Bücher rund ums Cello

  • Liebe Taminas und Taminos,


    viele von uns lieben das Cello. Nicht wenige von uns spielen es (ich leider nicht). Daher dürfte nicht nur ich, sondern dürften auch andere an Informationen rund ums Cello sehr interessiert sein.


    Wie stets ist der Griff zu einem Buch ein geeigneter Weg, um das Informationsbedürfnis zu stillen. Nur zu welchem? Dieser Thread mag dazu dienen, einige Hinweise und Ratschläge zu geben.


    Thomas

  • Harald Eggebrecht – Große Cellisten, Piper-Verlag, 2007, 406 Seiten, gebunden, 24,90 €:



    Harald Eggebrecht ist Vielen als renommierter, vorwiegend in der Süddeutschen Zeitung schreibender Musikkritiker und als Autor des Buches „Große Geiger“ bekannt. Nun hat Eggebrecht in offenbarer Anlehnung an das Buch über die Geiger „Große Cellisten“ veröffentlicht.


    Wie in jenem stellt Eggebrecht in munter durcheinander gewürfelter Folge die Großen des Cellospiels vor. Biographisches, Konzerterlebnisse des Autors und Bemerkungen zu erwähnenswerten Aufnahmen (leider ohne genauere Angaben, einen diskographischen Anhang hätte ich sehr begrüßt) halten sich die Waage. Besonders lobenswert ist der größtenteils gelingende Versuch, die Besonderheiten des jeweiligen Cellospiels herauszuarbeiten und zu benennen. „Was spielt wer wie?“, lautet die zentrale Frage des Buches.


    Im ersten Kapitel „Stiefkind der Musiklandschaft?“ beschäftigt sich Eggebrecht auf dreizehn Seiten mit der Situation des Violoncellos am Beginn des 21. Jahrhunderts. Eggebrecht weist darauf hin, dass das Cellospiel im 20. Jahrhundert eine großartige Entwicklung genommen habe. Nie zuvor habe es ein so hohes technisches Niveau wie heute gegeben. Gleichwohl sei festzustellen, dass viele der heutzutage durch Meisterkurse rund um den Erdball auf höchstes Niveau gebrachten Cellisten nicht mehr die gewinnbringende Schule des Orchesterspiels durchliefen. Was früher selbstverständlich gewesen sei, sei bei heutigen Cello-Stars leider die Ausnahme. Nicht zu übersehen sei zudem, dass dem brillanten, leichtfüßigen Spiel dieser jungen Artisten ein wenig der Widerstand zu fehlen scheine. Auch Bedeutendes klinge zuweilen zwar cellistisch perfekt, aber musikalisch seltsam beiläufig, unaufgeregt und ohne existenzielle Dringlichkeit. Eggebrecht weist insoweit darauf hin, dass die Heroen der Vergangenheit von Kriegen, Verfolgungen, Unterdrückungen und anderen Notlagen geprägt worden seien, Erfahrungen, die die heutige Generation nicht gemacht hätten. Das Publikum habe derzeit leider weniger Gelegenheit, Cellospiel live zu erleben als früher. Die Aufmerksamkeit der Konzertveranstalter und damit die Resonanz des Publikums habe abgenommen.


    Die Kapitel über die Cellisten selbst sind teils einzelnen, teils mehreren Cellisten gewidmet. Die Kapitel heißen (teils habe ich verkürzt):


    „Der Vater – oder Warhaftigkeit des Ausdrucks: Casals“,
    „Sterne möglicher Cellozukunft: Chang, Ishizaka, Moser, Gabetta, Müller-Schott, Capucon“, „Schüler, Geliebte, Pioniere: Cassado, Suggia, Mukle, Harrison, Fleming“,
    „In der sengenden Hitze der Kälte: Starker“,
    „Helden der Gegenwart I: Mörk, Isserlis, Perenyi“,
    „Was gibt´s Neues?: Palm, Schiff“,
    „Larger than Life: Piatigorsky“,
    „Meister und Lehrer: Klengel, Becker, Pleeth, Shapiro, Greenhouse, Eisenberg, Rose, Helmerson, Pergamenschikow“,
    „Helden der Gegenwart II: Gerhardt, Hoffman, Haimowitz, Wang“
    „Der feine Gesang: Fournier, Janigro, Tsutsumi“,
    „Intensität und Exaltation: Nelsova, Pre, Harrell“,
    „Italienisch-Deutsche Cellospielarten: Mainardi, Hoelscher“,
    „Das Neue im Alten finden: Bylsma, Wispelwey, Queyras, Reijseger, Sollima“,
    „Der große Ton: Rostropowitsch“,
    „Russische Cellokunst: Shafran, Gutman, Geringas, Maisky“,
    „Drei Musketiere: Tortelier, Navarra, Gendron“,
    „Einheit der Vielfalt: Ma“ und
    „Einen Größeren gibt es nicht: Feuermann“


    Zudem werden in zwei Exkursen Viola-Spieler von Gestern und Heute vorgestellt.


