Arthur Schoonderwoerd und sein Ensemble Cristofori


  • Jacques Louis David [1748-1825]
    Portrait de Pierre Sériziat, 1795
    Paris, Musée du Louvre



    LUDWIG VAN BEETHOVEN [1770-1827]
    Concert 4 & 5 pour le pianoforte avec accompagnement d'orchestre


    ARTHUR SCHOONDERWOERD
    Ensemlbe Cristofori


    Alfred meinte zu Recht:


    Zitat


    Ich bin derzeit grade in einem Schoonderwoerd-Taumel - und finde wir sollten die Aufnahmen der beiden Klavierkonzerte Nr. 4 und 5, die bis dato vorliegen, in den Spezialthreds dieser Konzerte ausführlicher besprechen.


    Ich denke, da gibt es bereits einige Hinweise im Thread über Beethovens Klavierkonzerte im Allgemeinen - offenbar besteht Austauschbedarf, nachdem die ungläubige Taminogemeinde sich allmählich aufrafft, sich diese unglaubliche Einspielung endlich zuzulegen. Daher gibt es nun einen Spezial-Thread.


    Nachdem einige Sinfonien Beethovens, vornehmlich die 3te "Eroica" op. 55 in Es-Dur, auf Basis der Möglichkeiten des danach benannten "Eroicasaales" diverse Dirigenten und Ensembles inspirierten, das Aufführungsflair in der Besetzungsgröße [eher sollte man von Kleinheit schreiben] des Orchesters nachzuempfinden [wenn nicht gar im besagten Saale aufzuführen und einzuspielen], wagte sich Arthur Schoonderwoerd im September 2004, selbiges auf das 4te und 5te Klavierkonzert Beethovens zu übertragen. Er hielt sich dabei an die Ausführungen "Beethovens Konzerträume, Raumakustik und symphonische Aufführungspraxis an der Schwelle zum modernen Konzertwesen" von Stefan Weinzierl [PPV Medien GmbH, 03/2002, ISBN-10: 3-923639-42-2] - insbesondere zu dem bereits erwähnten "Eroicasaal" im Palais Lobkowitz/Wien, in dem viele Werke Beethovens aus der Taufe gehoben oder auf Wunsch des Prinzen Lobkowitz gegeben wurden. Darunter befinden sich die Sinfonie Nr. 3 [erste Aufführung in Wien: 08/1804 Palais Lobkowitz, erste öffentliche Darbietung am 07.04.1805 Theater an der Wien] und das 4te Klavierkonzert [03/1807 Palais Lobkowitz / erste öffentliche Darbietung: 08.12.1808 Theater an dier Wien].


    Der "Eroica Saal" im 1ten Stock des Palais mißt knappe 16x7 m bei einer Höhe von 7,5m und ist daher eine Art größeres Wohnzimmer:



    Auf dem gezeigten Bild wirkt der Saal größer, als er tatsächlich ist - in Wirklichkeit ist dies ein sehr gemütlicher ruhiger Raum, der eine gewisse Intimität und Bescheidenheit ausstrahlt. Eben diese Bescheidenheit ist auch bedingt durch die "Größe" des Saals notwendig, wenn man dort ein Orchester platzieren und zudem noch ein kleines privates Publikum unterbringen möchte. Es gab angeblich 24 Plätze für die Musiker und 18 Zuhörerbänke [nicht Plätze, das wäre ein Mißverhältnis!]. Wenn man sich nun die Besetzung des G-Dur-Konzertes op. 58 betrachtet [Violine I, Violine II, Viola, Violoncelo, Kontrabaß, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Clarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken und - Pianoforte], so kann man leicht ausrechnen, wie die Streicher besetzt waren: Die Holz- und Belchbläser sind ohnehin stets solistisch/paarweise besetzt [12 Musiker], Pauker und Pianisten gibt es jeweils einen [2 Musiker], so verbleiben wegen der Platzierung des Pianofortes [das obligatorisch mehr Platz einnimmt als andere Instrumente] noch rund 6 oder 7 Plätze für die Streicher. Die Streicherbesetzung sieht demnach wie folgt aus: 2 Violinen [eine erste, eine zweite], 2 Violen [da geteilt], 2 Celli [ebenfalls geteilt] 1 Kontrabaß: Fertig ist der Lack und der Saal proppenvoll. Vielleicht ließen sich noch ein bis zwei besonders gelenkige oder kleinwüchsige Violinisten hineinquetschen, darüber ließe sich gewiß diskutieren...


    Der Klang jedenfalls, wie er sich aus der vorgestellten Besetzung ergibt, ist ein sehr um die warmen Töne der Violen und Celli zentrierter, weshalb sich Holz- und Blechbläser - wie auch das Pianoforte selbst - von diesem sehr stark abheben. Bedeutsam für den Klang scheint auch das eher ungewohnte col-Basso-Spiel Schoonderwoerds zu sein, das schon die ein oder andere seltsame Bemerkung hervorrief:


    Zitat


    Was mich ein wenig irritiert, sind die doch recht auffälligen sachfremden Geräusche ...


    präziser:


    Zitat


    Es sind Geräusche, die gelegentlich quasi im Anlaut von Tuttistellen oder bei größerer Teilbesetzung an ein Atemholen erinnern. Das habe ich anfangs für Selbiges bei Musikern gehalten, wobei mich der etwas maschinelle Effekt von vornherein irritiert - nicht wirklich gestört - hat.


    Arthur Schoonderwoerd benutzt übrigens für die Einspielung der beiden Konzerte 4 und 5 ein Pianoforte von Johann Fritz, Wien, welches c1807/1810 erbaut wurde und sich in seinem Privatbesitz befindet:



    [Farbgebung ggfs. abweichend]


    Das Ensemble nennt sich denn auch nach dem Musikinstrumentenbauer Bartolomeo di Francesco Cristofori [04.05.1655-27.01.1731], der gemeinhin als "Erfinder" des Hammerklaviers gilt.


    Die eigentlich ausschließlich positiven Resonanzen auf die Einspielung der beiden Klavierkonzerte lässt hoffen, dass es bald eine Fortsetzung der Klavierkonzerte gibt, die vielleicht auch op. 61a und die Sinfonien inkludiert. Einige dieser Äußerungen habe ich hier zusammengetragen:


    Zitat


    Mit Abstand das Beste.


    Zitat


    Die wahrscheinlich ungewöhnlichste und - zumindest für mich (aber ich weiß mich da ja in bester Gesellschaft) - packendste Einspielung dieses Werkes!!! Es ist einfach unerhört, was Herr Schoonderwoerd und sein Ensemble hier gezaubert haben!!!


    Ein schlichtes - aber überzeugendes Statement:


    Zitat


    HAMMER!!!!


