Grunde nicht zu erzählen. Im Februar kümmere ich mich um den Kinderfasching. Später ziehe ich auf Frühjahrsmärkten umher. Mit Luftballons und billigem mechanischen Spielzeug. Im Sommer bin ich Bademeister und gebe Schwimmunterricht. Manchmal verkaufe ich auch Eiswaffeln in den Straßen. Ja, und dann kommt schon wieder der Herbst - und nun muss ich wirklich gehen."


    Wir schüttelten uns die Hand. Ich sah ihm vom Fenster aus nach. Er stapfte mit großen, hastigen Schritten durch den Schnee. An der Ecke Ungerstraße wartete ein Mann auf ihn. Er sah wie der Hausierer aus, wie der redselige mit den blöden Ansichtskarten. Sie bogen gemeinsam um die Ecke. Oder hatte ich mich getäuscht? Eine Viertelstunde danach klingelte es schon wieder. Diesmal erschien der Laufbursche des Delikatessengeschäftes Zimmermann Söhne. Ein angenehmer Besuch! Ich wollte bezahlen, fand aber die Brieftasche nicht gleich. "Das hat ja Zeit, Herr Doktor", meinte der Bote väterlich. "Ich möchte wetten, dass sie auf dem Schreibtisch gelegen hat!" sagte ich. "Nun gut, ich begleiche die Rechnung morgen. Aber warten Sie noch, ich bring' Ihnen eine gute Zigarre!" Die Kiste mit den Zigarren fand ich auch nicht gleich. Das heißt, später fand ich sie ebenso wenig. Die Zigarren nicht. Die Brieftasche auch nicht. Das silberne Zigarettenetui war auch nicht zu finden. Und die Manschettenknöpfe mit den großen Mondsteinen und die Frackperlen waren weder an ihrem Platz noch sonst wo. Jedenfalls nicht in meiner Wohnung.


    Ich konnte mir gar nicht erklären, wohin das alles geraten sein mochte. Es wurde trotzdem ein stiller hübscher Abend. Es klingelte niemand mehr. Wirklich, ein gelungener Abend. Nur irgend etwas fehlte mir. Aber was? Eine Zigarre? Natürlich! Glücklicherweise war das goldene Feuerzeug auch nicht mehr da. Denn das muss ich, obwohl ich ein ruhiger Mensch bin, bekennen: Feuer zu haben, aber nichts zum Rauchen im Haus, das könnte mir den ganzen Abend verderben!


    Diese und andere skurille Geschichten, meisterlich interpretiert von Ulrich Noethen, auf dieser CD.




    Das Adventstürchen möchte ich nicht schließen, ohne Heinrich Böll zu erwähnen (1917-1985), der heute 90 Jahre geworden wäre. Böll hat bereits im Jahr 1952 eine heiter, witzige und doch bedrohliche Satire geschrieben mit dem Titel „Nicht nur zur Weihnachtszeit.“
    Bei der heutigen Kommerzialisierung des Festes sind wir der Welt von Tante Milla nicht mehr fern.


    Allen ein friedvolles und geruhsames Fest.


    Emotione

  • Guten Morgen!


    Letztens stieß ich auf eine schöne Geschichte, die die Herkunft des Weihnachtsbaumes erläutert.
    Hier ist sie auch schon.


    „Der allererste Weihnachtsbaum“ von Hermann Löns (1866-1914)



    Der Weihnachtsmann ging durch den Wald. Er war ärgerlich. Sein weißer Spitz, der sonst immer lustig bellend vor ihm herlief, merkte das und schlich hinter seinem Herrn mit eingezogener Rute her.
    Er hatte nämlich nicht mehr die rechte Freude an seiner Tätigkeit. Es war alle Jahre dasselbe. Es war kein Schwung in der Sache. Spielzeug und Esswaren, das war auf die Dauer nichts. Die Kinder freuten sich wohl darüber, aber quieken sollten sie und jubeln und singen, so wollte er es, das taten sie aber nur selten.