    Die einzelnen Kapitel sind unterschiedlich lang. Für manche der Genannten bleiben nur wenige Seiten, die Kapitel über Casals und Feuermann sind dafür immerhin zwanzig bzw. neunzehn Seiten lang.


    Mir hat das Buch ausgezeichnet gefallen. Mit dem größten Vergnügen habe ich es binnen weniger Tagen durchgelesen und begleitet dazu CDs der jeweils Vorgestellten gehört – soweit vorhanden. Soweit nicht, sind diverse CDs sind auf meinem Einkaufszettel gelandet. Ein Buch mit Folgekosten also, aber in jedem Fall eine dicke Empfehlung.


    Viel Vergnügen mit diesem Buch wünscht
    Thomas

  • Winfried Pape, Wolfgang Boettcher: Das Violoncello. Geschichte - Bau - Technik – Repertoire, Schott, 2. Auflage, 2005, 306 Seiten, gebunden, 39,90 €:



    Winfried Pape studierte Violoncello bei Rudolf Metzmacher und Maurice Gendron sowie Musikwissenschaft, Pädagogik und Germanistik. Seit 1978 ist er Professor am Institut für Musikwissenschaft/Musikpädagogik an der Universität Gießen.


    Wolfgang Boettcher ist Professor an der Hochschule der Künste Berlin und langjähriger Solocellist der Berliner Philharmoniker. Er konzertierte mit vielen bedeutenden Orchestern und berühmten Dirigenten und Künstlern (Anmerkung: Diese Angaben zu den Autoren entnehme ich der Rückseite des Buches).


    Was diese beiden Autoren in dem Buch an Wissensfülle bieten, ist beeindruckend. Es handelt sich bei ihrem Werk um ein umfassendes Kompendium. Wer sich für die Themen Geschichte, Bau, Technik und Repertoire des Cellos interessiert, ist bei Pape/Boettcher genau richtig.


    Die Kapitel des Buches lauten (hinter den Spiegelstrichen finden sich die Unterkapitel):


    Die Geschichte des Instruments
    --- Die ersten bildlichen Darstellungen von Baßinstrumenten der Violinfamilie
    --- Exkurs: Viola da gamba-Typus und Violin-Typus
    --- Zeitgenössische Schriften als Quellen der instrumentengeschichtlichen Entwicklung
    --- Größe und Proportionen
    --- Versuche mit einer fünften (und sechsten) Saite
    --- Viola pomposa und Violoncello piccolo
    --- Seitenzweige der instrumentenbaulichen Entwicklung
    --- Violoncellobogen
    --- Der Name Violoncello


    Zur baulichen Struktur des Violoncellos
    --- Holzarten
    --- Violoncellobau
    --- Modellfragen
    --- Der Lack


    Anmerkungen zur Technik des Violoncellospiels
    --- Haltung des Instruments
    --- Bogentechnik
    --- Pizzicato
    --- Grifftechnik


    Die Entwicklung der Spieltechnik und die Geschichte des Violoncellospiels
    --- Von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
    ------ Haltung des Instruments
    ------ Grifftechnik
    ------ Bogentechnik
    ------ Violoncellospiel vom 16. bis 18. Jahrhundert
    --- Das 19. Jahrhundert
    ------ Haltung des Instruments
    ------ Grifftechnik
    ------ Bogentechnik
    ------ Violoncellospiel im 19. Jahrhundert
    ------ Von 1900 bis zur Gegenwart
    --- Violoncellospiel im 20. Jahrhundert


    Violoncellorepertoire
    --- Musik für Violoncello im 17. und 18. Jahrhundert
    --- Musik für Violoncello im 19. Jahrhundert
    --- Musik für Violoncello im 20. Jahrhundert


    Das Violoncello im Ensemble


    Das Violoncello im Jazz (von Ekkehard Jost)


    Jedes Kapitel enthält eine bewunderungswürdige Fülle von Informationen. Der in Relation zu dem Preis vergleichsweise geringe Umfang von „nur“ 306 Seiten ist nur scheinbar gering. Das Buch ist recht groß (Format B5, 176 × 250mm), die Seiten sind bei angenehmem Schriftbild prall gefüllt und der Text ist gehaltvoll und frei von Geschwafel. Man bekommt mit diesem Buch also nicht wenig für teueres Geld, sondern sehr, sehr viel.