    Dagegen etwas ausführlicher:


    Zitat


    Ein wenig skeptisch (- und sehr neugierig) bin ich gewesen, als ich die Aufnahme bestellte. Zu lesen war ja im Forum so einiges zu dieser CD, und bei hymnischen Lobpreisungen bin ich immer ein wenig vorsichtig. Nach den ersten Hördurchgängen: Die gewohnten, oft gehörten Stücke klingen zunächst einmal anders. Man nimmt viele Details war, die sonst eher untergehen. Besonders schön: Die Eröffnungsakkorde des G-Dur-Konzerts. Und insgesamt vermisse ich den "großen Apparat" eigentlich nicht oft.


    Was lange währt, wird endlich gut:


    Zitat


    Schoonderwoerd ist bei op. 73 (mehr als bei op. 58 ) für mich absolute Referenz geworden!


    Zitat


    In den letzten Tagen wurde von einigen ehrenwerten
    Taminoanern wiederholt spontane Begeisterung
    über bestimmte Beethovenaufnahmen geäußert.
    Auch der allgemeine Wunsch "nach mehr HIP-em Beethoven"
    verlautete mehrfach... Jawohl!! Bitte, mehr davon!!!


    Oder das:



    vom selben Poster, der ein Posting zuvor Mozarts 'La Clemenza di Tito' / Freiburger Barock Orchester / Jacobs mit einem [einzigen!]


    Zitat


    :faint:


    kommentierte.


    Bleibt noch zu erwähnen, dass die Aufnahme nicht im Eroicasaal [wegen des Halls - das Echo beträgt lt. Schoonderwoerd 1,6 Sekunden!], sondern im Muziekzentrum Vredenburg, Utrecht entstanden ist.


    An Cristoforis 277. Todestag, zugleich Mozarts 252. Geburtstag, wird das Ensemble in Innsbruck gastieren und die beiden Konzerte zum Besten geben. Selbst wenn die Welt bis dahin untergegangen sein sollte, ich werde an diesem Tag in Innsbruck sein!


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo, Ulli!


    Magst Du einem Begeisterten, aber hierbei etwas Halbwissenden - bin auch vermutlich nicht der Einzige :D -, noch etwas genauer erklären (vielleicht ein weiteres Mal, das mag sein), wie dieser col-basso-Effekt zustande kommt?


    Besten Dank und Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Hallo,


    mit dem Erklären tu ich mich da etwas schwer - aber ich werde es versuchen: Das [zu dieser Zeit bereits veraltete, aber dennoch gebräuchliche] Col-Basso-Spiel ist noch ein Relikt aus der "Continuo-Zeit": Hier gab es nur bezifferte Bässe als einzige vorhandene Noten ggfs. neben der Melodieführung. Die Bezifferung wies den Spieler an, wie er das "Gerüst" auszufüllen hatte. Salopp und nicht ganz ehrlich ausgedrückt: Später verschwand diese Art der Halbimprovisation tirili-tirila von heute auf morgen, übrig blieb das Continuospiel, das heißt, daß ein Cembalo, Clavichord oder anderes Tasteninstrument den Bass der Orchesterwerke verstärkte - es "lief mit". Und auch das verschwand allmählich, es wurde von den Komponisten nicht mehr verlangt, die Kompositionen wurden in gewissem Sinne freier und unabhängiger [siehe: Warum ist das"baRocke" continuo einfach verschwunden? ]


    Man kann das ganz gut an Mozarts Klavierkonzerten oder Sinfonien nachvollziehen - irgendwo gibt es eine schwammige "Grenze", ein Punkt, an dem das Continuo- oder Col-basso-Spiel noch "dazugehört" und ein anderes Werk, bei dem es absolut überflüssig, ja manches mal gar störend ist.


    Der Pianist spielte also die Basslinie im Klavierkonzert mit - linke Hand solo :D - auch manche Ritornelle wurden mit der rechten Hand ausgefüllt. Bei Beethoven war es in der bisherigen Aufführungspraxis unserer "modernen Zeiten" absolut unüblich, solches zu tun; galt Beethoven doch als Revolutionär und als derjenige, der sämtliche Formvorschriften mißachtete. Umso ungewohnter ist es nun für unsere [jedenfalls meine] Ohren, wenn bei einem reiferen Werk Beethovens, wozu ich alle 5 Klavierkonzerte zähle, der Klavierbass mitläuft. Verstärkt durch den zudem noch meistens ungewohnten Klang des Fortepianos ergibt dies einen sehr bizarren Klang, den auch ich zunächst nicht gleich ergründen konnte [erst beim zweiten Hören ging mir ein Lichtlein auf].


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Danke, Ulli, für die Erläuterung! Jetzt ist mir allerdings klar, warum ich den Effekt wirklich nur als "sachfremd" deuten konnte, so wenig er das auch ist. :D


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zitat

    Original von Ulli


    An Cristoforis 277. Todestag, zugleich Mozarts 252. Geburtstag, wird das Ensemble in Innsbruck gastieren und die beiden Konzerte zum Besten geben. Selbst wenn die Welt bis dahin untergegangen sein sollte, ich werde an diesem Tag in Innsbruck sein!


    ich fühle mich verpflichtet zu präzisieren:
    das konzert findet nicht in innsbruck statt, sondern in hall. das ist ca. 10 km östlich der tiroler hauptstadt, gilt heute eher als vorort dieser, war aber im mittelalter größer und bedeutender(wegen der salzgewinnung).
    und in diesem städtchen ist nun seit nahezu 40 jahren die familie crepaz als kulturveranstalter tätig. unermüdlich gegen widerstände der widrigsten art und durchaus pionierig! waren sie doch die ersten, die künstler wie giardino armonico oder jordi savall nach österreich brachten. (letzterer scheint ja nur mehr in bonn noch kein begriff gewesen zu sein ;) )
    mich wundert es gar nicht, wenn die jetzt den schoonderwoerd engagieren.
    mein flug nach innsbruck (diesmal recte!) ist schon gebucht...


    http://www.musikplus.at/05index.html

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  • Zitat

    Original von Theophilus, während er gerade hörthttp://www.tamino-klassikforum…?postid=204088#post204088


    Man fragt sich unwillkürlich, ob diese reizvolle Aufnahme ein Kind moderner Aufnahmetechnik ist. In einem großen Konzertsaal würde diese Truppe wohl ein wenig verloren wirken. In einem Kammermusiksaal würde es sehr gut funktionieren, sich aber nicht rechnen. Bleibt also fast nur die Plattenaufnahme mit dem Genuss in den eigenen kleinen vier Wänden. Da versprüht diese verträumte Aufnahme sehr viel Charme!