    Den ganzen Dezembermonat hatte der Weihnachtsmann schon darüber nachgegrübelt, was er wohl Neues erfinden könne, um einmal wieder eine rechte Weihnachtsfreude in die Kinderwelt zu bringen, eine Weihnachtsfreude, an der auch die Großen teilnehmen würden. Kostbarkeiten durften es auch nicht sein, denn er hatte soundsoviel auszugeben und mehr nicht.
    So stapfte er denn auch durch den verschneiten Wald, bis er auf dem Kreuzweg war. Dort wollte er das Christkindchen treffen. Mit dem beriet er sich nämlich immer über die Verteilung der Gaben.
    Schon von weitem sah er, dass das Christkindchen da war, denn ein heller Schein war dort. Das Christkindchen hatte ein langes weißes Pelzkleidchen an und lachte über das ganze Gesicht. Denn um es herum lagen große Bündel Kleeheu und Bohnenstiegen und Espen- und Weidenzweige, und daran taten sich die hungrigen Hirsche und Rehe und Hasen gütlich. Sogar für die Sauen gab es etwas: Kastanien, Eicheln und Rüben.


    Der Weihnachtsmann nahm seinen Wolkenschieber ab und bot dem Christkindchen die Tageszeit. "Na, Alterchen, wie geht's?" fragte das Christkind. "Hast wohl schlechte Laune?" Damit hakte es den Alten unter und ging mit ihm. Hinter ihnen trabte der kleine Spitz, aber er sah gar nicht mehr betrübt aus und hielt seinen Schwanz kühn in die Luft.
    "Ja", sagte der Weihnachtsmann, "die ganze Sache macht mir so recht keinen Spaß mehr. Liegt es am Alter oder an sonst was, ich weiß nicht. Das mit den Pfefferkuchen und den Äpfeln und Nüssen, das ist nichts mehr. Das essen sie auf, und dann ist das Fest vorbei. Man müsste etwas Neues erfinden, etwas, das nicht zum Essen und nicht zum Spielen ist, aber wobei alt und jung singt und lacht und fröhlich wird."
    Das Christkindchen nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht; dann sagte es: "Da hast du recht, Alter, mir ist das auch schon aufgefallen. Ich habe daran auch schon gedacht, aber das ist nicht so leicht."
    "Das ist es ja gerade", knurrte der Weihnachtsmann, "ich bin zu alt und zu dumm dazu. Ich habe schon richtiges Kopfweh vom vielen Nachdenken, und es fällt mir doch nichts Vernünftiges ein. Wenn es so weitergeht, schläft allmählich die ganze Sache ein, und es wird ein Fest wie alle anderen, von dem die Menschen dann weiter nichts haben als Faulenzen, Essen und Trinken."


    Nachdenklich gingen beide durch den weißen Winterwald, der Weihnachtsmann mit brummigem, das Christkindchen mit nachdenklichem Gesicht. Es war so still im Wald, kein Zweig rührte sich, nur wenn die Eule sich auf einen Ast setzte, fiel ein Stück Schneebehang mit halblautem Ton herab. So kamen die beiden, den Spitz hinter sich, aus dem hohen Holz auf einen alten Kahlschlag, auf dem große und kleine Tannen standen. Das sah wunderschön aus. Der Mond schien hell und klar, alle Sterne leuchteten, der Schnee sah aus wie Silber, und die Tannen standen darin, schwarz und weiß, daß es eine Pracht war. Eine fünf Fuß hohe Tanne, die allein im Vordergrund stand, sah besonders reizend aus. Sie war regelmäßig gewachsen, hatte auf jedem Zweig einen Schneestreifen, an den Zweigspitzen kleine Eiszapfen, und glitzerte und flimmerte nur so im Mondenschein.
    Das Christkindchen ließ den Arm des Weihnachtsmannes los, stieß den Alten an, zeigte auf die Tanne und sagte: "Ist das nicht wunderhübsch?"
    "Ja", sagte der Alte, "aber was hilft mir das ?"
    "Gib ein paar Äpfel her", sagte das Christkindchen, "ich habe einen Gedanken."