    Für mich als passiven Celloliebaber besonders interessant sind die Kapitel „Die Entwicklung der Spieltechnik und die Geschichte des Violoncellospiels“ und „Violoncellorepertoire“. Selbstredend kann im letztgenannten Kapitel nicht annähernd auf einzelne Werke eingegangen werden, aber der gebotene Überblick ist unsagbar appetitanregend. Unfassbar, was es noch alles zu entdecken gibt. Wer meint, Cellospiel beschränke sich auf Bachs Solosuiten, die Sonaten von Beethoven und Brahms sowie die Konzerte von Dvorak und Elgar, der irrt gewaltig!


    Das Buch ist 2005 in zweiter Auflage erschienen, die erste stammt aus 1995. Pape und Boettcher schreiben im Vorwort zur zweiten Auflage: „In der 2. Auflage wurden unter Beibehaltung der Gesamtkonzeption kleinere Änderungen vorgenommen bzw. einige Fehler korrigiert, die den Text und das Bildmaterial betreffen. In diese Korrekturen eingeschlossen sind spezifische Modifizierungen, die auf Detailerkenntnissen neuerer instrumentenkundlicher Fachliteratur beruhen. Weiterhin stellt sich in dem Abschnitt „Musik für Violoncello im 20. Jahrhundert“ des Kapitels „Violoncellorepertoire“ die Aufgabe, neben Ergänzungen Kompositionen aufzunehmen, die nach der 1. Auflage dieses Buches, d.h. nach 1995 für Violoncello geschrieben worden sind. Aus dem gleichen Aktualisierungsgründen erfolgte im Literaturverzeichnis ein Nachtrag neuerer Publikationen.“ Ob es unter diesen Umständen lohnenswert ist, antiquarisch nach der Erstauflage zu fahnden, mag jeder selbst entscheiden.


    Von den oben gezeigten unterschiedlichen Bildern lasse sich bitte niemand verwirren. Mein Exemplar der zweiten Auflage entspricht dem rechten Bild. Das linke Bild stammt von Amazon. Vermutlich zeigt die Abbildung die Erstauflage.


    Viele Grüße
    Thomas

  • Gregor Piatigorsky: Mein Cello und ich und unsere Begegnungen, dtv, 223 Seiten, Taschenbuch, 8,95 €:



    ThomasBernhard hat anderswo bereits geschrieben:


    "Die Memoiren des Cellisten Gregor Piatigorsky sind sehr unterhaltsam zu lesen. Wirklich enorm lustig und kurzweilig!"


    Mir bleibt da nur zu sagen: ThomasBernhard hat Recht. Selten habe ich ein derart vergnügliches Buch in den Händen gehabt.


    Dass Piatigorsky gerne geflunkert hat und man, wie Eggebrecht in dem oben vorgestellten Buch anmerkt, sich davor hüten sollte, das von Piatigorsky Erzählte in toto für bare Münze zu nehmen, who cares, hat das Buch doch keinen wissenschaftlichen Anspruch, sondern soll es unterhalten. Und das tut es!


    Freundlich grüßt
    Thomas

  • Moin Thomas,


    ein äusserst lobenswerter neuer Thread. :D


    Pape, Boettcher gehören für mich zum MUSS eines jeden Cellisten oder Cello-Liebhabers. Deine Ausführungen ist eigentlich nur eine Sache hinzuzufügen:


    Wie wir Norddeutschen sagen würden der Sprachstil und die Darstellung sind äusserst "dröge", also sehr trocken und anspruchsvoll geschrieben. Es ist eben ein musikwissenschafftliches Buch.


    Im Gegensatz dazu ist Piatigorsky wunderbar leicht, frisch und amüsant geschrieben. Eigentlich müsste ich es mal wieder lesen. :D


    Den Eggebrecht habe ich auf meinem Weihnachtswunschzettel.

