Carnival in Toyland - Stölzls Benvenuto Cellini in Salzburg

  • Hallo zusammen,


    3SAT strahlt heute (15.08.2007, 20:15 Uhr) eine »zeitversetzte Liveübertragung« (toll was? wie das?) der Salzburger-Festspielinszenierung von Hector Berlioz' »Benvenuto Cellini« aus:


    Hector Berlioz: Benvenuto Cellini. Oper in zwei Akten


    Regie und Bühnenbild: Philipp Stölzel
    Musikalische Leitung: Valery Gergiev


    Burkhard Fritz, Benvenuto Cellini
    Laurent Naouri, Fieramosca
    Brindley Sherratt, Giacomo Balducci
    Mikhail Petrenko, Papst Clemens VII.
    Maija Kovalevska, Teresa, Balduccis Tochter
    Kate Aldrich, Ascanio, Cellinis Lehrling
    Xavier Mas, Francesco, Cellinis Lehrling
    Roberto Tagliavini, Bernardino, Cellinis Lehrling
    Adam Plachetka, Pompeo
    Sung-Keun Park, Wirt


    Wiener Philharmoniker
    Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor


    :hello:
    Medard

  • Zitat

    Original von Klawirr


    3SAT strahlt heute (15.08.2007, 20:15 Uhr) eine »zeitversetzte Liveübertragung« (toll was? wie das?) der Salzburger-Festspielinszenierung von Hector Berlioz' »Benvenuto Cellini« aus:


    Hector Berlioz: Benvenuto Cellini. Medard


    Live letzte Woche aufgezeichnet, heute ausgestrahlt.


    Nach der Kritik in der SZ und den gestern gesehenen Trailerbildern zu schließen, wird aus der Oper ein bei diesem ohnehin denkbar bunten Werk ein völlig überflüssiger Zirkus gemacht, und die schon gesendete Rundfunkaufnahme hat meine Befürchtungen bestätigt, dass Gergiev, wie schon vor einiger Zeit mit Netrebko, Merritt und dem Concertgebouw Orchester ,den schon bei Berlioz grenzgängigen Hochdruck durch konstantes f - ff und zuweilen überzogene Tempi noch weiter verstärkt. Ob das nicht zu viel der Verdopplungen wird?


    Dennoch lasse ich mich heute abend, wenn möglich, gerne von meiner Skepsis abbringen, denn diese Oper gehört IMO zu denen, die viel zu wenig bekannt sind, geschweige denn aufgeführt werden. Daran sind die mörderischen Anforderungen an alle Beteiligten nicht ganz unschuldig (der damalige Pariser Stardirigent Habeneck musste in der gefloppten Uraufführung angesichts der ungeheuren Komplexität der Karnevalsszene fast kapitulieren), aber der wachsenden Anerkennung der TROJANER haben die zwar lange genug, letzthin aber doch auch nicht geschadet.


    Also: für alle Musikliebhjaber ein MUSS. Mehr darüber im sicher demnächst eröfnneten Thread zu dieser Aufführung.


    Viel Spaß am Fernseher wünscht


    Rideamus

  • Zitat

    Original von Rideamus


    Live letzte Woche aufgezeichnet, heute ausgestrahlt.


    Hab' ich mir auch so gedacht ;) - die Formulierung finde ich dennoch etwas merkwürdig...


    Zitat

    Nach der Kritik in der SZ und den gestern gesehenen Trailerbildern zu schließen, wird aus der Oper ein bei diesem ohnehin denkbar bunten Werk ein völlig überflüssiger Zirkus gemacht, und die schon gesendete Rundfunkaufnahme hat meine Befürchtungen bestätigt, dass Gergiev, wie schon vor einiger Zeit mit Netrebko, Merritt und dem Concertgebouw Orchester ,den schon bei Berlioz grenzgängigen Hochdruck durch konstantes f - ff und zuweilen überzogene Tempi noch weiter verstärkt. Ob das nicht zu viel der Verdopplungen wird?