    Der Weihnachtsmann machte ein dummes Gesicht, denn er konnte es sich nicht recht vorstellen, dass das Christkind bei der Kälte Appetit auf die eiskalten Äpfel hatte. Er hatte zwar noch einen guten alten Schnaps, aber den mochte er dem Christkindchen nicht anbieten.
    Er machte sein Tragband ab, stellte seine riesige Kiepe in den Schnee, kramte darin herum und langte ein paar recht schöne Äpfel heraus. Dann fasste er in die Tasche, holte sein Messer heraus, wetzte es an einem Buchenstamm und reichte es dem Christkindchen.
    "Sieh, wie schlau du bist", sagte das Christkindchen. "Nun schneid mal etwas Bindfaden in zwei Finger lange Stücke, und mach mir kleine Pflöckchen."
    Dem Alten kam das alles etwas ulkig vor, aber er sagte nichts und tat, was das Christkind ihm sagte. Als er die Bindfadenenden und die Pflöckchen fertig hatte, nahm das Christkind einen Apfel, steckte ein Pflöckchen hinein, band den Faden daran und hängte den an einen Ast.
    "So", sagte es dann, "nun müssen auch an die anderen welche, und dabei kannst du helfen, aber vorsichtig, dass kein Schnee abfällt!"
    Der Alte half, obgleich er nicht wusste, warum. Aber es machte ihm schließlich Spaß, und als die ganze kleine Tanne voll von rotbäckigen Äpfeln hing, da trat er fünf Schritte zurück, lachte und sagte; "Kiek, wie niedlich das aussieht! Aber was hat das alles für'n Zweck?"
    "Braucht denn alles gleich einen Zweck zu haben?" lachte das Christkind. "Pass auf, das wird noch schöner. Nun gib mal Nüsse her!"
    Der Alte krabbelte aus seiner Kiepe Walnüsse heraus und gab sie dem Christkindchen. Das steckte in jedes ein Hölzchen, machte einen Faden daran, rieb immer eine Nuss an der goldenen Oberseite seiner Flügel, dann war die Nun golden, und die nächste an der silbernen Unterseite seiner Flügel, dann hatte es eine silberne Nuss und hängte sie zwischen die Äpfel.
    "Was sagst nun, Alterchen?" fragte es dann. "Ist das nicht allerliebst?"
    "Ja", sagte der, "aber ich weiß immer noch nicht..."
    "Komm schon!" lachte das Christkindchen. "Hast du Lichter?"
    "Lichter nicht", meinte der Weihnachtsmann, "aber 'nen Wachsstock!"
    "Das ist fein", sagte das Christkind, nahm den Wachsstock, zerschnitt ihn und drehte erst ein Stück um den Mitteltrieb des Bäumchens und die anderen Stücke um die Zweigenden, bog sie hübsch gerade und sagte dann; "Feuerzeug hast du doch?"
    "Gewiss", sagte der Alte, holte Stein, Stahl und Schwammdose heraus, pinkte Feuer aus dem Stein, ließ den Zunder in der Schwammdose zum Glimmen kommen und steckte daran ein paar Schwefelspäne an. Die gab er dem Christkindchen. Das nahm einen hellbrennenden Schwefelspan und steckte damit erst das oberste Licht an, dann das nächste davon rechts, dann das gegenüberliegende. Und rund um das Bäumchen gehend, brachte es so ein Licht nach dem andern zum Brennen.


    Da stand nun das Bäumchen im Schnee; aus seinem halbverschneiten, dunklen Gezweig sahen die roten Backen der Äpfel, die Gold- und Silbernüsse blitzten und funkelten, und die gelben Wachskerzen brannten feierlich. Das Christkindchen lachte über das ganze rosige Gesicht und patschte in die Hände, der alte Weihnachtsmann sah gar nicht mehr so brummig aus, und der kleine Spitz sprang hin und her und bellte.
    Als die Lichter ein wenig heruntergebrannt waren, wehte das Christkindchen mit seinen goldsilbernen Flügeln, und da gingen die Lichter aus. Es sagte dem Weihnachtsmann, er solle das Bäumchen vorsichtig absägen. Das tat der, und dann gingen beide den Berg hinab und nahmen das bunte Bäumchen mit.


    Als sie in den Ort kamen, schlief schon alles. Beim kleinsten Hause machten die beiden halt. Das Christkindchen machte leise die Tür auf und trat ein; der Weihnachtsmann ging hinterher. In der Stube stand ein dreibeiniger Schemel mit einer durchlochten Platte. Den stellten sie auf den Tisch und steckten den Baum hinein. Der Weihnachtsmann legte dann noch allerlei schöne Dinge, Spielzeug, Kuchen, Äpfel und Nüsse unter den Baum, und dann verließen beide das Haus so leise, wie sie es betreten hatten.