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

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  • Hilary du Pre, Piers du Pre: Jaqueline du Pre. Ein Genie in der Familie, Propylän, 1999, 416 Seiten, gebunden, 25 €



    Dieses schon im du Pre-Thread empfohlene Buch ist nicht nur eine Biographie, sondern gibt auch viele Einblicke ihr Seelenleben. Es gibt eine hervorragende Verfilmung.


    Sehr empfehlenswert.

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • Pablo Casals, Albert Kahn: Licht und Schatten auf einem langen Weg, Fischer, 24. Auflage, 1994, Taschenbuch, 9,95€



    Die Casals Autobiographie ist dagegen eher eine Aneinanderreihung von Fakten. Ab und zu gibt es kleine Anekdötchen, aber man erfährt wenig persönliches.


    Nicht unbedingt lesenswert.

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • Moin Radagast,


    von wegen weihnachtlicher Wunschzettel: Den Eggebrecht hatte ich ebenfalls für später geplant, evtl. könnte ich ja warten, bis das Buch als Taschenbuch erscheint, war sogar mein Gedanke. Na ja, ich hab´s nicht lange ausgehalten.


    Zum Thema Cellisten gibt es seit den siebziger Jahren:


    Julius Bächi: Berühmte Cellisten, Atlantis Musikbuch, 6. Auflage, 2003, 194 Seiten, gebunden, 24, 95 €:



    Um dieses Buch bin ich schon manches Mal herumgeschlichen. Gekauft habe ich es bis heute nicht. Warum nicht?


    Nun ja, einerseits enthält das Buch Porträts diverser Cellisten (auf dem Cover sind sie genannt). Andererseits aber handelt es sich durchweg nur um Kurzporträts, oft mit kaum mehr Informationen als den biographischen Rohdaten. In den siebziger Jahren mag die Sammlung derartiger Informationen noch verdienstvoll gewesen sein. In Zeiten des world wide web ist sie es nicht mehr. Zudem ist das Buch seit langem nicht mehr auf aktuellem Stand. Vereinfacht gesagt findet das letzte Vierteljahrhundert bei Bächi nicht statt. Teuer und wenig Inhalt, finde ich.


    Lohnt sich der Kauf gleichwohl? Meines Erachtens nicht. Jedenfalls sollte der Interessierte vor dem Kauf erst einmal in das Buch hineinschauen.


    Viele Grüße
    Thomas

  • Toller thread!
    Generell kann man sagen, daß die (schreibenden) Cellisten ein gar lustig Vökchen zu sein scheinen- zumindest viell witziger als Geiger und Pianisten!


    Das Buch von Piatigorsky (s.o., "Mein Cello und ich und unsere Begegnungen";) ist so geistreich und kurzweilig, daß es sogar meine nicht übermäßig musikinteressierte Freundin auf einen Sitz durchgelesen hat. Man muß natürlich wissen, daß dieser Piatigorsky schlußendlich ein absoluter Glückspilz war: mit einer Rothschild verheiratet, hochintelligent (es gibt noch immer das Piatigorsky-Schachtunier in Kalifornien), Besitzer der großartigsten Celli auf Gottes Erden ("sleeping beauty"- Montagnana (derzeit H. Schiff), BATTA [angeblich das beste Stradivari, derzeit im Metropolitan Museum NY], "Baudiot"- Strad. etc.).


    Folgende andere Bücher haben sich bei mir so angesammelt:



    Nett erzähltes Buch eines Cellisten, der aufgrund seiner breit gefächerten Karriere (u.a. Solocellist in mehreren amerik. Orchestern, berühmter Lehrer) eine Menge G'schichterln aus dem Ärmel schüttelt.


    Die derzeit einzige Feuermann Biographie einen unheimlich begabten, extrem zynischen Menschen. Sehr interessant zu wissen, daß im "1-Million Dollar Trio" offensichtlich weder Rubinstein noch Heifetz "die Hosen angehabt haben", sondern eindeutig Feuermann. Vielleicht ein Grund, wieso Heifetz, nach dem frühen und tragischen Tod Feuermanns', 10 Jahre kein Trio gespielt hat (bis schließlich Piatigorsky an F's. Stelle trat).



    Ein nettes Nachschlagewerk für Celloverrückte wie mich, immer auf der Suche nach der "perfekten Solosonate".



    Erst vor kurzem gelesen, GANZ interessant! Siegfried Palm, DIE Referenz für das 20. Jht..
    Interessant und kurzweilig, Interviewstil.




