BWV 188: Ich habe meine Zuversicht
Kantate zum 21. Sonntag nach Trinitatis (vermutlich Leipzig 1728 oder wenig später)
Lesungen:
Epistel: Eph. 6,10-17 (Die geistliche Waffenrüstung)
Evangelium: Joh. 4,46-54 (Heilung des Sohnes eines königlichen Beamten)
Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 29 Minuten
Textdichter: Picander ( Kantatenjahrgang von 1728 )
Choral: aus Lübeck, vor 1603
Besetzung:
Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe I + II, Oboe da caccia, konzertante Orgel, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Sinfonia (d-moll) Oboe I + II, Oboe da caccia, Orgel, Streicher, Continuo
2. Aria Tenor, Oboe I, Streicher, Continuo
Ich habe meine Zuversicht
Auf den getreuen Gott gericht’,
Da ruhet meine Hoffnung feste.
Wenn alles bricht, wenn alles fällt,
Wenn niemand Treu’ und Glauben hält,
So ist doch Gott der allerbeste.
3. Recitativo Bass, Continuo
Gott mein es gut mit jedermann
Auch in den allergrößten Nöten.
Verbirget er gleich seine Liebe,
So denkt sein Herz doch heimlich dran,
Das kann er niemals nicht entzieh’n;
Und wollte mich der Herr auch töten,
So hoff’ ich doch auf ihn.
Denn sein erzürntes Angesicht
Ist anders nicht
Als eine Wolke trübe,
Sie hindert nur den Sonnenschein,
Damit durch einen sanften Regen
Der Himmelssegen
Um so viel reicher möge sein.
Der Herr verwandelt sich in einen grausamen,
Um desto tröstlicher zu scheinen;
Er will, er kann’s nicht böse meinen.
Drum lass’ ich ihn nicht, er segne mich denn.
4. Aria Alt, Orgel, Violoncello
Unerforschlich ist die Weise,
Wie der Herr die Seinen führt.
Selber unser Kreuz und Pein
Muss zu unser’m Besten sein
Und zu seines Namens Preise.
5. Recitativo Sopran, Streicher, Continuo
Die Macht der Welt verlieret sich.
Wer kann auf Stand und Hoheit bauen?
Gott aber bleibet ewiglich,
Wohl allen, die auf ihn vertrauen!
6. Choral SATB, Oboe I + II, Oboe da caccia, Streicher, Continuo
Auf meinen lieben Gott
Trau’ ich in Angst und Not;
Er kann mich allzeit retten
Aus Trübsal, Angst und Nöten;
Mein Unglück kann er wenden,
Steht all’s in seinen Händen.
Diese Kantate stammt aus dem Kantatenjahrgang von Bachs Leipziger Dichter Picander (eigentlich Christian Friedrich Henrici [1700-64]), der für den Thomaskantor ja unter anderem die Texte zu einigen seiner bedeutendsten Kompositionen (wie z. B. der Matthäus-Passion oder wohl auch des Weihnachts-Oratoriums) verfertigt hatte.
Leider ist die Originalpartitur dieser Kantate nur in Bruchteilen erhalten, so dass eine Rekonstruktion immer ein Stück weit auch der Kreativität und dem Einfühlungsvermögen der heutigen Interpreten überlassen ist – gerade das macht meiner Meinung nach aber auch Aufführung gerade solcher „Problem-Kantaten“ besonders spannend und interessant!
Wie mehrere Kantaten, die im Zeitraum ab ca. 1726 entstanden sind, leitet Bach auch diese Kantate mit einer instrumentalen Sinfonia ein, die aus einem älteren Konzertsatz aus seiner Köthener Zeit besteht.
In diesem Fall handelte es sich dabei wohl um einen Satz aus einem Violinkonzert, den Bach – wie meistens in solchen Fällen – für konzertante Orgel mit Orchesterbegleitung umarbeitete.
Daraus entstand dann – auch dies ist bei solchen Sätzen eher der „Regelfall“ – in den 1730er Jahren ein Cembalokonzert für sein “Collegium Musicum“, in diesem Fall der 3.Satz des Cembalokonzerts d-moll BWV 1052.
So lässt sich der von allen Teilen dieser Kantate am unvollständigsten überlieferte erste Satz auf der Basis dieser Erkenntnis glücklicherweise einigermaßen sicher rekonstruieren!
Auch Picander bezieht das Evangelium des heutigen Sonntags (siehe hierzu den Kommentar bei BWV 109) nicht weiter in seine Kantatendichtung mit ein – er gewinnt lediglich einige allgemeine Aussagen aus der Erzählung (wie die Belohnung des Vertrauens in Gottes Willen) und reiht sich damit in die Verfahrensweise der anderen Dichter ein, deren Texte Bach anlässlich des 21. Sonntags nach Trinitatis vertont hatte (siehe z. B. BWV 98).
Die solistisch eingesetzte Orgel darf sich – außer im Eingangssatz – auch in der Arie Nr. 4 nochmals präsentieren (hier lediglich durch ein Violoncello begleitet, dass in diesem Fall die gesamte Continuo-Gruppe „vertritt“).