    Als der Mann, dem das Häuschen gehörte, am andern Morgen erwachte und den bunten Baum sah, da staunte er und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Als er aber an dem Türpfosten, den des Christkinds Flügel gestreift hatte, Gold- und Silberflimmer hängen sah, da wußte er Bescheid. Er steckte die Lichter an dem Bäumchen an und weckte Frau und Kinder. Das war eine Freude in dem kleinen Haus wie an keinem Weihnachtstag. Keines von den Kindern sah nach dem Spielzeug, nach dem Kuchen und den Äpfeln, sie sahen nur alle nach dem Lichterbaum. Sie fassten sich an den Händen, tanzten um den Baum und sangen alle Weihnachtslieder, die sie wussten, und selbst das Kleinste, das noch auf dem Arm getragen wurde, krähte, was es krähen konnte.
    Als es helllichter Tag geworden war, da kamen die Freunde und Verwandten des Bergmanns, sahen sich das Bäumchen an, freuten sich darüber und gingen gleich in den Wald, um sich für ihre Kinder auch ein Weihnachtsbäumchen zu holen. Die anderen Leute, die das sahen, machten es nach, jeder holte sich einen Tannenbaum und putzte ihn an, der eine so, der andere so, aber Lichter, Äpfel und Nüsse hängten sie alle daran.


    Als es dann Abend wurde, brannte im ganzen Dorf Haus bei Haus ein Weihnachtsbaum, überall hörte man Weihnachtslieder und das Jubeln und Lachen der Kinder.


    Von da aus ist der Weihnachtsbaum über ganz Deutschland gewandert und von da über die ganze Erde. Weil aber der erste Weihnachtsbaum am Morgen brannte, so wird in manchen Gegenden den Kindern morgens beschert.


    _________________________________________________________


    Ich wünsche allen einen schönen Weihnachtsbaum und natürlich besinnliche Feiertage.



    Liebe Grüße,
    Peter.

  • Die Vier Kerzen am Adventskranz


    Vier Kerzen brannten am Adventskranz. Es war still. So still, dass man hörte, wie die Kerzen zu reden begannen. Die erste Kerze seufzte und sagte: Ich heiße Frieden. Mein Licht leuchtet, aber die Menschen halten keinen Frieden, sie wollen mich nicht.
    Ihr Licht wurde immer kleiner und verlosch schließlich ganz.

    Die zweite Kerze flackerte und sagte: Ich heiße Glauben, aber ich bin überflüssig. Die Menschen wollen von Gott nichts wissen. Es hat keinen Sinn mehr, dass ich brenne.
    Ein Luftzug wehte durch den Raum, und die Kerze war aus.


    Leise und sehr traurig meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort. Ich heiße Liebe. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen. Die Menschen stellen mich an die Seite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie lieb haben sollen.
    Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht.


    Da kam ein Kind in den Raum. Es schaute die Kerzen an und sagte: Aber, aber ihr sollt doch brennen und nicht aus sein! Und fast fing es an zu weinen.
    Da meldete sich auch die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte: Hab nur keine Angst! So lange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden.
    Ich heiße HOFFNUNG.


    Mit einem Streichholz nahm das Kind Licht von dieser Kerze und zündete die anderen Lichter wieder an.



    Wir wünschen Euch Allen ein BEzauberndes, VERzauberndes, FRIEDvolles, GLAUBENvolles, LIEBEvolles UND HOFFNUNGSVOLLES Weihnachtsfest. Habt Dank . GROßEN DANK das es Euch gibt!!!!


    Bettina und Wilfried


    VON HERZEN

  • Hallo Paminas und Taminos!


    Ich habe auch heuer eine Weihnachtsgeschichte geschrieben die ein wenig Einblick bieten soll in die vergangene Zeit.
    In diesem Jahr verwendete ich die Erzählungen meiner Mutter über die ersten Weihnachten nach Kriegsende, die auch sie [Jahrgang 1948] wiederum nur aus Erzählungen ihrer Mutter kannte.
    Die Protagonisten sind meine Großeltern und meine Tanten. Den in der Geschichte auftretenden jungen Roy lernte ich persönlich kennen als er in den Achtzigern Europa besuchte. Er war zu diesem Zeitpunkt ein rüstiger alter Mann und ich ein kleine Bub. Die folgende Geschichte stützt sich auch auf seine Aussagen und das bedeutet, dass sich das alles auch so zugetragen hatte.
    Diese Geschichte klagt niemand an und sucht auch nicht nach irgendwelchen Schuldigen, sonder gibt lediglich einen Zustand wieder.