    Klingt interessant, muß ich mir besorgen!


    Zuletzt für Cellisten ein Klassiker:

  • Na, nix...
    Einfach nur "Ma"...
    und das letzte Kapiel ist dann halt „Einen Größeren gibt es nicht: Feuermann“


    LG
    Raphael


    (denk ich zumindest... :wacky: )
    :D

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  • Hallo Thomas,


    das neue Buch von Eggebrecht scheint wirklich sehr lohnend zu sein.
    Da habe ich ja schon mal etwas für meinen Weihnachtswunschzettel.


    Allerdings muß ich eine Einschränkung machen:
    Die Behauptung, daß heutige Cello-Solisten die "gewinnbringende" Erfahrung des Orchesterspiels im Gegensatz zu ihren Vorgängern verpaßt haben, halte ich für Unfug:


    Zum ersten ist das Orchesterspiel für einen Solisten überhaupt nicht gewinnbringend, sondern geradezu gefährlich, da man sehr schnell seine Intonation und den wirklich vollständigen Kontakt zu seinem Instrument verlieren kann, wenn man nicht sehr gut aufpaßt.


    Den größten Teil der Zeit im Orchester hört man sich selber ja nur noch sehr schlecht.


    Ich behaupte nicht, daß den älteren Solisten das Orchesterspiel geschadet hat-natürlich nicht, denn sie haben ja aufgepaßt- , aber ob es in jedem Falle eine lohnende und unabdingbar wichtige Erfahrung für ihre solistische Karriere war, bezweifle ich.


    Unabdingbar dagegen ist eine regelmäßige Beschäftigung mit Kammermusik- egal in welcher Besetzung.
    Und Kammermusik macht eigentlich jeder Cello-Solist, denn hier ist die Möglichkeit, an sich zu wachsen, sich zu reiben und Ensemblespiel zu kultivieren.


    Im Orchester ständig nach der Pfeife von jemand anderem zu tanzen bringt auf die Dauer nur Depressionen.


    Schauen wir doch mal, wer von den älteren Cello-Heroen nicht im Orchester war:


    Rostropowitsch, Maisky, Mork, Perenyi, Nelsova, du Pre, Shafran......


    Pergamenschikow erzählte mir einmal, er hätte ein einziges mal in einer Probe im Orchester gesessen und es so furchtbar gefunden, daß er es nie mehr gemacht hat.


    Im Prinzip hat ein großer Teil der vorgestellten älteren Cellisten niemals im Orchester gespielt oder nur ganz kurz.....


    Insofern halte ich diese Behauptung von Eggebrecht für anfechtbar :

    Zitat

    sei festzustellen, dass viele der heutzutage durch Meisterkurse rund um den Erdball auf höchstes Niveau gebrachten Cellisten nicht mehr die gewinnbringende Schule des Orchesterspiels durchliefen

    :no:


    Die folgende Anmerkung unterschreibe ich allerdings:

    Zitat

    Auch Bedeutendes klinge zuweilen zwar cellistisch perfekt, aber musikalisch seltsam beiläufig, unaufgeregt und ohne existenzielle Dringlichkeit



    Zu Piatigorsky:


    Er war ein großer Geschichtenerzähler und sein Buch ist wirklich nicht ernstzunehmen.


    Die Wahrheit sah wohl ganz anders aus:
    Piatigorsky muß Zeit seines Lebens Todesangst vor Verfolgung gehabt haben, ein Umstand, den er anscheinend grauenvollen Erlebnissen im Rußland der Zarenzeit und nachher in Europa durch die Judenverfolgung verdankte.


    Es gibt eine sehr gut besprochene neue Biographie(leider bisher nur in Englisch) von M.Bartley mit dem Titel:
    Grisha-the Story of Cellist Gregor Piatigorsky,
    welche seinen wirklichen Lebensweg sehr anschaulich beschreiben soll.
    Dieses Buch steht natürlich auch auf meinem Wunschzettel....


    Bezeichnend für die ungewöhnlichen Lebensumstände von Piatigorsky finde ich auch, daß er in seinem Buch die Existenz seines Bruders, des in Rußland sehr bekannten Cellisten Stogorsky, verschweigt.


