Kenneth Branagh: Mozarts Zauberflöte als Film



  • TAMINO Joseph Kaiser
    PAMINA Amy Carson
    PAPAGENO Benjamin Jay Davis
    LA REINE DE LA NUIT Lyubov Petrova
    SARASTRO René Pape [!]
    MONOSTATOS Tom Randle
    PREMIÉRE DAME Teuta Koço
    DEUXIÉME DAME Louise Callinan
    TROISIÉME DAME Kim-Marie Woodhouse
    PAPAGENA Sylvia Moi
    PREMIER GARÇON William Dutton
    DEUXIÉME GARÇON Luke Lampard
    TROISIÉME GARÇON Jamie Manton
    PREMIER OFFICIER Rodney Clarke
    SECOND OFFICIER Charne Rochford
    PREMIER SOLDAT Peter Wedd
    SECOND SOLDAT Keel Watson


    CHAMBER ORCHESTRA OF EUROPE
    CHŒUR APPOLO VOICES
    JAMES CONLON


    1. Halbzeit


    Nach Baden-Badener Theaterfest mit allem Tritrara blieb nur noch Zeit für den ersten Akt. Musikalisch beeindruckend: Lyubov Petrova als Königin der Nacht möchte ich einmal live erleben - so toll ich die Stimme und die Ausführung finde, ich kann nicht glauben, dass diese Darbietung mit rechten Dingen zugegangen ist - Khampan kann mal aktiv werden, um herauszufinden, was an der Geschwindigkeit gedreht wurde.


    Der Film ist m. E. sehr deutlich an die Bergman-Verfilmung angelehnt, die Handlung wurde aber in den ersten Weltkrieg verlegt. Der Sinn dieser Aktion lässt sich für mich nicht erkennen, aber interessant ist es allemal. Jedenfalls wurde die Handlung - mit unvermeidbar aberwirtzigen Nebeneffekten - entsprechend angepasst. Die giftige Schlange mutiert zu einer Handgranate, die drei Damen sind notwendiger Weise drei Krankenschwestern, die Königin der Nacht rollt obligat mit einem Panzer, dessen Kanonenrohr auf Tamino gerichtet ist, an und proklamiert lauthals: "Don't be afraid" - ein wenig Paradoxie schadet nie.


    Zwischen dem originären Priester in der rezitativischen "Zurück"-Szene und Sarastro wird eine nicht einmal so verkehrte Personenidentität hergestellt - Sarastro gibt sich erst in der Schlußszene des ersten Aktes als solcher zu erkennen - mit gelungener Wirkung. Papagenos Mimik und Gestik sind wirklich einmalig und bewundernswert.


    Leider wirkt die Trickkiste der Produzenten etwas billig - man erkennt mehr als deutlich die ins Bild geschnittenen Pappflieger - obschon die Aufnahmen als solche durchaus unter die Haut gehen. Aber ich fühlte mich nicht so recht aus der Wirklichkeit herausgerissen. Das allerdings passiert dann doch an anderer Stelle. Die Frage der Absicht muß - wie bei Bergman - größtenteils offen bleiben.


    Insgesamt aber gefällt mir diese Aufmachung doch recht gut! Außerdem ist in dieser Edition noch eine separate CD mit dem "Soundtrack" enthalten, was die Einspielung [so künstlich sie auch sein mag] für mich um so interessanter macht. Durch die englische Sprache wirkt die "Zauberflöte" auf mich ein wenig musicalhaft und kitschig.