    Genauso war's in der FASZ auch geschildert - bonbonbunte Inszenierung mit viel (sinnfreiem) Pomp und Trara, recht zerfahrenes Dirigat, dem die Wiener nicht folgen konnten oder nicht folgen wollten (so der Rezensent). Auch die Gesangsleistungen wurden eher kritisch eingestuft: Burkhard Fritz etwa sei zwar ein »lyrischer«, aber wenig »durchdringender« Cellini - was ich insofern bestätigen kann, als ich ihn vor einigen Jahren im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier in eben der Rolle des Cellini gesehen habe, wo er eine solide aber nicht überwältigende Leistung hingelegt hat, darstellerisch jedoch mitzureißen wußte.



    :yes:


    Ganz herzlich,
    Medard


  • Ich hab im Frühjahr die Inszenierung des "Freischütz" von Philipp Stölzel am Meininger Theater gesehen, Rezensionen davon müßten noch beim Theaterherzog zu finden sein.


    Mein Eindruck war, dass Stölzl durchaus gute Einfälle hat, aber auch eine intensive Kenntnis der von ihm zitierten Filme voraussetzt.


    Auf den Benvenuto Cellini bin ich jedenfalls gespannt...


    :hello:
    Elisabeth

  • Dem sollte dann noch hinzu gefügt werden, dass man im Fall einer schwachen Leistung keinesfalls sein Urteil über die Oper selbst daran festmachen sollte. Ein einmaliges Hineinhören in die großartige Aufnahme von Colin Davis mit Nicolai Gedda in Höchstform genügt, (fast) jeden davon zu überzeugen, dass sie ein Meisterwerk ist.


    Rideamus


    PS: eine Bitte an die Moderatoren: kann dieser letzte Mailwechsel ab Klawirrs Ankündigung in den Thread zu dieser Aufführung verchoben werden, den ich heute abend eröffnen werde, wenn es nicht schon vorher jemand anders tut (etwa einer von Euch mit der Verschiebungsaktion)?



    Geändert!
    Grüsse
    Radagast

  • Im Vorgriff zu einer Zusammenfassung ein erster Eindruck von dieser Übertragung.


    Mit Grund habe ich von Stölzls BENVENUTO CELLINI geschrieben, denn der von Berlioz scheint hier kaum eine Rolle zu spielen. Schon die Ouvertüre, die normalerweise der Musik gehört, wird durch das dämliche Feuerwerk erschlagen, welches das Bild beherrscht, wenn die Kamera sich einmal nicht wohltuend auf das Orchester konzentriert. Die Musik und erst recht das Libretto, das zu den deutlich besseren des 19. Jahrhunderts gehört, scheinen hier zugunsten eines überdrehten MTV-Clips eine sehr nachrangige Rolle zu spielen.


    Wenn der Vorhang aufgeht, sinkt einem Liebhaber dieser Oper das Herz ganz tief nach unten, was schon Stölzls Erklrärungen im Vorspann befürchten ließen. Eine bunte Oper mit viel Effekten muss mit buntern Bildern und Action umgesetzt werden? Schon mal von einander negierender Verdopplung gehört?


    Man sieht ein futuristisches Disneyland mit bezugslosen Robotern, als hätte Stölzl das Libretto von Victor Herberts BABES IN TOYLAND studiert und die Maßgabe beherzigt, wie weiland in dem kuriosen Film nach dieser Operette vor allem "Dick und Doof" in Szene zu setzen. Warum hier von einem Papst die Rede ist, mag der geneigte Zuschauer raten. Es ist ja nicht so, dass diese Oper jedem vertraut wäre. Statt dessen fragt man sich, ob man aus Versehen auf die Dächer eines von der Spielzeugfabrik Mattel ausgestatteten, pseudofuturistischen Mary Poppins - Remakes versetzt wurde und jeden Augenblick das fliegende Kindermädchen auftaucht um Supercalifragilistiexpialigetisch zu singen. Vorerst aber wird ein wunderbares Terzett durch Mätzchen wie den in einem Schornstein herumrutschenden Balducci ruiniert.


    Wenn es je eine Inszenierung gab, welche die Musik erschlägt, dann diese.
    Wenn es je um eine Musik schade war, dann diese.