    Stogorski, wie schon gesagt ebenfalls Cellist, hatte übrigens seinen Namen geändert, damit es keine Verwechslungen gab:
    Piatigorsky bedeutet übersetzt "5 Berge" , Stogorsky bedeutet übersetzt "100 Berge" :D


    Lieben Gruß,
    Michael

  • Hallo Thomas,

    Zitat

    Um dieses Buch bin ich schon manches Mal herumgeschlichen. Gekauft habe ich es bis heute nicht. Warum nicht?


    das war ganz richtig.
    Ich besitze die Bächi-Veröffentlichung.
    Es ist ein nettes Buch, in der neuesten Ausgabe sind einige "jüngere" Cellisten dazugekommen, von denen manche auch schon das Zeitliche gesegnet haben.
    Es ist bieder geschrieben und zum Schluß gibt es noch ein extra-Kapitel über bedeutende Schweizer Cellisten.


    Natürlich gibt es extrem wichtige Schweizer Cellisten wie die Brüder Demenga, aber insgesamt ist dieses Buch heutzutage wirklich überholt.


    Wie Du schon sagtest, in den 70er und 80er-Jahren war das noch anders, aber heute ist es zu teuer bei zu wenig Information.


    Insofern rate ich vom Kauf ab.

  • Hallo,


    ich bin nur Cellohörer.


    Das Buch von William Pleeth finde ich sehr interessant.


    Das Buch von Piatigorsky finde ich sehr amüsant.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • William Pleeth: Cello: Yehudi Menuhin Music Guides, Kahn & Averill, Taschenbuch, Englisch, 304 Seiten, 20 €


    auf Deutsch erschienen unter dem Titel: Das Cello. Yehudi Menuhins Musikführer, Ed. Sven Bergh, 2. Auflage 1993, nur noch antiquarisch.



    Hallo Herbert,


    das Buch von Pleeth kenne ich nicht. Magst du ein wenig zum Inhalt mitteilen?


    Freundlich grüßt
    Thomas

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  • Hallo Thomas,
    in dem Buch von W.Pleeth geht es um die Geschichte, die Technik
    und die Philosophie des Cellospiels. Ich nenne mal einige Artikel:
    Technik im rechten Blickwinkel,
    Ganzheit beim Üben,
    Die richtige Einstellung zu Etüden,
    Lebendigkeit der linken Hand,
    Die Ehe zwischen linker und rechter Hand,
    Das Bogenhandwerk,
    Ensemblespiel,
    Musizieren mit dem Klavier,
    Spielhaltung des Cellos,
    Bogenbeherrschung,u.v.a.
    Es ist keine Unterhaltungslektüre, sondern eher eine Fachliteratur
    über und um das Violoncello.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Das Buch von Pleeth (er war ja der Cello-Papa von du Pre) habe ich vor Jahren auch einmal gelesen.
    Wirklich interessant, aber es richtet sich, wie Herbert schon angedeutet hat, an ausübende Cellisten.


    Das Kapitel

    Zitat

    Die richtige Einstellung zu Etüden

    habe ich überschlagen..... :D:untertauch:


    :hello:
    Michael

  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    Bei Nichtgefallen kann ich ja das alte S/W Zombiephoto aus dem Film "Ein Zombie hing am Cellobrett" wieder einfügen.


    Sag nicht, du spielst auf dem alten Avatar gerade die Cello-Bearbeitungen der Film-Musiken Lucio Fulcis! Dann will ich das sofort wieder haben!


    :hello:
    B.

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  • Neinnein, ich habe da gar nicht gespielt, das war nur gestellt. :O


    Um zum Thema zurückzukommen:
    Wenn es um Fachliteratur für Cellisten geht, gibt es noch ein weiteres Standardwerk, welches einen in Details ähnlichen Ansatz wie das von Pleeth hat, nämlich das Buch "Cello üben" von Gerhard Mantel.



    Dieses Buch kann sehr interessant sein, wenn man Unterstützung und Anregung bei dem sehr wichtigen Thema "Wie kann ich das Üben üben" sucht.


    Denn das ist ein geradezu sträflich vernachläßigtes Thema bei der Musikerziehung.
    Es reicht nicht, Stunden um Stunden des Übens abzureißen, wenn die Art und Weise des Übens grundsätzlich falsch ist.


    Eine Stunde gezieltes Üben ist in jedem Falle einem mehrstündigen ziellosen Herumgestöber vorzuziehen.