    Ich habe mich selbiges auch bereits gefragt: Umso gespannter sind wir dann! :yes:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von sagitt aus diesem Thread
    Sagitt meint:


    Schoonderwoerd ist schon so was. Klar, es klingt ganz anderds. Aber im Ernst: will man einen so klapprigen Flügel hören ? Und dann nicht Michelangeli mit dem fünften, Brendel mit dem vierten ( Levine) und Zimerman mit dem dritten ?


    Die Begleitung finde ich ja interessant. Die Kombination von vollem Bläsersatz quasi mit Streichquartett, aber das Piano ?? Nee


    Hallo,


    also ein Klapperkasten ist der Johann Fritz gewiss nicht. Hingegen schon ein enorm empfindliches Instrument, das weitestgehend im Originalzustand erhalten geblieben ist und bespielt wird. Allein die unterschiedlichen Klangfarben der jeweiligen Oktaven, auf welche moderne Instrumente zugunsten des Einheitsklanges verzichten, rechtfertigen dessen Verwendung als beinahe einmalige Ausnahmeerscheinung. Ich habe das Instrument vor zwei Tagen selbst in Augen-, Ohren- und Fingerschein nehmen dürfen und hätte es am liebsten gleich unauffällig entwendet.


    Die Empfindlichkeit und zugleich Empfindsamkeit des Fritz machte sich natürlich auch mehrfach im Konzert bemerkbar - in der Pause zwischen op. 58 und op. 73 wurde ganz selbstvertändlich mal eben die Klaviatur demontiert und die Stimmung hielt auch nicht über beide Konzerte konstant durch... aber auf das Nachstimmen nach einem jedem Satz konnte dennoch ganz guten Gewissens verzichtet werden. Mehr dazu aber dann im separaten Schoonderwoerd-Taumel-Thread...


    Glücklicherweise sind op. 37 und op. 61a bereits eingespielt und erscheinen voraussichtlich etwa Mitte März 2008.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Die Neue ist ab dem 29. Mai 2008 beim französischen amazon lieferbar:



    [den Coverlink setze ich schonmal rein in der Hoffnung, daß das Bild gegen den 29.05. erscheinen wird.
    Bis dahin lass ich es eine feinmotorische Übung sein...]


    Ludwig van Beethoven [1770-1827]
    Klavierkonzert Nr. 3 c-moll op. 37
    Klavierkommafünfkonzert D-Dur op. 61a


    Arthur Schoonderwoerd, Hammerflügel
    Ensemble Cristofori


    14,35 € ist für eine Neuerscheinung ein angenehmer Preis.


    ~~~


    Wer mag und kann, kann sich auf Deutschlandradio Kultu am 28.05. folgende Liveübertragung anhören:


    Tage Alter Musik Regensburg
    Live aus der Dreieinigkeitskirche
    "Abschlusskonzert"
    Ludwig van Beethoven
    Konzert für Klavier und Orchester D-dur op. 61a
    (Violinkonzert in der Klavierfassung)


    ca. 20:45 Konzertpause
    mit Nachrichten


    Konzert für Klavier und
    Orchester Nr. 3 c-moll op. 37
    Arthur Schoonderwoerd, Hammerflügel
    Orchester Cristofori


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Gestern kam die oben bei Ulli gezeigte CD über JPC bei mir an.


    Voller Neugier habe ich gleich hineingehört.


    Klavierkonzert Nr. 3 in c-moll, 1. Satz. Ein ungewohnter, aber sehr schöner Klang von Orchester, man hört geradezu alles in Filigran, Geigen ohne jedes Vibrato, Blasinstrumente auch anders, weicher.
    Dann das Klavier, ich meine, ein anderes,als für Nr. 4 + 5.
    Wo ist die Kadenz?
    Weitergezappt bis in Nr.6, 1. Satz bis zum Ende,.
    Wo ist die Kadenz mit der Pauke?


    Es war schon weit nach Mitternacht, dennoch, das Booklet mußte mir erklären, warum die Kadenzen nicht kamen.
    Englisch neben Französisch.
    Soviel habe ich als "DDR-Kind ohne Englisch" verstanden, daß Schoonderwoerd sich Gedanken gemacht hat, im Falle von Op. 61 a las ich zum ersten Mal, daß es offenbar 2 Autographen gibt.
    Und daß die Kadenzen zur freien Ausübung gestellt werden.
    Neu war mir, daß die schöne Kadenz in diesen Autographen noch nicht auftaucht, sondern Jahre später für Erzh. Ruddolph nachkomponiert wurde und deshalb hier weggelassen wurde.


    Das hatte meine Aufmerksamkeit, gepaart mit ein bißchen Enttäuschung, so beansprucht, daß ich das Weiterhören auf heute verschoben haben.


    Abgesehen von den Kadenzen - unglaublich schöner Sound.
    Mir fällt auf, daß das Hören nach diesen Klängen ablenkt von der Aufmerksamkeit, die ich sonst beim Hören auf die Art der Interpretation, auf Dynamik, Ausdruck u. a. habe.


    Außerdem - es wundert mich - noch nichts hier im Forum über die CD gelesen zu habe. Steht das vielleicht woanders?
    Oder sind andere Schoonderwoerd-Freunde wie ich erst mal am überlegen, was sie dazu sagen?


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

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  • Zitat

    Original von Stabia


    Außerdem - es wundert mich - noch nichts hier im Forum über die CD gelesen zu habe. Steht das vielleicht woanders?
    Oder sind andere Schoonderwoerd-Freunde wie ich erst mal am überlegen, was sie dazu sagen?


    Das auch, aber mir fehlt im Augenblick leider ein wenig die Zeit zum Schreiben und Hören. Aber ich finde, Du hast das Besondere der Aufnahme treffend beschrieben.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Das ist ja toll, daß er die Klavierfassung des Violinkonzerts macht!
    Bei Jottpeezee zum befristeten Einführungspreis erhältlich!


  • Inzwischen habe ich beide Konzerte z.t.mehrmals gehört.


    Op.37: der erste Satz klanglich einfach lukullisch.
    Zunächst war ich davon so eingenommen, daß danach einfach nichts hängen geblieben war.
    Das zweite Hören dann hat interpretatorische Feinheiten gezeigt, das ständige Wechseln von Moll nach Dur, Dynamik, die mit dem Orchesterklang kommunizierende Behandlung des Klaviers ohne dominant zu sein.
    Das hat mir dann doch sehr gut gefallen, wenn es Beethovens Moll-Dramatik auch nicht zeigte, die gerade bei Op. 37 deutlich herausgespielt werden kann.
    Auch das Tempo ist eher gemächlich. So gespielt, kann man Op. 37 durchaus als späten Mozart-Ableger verstehen. Mehr Beethoven wäre mir da lieber.