    Immerhin scheint die Partitur ordentlich, wenn auch kaum auf Festspielniveau dargeboten zu werden. Um das festzustellen, muss man allerdings wegsehen. Dann hat man wieder die halbwegs akzeptable Rundfunkaufnahme von vor ein paar Tagen. Allerdings auch die Kürzungen, wobei man die Streichung von Cellinis erster Arie angesichts der schwachen Verfassung von Burkhard Fritz mindestens zu Beginn
    vielleicht noch als Gnadenakt akzeptieren kann. Dem Ablauf des Aktes selbst bekommt das allerdings gar nicht.


    Die Zusammenfassung dieses Leidensweges, den ich nunmehr bis zu Ende verfolge, weil Berlioz' Musik ihre superbe Qualität bestätigt und sogar dieses Desaster überlebt, folgt später.

  • Die Übertragung ist auch als Videostream auf der 3sat-Homepage zu verfolgen (für die, die noch am Rechner arbeiten müssen, wie ich).


    Gruß
    Christian

  • Lieber Rideamus,
    Du hast ja soooo recht.... Sinnentleertes bonbonbuntes Trivealtheater (das hat NICHTS mit Regietheater zu tun!!!!! In Stölzls Inszenierung erschöpft sich Regie in dumpfer, hohler, bunter Bebilderung - nix Interpretation, Aktualisierung und/oder Übersetzung), das Berlioz'wundervolle Musik zukleistert (die Sänger - insbesondere Maija Kovalevska als Teresa - gefallen mir bisher gut und selbst Herrn Gergievs in den Rezensionen geschmähtes Dirigat ist recht ansprechend [er dirigiert mit einer Art Zahnstocher - das ist allerdings ein Highlight!]).


    Was sollen die Roboter, die sich erst die nicht vorhandenen Fingernägel lackieren und dann eine wechelseitige Achselhaarrasur simulieren ?( ?( ?( ??? Wer weiß es? Wer weiß es? Weiß es jemand??? Warum singt jetzt C3PO eine Arie???? Wer weiß es, wer weiß es? Weiß es jemand???


    Ich schalte jetzt mal ab (mein Leben ist zu kurz für sowas) und schiebe eine CD rein und zwar diese:



    Ah, das ist wie Balsam...


    Herzlichst und einen schönen Abend noch,
    Medard

  • Etwas frustriert habe ich den Fernsehbildschirm abgeschaltet und beschränke mich darauf, der schönen und mir bislang unbekannten Musik zu lauschen.
    Wenn ich die mal besser kenne, kann ich mich ja anhand meines Videobandes immer noch mit der Inszenierung auseinandersetzten...


    :untertauch:
    Elisabeth

  • Ich bin ja gewiss ein Freund des "Regietheaters", habe im Radio letztens die Live-Übertragung vom Benvenuto Cellini gehört und gedacht: schade, dass nix zu sehen ist (auch, als ich die Publikumsreaktionen hörte). Und es gab ja schliesslich gehörigen Schlußbeifall für den Regisseur (einzelne Buhs dann für Gergiev).


    Aber was ich da sehe, kann man ja bestenfalls beschreiben mit: es wird auf alle Fälle was zum Sehen und Staunen gegeben (gerade - 21:48 - noch ein paar Feuerwerkskracher). Einer 'Story' kann ich aber nicht folgen. Und die sonst unglaublich gute Kate Aldrich als Roboter ... nicht unbedingt verständnisfördernd. Kriegt man eigentlich von diesem optischen overkill Zahnschmerzen wie nach zuviel Süssem?


    Entweder sehen wir hier mit Schmerzen die Grenzen einer TV-Übertragung, oder alles ist wirklich so konfus und die Musik rein optisch erschlagend, dass wir hier erleben, wie herrliche Musik zur absoluten Nebensache wird.

    Beste Grüße!

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Also ich sehe gerade Werder Bremen. Fussball ist wichtiger als grosse Oper aus Salzburg!
    Aber im Hintergrund läuft der Festplattenrekorder. Irgendwann kann ich den Berlioz dann nachholen!