    Von Maria Kliegel gibt es noch ein Buch mit DVD mit dem Titel "Masterclass" ,


    welches ich nicht kenne.
    Insofern kann ich nicht sagen, ob es lohnend ist.
    Aber warum nicht, Kliegel ist eine sehr erfolgreiche Professorin.
    In den Kritiken, welche ich bisher über dieses Werk gelesen habe, wurde nur die beständige "Duzerei" des imaginären Schüler kritisiert.


    Es gibt auch noch ein Buch über Antonio Janigro, welches ich ebenfalls nicht kenne, aber für die Interessierten hier hereinstelle:



    Allerdings habe ich die Kritiken über dieses Buch seinerzeit in unserem Fachblatt "Das Orchester" gelesen, und diese waren ziemlich positiv.


    Dieses Buch interessiert mich und kommt auch auf meinen Wunschzettel:


    Und natürlich darf Wolf Wondratscheks Erzählung "Mara" nicht fehlen.



    Das Buch erzählt die Geschichte des Stradivari-Cellos namens Mara, dessen heutiger Besitzer Heinrich Schiff ist.


    Über dieses Buch gab es hier bei uns schon einige positive wie negative Kommentare.
    Mir hat es jedenfalls in seiner Geschwätzigkeit nicht gefallen und ich habe es als Edelkitsch empfunden.
    Aber das ist völlig egal, denn trotz alledem ist die Idee, die wechselhafte Geschichte eines alten Meisterinstrumentes zu erzählen, ziemlich reizvoll und ich möchte um Himmels Willen niemanden davon abraten, dieses Buch zu lesen und eventuell zu genießen.
    Mir tut nur leid, daß der gute Anthony Pini, ein britischer Meistercellist der "pre" Du Pre Ära in den 50er Jahren nicht besonders vorteilhaft beschrieben wird und außerdem offen Schleichwerbung für den Geigenbauer Hans Weisshaar aus Los Angeles gemacht wird.
    Dazu muß man wissen, daß die "Elite" der Geigenbauer unter etwa vier Geigenbauern in der ganzen Welt ausgetragen wird und dieses Gebilde durchaus einige mafiöse Zustände aufweißt.
    Wenn es um Expertisen geht, dann gelten so gut wie immer nur diejenigen von Weisshaar, Beare, Vatelot und vielleicht noch Machold etwas.
    Diese Expertisen sind enorm teuer und tragen zum exorbitant hohen Preis eines solchen Instrumentes nicht unerheblich bei.
    Alle Expertisen von anderen Geigenbauern, auch wenn sie zutreffen sollten, sind so gut wie wertlos.
    Das als Beispiel.



    Jetzt muß Hildebrandt nur noch Heinrich Schiff davon überzeugen, daß er bei der Qualität dieses Instrumentes einer Selbsthypnose oder einem Placebo-Effekt aufgesessen ist. :D
    Schiff wird danach bestimmt reumütig ein preisgünstiges modernes Instrument kaufen und seinen Kamin mit dem "Mara" befeuern. :untertauch::stumm:

  • Hat hier jemand schon einmal etwas ueber einen Cellisten mit dem Namen Ennio Bolognini in einem der Buecher gelesen?
    Es soll sich in seinem Fall um einen fast legendenhaft talentierten Cellisten gehandelt haben (Casals bezeichnete ihn angeblich als das groesste Talent, das er je gesehen hat), der aus Argentinien kommend, zunaechst als sparring Partner fuer Jack Dempsey, in die USA kam, schliesslich Solocellist des Chicago Sinfonieorchesters wurde und ausserdem Pilot, Sportler, Uebersetzer (griechisch, hebraeisch, russisch, etc), und was weiss ich noch alles war.
    Aufnahmen sind Mangelware, aber vielleicht steht ja etwas mehr in den Cello-Kompendien?

  • Gute Frage, flotan!


    Eigenartig, dieser Cellist besitzt einen geradezu legendären Ruf bei Insidern, aber man findet so gut wie nichts über ihn.
    Daher melde ich hiermit auch mein Interesse an.
    :hello:
    Micha

  • Hallo Flotan und Michael,


    Margaret Campbell widmet Bolognini in ihrem Buch "The Great Cellists", das ich hiermit vorstelle, zwei Seiten.



    In den anderen Büchern, die ich besitze, findet sich nichts über ihn. Campbell beschränkt sich auf den zwei Seiten leider auf das Wiedergeben von einer Grobbiographie, Anekdoten und lobenden Zitaten. Über die Spieltechnik, das Repertoire, gar Aufnahmen findet man hingegen nichts.


