Bei Durchsicht des Forums mochte ich garnicht glauben, daß Mahlers 3. Sinfonie noch keinen eigenen Thread hat, was ich hiermit ändere.
Lange wurde dieses Werk in einschlägigen Musiklexika guinnesrekordverdächtig als "längste Sinfonie" gehandelt, die (bis zum Uraufgführungzeitpunkt!) je komponiert wurde, was jedoch nicht nicht stimmte, denn Mahlers Kapellmeisterkollege Nicodé aus Dresden schrieb um 1890 ein Werk, daß mit reilich 100 Min. Aufführungsdauer die Mahlerschen Dimensionen von der Länge her deutlich überschreitet...
Die zwischen 1893 und 1896 entstandene Sinfonie wurde am 9. Juni 1902 auf dem 38. Tonkünstlerfest in Krefeld uraufgeführt. Mahler dirigierte die Städtische Kapelle Krefeld und das Gürzenich-Orchester Köln.
Die Resonanz des Publikums soll eher verhalten ausgefallen sein und ich erinnere mich daran, dass beim
Ranking der Mahler-Sinfonien bei Tamino das Werk auf den unattraktiven „hinteren Plätzen“ landete, was ich bedauerlich fand, könnte doch eben die 3. einen sehr schönen „Einstieg“ in den mahlerschen Klangkosmos bieten, weil in ihr zumindest vom Ansatz her alles enthalten ist, was auch die späteren Werke
kennzeichnet.
Diese Sinfonie in der Interpretation kirill Kondrashins (auf russisch !) war zusammen
Mit Vaclavs Neumanns legendärer cismoll-Sinfonie (Gewandhaus-Leipzig) meine „Einstiegsdroge“ zum
Gesamtwerk des Komponisten Mahler. Beide Aufnahmen lernte ich VOR dem allgemeinen „Mahler-Hype“, der mit Bernsteins Aufnahmen von Amerika nach Europa überschwappte, kennen (und lieben !) und BEIDE Aufnahmen halte ich auch heute noch für maßstabsetzend !
Nachdem Mahler für das Werk erst ein "Programm" entworfen hatte, von dem er sich jedoch noch vor der vollständigen Aufführung wieder verabschiedete lauten die einzelnen Sätze jetzt so:
1. Kräftig. Entschieden.
2. Tempo di Menuetto. Sehr mäßig. Ja nicht eilen!
3. Comodo. Scherzando. Ohne Hast.
4. Sehr langsam. Misterioso. Durchaus ppp. (Alt-Solo) „O Mensch gib Acht“ (Friedrich Nietzsche)
5. Lustig im Tempo und keck im Ausdruck. (Alt-Solo, Damen- und Knabenchor) „Es sungen drei Engel“ (Des Knaben Wunderhorn)
6. Langsam. Ruhevoll. Empfunden
Der Voillständigkeit halber seien hier auch die Programm-Sätze dem Namen nach erwähnt:
1. „Pan erwacht. Der Sommer marschiert ein“
2. „Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen“
3. „Was mir die Tiere im Walde erzählen“
4. „Was mir der Mensch erzählt“
5. „Was mir die Engel erzählen“
6. „Was mir die Liebe erzählt“
Für den vierten Satz verwendet Mahler einen wundervollen Text Friedrich Nietzsches aus dem „Zaratusthra“:
ZitatO Mensch! Gib acht! Was spricht die tiefe Mitternacht? Ich schlief! Aus tiefem Traum bin ich erwacht! Die Welt ist tief, und tiefer als der Tag gedacht! O Mensch! Tief! Tief ist ihr Weh! Lust tiefer noch als Herzeleid! Weh spricht – Vergeh! Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit!
Dem 5. Satz wurden Verse aus „Des Knaben Wunderhorn“ unterlegt und der Refrain „Bimm-Bamm“ veranlasste einige Spötter, von dem Werk als der „Bimm-Bamm-Sinfonie“ zu sprechen !
Auf Tonträger ist die Sinfonie ausgezeichnet dokumentiert; von den „alten“ Eispielungen ist Horensteins offenbar zur Zeit nicht am Markt befindliche Aufnahme hoch zu preisen. Die an anderer Stelle erwähnte Einspielung Scherchens konnte mich dagegen nicht überzeugen.
Ich beschränke mich deshalb auf 3 Einspielungen, die ich für besonders gelungen halte und andere taminesen werden diese Auswahl sicher ergänzen.
Claudio Abbados Darstellung des Werkes mit den Wiener Philharmonikern
besticht vor allem Dank Jessye Normans unvergleichlichem "O Mensch", aber auch Abbados sensible Zeichnung der Werkstrukturen ist das Resultat eines Mahler-Interpreten von hohen Graden !
Einen völlig anderen Ansatz findet Kent Nagano, der das Werk mit dem DSO
bis an den Rand des Verstummens auslotet und dem mit Dagmar Peckova nach Norman die beste Solistin zur Verfügung steht:
Pierre Boulez verfährt in gewohnter Weise seiner bisherigen Mahler-Einspielungen: er leuchtet sozusagen mit der Taschenlampe in die unzugänglichsten und entlegensten Ecken der Komposition und hebt dabei wahre Schätze ans Licht !
Fülle des Wohlauts
Die wohl derzeit beeindruckendste Darstellung des Werkes bietet Riccardo Chailly mit dem Concertgebouw. Ich kann damit leben, daß seine Solistin Petra Lang etwas blaßstimmig ist, allein der Finalsatz, dieses "flüssige Gold" um eine
Formulierung Thomas Manns zu gebrauchen, ist die Anschaffung allemal wert !