    Ich widme diese Geschichte meiner Mutter. Sie hat mir ihre Erinnerungen schon oft erzählt und nun gibt es die Geschichte vom Päckchen aus Amerika endlich schwarz auf weiß.


    Was ich Euch zu Weihnachten wünsche?
    Nun ja – Wir haben doch schon alles!


    Ich denke, dass die folgende Geschichte ein Denkanstoss ist. Wir sollten uns alle bewusst sein, dass eine Gabe zu Weihnachten, und sei sie auch noch so klein, ein Zeichen ist und nicht der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.
    Wenn man dem, der weniger hat als ich, etwas schenkt, so bedeutet dies: Ich habe dich nicht vergessen.


    Ich wünsche Euch allen besinnliche Weihnachten, feiert schön mit Euren Lieben.


    Paul? :angel:


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    Post aus Amerika
    von Jürgen Paul Schütz


    Österreich, 24. Dezember 1945 – befreit nach mehreren Weihnachten, an denen man die Lichter über Europa bis Amerika, China und nach Bethlehem sehen konnte und die stillen, heiligen Nächte dem Schreien der Soldaten in den Schützengräben gewichen waren. Am Ostrand: das Burgenland - jetzt russische Zone, wo trotz Befreiung erneut die abgestochene Sau am Dachboden versteckt wurde, weil sich sonst die hungrigen Siegermächte darüber hergemacht hätten. Vor einem Monat kam er heim, abgemagert, fast keine Tränen mehr, bis ihm plötzlich seine kleine Tochter in die Arme lief, die er zuletzt gesehen hatte, als sie auf die Welt gekommen war. Auf diese Welt, die nichts besseres zu tun hatte, als sich erneut den Schädel einzuschlagen, sechs endlos lange Jahre. Eine Welt, deren Erde nun getränkt war vom Blut mehrerer Millionen und kaum noch Nährboden bot für Weihnachtsbäume. Der abgemagerte Mann in seiner zerschlissenen Uniform hob das kleine Bündel Leben in die Höhe und drückte es an sich, und von weiter hinten kam auch seine Frau, die man bereits vom Wald ins Dorf herein geholt hatte – „Rosa, der Johann ist da!“ riefen sie. Jetzt saßen sie erstmals wieder gemeinsam in der Mette, ein Dorf weiter, in das sie mit offenen Schuhen durch den Schnee hin gewatet waren. In dieser Nacht war der Weg nicht zu weit gewesen und die Kälte schmerzte auch nicht wie an anderen Tagen, weil es etwas Besonderes war, Christi Geburt zu feiern. Immerhin war er der Erlöser und nahm im weiteren Verlauf seines Daseins doch alle Sünden dieser Welt auf sich. Wie kann ein einzelner Mensch all diese Sünden tragen?