    Soweit mein erster - überwiegend positiver - Eindruck.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • 2. Halbzeit


    Über den zweiten Akt gibt es m. E. nur wenig Neues zu berichten. Mir kam er im Verhältnis zum ersten Akt wesentlich einfallsloser vor. Vielleicht war es aber auch lediglich der Gewöhnungseffekt und die Unterbrechung von 24 h, die ja nicht gerade üblich ist. Beeindruckt hat mich allerdings die Szene der Geharnischten, die ich nicht verraten werde; nur soviel: für meinen Geschmack extrem tolle Bilder und technisch geschickte Täuschung/Überraschung mit leichtem Ekeleffekt. Die Szene, in der sich Papageno erhängen will und dann letztlich von den drei Knaben durch deren Geistesgegenwärtigkeit gerettet wird, empfand ich als belanglos. allein deswegen muß ich noch meinen eigenen Film drehen. Die Untergangsszene der Königin der Nacht mit ihrem Gefolge ist im Vergleich zu Bergman völlig harmlos gestaltet, auch hier wieder billige Effekte. Mich wunderte eigentlich nur, dass nicht Harry Potter noch vorbei kam. Für das 21. Jahrhundert, jenes der technisch unbegrenzen Möglichkeiten, ist der Film für mich eher witzlos, zumal die technischen Effekte so gar nicht in die übrige ganz gute Szenerie hineinpassen.


    Eigentlich bin ich ganz froh, dass es überhaupt jemand wagt, eine solche Verfilmung - wenn sie auch im Kino gestrandet ist - zu machen.


    Am Ende wächst Gras drüber - eine sicherlich unbeabsichtigte Eigenironie.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo!


    Mein Résumée nach zwei Halbzeiten mit Verlängerung:


    Ich habe bereits im letzten Jahr vergeblich nach einer Verfilmung der Zauberflöte gesucht. Ich konnte kaum glauben, dass es bisher niemand gewagt hatte, ein solches Projekt anzugehen, da es ja durchaus erfolgversprechend klingt (schließlich handelt es sich um die bekannteste und beliebteste Oper überhaupt).
    Die fantasievoll-märchenhaften Züge dieser Oper halte ich für prädestiniert dafür, das Ganze in einer Mischung aus Musical und Fantasy-Film auf die Leinwand zu bringen.


    Bergmans Verfilmung fand ich in dem Kontext enttäuschend, da sie die Möglichkeiten, die das Genre "Film" bietet nicht ausnutzt. Es handelt sich mehr um eine Abfilmung, als eine Verfilmung.


    Da ich so lange vergeblich nach einer Umsetzung gesucht habe, und ich Branagh als Regisseur sehr schätze, waren meine Erwartungen an die Verfilmung entsprechend hoch.


    Zunächst finde ich, dass die Idee, die Handlung in einen Kriegsschauplatz zu verlegen, sehr gut funktioniert. (Warum im Zusammenhang mit diesem Film immer vom "Ersten Weltkrieg" die Rede ist weiss ich nicht...es geht hier eindeutig um den Krieg zwischen Sarastros Anhängern und jenen der Königin der Nacht. Einzig die Szenerie mit den Schützengräben und die Uniformen erinnern an WK I)
    Dadurch gewinnt Sarastros Aufruf zu Frieden und Versöhnung an Nachdruck und die Feuer/Wasserprobe Taminos fügt sich sehr gut in den Schauplatz ein.


    Den tiefen Griff in die Trickkiste halte ich für legitim, allerdings wirkt der Film dadurch an vielen stellen eher poppig als märchenhaft, und ich empfinde die Trick an vielen Stellen als störend.


    Gut gefallen hat mir, dass besonders die tragischen Stellen durch die filmischen Mittel an emotionaler Tiefe gewonnen haben. Die humorvollen Szenen insbesondere im Zusammenhang mit Papageno hingegen finde ich eher lahm und witzlos. Schade.


    Ich will jetzt inhaltlich nicht zu viel vorwegnehmen, da sicher der eine oder andere den Film noch sehen will (sofern er in Deutschland jemals gezeigt wird)


    Insgesamt kann ich nicht sagen, dass meine Erwartungen enttäuscht wurden, aber dennoch hatte ich etwas Großartigeres mit mehr Gänsehaut erwartet.
    Ich glaube, dass der Film besser seine Wirkung im Kino entfaltet, wo man mehr mittendrin ist, statt nur dabei.