    Da das, lieber Flotan, was du zu Bolognini geschrieben hast, so in Campbells Buch steht, vermute ich, du besitzt es auch, richtig?


    Auch im Übrigen legt Campbell mehr Wert darauf, die Lebensläufe der Cellisten zu beschreiben als ihr Spiel. Daher hat mich das Buch ein wenig enttäuscht. Aufnahmen werden, soweit ich mich erinnere, gar nicht beschrieben. Aber immerhin, wie das Beispiel Bolognini zeigt, sind hier manche Informationen zu finden, die man anderswo vergeblich sucht.


    Das Buch ist nur in Englisch erhältlich.


    Aufnahmen von Bolognini habe ich noch nicht gehört.


    Freundlich grüßt
    Thomas

  • Lieber Thomas,
    das Buch braucht man dann wohl eher nicht, im Internet findet sich schon ein wenig:
    http://cello.org/cnc/ennio.htm
    http://en.wikipedia.org/wiki/Ennio_Bolognini
    http://lobasicoargentina.blogs…a-argentino-que-hizo.html


    Uups, den letzten, argentinischen Link habe ich selber gerade erst entdeckt, und man kann da einige Musikbeispiele herunterladen.
    Aber da war er wohl schon recht alt, hoffe ich.
    Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

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  • Lieber Michael,


    danke für den link. Den Bach-Ausschnitt habe ich mir gerade angehört. Mit deiner Bemerkung, Bolognini sei da wohl schon recht alt gewesen, warst du sehr, sehr nett. Das ist ja gruselig, was der da spielt. Hoffen wir also, dass es wirklich nur am Alter lag - ich glaub´s nicht, ehrlich gesagt. Nach diesem Eindruck scheint mir viel eher, dass die Legende vom großen Bolognini nur entstehen konnte, weil es keine nennenswerte Aufnahme von ihm gibt.


    Grüße aus Norderstedt
    Thomas

  • Lieber Thomas,
    hier ist ein link, wo man sich einen kurzen Ausschnitt einer alten Aufnahme mit Bolognini anhören kann:
    http://www.amazon.fr/Recorded-…erzbilowicz/dp/B000000WYF
    Es ist die Nummer 4 auf der dritten CD : 'Echo' Serenade
    Das klingt schon anders, aber die Gitarrenbehandlung des Cellos gefällt mir besser, als was er dann später streicht.
    Das ist halt so mit den Legenden beim Cello, nach Rostropowitsch z.B. tut man-jedenfalls ich-sich irgendwie etwas schwer mit all diesen Supervirtuosen der Vergangenheit-ausgeschlossen natürlich, und das für immer, natürlich Feuermann.
    Was aber z.B. Frau Suggia angeht, mit der kannst Du ein Beispiel unter Humoreske auf derselben Seite auf CD Nr.1 anhören.
    Übrigens spielen alle Cellisten auf diesen sehr alten Aufnahmen mit Vibrato.............. :wacky:

  • Hallo,
    irgendwie habe ich es, da dieses Buch sehr persönlich gehalten ist und mir irgendwie wie ein Abschiedsgeschenk an Vertraute vorkam, unterlassen, auf dieses hinzuweisen.


    Dies möchte ich nun unbedingt nachhohlen:



    http://www.amazon.de/Boris-Per…oks&qid=1237077745&sr=8-2


    Der sehr richtigen Kundenrezension von Patrick McCrae bei Amazon schliesse ich mich leider an.


    Da ich selber 5 Jahre bei diesem außergewöhnlichen Menschen und Musiker studieren durfte, hatte ich mir ehrlich gesagt noch wesentlich mehr Hintergrundinformationen erhofft.


    Für mich ist dieses Buch aber leider nicht mehr und nicht weniger als eine schöne Erinnerung an den von mir geliebtesten Lehrer und bewundertsten Cellisten von allen mit Fakten und Geschichten welche ich eh schon kannte.
    Und diese werden leider auch immer und immer wieder wiederholt von verschiedenen Personen im Buch wiedergegeben, ohne daß es einen Zusammenhalt gibt.


    Für einen Außenstehenden wird dieses Buch eher unübersichtlich und leider nur in Teilen interessant sein, denke ich.


    Für denjenigen, der Pergamenschikow verehrte, ist dieses Buch natürlich trotzdem ein Schatz, trotz meiner Einwände.


    Und auch für mich ist es ein Schatz, natürlich.



    LG,
    Michael