Die Bachkantate (162): BWV98: Was Gott tut, das ist wohlgetan

  • BWV 98: Was Gott tut, das ist wohlgetan
    Kantate zum 21. Sonntag nach Trinitatis (Leipzig, 10. November 1726)




    Lesungen:
    Epistel: Eph. 6,10-17 (Die geistliche Waffenrüstung)
    Evangelium: Joh. 4,46-54 (Heilung des Sohnes eines königlichen Beamten)



    Fünf Sätze, Aufführungsdauer: ca. 17 Minuten


    Textdichter: unbekannt
    Choral: Samuel Rodigast (1674/75)



    Besetzung:
    Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe I + II, Oboe da caccia, Violino I/II, Viola, Continuo





    1. Choral SATB, Oboe I + II, Oboe da caccia, Streicher, Continuo
    Was Gott tut, das ist wohlgetan,
    Es bleibt gerecht sein Wille;
    Wie er fängt meine Sachen an,
    Will ich ihm halten stille.
    Er ist mein Gott,
    Der in der Not
    Mich wohl weiß zu erhalten;
    Drum lass’ ich ihn nur walten.


    2. Recitativo Tenor, Continuo
    Ach Gott! wenn wirst du mich einmal
    Von meiner Leidensqual,
    Von meiner Angst befreien?
    Wie lange soll Tag und Nacht
    Um Hülfe schreien?
    Und ist kein Retter da!
    Der Herr ist denen allen nah,
    Die seiner Macht
    Und seiner Huld vertrauen.
    Drum will ich meine Zuversicht
    Auf Gott alleine bauen,
    Denn er verlässt die Seinen nicht.


    3. Aria Sopran, Oboe I, Continuo
    Hört, ihr Augen, auf zu weinen!
    Trag’ ich doch
    Mit Geduld mein schweres Joch.
    Gott, der Vater, lebet noch,
    Von den Seinen
    Lässt er keinen.
    Hört, ihr Augen, auf zu weinen!


    4. Recitativo Alt, Continuo
    Gott hat ein Herz, das des Erbarmens Überfluss;
    Und wenn der Mund vor seinen Ohren klagt
    Und ihm des Kreuzes Schmerz
    Im Glauben und Vertrauen sagt,
    So bricht in ihm das Herz,
    Dass er sich über uns erbarmen muss.
    Er hält sein Wort;
    Er saget: Klopfet an,
    So wird euch aufgetan!
    Drum lasst uns alsofort,
    Wenn wir in höchsten Nöten schweben,
    Das Herz zu Gott allein erheben!


    5. Aria Bass, Violino I/II, Continuo
    Meinen Jesum lass’ ich nicht,
    Bis mich erst sein Angesicht
    Wird erhören oder segnen.
    Er allein
    Soll mein Schutz in allem sein,
    Was mir Übels kann begegnen.






    Auch wenn diese Kantate mit einer Choralbearbeitung beginnt, handelt es sich hierbei jedoch um keine „klassische“ Choralkantate, wie Bach sie in seinem zweiten Leipziger Kantatenjahrgang von 1724/ 25 vertont hatte.
    Die hier besprochene Kantate hat weder einen Schlusschoral, noch nimmt die Kantatendichtung der übrigen Sätze Bezug auf weitere Strophen des titelgebenden Chorals von Samuel Rodigast ( 1649-1708 ), wie es sonst in Bachs Choralkantaten üblich ist. Vielmehr wird – wenn auch nur recht lose - auf die Aussagen des heutigen Sonntagsevangeliums Bezug genommen (siehe hierzu auch den Kommentar zu BWV 109!): Die Bitten des Gläubigen um göttliche Hilfe werden erhört werden; Geduld und Zuversicht sollen statt Zweifeln und Trauer die Oberhand behalten.


    Der titelgebende Choral leitet neben der hier besprochenen gleich zwei weitere Bachkantaten ein (BWV 99 und BWV 100, wobei es sich mit der Kantate BWV 99 tatsächlich um eine „richtige“ Choralkantate handelt!).
    Jedenfalls lässt sich feststellen, dass Bach den Choral “Was Gott tut, das ist wohlgetan“ offenbar sehr geschätzt haben muss, denn er setzt ihn darüber hinaus bei mehreren seiner Kantaten auch als Schlusschoral ein – sein Text, der das Vertrauen in Gottes Willen und Walten beschreibt, passt ja auch als Fazit zu (fast) jeder christlichen Botschaft.


    Die einleitende Choralbearbeitung gestaltet Bach nach gewohnter Manier: Die Sopranstimmen übernehmen den Vortrag der Choralmelodie, während die übrigen Stimmen den Satz harmonisch auffüllen und das Material der Choralweise imitieren und variieren.
    Die Oboen begleiten hierbei die Gesangsstimmen, die Streicher erhalten einen davon unabhängigeren Part.


    Nach diesem einleitenden Choralsatz folgen jeweils zwei Rezitativ-Arien-Paare, in denen alle vier Solostimmen zum Einsatz kommen.
    Alfred Dürr weist darauf hin, dass in der Arie Nr. 5 ein deutlicher Bezug auf den Choral “Meinen Jesum lass’ ich nicht“ von Christian Keymann (1607-62) erkennbar ist (und das nicht nur durch die wörtliche Erwähnung in der ersten Zeile der Arie!) und die Kantate somit – wenn auch in ungewöhnlicher Form – doch noch so etwas wie einen “Schlusschoral“ erhalten hat.

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)