    :hello:
    Violoncellchen

  • Salü,


    soeben habe ich - das hätte ich garnicht erwartet - auch die beiliegende Soundtrack CD vollständig abgehört. Ich schwanke noch mit meinem Urteil - manchesmal haben sich mir die Haare gesträubt, dann war ich wieder fasziniert. Leider ist auf der CD nicht die gesamte Musik abgebildet [die hingegen im Film vorhanden ist], was ich sehr schade finde. Einige m. E. doch wichtige Arien und Ensembles wurden durch einen Erzählmodus ersetzt. Nicht sooo schlimm, wenn der Sprecher nicht bewußt in die beginnende folgende Musik hineinreden würde. Dennoch ist die Dramatik von Beginn an exzellent gestaltet - auch die Übersetzung ins Englische scheint mir ausgesprochen gut gelungen, wenn man von wenigen an den Hintergrund des Films angepassten Textstellen einmal absieht. Wirklich ausnahmslos gut ist der Beginn des Finales II inklusive der Geharnischten-Szene gelungen. Das darf man sich auf der Zunge zergehen lassen - eine Ohrenweide.


    Irgendwie habe ich dennoch manchmal den Eindruck, dass Orchester und Solisten getrennt aufgenommen wurden. Gelegentlich höre ich Stellen, wo nicht zusammen musiziert wird. Ich mag mich aber auch täuschen oder der Grund für mein Erhörtes mag woanders liegen.


    Also eigentlich lohnt es sich... :yes:


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • @ Violonchellchen


    Ingmar Bergmann hat vor einigen (25 ?) Jahren bei Zauberflöte Regie geführt und verfilmt. Ich habe diesen Film damals im Kino gesehen und war von der Szene und den optischen Lösungen begeistert, von der musikalischen Seite nicht so ganz. Ich bin aber nicht sicher, ob es diese Produktion auf Video oder DVD gibt (wenn ja, bitte um Information wo bekommbar)


    ein Gruß aus Wien
    Michael 2 (der morgen in eine Zauberflöte gehen wird)

  • Hallo brunello,


    Bergmans Zauberflöte gibt es (ebenso wie Branaghs) nur über das französische Amazon:



    Liebe Grüße und viel Spaß in der (anderen) Zauberflöte!
    Violoncellchen :hello:

  • Salü,


    selbstverständlich gibt es auch einen eigenen Thread zu Bergman


    Ingmar Bergman: Der "größte Filmregisseur aller Zeiten" ist tot


    und dessen Zauberflöte


    "Die Zauberflöte" als Film von Ingmar Bergman (ca. 1975)


    :hello:


    Ulli


    P.S. @Vc: Dein Link funktioniert nicht:


    Zitat


    Sie suchen nach etwas Bestimmtem?
    Tut uns Leid: Die Web-Adresse, die Sie eingegeben haben, gibt es auf unserer Website nicht.

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli
    P.S. @Vc: Dein Link funktioniert nicht:


    komisch...bislang hat unser [am]-Tag immer korrekt auf ausländische Amazon-Seiten verlinkt...dass das Bild angezeigt wird, aber der Link nicht funktioniert ist auch seltsam....naja...mach ich's halt von Hand und zu Fuß. Jetzt sollte es funktionieren.


    Gruß :hello:
    Violoncellchen

  • Zitat

    Original von Violoncellchen


    Ich will jetzt inhaltlich nicht zu viel vorwegnehmen, da sicher der eine oder andere den Film noch sehen will (sofern er in Deutschland jemals gezeigt wird)


    Nach der Info kommt der Film am 3.1.2008 in Deutschland in die Kinos:
    http://www.kino.de/kinofilm/ke…e-zauberfloete/94255.html


    Die Beschreibungen lesen sich für mich, als könne ich solange warten... Die rechte visuelle Vorstellung, wie Film und Oper hier ineinandergreifen, fehlt mir leider.