    Chicago, November 1945 – Während Theresia Orangen, Bohnenkaffee, Schokolade, kalifornische Dosenpfirsiche in einen Karton schichtete, erinnerte sie sich zurück an damals, als sie die Freiheitsstatue zum ersten Mal erblickt hatte und die lange Reise von Bremerhaven über den Atlantik zu Ende ging. Sie und Hans waren nur zwei von vielen hundert tausend gewesen, die damals in den Zwanzigern ihre Heimat für immer verlassen hatten, ihr geliebtes Österreich. Ausgebrannt von der langen Reise, zusammengepfercht auf Ellis Island, der Träneninsel, hatte man sie begutachtet, untersucht und überprüft. Sie und die vielen anderen Emigranten aus Russland, Deutschland, Polen, Italien, Holland und von wo überall sie herkamen, waren damals so nah, und doch noch so fern von der neuen Welt, man wusste, dass immer wieder Leute zurückgeschickt wurden. Abermals musste sich das junge Ehepaar der Ungewissheit stellen, wie es nun weiterging. Und was würde sie erwarten, wenn sie an Land gehen durften? Nach zwei Wochen die wie eine Ewigkeit schienen betraten sie, unsicher was die Zukunft bringt, als neue Amerikaner den Kontinent und begannen ein neues Leben.
    Wie viel Not musste man erleiden um die Heimat und die Lieben für immer hinter sich zu lassen, nicht mehr dabei als einen Koffer und die Kleider am Leib, und gerade genug Geld für die Hinreise ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das man nur vom Hörensagen kannte? Wie viel Hunger, Leid und Trübsal brauchte es, um die grünen Hügel des geliebten Burgenlandes für immer hinter sich zu lassen? Als sie nun, mehr als zwanzig Jahre danach, ihren beiden in Amerika geborenen Kindern sagte, dass sie einen Karton zusammenpacke und diesen nach Austria/Europe schicken werde, erklärten diese sie für einfältig. Theresias Sohn, Roy, nun schon ein junger Mann, konnte nicht glauben, dass tatsächlich irgendwo in dieser Welt jemand Wert auf ein paar Schuhe legte, einen Pullover, ein paar Meter Stoff oder auf Dosengemüse und Thunfischkonserven. Man hatte nicht viel vom Krieg mitbekommen, zumindest nicht in einer anderen Form als man es aus Zeitungen und aus dem Radio erfuhr. Roy griff nach einer der Schokoladetafeln und brach sich eine Rippe davon ab, mit der er gelangweilt die Küche verließ. Theresia sah es ihm nach, dankbar dass es ihnen so gut ging, um noch etwas wegschicken zu können nach Österreich. Sie wusste aus Rosas Briefen, was los war im Burgenland, und dass ihr zuckerkranker Schwager dringend Arznei benötigte, die es dort nirgendwo gab. Regelmäßig sendete sie ihre Päckchen und nutzte die unbegrenzten Möglichkeiten, die die neue Welt ihr bot. Ihre bäuerliche Phantasie hätte vor zwanzig Jahren nicht ausgereicht, um sich das zu erträumen, was sie später im reichen Amerika vorgefunden hatte.


    Johann und Rosa kamen spät zur Kirche und nahmen in einer der hinteren Bänke Platz, falls die Kinder zu weinen anfingen. Die ältere der beiden Töchter saß auf seinem Schoss und die kleine schlief an Rosas Brust, während der Pfarrer der vielen Gefallenen gedachte in dieser ersten Weihnachtsandacht nach dem Krieg. Johann dachte unterdessen wieder zurück an die Monate, die seit seiner Flucht aus der Gefangenschaft verstrichen waren. An seine Herbergssuche, vorbei an den Amerikanern und an den Russen, ohne Papiere, nur noch getrieben vom Ziel, nach Hause zu kommen in den kleinen Heimatort, in dem seine Familie lebte; getrieben von der täglichen Sorge, wie es ihnen wohl ergehen mochte. Wenn sie abends in der finsteren Küche beim Licht der einzigen Kerze saßen, sprach er davon, und immer wieder musste er von neuem mit seiner Fassung und den Tränen kämpfen, weil ihn der Herrgott gesund wieder heimgebracht hatte.


    „U.S. Mail“, in dicken, fetten Buchstaben, las Robert, der Postmeister auf dem fest verschnürten Karton, der am Vormittag vom Postbus abgeladen wurde, so schwer dass ein Zweiter mit abpacken musste. Durch diese Aufschrift, die vielen Stempel und Briefmarken, und schlussendlich wegen des Bildes der Freiheitsstatue, präsentierte sich diese Schachtel wie ein Versprechen. Groß war die Neugier auf den dem Inhalt des Kartons, aber noch größer der Respekt gegenüber dieser Sendung von der anderen Seite des Erdballs. „Bestimmt sind da gute Sachen drin, und das Insulin für den Paul“, dachte sich der alte Postmeister. Auch er wusste um Pauls Diabetes und die Wichtigkeit dieses Paketes, in dem sich wie schon oft die lebenswichtige Medizin befand.
    Jetzt, in der Kirche, stand er nicht weit hinter Johann und Rosa, während der Pfarrer vom Jesuskind in der Grippe erzählte und von den drei Weisen aus dem Morgenland, die ihm ihre Geschenke darboten. Gleich würde er hinübergehen zu den Beiden und ihnen von ihrem Geschenk aus dem Überübermorgenland berichten, dachte er sich. Er sollte ihnen noch heute Nacht, wenn die Mette vorüber ist, das Postamt aufsperren und den Schatz übergeben - sie werden einen Schubkarren brauchen, um diese große Schachtel heimzubringen, dachte er weiter und lächelte.


    Johann sah sich in der kleinen Kirche, um und es entging ihm nicht, dass viele Männer fehlten - gefallen oder vermisst. Er nahm Rosa bei der Hand und drückte sie ganz fest, Tränen liefen ihr über die Wangen. Er war dankbar, wieder daheim zu sein. Zwar hatten sie nicht viel, aber es gab das notwendigste zu Essen, auch Holz zum Heizen war da und letztendlich gab es auch keine anderen Verlangen mehr, außer dem Wunsch, dass es nie wieder so einen Krieg geben sollte. „Mit unseren paar Habseeligkeiten wird’s morgen ein bescheidenes Christtagsessen geben“, dachte sie. Aber auch das war nicht schlimm, denn die Kinder waren noch zu klein, um es zu verstehen und die Alten waren es gewohnt zu hungern. Natürlich, es gab ein wenig Hoffnung, dass es besser werden konnte, aber daran glaubte niemand wirklich, bis Rosa hinter sich plötzlich eine Stimme flüstern hörte. Es war Robert der Postmeister, der ihrem Mann auf die Schulter tippte. Und als Johann sich umdrehte, sagte der Postmeister zu ihnen:
    „Ihr habt´s ein Packerl bekommen, aus Amerika!“


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  • Liebe Taminas und Taminos,


    zunächst noch einmal ein herzliches Dankeschön an alle, die zum Gelingen dieses wunderbaren Adventskalenders beigetragen haben.


    Nun steht noch das VOTING an, das über die ersten Plätze entscheiden soll. Wir haben uns für folgenden Modus entschieden:
    Jeder darf maximal sechs Stimmen auf maximal drei Beiträge verteilen, wobei für einen Beitrag maximal drei Stimmen abgegeben werden dürfen. Also wenn alle Stimmen ausgeschöpft werden: 3-2-1 oder 2-2-2.


    Nach dem Ergebnis dieses Votings werden dann die „Hauptpreise“ vergeben – es wird aber jeder Teilnehmer eine Kleinigkeit bekommen.


    Mit freundlicher Genehmigung von Alfred haben wir eine spezielle Emailadresse für das Voting eingerichtet. Sie lautet: taminomail@web.de. Die Mail sollte das Datum des jeweiligen Beitrags enthalten und die darauf vergebenen Stimmenzahl. Also z.B. 30. Februar – 3 Punkte, 31. Februar - 2 punkte, 31. Juni -1 Punkt (hatte hier irgendjemand geglaubt, dass ich als Beispiel meine Wertung verrate :D ). Eine Begründung der Nominierung ist nicht notwendig. Das Abstimmungsende ist momentan auf den 15.1. terminiert. Bei Bedarf werden wird das um eine Woche nach hinten schieben.


    Wir würden uns freuen, wenn sich möglichst viele an der Abstimmung beteiligen!


    LG, Elisabeth

  • Hallo zusammen,


    bis jetzt sind zwölf Votings eingegangen - es bleibt aber nach wie vor spannend.


    Bitte weiter teilnehmen!


    LG, Elisabeth

  • Liebe Leute,


    ich möchte noch einmal an das Voting erinnern - es sind schon einige Stimmen abgegeben worden, aber es dürfen noch viel mehr Taminos teilnehmen.


    Es werden alle Stimmen berücksichtigt, die


    bis Dienstag, 15.01.2008, 24:00 Uhr


    bei unserer hierfür eingerichteten Emailadresse



    eingegangen sind!



    LG, Elisabeth

  • Verlängerung auf besonderen Wunsch:


    Es werden alle Stimmen berücksichtigt, die


    bis Mittwoch, 16.01.2008, 24:00 Uhr


    bei unserer hierfür eingerichteten Emailadresse



    eingegangen sind!



    Also letzte Chance zum Voten...



    LG, Elisabeth

  • Wir sind zur Nacht gerüstet,
    die Luftmatratze aufgepumt,
    und harren nun der Dinge


    uuuuuuund?


    Wir sind sooooo neugierig...
    Und eine Überraschung haben wir auch noch...


    Punkt Punkt Punkt


    :hello:


    B&W

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