    Bis dahin....

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo,


    Rideamus trifft es mal wieder auf den Punkt. Schade um die Musik. Der Handlung war definitiv nicht zu folgen. Andererseits muss man sagen "schön bunt". Nur hat derjenige Pobleme, der die dargestellten Figuren den entsprechenden Filmen nicht zuordnen kann, da er diese Filme nicht gesehen hat.
    Ein Grund, sich eine Studioaufnahme auf CD zu kaufen. Dann aber vielleicht unter einem anderen Dirigat. Die Sänger mögen kompetentere Forianer bewerten. Vielleicht kann mir jemand eine Einspielung empfehlen?
    Grüße


    :hello:

  • Das Hauptproblem seiner Oper hat Berlioz wohl bald selbst erkannt und später vermieden: die Oper legt einen derart fulminanten ersten Akt vor, dass alles, was danach folgt, keine Steigerung mehr bringen, sondern im besten Fall in dichtem Abstand folgen kann. Das immerhin ist ihm weitgehend gelungen.


    Im Falle dieser katastrophal unmusikalischen Inszenierung, die in der Tat nichts mit Regietheater zu tun hat, sondern eher einen planmäßigen Opernmord mit verkitschten Spielzeugkaskaden darstellt, geriet dieser Nachteil fast zum Vorteil, denn auch Stölzl hatte nichts mehr zuzusetzen. Musste er schon angesichts der höllischen Schwierigkeit der Partitur für alle Ausführenden zum Schluss des ersten Aktes seine Albernheiten reduzieren und seine Darsteller weitgehend ruhig stehen lassen, damit der Dirigent wenigstens eine Chance hat, das Geschehen zu koordinieren, so boten ihm auch die ruhigen Szenen im ersten Teil des zweiten Aktes zu wenig Gelegenheit, von der Musik abzulenken.


    Nicht, dass er es nicht versucht hätte, aber gegen die fabelhafte Kate Aldrich, die einfach mit großem Selbstbewusstsein über ihre groteske Enthauptung hinweg sang, hatte selbst Stölzl keine Chance. Das Publikum feierte zum Schluss völlig zu Recht ihre Leistung. Für mich, der ich sie bislang leider noch nicht kannte, war sie DIE Entdeckung und das einsam strahlende Licht des Abends. Lediglich der Fieramosca des Berlioz-erfahrenen Laurent Naouri, der neben Aldrich als Einziger den Eindruck erweckte, als wisse er, was er da zu singen hat und dies auch gut realisierte, vermochte da einigermaßen mitzuhalten. Der Rest war, sieht man von dem in diesem Chaos erfreulich sattelfesten Chor ab, ordentliches bis gutes Stadttheaterniveau, wobei die Wiener Philharmoniker bei Gergiev einen zugegeben schweren Stand hatten. Gergiev mag anderswo seine Qualitäten und Verdienste haben. In seiner Berlioz-Exegese vermochte ich sie kaum zu orten.


    Zwar bewegte er sich in etwa auf dem Niveau, das er mit diesem Werk in Holland etabliert hatte, wo ihm allerdings mit Anna Netrebko und Chris Merritt bessere (allerdings auch nicht überragende) Sänger in den Hauptrollen zur Verfügung standen. Ich fand sein Dirigat aber wiederum schwerfällig. Viel zu oft zerhackte er größere Bögen und erreichte so eine Atemlosigkeit, die er mit konstantem Dauerdruck noch zusätzlich anheizte. Die gar nicht so seltenen leisen und poetischen Passagen des Werks kamen bei ihm regelmäig dermaßen zu kurz, dass man sie kaum als solche wahrnahm. Man rechne dies aber nicht den Aufführenden oder gar Berlioz an. Der hat Anderes und Besseres in seine Partitur gepackt. Immerhin war Gergievs Leistung nachgerade strahlend im Vergleich zu der Regie und ich rechne es ihm hoch an, dass er sich so sehr für dieses Werk einsetzt, selbst wenn er ihm so wenig gerecht wird, dass es zuweilen kontraproduktiv wirkt. Wenn er aber viele dazu verlockt, sich die maßstäbliche Einspielung von Colin Davis oder die ebenfalls weit besser als Gergiev abschneidenen Aufnahmen unter Nelson oder Norrington anzuhören und den Gefallen an dem Werk zu finden, den es verdient, sei ihm alles andere verziehen, sogar die unangebrachten Kürzungen, die vor allem den ersten Akt hektischer erscheinen lassen, als er ist.


    Gefallen hat mir die Hingabe der Einspringerin Maija Kovalevska, obwohl sie leider selbst dann nicht von ihrem Dauerforte herunter wollte, als sie dazu nicht durch Gergievs Tour de force gezwungen war, weil sie mit ganz kleiner oder gar ohne Begleitung singen durfte. Über Burkhard Fritz, der immerhin gegen Ende zu einer stärkeren Performance fand, kann ich nur sagen: wo ist ein gesunder Ben Heppner, wenn man ihn so dringend braucht? An den grandiosen Nicolai Gedda, der in der bereits zu Recht hervorgehobenen Aufnahme unter Colin Davis eine der besten Einspielungen seiner mehr als eindrucksvollen Karriere gelifert hat, darf man gar nicht denken.


    Über die späteren Profilierungsversuche Stölzls mit seiner kruden Mischung aus Star Wars, chinesischer Oper und einer postsozialistischen Apotheose stalinistisch geprägter Arbeiterromantik kann man nur fassungslos schweigen. Einem solchen Regisseur würde ich nicht einmal die Regieassistenz bei LES MISERABLES anvertrauen, obwohl er wenigstens diesem Titel hervorragend gerecht wird.


    Immerhin, wie schon zu Beginn gesagt: dass Berlioz' Musik all dies aushält und sich sogar zunehmend gegen diesen optisch plärrenden Kindergarten durchzusetzen vermag, beweist ihre ungeheure Stärke und Strahlkraft, die meines bescheidenen Erachtens bei anderen Komponisten ihresgleichen sucht und selten findet.


    Um so mehr störten die technischen Pannen der Übertragung gegen Ende, als mehrfach der Ton zu jaulen begann, als ob sich da die Sendetechnik Stölzls Zerstörungswerk zu eigen machen wollte.


    :hello: Rideamus, der heute abend leider wenig zu lachen hatte.

  • Hallo,
    ich habe die Übertragung bis zum Ende durchgehalten. Bunt und trivial. Eigentlich kenne ich die Oper sehr gut. Mir wurde aber nicht so recht klar, welche Fassung nun eigentlich gespielt wurde. Leider fehlte auf jeden Fall die erste Cellini-Arie aus dem 1.Akt. Warum? Vielleicht zu schwer für den Sänger Burckhard Fritz? Mit der 2. Arie hatte er auch heftig zu kämpfen. Neil Shicoff hat ja leider abgesagt. Ich hatte mich schon lange auf seinen Auftritt gefreut. Aber wer weiß, ob er die Rolle besser gestemmt hätte. Die Rolle muss tierisch schwer sein. Auch die "Cabaletta" nach dem 2. Duett Cellini-Teresa wurde ausgelassen. Eigentlich ein Highlight der Oper. Sehr schade.
    Als Aufnahme kann ich die Studioaufnahme mit Gedda unter Colin Davis von 1973 und die Live-Aufnahme aus Covent Garden 1966 auch mit Gedda unter Pritchard empfehlen. Benvenuto Cellini war Geddas Paraderolle, nach meiner Einschätzung.
    Viele Grüße

    Durch Heftigkeit ersetzt der Irrende, was ihm an Wahrheit und Kräften fehlt (Goethe)

  • Zitat

    Original von Emotione
    Ein Grund, sich eine Studioaufnahme auf CD zu kaufen. Dann aber vielleicht unter einem anderen Dirigat. Die Sänger mögen kompetentere Forianer bewerten. Vielleicht kann mir jemand eine Einspielung empfehlen?