  • Zitat

    Original von S.Kirch
    Nach der Info kommt der Film am 3.1.2008 in Deutschland in die Kinos:


    Oh, doch schon. Dann hat er immerhin bereits filmhistorischen Wert. :D


    Zitat

    Die Beschreibungen lesen sich für mich, als könne ich solange warten...


    Hängt von Dir ab - wenn Du die L-Form präferierst, hast Du bald Gelegenheit hineinzuschnuppern.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Zitat

    Original von S.Kirch


    Nach der Info kommt der Film am 3.1.2008 in Deutschland in die Kinos:
    http://www.kino.de/kinofilm/ke…e-zauberfloete/94255.html


    Die Beschreibungen lesen sich für mich, als könne ich solange warten... Die rechte visuelle Vorstellung, wie Film und Oper hier ineinandergreifen, fehlt mir leider.


    Die edition Salzgeber, die den Film herausbringen will, ist ein sehr kleiner Verleih, dessen Programm sich weitgehend auf das "Forum" der Berliner Filmfestspiele stützt. Ich habe allerdings nicht mitbekommen, dass der Film dort lief. Jedenfalls dürfte er danach nur mit einer winzigen Kopienzahl in ganz wenigen Städten gezeigt werden. Also sollte man sofort reingehen, wenn er angekündigt wird.


    Ansonsten empfiehlt sich wirklich nur die - leider etwas teure - französische DVD.


    Einen ungefähren Bildeindruck und weitere Stimmen zu dem Film gibt es übrigens in den Threads, auf die Ulli bereits hingewiesen hat.


    :hello: Rideamus

  • Nein, L ist völlig korrekt.


    :P

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Violoncellchen
    (uuuuuups.....vertritschtratscht :evil: )


    Gleich wirste vom großen Alf weggeixxt... :D

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo zusammen,



    ich hole den thread mal aus seiner Versenkung hervor.


    Inzwischen bekam ich die DVD mit dem Film und hatte Gelegenheit, mir die filmische Umsetzung der Zauberflöte anzusehen. Ulli und Violonchellchen haben schon einiges berichtet, demm ich mich im wesentlichen anschließen kann.


    Insgesamt halte ich (trotz einiger einfacher Filmtricks) diesen Film für unbedingt sehenswert, denn mE ist die Umsetzung rundum gelungen. Musikalisch sehr schön, und die Regie wartet mit eier ganzen Reihe gelungener und passender Pointe auf - mir hats gefallen!



    LG, Elisabeth

  • ich hole den thread mal aus seiner Versenkung hervor.


    Insgesamt halte ich (trotz einiger einfacher Filmtricks) diesen Film für unbedingt sehenswert, denn mE ist die Umsetzung rundum gelungen. Musikalisch sehr schön, und die Regie wartet mit eier ganzen Reihe gelungener und passender Pointe auf - mir hats gefallen!


    Dem pflichte ich mit einem großen JAAAAAH! bei.
    Ein toller Film. Es mag Menschen geben, die die Interpretation der "Zauberflöte" für nicht gelungen halten, vielleicht kitschig, grell, bunt, aber genau das ist es, was mir gefällt. Es ist ein Märchen, ein spannendes, unterhaltsames Märchen.
    Eine grandiose Symbiose aus Tradition und Moderne.
    Dieser Film macht macht vor allem einfach eines... einen Riesenspaß!
    :jubel::jubel::jubel:

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)


  • Sir Kenneth Branagh Kt. (seit wenigen Tagen geadelt) kenne ich durch seine sehr guten Verfilmungen von Shakespeares Henry V sowie Hamlet. Ersteres spielt in in der Originalhandlungszeit und ist ein prächtiger Historienfilm geworden, letzteres verlegt er ins 19. Jahrhundert, wobei ich sagen muss, dass das in diesem Fall wirklich klappt.



    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões