Aufnahmen, die sich durch ihre Unvollkommenheit vollkommen unverzichtbar machten

  • -Chöre, die etwas „schwach auf der Brust“ sind.
    -Intonationsprobleme.
    -Übersteuerungen von diversen Instrumenten.
    -Durch „Frösche im Hals“ bedingtes Kratzen in der Solistenstimme.
    -Eine Trompete, die beim Pianissimo Glucker-Geräusche, Speichelfluss-bedingt, hören lässt.
    -Ein möglicherweise auf den Punkt genau fallen gelassener Schlüssel eines Zuschauers, der dadurch auf der Liveaufnahme die Triangel verstärkt. :-)


    ...usw...


    Aber: Aufnahmen, in denen Euch „Mankos“ als unabdingbar vorkommen.


    Ein Zeugnis tiefster Menschlichkeit...


    :stumm:

  • Hallo jaaan,
    da fällt mir als spontanes Beispiel eine Aufnahme des 5.Klavierkonzertes von Beethoven mit Walter Gieseking und dem Orchester des Reichssenders Berlin unter Artur Rother ein.


    Es handelt sich bei dieser fulminante Interpretation um eine Stereo-Versuchsaufnahme vom Herbst 1944 in durchaus guter Tonqualität.


    Das, welches mir diese Aufnahme so unverzichtbar macht, ist die Tatsache, daß man den ganzen 1.Satz hindurch und vor allem bei der Kadenz Flak-Gefeuere hören kann.
    Anscheinend war damals soeben ein Luftangriff auf Berlin im gange.


    Man hört deutlich, daß vor der Kadenz ein Schnitt ist, und wärend der Kadenz ist das Flakfeuer noch lauter als vorher.


    Der nachfolgende Orchestereinsatz ist von einer solchen Intensität, wie ich sie niemals mehr gehört habe.


    Hier wurde ums Leben gespielt, und das in Hifi-Stereo.........


    Interessanterweise paßt das Flakfeuer zur Musik, vor alem zur Kadenz, es stört mich gar nicht.
    Auf der anderen Seite fehlt mir bei jeder anderen Interpretation seitdem das Flakfeuer, so hat es sich in mein Hirn eingebrannt und so gut paßt es m.e. zum Werk. :wacky:


    LG,
    Michael

  • Als tontechnisch unvollkommen bezeichnen würde ich auch die Aufnahme von Beethovens Sechster Symphonie unter Carlos Kleiber.


    Die originalen Bänder aus dem Archiv der bayrischen Staatsoper sind unbrauchbar geworden und so hat man eine MC von Kleibers Sohn hergenommen und remastered. Trotzdem ist die Tonqualität à la 1950.


    Wenn man jedoch die Interpretation hört, ist all das vergessen und wenn man bedenkt, dass Kleiber diese Symphonie nur dieses eine Mal gespielt hat, ist man unglaublich dankbar, dass dieses Ereignis überhaupt in irgendeiner Form festgehalten wurde.


    LG
    Georg

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Ähnlich wie bei Georg verhält es sich mit Guldas "Mozart-Tapes"



    Wiederentdeckte Privataufnahmen in bescheidenen Qualität - aber halt eben Gulda :]
    Und teilweise hat es sogar den Reiz der Privataufnahme, obwohl man nach einiger Zeit dann wieder nach ordentliche Tonqualität lechzt :D
    (die Studioeinspielungen Guldas sind mir da eher zu steril; am Besten fand ich ihn bei einigen Konzertmitschnitten)


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Strauss: Vier letzte Lieder (Flagstad/Furtwängler)




    Die Dokumentation der Uraufführung der "Vier letzten Lieder" mit Kirsten Flagstad unter Wilhelm Furtwängler ist verloren gegangen. Überliefert wurde nur eine grottenschlechte Aufzeichnung der Generalprobe, eine Aufnahme, bei der man nur die großartige Interpretation hören konnte, wenn man das Werk sehr gut kannte. Über Jahrzehnte habe ich bei jeder Neuveröffentlichung (wie etwa bei Simex in der großen Flagstad-Edition) auf eine verbesserte Fassung gehofft. Bei mir hat sich aus der Unmöglichkeit, die überwältigendste aller Interpretationen der "Vier letzten Lieder" jemanden zu vermitteln, der nicht eine große Einfühlungsgabe, eine gute Kenntnis des Stückes und eine riesengroße Toleranz gegenüber allen akustischen Zumutungen verfügte, diese Einspielung einen besonderen Status verschafft: Das Schöne ist vorhanden, man muss nur alles aufopfern, um es zu erkennen.


    Leider muss ich sagen, dass die Neubearbeitung bei Testament, da ein wenig geändert hat. Die Leistung dieser Edition ist überhaupt nicht zu untertreiben: Hier wird eine Sternstunde auch all den Hörern zugänglich gemacht, die bislang davon ausgeschlossen waren. Die Aura, die ich oben beschwor, ist geschwunden, geblieben ist noch ein Traum: irgendwo gibt es die Aufzeichnung der Uraufführung ...


    LG Peter

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  • Da muss Telepathie im Spiel gewesen sein, denn gerade habe ich diese Aufnahme, leiber Peter, in eionem anderen Thread erwähnt.
    Mich hat sie unglaublich beeindruckt und ich habe diese Lieder erst damit zum ersten Mal rcihtgi gehört scheint mir. Mir ist tonqualität bis zu einer gewissen Grenze ohnehin unwichtig. Zwei Beispiele:
    der Live-Mitschnitt der Bellini-Sonnambula mit Callas aus der Scala di Milano (man hört alle Nebengeräusche und das sind nicht eben weniger und es rasucht ansonsten munter vor sich hin) und ein Porträt der Sängerin Maria Nemeth aus den 30iger Jahren, das klangtechnisch naturgemâss sehr zu wünschen übrig lässt. Beide Platten liebe ich heiss, denn sie vermitteln mir unmittelbar musikalsiche Ereignisse erster Ordnung und die Nemeth war mir DIE Entdeckung im Wagner-Fach. Sie hat mich mit mancherlei hässlcihem Senta/Elsa/ etc Gedröhne regelrecht versöhnt .
    Ich will diese "unvollkommenen" Aufnahmen absolut nciht missen!


    Fairy Queen :angel:

  • Hallo,


    in dieses Thema gehören eigentlich alle Dokumente vor Kriegsende.


    Für mich unverzichtbar die Einspielung aller Beethoven-Sonaten durch Artur Schnabel, wobei Op. 2/1 fast nicht anzuhören ist.


    Später gehören dazu Konzertmitschnitte von S.Richter in der Sowjetunion, bei denen man z.T. meint, man habe den Leuten gesagt, sie mögen schön erkältet in Konzert gehen. Vor allem bei den leisen Stellen ist das impertinent.
    Dennoch - was für ein Hörerlebnis !


    Dazu rechnen könnte man auch die Aufnahmen auf Beethovens Graf-Flügel


    Das ist wie ein altes Buch mit Flecken, aber eine Erstausgabe


    Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu


  • Vollste Zustimmung!! :yes::yes:

  • Hallo Michael,


    Welche Ausgabe des von Dir erwähnten, beschossenen Beethoven ist denn Deiner Meinung nach empfehlenswert.


    Diese?


    für 5,99 Euro?



    Gruss

  • Hallo jaaan,

    Zitat

    Welche Ausgabe des von Dir erwähnten, beschossenen Beethoven ist denn Deiner Meinung nach empfehlenswert



    die Ausgabe, welche Du da zeigst, macht mich stutzig:


    Der Tonmeister Helmut Krüger gab die Orginalbänder 1961 an den SFB zurück, der eine Kopie davon zog und das Orginal danach wegwarf. :angry:


    Diese Kopie des Orginals wurde m.W. niemals kommerziell veröffentlicht.
    Die Veröffentlichungen von Music and Arts, Musicabona u.a. haben als Ursprung eine wahrscheinlich aus dem Rundfunk mitgeschnittenen Kopie von minderer Qualität.
    Es gibt sogar eine Ausgabe, in der die Aufnahme nur Mono veröffentlicht wurde.


    Diese bei JPC billig zu kaufende CD kenne ich nicht, allerdings ist die einzige mir bekannte kaufbare Version der SFB-Kopie seinerzeit von der AES (Audio Engineering Society) privat herausgebracht worden.


    Diese CD mit dem Titel "The 50th Anniversary of Stereophonic Tape Recording" kann man hier bestellen:
    http://www.aes.org/aeshc/books+vids/pre-1943.mag.hist.html
    Hier wurde diese CD ebenfalls vorgestellt:
    http://www.musicweb-internatio…ssrev/2000/aug00/50th.htm


    Der Klangunterschied zu den anderen Veröffentlichungen ist recht groß, leider hat JPC keine Hörproben vom Beethoven eingestellt, also kann ich nicht vergleichen.
    Diese JPC- CD ist aber als Mono deklariert.
    Ich würde sie nicht kaufen.


    :hello:
    Michael

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  • - Intonationsprobleme
    - teilweise schlechte Aussprache
    - in einem Beispiel unpassende Interpretation
    - heftige Husterei im Publikum
    - ingesamt eine maue Tonqualität


    aber TROTZDEM oder gerade DESWEGEN liebe ich diese Aufnahme fast abgöttisch (und lasse keine Gelegenheit aus, sie anzupreisen :D )



    Wagners Tristan und Isolde
    Live-Mitschnitt der Bayreuther Festspiele 1952
    unter Herbert von Karajan

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Aufnahmen mit Jacqueline du Pré, da in fast allen ihr die Rösser durchgingen. Und dennoch: Welch großartige, unverzichtbare Interpretationen!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)