    Der zweite Satz dann eine Klangorgie, da ist die Auslegung dem sinnlichen Erlebnis untergeordnet. Das ist einfach n u r schön. Auch da wäre mir etwas mehr zum sich daran reiben lieber.


    Der dritte Satz dann endlich etwas mehr Temperament, etwas mehr Ausdruck. Das ist kein versöhnendes Rondo, das war ja auch nach dem undramatrischen Vorher nicht nötig. Da legen alle Beteiligten sich ins Zeug


    Insgesamt, eine schöne Aufnahme, eher von musealer Bedeutung für mich, ich liebe es dramatischer, das c-moll-Konzert.


    Op. 61 a: der erste Satz zog an mir vorbei.....
    Beethoven hatte die Transkription für Clementi gefertigt, aber auch, weil er ein Hochzeitsgeschenk für seinen alten Freund Steffen brauchte.
    Das das Konzert aber für Geige gedacht war, wird mit dieser Einspielung doch überdeutlich.
    Das gewählte Klavier kann die Geige bei ihrem immer wieder kommenden Einsatz, wo sie , man könnte sagen, empor jauchzt nicht nachmachen.
    Der Oktavenlauf fällt gar nicht auf, ist fade.
    Vielleicht ist Beethoven hat selbst gemerkt, und vielleicht hat er deshalb diesem Satz fürs Klavier am Ende noch ein Bonbönchen in Form der einzigartigen Kadenz mit der Pauke gegeben.
    Die war ja nun der historischen Wahrhaftigkeit des Entstehungsjahre zum Opfer gefallen.......


    Der zweite Satz, diese Unterredung zweier Liebenden - das geht für mich nur mit Geige. Hier kann man den Aufbau der Variationen bewundern und den Übergang zum


    dritten satz. Damit verhält es sich meiner Meinung nach ebenso wie bei Op.37.
    Hier wird dann ein Feuerwerk gezündet, das läßt vergessen, daß das Klavier in diesem Konzert nur 2. Wahl ist.


    Was soll man da nun für ein Fazit ziehen.


    Schoonderwoerd hat mit dem 4. Konzert eine hohe Erwartungshaltung erzeugt.

    Das 5. ist ihm auch phantastisch gelungen, wenn man auch vor dem Hören nach dem herrlichen 4. sich gedacht hat, daß das mit den von ihm gewählten Mitteln vielleicht nicht so gelingren könnte.


    Die neuvorgelegte Arbeit kann diese Erwartungshaltung nicht erfüllen.


    Sie ist - wenn man mal hören will, wie so etwas geklungen hat - sehr interessant. Beethoven ist mit seiner Klavierversion von Op. 61 an dem Ergebnis mitbeteiligt.


    Mal provokativ gesagt : hier ist die historische Spielpraxis so ziemlich an ihre Grenze gekommen.
    Ich möchte dieses Experiment nicht missen. Es soll eine Alternative zu meinen anderen Aufnahmen sein.
    Aber von allen nicht die beste.


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Liebe Stabia,


    danke für Deine ausführliche Wertschätzung der CD, die sich mit meinen Eindrücken weitestgehend deckt. Von der Einspielung des c-moll-Konzerts war ich doch einigermaßen enttäuscht, weil dem Werk in Schoonderwoerds Zugriff für mein Empfinden doch ganz erheblich Dramatik abgeht. Wie Du schon angedeutet hast: es wirkt bei ihm fast lieblich. Es ist sicherlich eine interessante und auch neue Erfahrung, das Konzert so zu hören – überzeugt hat es mich indes nicht.


    Mit op. 61a kann ich ohnehin nicht sooo viel anfangen (mit op. 61 aber auch nicht; es gehört - neben der »Pastorale« - zu jenen wenigen Orchesterwerken Beethovens, die bei mir wenig Liebe finden). Allerdings muß ich sagen, daß es Schoonderwoerd und dem Ensemble Cristofori hier gelingt, mich erstmals wirklich für dieses Konzert in der Fassung für Klavier und Orchester zu interessieren – mich mitzureißen, gelingt aber auch ihm nicht.


    Vielleicht noch ein, zwei Worte allgemein zu Schoonderwoerds Beethoven (auch auf die Gefahr hin, daß mich der eine oder andere anschließend schlagen wollen wird):
    Zunächst einmal volle Zustimmung zu Stabias Bemerkung hinsichtlich der nicht erfüllten Erwartungen nach der Vorlage, die mit Schoonderwoerds Einspielung der KKte 4 und 5 geweckt waren. Das Innovationspotential scheint sich ein wenig erschöpft zu haben. Und – das ist jetzt naklar eine ganz persönliche Bemerkung – auch der AHA-Effekt und die Begeisterung, die sich beim Hören und Wiederhören von KK 4 und insbesondere von KK 5 in Schoonderwoerds Lesart zunächst stets bei mir eingestellt hatten, sind inzwischen ziemlich abgenutzt. Meist greife ich wieder zu anderen Einspielungen.


    Vielleicht habe ich mich einfach etwas sattgehört am Schoonderwoerd-Sound. Vielleicht hat das Innovations- und Begeisterungspotential seines Zugriffs aber auch - gerade aufgrund der radikalen Abweichung vom Gewohnten - eine recht knapp bemessene Halbwertszeit.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    Originasl von Stabia
    Außerdem - es wundert mich - noch nichts hier im Forum über die CD gelesen zu habe. Steht das vielleicht woanders?
    Oder sind andere Schoonderwoerd-Freunde wie ich erst mal am überlegen, was sie dazu sagen?


    Sie haben sehr lange überlegt... wie sie an die CD herankommen... :rolleyes:


    Heute kam sie dann endlich! vom Himmel geflattert und landete sogleich im Lecteur CD.



    Konzert Nr. 3 c-moll op. 37


    Auch mir ist die geringe Dosis an moll-Dramatik aufgefallen, aber ich empfinde c-moll im Allgemeinen ohnehin eher als wurschtig-undurchhörbaren Melancholiebrei, insonderheit beim Klavier... weshalb mir diese Interpretation unheimlich gut gefällt. An der notwendigen Wucht jedenfalls wurde nicht eingespart. Zumindest Ende des 18. Jahrhunderts galt c-moll noch als feierliche Tonart - Dramatik war da gar nicht so überaus wichtig; op. 37 wurde gerade nach der Jahrhundertwende niedergeschrieben und liegt diesem Empfinden m. E. nicht so sehr fern. Der Interpretationsansatz ist m. E. daher möglicher Weise richtiger als andere...


    Zitat

    Original von Stabia
    Wo ist die Kadenz?


    Da, wo sie immer ist. Schoonderwoerd hat - wie stets - frei improvisiert und die Kandenzen im Allgemeinen eher knapp bemessen, so daß sie eher nach einer Art "Übergang" klingen - sie sind in der Tat kaum bemerkbar, was für mich die beinahe grenzenlose Geschicklichkeit dieses Interpreten durchaus hervorhebt. Außerdem fand ich die Kadenz zum 1. Satz überaus humorvoll angelegt.


    Zitat

    Original von Stabia
    Und daß die Kadenzen zur freien Ausübung gestellt werden.


    Daß Original-Kadenzen von Komponisten überliefert sind, ist eher die Ausnahme, auch wenn dies in der Regel recht häufig vorkommt ( :D ). Kadenzen sind eigentlich stets die Teile des Auftritts, in denen sich der Interpret verselbständigen kann/darf/soll. Dies hat Schoonderwoerd sich natürlich nicht nehmen lassen. Kadenzen wurden idR nur dann notiert, wenn sie für fremde Interpreten gedacht waren - by the way: Schade, daß keine Kadenzen von Ries zu Beethovens Konzerten überliefert resp. eingespielt sind [?].


    Zitat

    Original von Stabia
    Der zweite Satz dann eine Klangorgie, da ist die Auslegung dem sinnlichen Erlebnis untergeordnet. Das ist einfach n u r schön. Auch da wäre mir etwas mehr zum sich daran reiben lieber.


    Da frag ich mich, wie man/frau Chopin mögen kann... :pfeif:


    Der "nur schöne" zweite Satz ist sowas von himmlisch gespielt, sowohl vom Orchester als auch vom Interpreten. Ich wüsste nicht, was sich da unbedingt reiben sollte? Ich sehe den Mittelsatz eher als Ausgleich für den hektischen Hauptsatz, der in der Tat zunächst etwas gemächlich wirkt. Durch die starken Akzente aber wird dies schnell wieder ausgeglichen. Das Rondo gefällt mir auch sehr gut, besonders das Fugato und dann natürlich die Schlußrunde, in der nochmals richtig Speed gegeben wird.


    Konzert Nr. 6 D-Dur op. 61a


    Es hat mich besonders gefreut, daß Schoonderwoerd sich für die Klavierversion des Violinkonzertes entschieden hat und nicht für das erste oder zweite Konzert. Von op. 61a gibt es nämlich entschieden zu wenige Einspielungen [dafür einige sehr gute!]. Daß die Paukenkadenz fehlt, ist natürlich fast ein Schlag ins Gesicht... aber eine Begründung Schoonderwoerds erübrigt sich m. E. vollständig, denn auch hier gilt: Der Inpterpret selbst hat das Wort - und die Entscheidungskompetenz. Dennoch: Die später komponierte Kandenz [mit Pauken] war für ein Instrument gedacht, dessen Tonumfang auf dem Fritz Stein, ein Instrument, das genau in die Entstehungszeit von op. 61a passt, nicht spielbar ist. Auch in op. 61a sind die beiden Kadenzen sehr übersichtlich gestaltet, frei improvisiert natürlich, und kaum zu bemerken - aber sie sind vorhanden [wirklich!]. Für unseren Pius dürften die Kadenzen die reinste Freude sein, da sie nicht lange vom Geschehen ablenken.


    Der erste Satz ist mit knappen 20 Minuten wirklich ziemlich lang [Dausgaard/Berezovsky gute 21 Minuten] - aber irgendwie wiederholt sich nichts. Durch die prächtigen Klangfarben des Ensembles und durch das wie Eiswürfel klirrende Instrument wandert man hier durch eine wunderbare Märchenwelt, die ich bisher nicht kannte.


    Zitat

    Original von Stabia
    Das gewählte Klavier kann die Geige bei ihrem immer wieder kommenden Einsatz, wo sie , man könnte sagen, empor jauchzt nicht nachmachen.


    Gottseidank - [o.k. - ich mag keine Sologeige]


    Auch hier widmet sich der zweite Satz der reinen Schönheit zum Ausgleich - die Instrumente versprühen hier Klänge wie Parfum. Was kann herrlicher sein, als die Streicher-Pizzicati mit den Klaviertröpfchen bei ca. 4:50 ? Wenn ich da an die originäre Violinversion denke, weiß ich, warum ich op. 61a so schätze. Zum Schlußrondo fällt mir nur eines ein:


    :jubel:
    :jubel: :jubel:
    :jubel: :jubel: :jubel:
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    :jubel: :jubel: :jubel:
    :jubel: :jubel:
    :jubel:


    Zitat

    Original von Klawirr
    Zunächst einmal volle Zustimmung zu Stabias Bemerkung hinsichtlich der nicht erfüllten Erwartungen nach der Vorlage, die mit Schoonderwoerds Einspielung der KKte 4 und 5 geweckt waren.


    Hm. Was habt Ihr denn alle erwartet? Daß KK 3 und KK 6 klingen wie KK 4 und KK 5? Für mein Empfinden reicht op. 61a durchaus - auch in Schoonderwoerds Interpretation - recht nah an op. 58 heran: Die musikalische Sprache ist sehr ähnlich, die Interpretation schoonderwoerdlike.


    Zitat

    Original von Klawirr
    Das Innovationspotential scheint sich ein wenig erschöpft zu haben. Und – das ist jetzt naklar eine ganz persönliche Bemerkung – auch der AHA-Effekt und die Begeisterung, die sich beim Hören und Wiederhören von KK 4 und insbesondere von KK 5 in Schoonderwoerds Lesart zunächst stets bei mir eingestellt hatten, sind inzwischen ziemlich abgenutzt. Meist greife ich wieder zu anderen Einspielungen.


    Das ist bei mir nicht der Fall. Im Falle von IV [und V] bleibe ich in jedem Fall bei Schoonderwoerd - das ist für mich perfekt so. Es mag sein, daß sich durch die ständig wechselnde Zusammensetzung des Ensembles unterschiedliche Klänge ergeben, auf die man nicht vorbereitet ist oder die man aus Gewohnheit anders erwartet. Aber auch im live-Konzert am 27.01.08 in Hall war die Orchesterzusammensetzung bis auf die Bratsche [Anfisa Kalinina, die auch bei dieser Einspielung mit von der Partie ist] eine völlig andere - somit auch die Interpretation. Am Klangerlebnis an sich hat dies jedoch nichts geändert, trotz der anderen Instrumente und Geiste, die dahinter atmen.


    Eines allerdings kann ich mit Sicherheit sagen: Bei dieser Aufnahme wurde eine andere Aufnahmetechnik verwendet. Das berichtete Schoonderwoerd bei den Proben am 26./27.01. - möglicher Weise liegt es auch daran, daß der Funke nicht bei allen überspringt. Mir kommt die Aufnahme auch ein wenig unpersönlich vor, wenn ich direkt mit op. 58/73 vergleiche.


    Es kommt hinzu, daß für die Einspielung des dritten Konzertes nicht der originale Hammerflügel von Johann Fritz c1807/1810 verwendet wurde, sondern ein Nachbau eines Anton-Walter-Flügels, der natürlich am [gewohnten?] Klangergebnis einiges verändert. Fritzchen erklingt dann aber bei op. 61a. Die Verwendung der Soloinstrumente richtet sich offenbar nach der Entstehungszeit der Werke.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Inzwischen habe ich die CD - weil iTune im Moment defekt - sicher noch 3x gehört.
    Gewöhne mich daran, will vielleicht bald es immer so hören. kann ja sein.


    Eigentlich gehe ich dem lukullischen Klang aus dem Weg - siehe meine Mozart-Abstinenz,bis KV 400 grob gesagt.


    Aber, wir haben ja allerhand Alternativen, bei Op.61a habe ich allerdings nur Barenboim und uralt Amadeus Webersinke.
    Welche Gute gibts denn außerdem, Ulli ?


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Zitat

    Original von Stabia
    Die neuvorgelegte Arbeit kann diese Erwartungshaltung nicht erfüllen.
    .....
    Mal provokativ gesagt : hier ist die historische Spielpraxis so ziemlich an ihre Grenze gekommen.


    Das ist so eine Sache mit den Erwartungshaltungen - es liegt naturgemäß an Ihnen, wenn der Interpret sie nicht erfüllt, denn er konnte ja nichts von ihnen wissen ..... Ohne Dir zu nahe treten zu wollen - ich kann es nicht nachvollziehen. Ich habe die neue CD jetzt zweimal gehört, und bin verzaubert, sogar noch mehr und tiefer wie bei der ersten Beethoven-CD. Ich habe inzwischen auch das Buch von Weinzierl und empfinde Dankbarkeit, diese einst einem erlauchten kleinen Kreise nur zugängliche Musik in dieser transparenten und beglückenden Art hören zu können. Mir fiel der Begriff der Überflußgesellschaft ein - auch in Bezug auf Tonträgeraufnahmen haben wir die, und bei Beethoven erst recht. Natürlich haben Vergleiche hier ihre Berechtigung, aber angesichts des Privilegs, dies hören zu können, finde ich sie fast unangebracht. Ich könnte seitenlang von dieser Aufnahme und der herrlichen Musik schwärmen.


    Eines ist mir an dieser Aufnahme stärker bewußt geworden als an jeder anderen: Daß es ein Fehler ist, an diese Konzerte mit unreflektierten Kategorien der Gegenwart, bei Interpreten wie bei Hörern, heranzugehen. Einige Beispiele:
    - "Orchester" - wir denken dabei unwillkürlich an die Riesenorchester seit Wagner und Mahler, die eine Art Idealcharakter bekommen, vergessen, daß dies eigentlich immer eine Ausnahme war (und meiner Ansicht nach auch sein sollte), die Klangbalance sich verändert, wenn sich die Dimensionen des Raumes und die Anzahl der Musiker ändert. Auch ich habe erst gedacht, Beethoven in solistischer Besetzung, das kann doch nicht gehen! Aber es tut es, und auf einmal ist alles im Lot, die Farben sind differenziert und die Mischungen unendlich filigran, und die Dynamik unbeschreiblich frappierend und doch sehr menschlich in ihrer Dimensionierung. Ein Orchester ist nichts anderes als ein Kammerensemble mit ein paar Musikern mehr - vom Geist der Musizierhaltung sollte es unbedingt so sein (noch Schumann hat dies vorausgesetzt!).
    - "Concerto" - Kon-zertieren heißt zusammen-spielen. Nicht der Solist vor, neben, oder über dem Orchester. Gerade Beethovens Konzerte kennzeichnet dies aus. Ich erinnere mich an eine Aufführung des Violinkonzertes mit der Deutschen Kammerphilharmonie und Frank Peter Zimmermann, wo dies in einem sehr lesenswerten Essay im Programmheft betont wurde. Zimmermann hatte dies nicht gelesen, denn er versuchte sich vor und gegen das Orchester zu profilieren, was ihm nicht gut gelang. Die bei Schoonderwoerd so großartig gelungene Verschmelzung von "Solist" und "Orchester" ist beispielhaft. Das Klavier als Teil des Ensembles - aufgeführt werden in der Besetzungsliste muß es nur, weil es nicht Bestandteil des Standardensembles ist - wobei das schon eine fiktive Größe ist. Nie wurde mir so deutlich, daß der Streichersatz plus Harmoniemusik die Keimzelle des modernen Orchesters ist. In der von einigen geschmähten Klavierfassung des Violinkonzertes wird beides sehr gut hörbar, und Schoonderwoerd integriert sich völlig selbstlos in das Ensemble.


    Wer sind wir, Beethovens Bearbeitung, überhaupt seine Kompositionen zu kritisieren? Angesichts so wunderbarer Musik empfinde ich nur Dankbarkeit und Berührung und das Bedürfnis, die Werkzeuge der Kritik zumindest zeitweise ruhen zu lassen.


    Bitte nehmt dies als meine ganz persönliche Reaktion auf diese Aufnahme ... ich wünsche mir sehnlichst das Tripelkonzert von diesen Musikern, wenn das 1. und 2. Konzert gemacht sind (sollen 2009 erscheinen), vielleicht das Violinkonzert, Konzerte von Hummel und anderen Zeitgenossen, bis hin zu Chopin und Schumann. Denn: vergleiche ich die langsamen Mittelsätze von Haydn, Mozart, Beethoven, und Chopin, dann sehe ich die Entwicklung und verstehe, warum E.T.A. Hoffmann Beethoven als den romantischsten Künstler empfand, bzw. ich kann es hören.


    Die historische Aufführunsgpraxis ist hier keineswegs an ihre Grenzen gelangt, ganz im Gegenteil - hier ist ein neuer Anfang. Und so etwas ist nur auf Tonträgern dem breiten Publikum zugänglich zu machen - die Kosten, die historischen Klaviere ... da liegt noch vieles vor uns!


    Wir sind privilegiert, daß wie so etwas so hören können ..... vergessen wir es nie.


    Mit herzlichen Grüßen
    Miguel / Michael

  • Diesem sehr schönen Plädoyer möchte ich mich vorbehaltlos anschließen.


    Insbesondere den Hinweis auf das Tripelkonzert finde ich interessant. Die bisher übliche Kombination von Kammermusikensemble plus Sinfonieorchester paßt nach meinem Empfinden nicht recht zur Komposition, in der das Klaviertrio über lange Strecken dominiert und das Orchester vergleichsweise schmucklos eingesetzt ist.
    Ich kann mir gut vorstellen, daß mir das Tripelkonzert im Schoonderwoerd-Stil auf meine alten Tage doch noch richtig gefallen wird.


    In die von Miguel erwähnte Wunsch-Serie gehört unbedingt noch die Chorfantasie!


    :hello: Khampan

  • Dann ziehe ich mal meine Wunschliste hier rüber:


    Zitat


    Dann fehlen nur noch das Tripelkonzert, die Violin- und Cellosonaten, die frühen Klavierquartette [nur so als Anregung: vielleicht mit Queyras, Terakado :lips: ], die Chorfantasie und lächerliche neun Sinfonien...


    Von op. 56 gibt es m. W. eh noch keine Einspielung auf historischen Instrumenten: Da wird's aber mächtig Zeit...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Ich hoffe zutiefst, das Herr Schoonderwoerd und sein Produzent unsere Wunschlisten lesen ....


    Ein paar Sätze zu der Bemerkung, die historische Aufführungspraxis sei an ihre Grenzen gekommen, die ich in den letzten Tagen auch in Bezug auf eine andere Einspielung irgendwo hier im Forum gelesen habe, möchte ich noch loswerden:


    Die historische oder historisierende oder wie auch immer man sie nennen will, Aufführunsgpraxis wird nie an ihre Grenzen kommen. Sie wird sich immer weiterentwickeln, weil unser Wissen um die Spieltechniken und Aufführungsbedingungen und Instrumente sich ständig verändert. Nicht nur erweitert. Denn es werden weiter Instrumente undspielbar werden, Noten und Bücher verbrennen, Kenntnisse mit Musikern und Wissenschaftlern ins Grab gehen - die Musik von heute wird in zweihundert Jahren vielleicht die gleichen Fragen aufwerfen. Jemanden wie Hindemith empfinden wir als Gegenwartsmusik - dabei ist er schon 45 Jahre tot, viele seiner Noten sind verschollen, vor allem die lustigen Gelegenheitswerke, und wissen wir genau, wie seine Bratsche geklungen hat, sein Flügel zuhause? Oder Strawinsky oder Bartók - erstklassige Beispiele dafür, wie Komponisten alles konsequent als "work in progress" behandelt und immer wieder anders gespielt und besetzt haben. Das war bei Bach und Beethoven nicht anders: Kompromisse, Finanzierungslücken, Ansprüche der Auftraggeber, was auch immer. Was sie sich gewünscht haben, werden wir nie wissen, und mich persönlich insteressiert das auch immer weniger als das, was sie hatten. Denn mit dem, was wir haben, etwas so zu spielen, wie es war, als Prozeß der Annäherung, nicht als endgültige, letztgültige Fassung - denn das kann es in der Musik nicht geben, die ist Zeitkunst, in einem mehrdimensionalen Sinn, und nicht einmal fertig wie ein Bild, eine Skulptur, ein Schloß - obwohl die sich auch mit der veränderten Wahrnehmung und Nutzung der Menschen verändern - damit sind wir genug beschäftigt, von Lernprozeß des Hörens mal ganz abgesehen. Denn unsere Hörgewohnheiten stehen uns oft am hartnäckigsten im Weg.


    Was sich an der Musik am stärksten verändert und was immer in ihrem Mittelpunkt stand und immer stehen wird, ist der Klang. Durch ihn nehmen wir sie wahr. Deswegen ist er nicht beliebig, denn der Klang beeinflusst unsere Wahrnehmung - sonst gäbe es z.B. keine Diskussion über die Benutzung verschiedener Klaviertypen bei Beethoven! alpha hat vor einigen Monaten eine CD von Patrick Schneyder mit Klavierstücken von Franz Liszt auf einem Pleyel-Flügel von 1846 veröffentlicht; ein kurzer Text von Philippe Beaussant im Booklet formuliert etwas zum Verhältnis von Klang und Musik, das ich auch schon oft gedacht habe im Zusammenhang mit sog. Alter Musik: Dass der Klang der Zeit der Entstehung der Musik untrennbar zu ihr gehört, und man etwas verändert, wenn man das Instrumentarium verändert. Natürlich verändert sich alles andere auch, aber der Zauber des Klangs, so ähnlich wie er war, als die Musik zum ersten Mal erklang, ist unnachahmlich. Vielleicht hat der zauberhafte Klang der alten Instrumente auch etwas mit ihrer handwerklichen Fertigung zu tun? Die Suche nach diesem Klang bringt uns ein wenig von diesem ursprünglichen Zauber zurück, und genau das erleben wir bei diesen Aufnahmen der Beethoven-Konzerte. Ich bin mir sicher, daß diese Suche nie enden wird.

  • Zitat

    Original von Ulli
    Von op. 56 gibt es m. W. eh noch keine Einspielung auf historischen Instrumenten: Da wird's aber mächtig Zeit...


    Doch! Paul Badura-Skoda, Franjosef Maier, Anner Bylsma, Collegium aureum auf DHM ..... Badura-Skoda nannte die Aufnahme mal in einem Interview das Beste, was er je gemacht hätte. Muß sie mal ausgraben ...

  • Hallo, Ulli!



    Egal ob richtiger oder nicht - ich finde diese Aufnahme des c-moll-Konzerts einfach großartig! :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:
    Sie ist sofort zu meiner liebsten avanciert.
    Ich hoffe, das Beethoven-Projekt Schoonderwoerds geht weiter, das ist wirklich phänomenal!


    Zitat


    Konzert Nr. 6 D-Dur op. 61a
    Es hat mich besonders gefreut, daß Schoonderwoerd sich für die Klavierversion des Violinkonzertes entschieden hat


    Ehrlichgesagt, wenn ich da einen Wunsch frei hätte, dann würde ich mir da dann doch das Tasteninstrumen weg- und einen Barockgeiger wie Manze hin-wünschen - das käme dann meiner Idealvorstellung näher...


    Zitat

    Für unseren Pius dürften die Kadenzen die reinste Freude sein, da sie nicht lange vom Geschehen ablenken.


    Es wurde ebenso wie in op. 37 goutiert. :yes:


    Zitat

    Original von Klawirr
    Das Innovationspotential scheint sich ein wenig erschöpft zu haben. Und – das ist jetzt naklar eine ganz persönliche Bemerkung – auch der AHA-Effekt und die Begeisterung, die sich beim Hören und Wiederhören von KK 4 und insbesondere von KK 5 in Schoonderwoerds Lesart zunächst stets bei mir eingestellt hatten, sind inzwischen ziemlich abgenutzt. Meist greife ich wieder zu anderen Einspielungen.


