Also, ich muss schon sagen: Ich musste mich recht zusammenreissen, um den Titel so neutral hin zu kriegen, bei dem Booklet-Text, den ich gerade gelesen habe...
Aber nun einmal im Ernst: Ich sehe Booklets meist als eine angenehme Ergänzung zu einer CD. Oft kommt es vor, dass man viele Dinge schon weiss. Es ist meines Erachtens eine recht knifflige Sache einen guten Booklet-Text zu verfassen, da man naturgemäss ein sehr breites Publikum hat.
Da gibt es Texte, die sind so einfach und allgemein gehalten, dass sie nur die absoluten Einsteiger interessieren (diese Texte kann man dafür lesen, während man sich auf die Musik konzentriert). Wenn der/die Interpret/en nicht einmal erwähnt werden finde ich das schon schade, aber man kauft ja die CD wegen der Musik, nicht wegen irgendwelchen Notizen.
Dann gibt es Texte, bei denen der Laie rein gar nichts versteht, bei denen man die Partitur braucht, um den Intentionen des Autors folgen zu können. Die gehören auch nicht zu meiner Lieblingssorte. Es gilt wieder einmal, den goldenen Kompromiss zu finden (ich hasse solche blöden, allgemeinen, nichtssagenden "Aussagen", habe aber nicht genug Zeit, die ganze Sache besser dar zu legen).
Aber - wie gesagt - spielt das Booklet für mich nur eine vernachlässigbare Rolle. Die für diesen Thread interessanteste Gruppe von Booklet-Texten habe ich aber noch gar nicht erwähnt: Die, welche so mies sind, dass sie einem die Kaufentscheidung entschweren, da man nicht mit Geld noch auf sonst eine Art und Weise zur Verbreitung solchen Schwachsinns beitragen möchte. Zu dieser Kategorie gehört der Text zu folgender CD:
Die CD finde ich gar nicht schlecht, aber die Begleitnotizen sind so was von unter aller Kanone. Hier einmal ein Auszug, damit alle wissen, um welch grausame Vergewaltigung es sich hier handelt:
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RESONANZ DES URSPRUENGLICHEN
Einige Vorbemerkungen scheinen angezeigt, um uns auf den ursprunghaften Aspekt des Klavierduos für vier Hände einzustimmen.
In der zeitlichen Abfolge unserer Entwicklung steht vor der Kognition die Erfahrung von Vibration... der klangliche Raum ist der Ursprung des psychischen Raums... Die ausserordentliche primäre Empfänglichkeit lässt sich mit dem Bild eines grossen Segels veranschaulichen, das beim kleinsten Windhauch vibriert, wie ein emotionales Ohr, das mit einer zarten, hypersensiblen Mambran ausgestattet ist, durchsichtig wie die Hülle des Embryos in utero. Diese primäre Empfänglichkeit deutet bereits auf den problematischen Widerspruch des menschlichen Wesens hin: Sie ist zugleich von äusserster Verletzlichkeit und von ausserordentlicher Empfindlichkeit, die schon auf die leiseste Erschütterung reagiert. Schicksal des Musikers ist es, beide Aspekte wiederzufinden und als Ausdruck tiefer Musikalität miteinander zu verbinden.
Primäre Empfänglichkeit, die unweigerlich unter der Wirkung unerbittlicher Intensität zugrunde gehen müsste, wenn sie nicht vollständig geborgen und eingehüllt wäre, damit sie die Eindrücke nur gefiltert und gesiebt wahrnimmt. Sie ist noch keine "Haut", die sich in gewissem Umfang selbst schützen kann.
Somit geht es um das, was die Psychoanalyse als "ursprüngliche Dyade Mutter-Kind" bezeichnet, die wir uns als ungeteilte Gestalt vorzustellen haben, mit ihren beiden eng miteinander "verbundenen Schichten", wobei die mütterliche das Unreife schützend umschliesst und ihm die ursprüngliche Resonanzfähigkeit gibt. Das ist die Vorstellung von einem verlorenen Paradies, in dem es kein "Eines" gibt und wo das "Doppel" in seiner bedingungslosen Anwesenheit mit dem "Einen" notwendig so verschmilzt, dass jedes Gefühl von Trennung unbekannt ist - Trennung wäre unerträglich.
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So geht es noch weiter. Wer will kann sich den ganzen Mist, allerdings auf Englisch, auf http://www.deutschegrammophon.…ex.htms?ID=pires-schubert
reinziehen.
Keiner weis, von was der Autor (Loise Barbey-Caussé, Psychoanalyst, worauf sehr wert gelegt wird) hinaus will, wenn er von einer "primären Empfänglichkeit" schreibt, wenn "problematischen Widerspruch des menschlichen Wesens" spricht und dann nichts bringt, was diese hohle Aussage rechtfertigen würde.
Abgesehen davon, dass die Psychoanalyse (berechtigterweise) ausser Mode geraten ist, kann man bei einem solchen hirnrissigen, einfältigen Müll nur hoffen, dass es das Schlechteste der Psychoanalysten-Gilde widerspiegelt. Selbst unter Psychoanalysten könnte sich inzwischen rumgesprochen haben, dass man wenn man eine Behauptung aufstellt, die man schon nicht beweisen kann, wenigstens einige bekräftende Hinweise gibt. Was soll zum Besispiel der ganze Schrott über "In der zeitlichen Abfolge unserer Entwicklung steht vor der Kognition die Erfahrung von Vibration... der klangliche Raum ist der Ursprung des psychischen Raums...". Ich muss zugeben, ich habe wirklich selten bzw. nie einen solch doofen Schrott gelesen.
Man merkt auch, dass der Typ selber keine Ahnung hat, von was er faselt, wieso würde er so häufig Wörter in Anführungzeichen setzen. Antwort: Er kann sich nicht präzise Ausdrücken, armer Kerl. Mein Beileid. Oder anders formuliert: Die einfältige Sprache von uns ungebildeten Menschen genügt diesem Psychoanalysten nicht, um seine transzendenten Ideen auszudrücken...
Hat jemand verstanden wieso da von einem "verlorenen Paradies" die Rede ist? Was soll das mit dem "Einen", dem "Doppel" und der "unerträglichen Trennung"?
So zieht es sich durch das ganze Booklet. Kein Beitrag von einem der beiden Künstler, keine Interpretationsideen, gähnende, ja sogar abschreckende Leere. Schlicht und einfach: Ausser dem Track-Verzeichnis gänzliche Abwesenheit von Lesenwertem. Da werden unnachvollziehbare Argumente (die keine sind) aufgetischt, scheinbar Argumentationsketten gebildelt (die aber auch keine sind, wie auch, ohne Argumente) und Schlüsse gezogen (die auch keine sind).
Jemand der die deutsche Sprache nur rudimentär beherrscht würde vielleicht - dank der vielen komplizierten Ausdrücke und Fremdwörter- in den Glauben verfallen, es werde einem in diesem Text Information mitgeteilt.
Ich könnte ewig so weiter machen, aber das kostet zu viel Energie.
Kennt ihr andere Beispiele, oder seid ihr gar anderer Meinung?
Grüsse...Cliowa
P.S.: Etwas muss man diesem Herrn Barbey-Caussé lassen: Mut hat er. Bei diesem Geisteszustand - manch' anderer würde sich gerne in Behandlung begeben oder gar den Freitod wählen - publiziert er seine neusten Ausbrücke bzw. Exzesse ungehemmt. Mutig ist er. Und die Deutsche Grammophon auch.