    Bei mir trat dieser Abnutzungseffekt nicht ein, und ich werde nun sicher häufiger zu Schoonderwoerds op. 37 greifen als zu anderen Aufnahmen.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    die Beethoven-CD wurde gerade im "Fono Forum" November mächtig verrissen. Vor allem wegen der dünnen, nur solistischen Begleitung. Das reizt mich sehr, mir das Ganze einmal anzuhören.


    Diesem Reiz solltest Du unbedingt nachgeben- auch wenn ich für die Nebenwirkungen nicht garantieren mag. Du wirst Beethovens Klavierkonzerte danach definitiv nicht so hören wie vorher. :D


    Besagte Rezension habe ich auch gelesen- und nachvollziehen kann ich sie nicht. Vielleicht hat der Rezensent ja eine andere Aufnahme gehört :D:D


    Hauptkritikpunkt ist, wenn ich mich recht erinnere, dass eine Aufführung dieses Konzerts in der von Schoonderwoerd gewählten Besetzung nicht belegt sei. Dünn klingt für mein Empfinden die Streicherbesetzung überhaupt nicht. Im Gegenteil. Die Balance zwischen Orchester und Solist ist ausgezeichnet.


    Und außerdem hat ja nun niemand behauptet, am allerwenigsten Schoonderwoerd selbst, dass man Beethoven so spielen muss. Wenn man sich einigermaßen unvoreingenommen auf dieses Hörerlebnis der anderen einlässt, ist das Ergebnis in jedem Fall faszinierend.



    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • mich hat der Veriss auch sehr gewundert.
    Denn die Schoonderwoerd Aufnahmen werden ja vom größten Teil des Forums als beste CD's der letzten Jahre angesehen.
    Ich hab sie ja auch in meinen Unverzichtbaren.


    Wieder ein Bewies dafür wie subjektiv eben Kritiker kritisieren.


    Und ich kann das nur nochmal unterstreichen, was Ceasar geschrieben hat - gerade die zweite Aufnahme ist besonders faszinierend.
    Der neuartige Effekt nutzt sich auch nicht für mich ab, wie teilweise hier geschrieben, ganz im Gegenteil, je öfter ich die Aufnahmen höre umso faszinierender sind sie.



    Mal sehen wann ich Fono Forum wieder kündige, in letzter Zeit ist das Blättchen zur Unterhaltung auf dem stillen Örtchen abgestellt worden..... :untertauch:

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  • Im allerneusten FonoForum steht fast so was wie eine Ergänzung herzu, im Artikel über Martin Haselböck, der z.Zt. auch Beethoven macht. Es wurde je nach Saal eine andere Besetzungsstärke gewählt, um sie den Gegebenheiten anzupassen. Im Palais Lobkowitz war die solistische Besetzung eben optimal, nicht nur wegen der Sitzplätze auf der Bühne. Springender Punkt ist, daß es nicht "verboten" ist es so zu machen, ganz im Gegenteil. Die Transparenz ist verblüffend, es wird "Kammermusik".


    Es abzulehnen, nur weil Beethoven es bei konkret diesen Werken nicht selbst so aufgeführt hat, finde ich kleinlich.


    Die Verwendung des Walter-Flügels und die Aufnahme in der Regensburger Kirche bei Nr. 3 und 6 haben wohl logistische Gründe, weil der Auftritt bei den Tagen für Alte Musik Regensburg eine gute Gelegenheit zur Aufnahme bot.
    Ich finde den Walter gar nicht dünn ...

  • Man muß hier einschränkend sagen, daß es ja nicht "das Fonoforum" ist, das eine Aufnahme goutiert oder verreisst, sondern EINER seiner Rezensenten. Kritiken sagen meist mehr über den Geschmack des Kritikers aus, als über die tatsächliche "Qaulität" einer Interpretation - von Ausnahme natürlich abgesehen.


    Das gilt natürlich auch für Kritiken aus dem Tamino Klassikforum - lediglich daß hier theoretisch die Bandbreite der Geschmäcker größer ist...


    Man kann den Schoonderwoerd Aufnahmen vorwerfen, sie würden Beethovens Kontzerte "verfälschen" - das Wuchtige, Beeindruckende, das wir alle so lieben , bliebe auf der Strecke - d´accord


    Man kann aber andreseits sagen, Schoonderword beleuchte die altbekannten Werke neu - und lege eine neue - bisher unentdeckte Facette ihrer Qualität frei - d´accord.


    Ich begrüße diese Aufnahmen, da sie Altbekanntes in der Tat anders erklingen lassen als gewohnt. Sicher keine "Referenzeinspielung" die zum kennenlernen des Werkes an sich geeignet wöre, aber eine hochinteressante und musikalische Alternative die man kennen sollte - auf ihre spezielle Art also doch wiederum "Referenz"


    Ich bin gespannt ob weiter Aufnahmen folgen werden, auch Mozarts Krönungskonzert wäre hier eine Möglichkeit....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Ich bin gespannt ob weitere Aufnahmen folgen werden, auch Mozarts Krönungskonzert wäre hier eine Möglichkeit....


    Das war der bisher letzte Beitrag in diesem Thread, verfasst vom wahrscheinlich einzigen verbliebenen Schoonderwoerd-Fan in diesem Forum. Und genau an dieser Stelle setze ich fort. Wie es scheint sind keine weiteren Aufnahmen von Schoonderwoerd für das Label Alpha in Aussicht.


    Denn bereits die letzte Veröffentlichung, Klavierkonzerte von Georg Wilhelm Gruber (1729–1796), wurde 2009 für ein anders LAbel (PAN) gemacht und im Feber 2011 veröffentlicht.



    Nun aber folgt die wirklich gute Nachricht: Für das Label ACCENT wird Schoonderword und sein Ensemble Christofori sämtliche Mozart Klavierkonzerte aufnehmen, die erste CD dieses Projekts ist seit kurzem verfügbar.....
    Somit ist mein Wunsch von 2009 offenbar in greifbare Nähe gerückt, wenngleich ich der Aufnahmetechnik von Alpha eine stille Träne nachweinen werde....



    Mals sehen was draus wird.......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich besitze beide von Dir genannten CDs und kann sie nur wärmstens empfehlen.


    Die Gruber-Konzerte sind ein musikalisches Kleinod, dessen Endeckung unbedingt lohnt. Und was Arthur Schoonderwoerd den vermeindlich altbekannten und vielgehörten Mozartkonzerten entlockt, ist wahrlich atemberaubend!


    LG, Elisabeth

  • Das war der bisher letzte Beitrag in diesem Thread, verfasst vom wahrscheinlich einzigen verbliebenen Schoonderwoerd-Fan in diesem Forum.

    Nicht ganz, 3 Beethoven-CD mit ihm besitze ich auch. Mal was anderes.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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