    Ich stimme den übrigen zu, die sich bereits gemeldet haben: Die mit Abstand beste Aufnahme des Werkes ist die unter Colin Davis mit Niclai Gedda in Bestform (die Live-Aufnahme unter John Pritchard kenne ich leider nicht). Nelson und Norrington haben sehr gute zweite Wahl eingespielt, sind derzeit aber auch nicht billiger zu haben.


    R.

  • Schade um den Aufwand.
    Doppelt schade, da hier eine Oper inszenatorisch vergeigt wurde, die bestenfalls alle 50 Jahre einmal auf die Bühnenbretter gewuchtet wird. So wird man sich viele Jahre lang an dieser Version orientieren müssen, wenn man für diese Oper ein Filmdokument zu Rate ziehen möchte. Aus all dem willkürlichen Kunterbunt die Handlung erkennen zu wollen war ein Rätselspiel, das von der Musik ablenkte. Aber den Zuschauern im Festspielhaus scheints gefallen zu haben - als hors d'eouvre für die anschließende Gala im "Goldenen Hirschen".


    Florian

  • Danke Rideamus,
    ich werde mich gleich morgen auf die Suche machen nach der Einspielung mit Gedda unter Colin Davis.


    @ Rodogune
    das ist dann der finanzielle Aufwand.


    Grüße :hello:


    Emotione

  • Zitat

    Original von Emotione


    @ Rodogune
    das ist dann der finanzielle Aufwand.


    Hallo, die Bemerkung verstehe ich jetzt nicht. Ich bin relativ neu hier. Bitte erklären sie es mir.
    Viele Grüße

    Durch Heftigkeit ersetzt der Irrende, was ihm an Wahrheit und Kräften fehlt (Goethe)

  • Hallo Rodogune,


    das war ein Joke. Du schriebst "der Aufwand hat sich nicht gelohnt". Du meintest wohl den zeitlichen Aufwand. Ich meinte den finanziellen Aufwand, da ich mir jetzt nach Euren Empfehlungen die Einspielung des Cellini kaufen werde. Ich besitze ihn bisher noch nicht.


    Grüße :hello:


    Emotione

  • Liebe Emotione,


    wenn Du den finanziellen Aufwand noch ein klein wenig erhöhen möchtest, besorge Dir diese Zusammenstellung:




    Da gibt es für wenig mehr als den Preis der Gesamtaufnahme von BENVENUTO CELLINI gleich noch die maßstäblichen Aufnahmen von LES TROYENS und BÉATRICE ET BENEDICT dazu.


    Leider musst Du dann auf die guten Beihefte verzichten, aber die darin enthaltenen Informationen gibt es auch andernorts. Selbst wenn Du eine der beiden anderen Opern schon haben solltest: schon zwei davon lohnen sich bei dem Preis allemal.


    :hello: Rideamus

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Rideamus
    Gefallen hat mir die Hingabe der Einspringerin Maija Kovalevska, obwohl sie leider selbst dann nicht von ihrem Dauerforte herunter wollte, als sie dazu nicht durch Gergievs Tour de force gezwungen war, weil sie mit ganz kleiner oder gar ohne Begleitung singen durfte. Über Burkhard Fritz, der immerhin gegen Ende zu einer stärkeren Performance fand, kann ich nur sagen: wo ist ein gesunder Ben Heppner, wenn man ihn so dringend braucht?
    :hello: Rideamus, der heute abend leider wenig zu lachen hatte.


    Hallo,


    nur eine kleine Korrektur : Im Gegensatz zu Aldrich und Fritz, die tatsächlich einsprangen, war Maija Kovalevska von Anfang an vorgesehen, und es gehört wenig Prophezeiungsgabe dazu, ihr eine grosse Karriere vorauszusagen.


    Angesichts dieser visuellen Wiedergabe (ich weigere mich, dies "Inszenierung" oder "Regietheater" zu nennen - alter Wein in neuen Schläuchen!) bekomme ich immer mehr Geschmack an konzertanten Aufführungen, wie ich "Benvenuto Cellini" in Mikkeli Anfang Juli erleben konnte.


    Wer vom Dirigenten Gergijev Nuancierungsfeinheiten statt dynamischer Extasen erwartet, scheint ihn nicht zu kennen. Immerhin dirigierte er an den beiden Tagen vor der Salzburg-Premiere in Madrid das "Tosca"-Gastspiel seines Mariinsky-Theaters und an den beiden Tagen danach ebendort "Il viaggio à Reims". Vielleicht benötigt er derartige temperamentvollen Dirigate, um sich wach zu halten???


    Zum Schluss : Die Leistungen einer Live-Wiedergabe an denen von CD-Einspielungen zu messen, hieße, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.


    Mikko

  • Zitat

    Original von Mikko
    nur eine kleine Korrektur : Im Gegensatz zu Aldrich und Fritz, die tatsächlich einsprangen, war Maija Kovalevska von Anfang an vorgesehen, und es gehört wenig Prophezeiungsgabe dazu, ihr eine grosse Karriere vorauszusagen.


    Zum Schluss : Die Leistungen einer Live-Wiedergabe an denen von CD-Einspielungen zu messen, hieße, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.


    Mikko


    Danke für die Korrektur betr. Maija Kovalevska. Hoffen wir, dass Du Recht hast, was ihre künftige Karriere betrifft, und dass ihr das frühe Ausbrennen zahlloser Kolleg/innen erspart bleibt, auch wenn mittlerweile ein gehöriger Optimismus dazu gehört, eine derartige Hoffnung auch nur auszusprechen.


    Ansonsten kann ich Deinen Anmerkungen rückhaltlos zustimmen, denn meine starke Skepsis gegenüber Gergiev, dessen Concertgebouw-Interpretation ich ja bereits ebenso kannte wie die Rundfunkübertragung der Aufführung vor ein paar Tagen, habe ich ja schon anlässlich der Ankündigung der TV-Übertragung gestern in dem entsprechenden Thread Ausdruck gebracht.


    Mit der Kritik am Vergleich zwischen Studiokonserve und Live-Wiedergabe hast Du natürlich ebenfalls einen Punkt, obwohl ich die Parallele eher bei Konserven und Frischobst als verschiedenen Obstsorten ziehen würde. Aber was hilft es, auf ein anderes Theatererlebnis zu verweisen, wenn notwendigerweise nur eine winzige Minderheit der Taminos eine bestimmte Inszenierung kennen kann - und von dem höchst selten aufgeführten BENVENUTO CELLINI im Zweifelsfall niemand.


    Wie florian völlig richtig ausführte, ist es ja gerade das Tragische und von Flimm/Stölzl nachgerade Unverantwortliche, dass mit dieser leichtfertig vertanen Großchance womöglich weitere Dekaden anbrechen, in denen dieses Werk nicht mehr hinreichend zur Geltung kommen kann. X(X(X(


    Rideamus

  • Hallo zusammen!


    Zur gestrigen Übertragung kann ich nur sagen: Die herrliche Oper Berlioz' wurde vom Regisseur unter Mithilfe des Dirigenten und des Hauptdarstellers zerstört. Dieses Kasperltheater mit Musik war, abgesehen von den Leistungen von Kate Aldrich und Maija Kovalevska, keineswegs eine der Salzburger Festspiele würdige Aufführung. Die Philharmoniker klangen unter Gergiev laut, derb und der französische Esprit der Musik fehlte, Burkhard Fritz stemmte sich mit Mühe und ebenfalls unfranzösisch durch die Partie und die überfrachtete Bilderwut des Regisseur gab der Oper den Rest.

  • Hallo Erna, :hello:
    du nimmst mir die Worte aus dem Mund. Auf dem Heimweg von einer Auslandsreise hab ich mir in naiver Vorfreude schon einen schönen Opernabend vor dem Pantoffelkino ausgemalt.
    Was ich dann vorfand, entspricht genau deiner Aussage: Festspielunwürdig.
    Tröstlich war dann noch Werders 2:1 bei einem Bierchen.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von Mikko
    Zum Schluss : Die Leistungen einer Live-Wiedergabe an denen von CD-Einspielungen zu messen, hieße, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
    Mikko


    Diesen Gedanken möchte ich gerne noch ein wenig erweitern. In Vorbereitung auf den konzertanten Cellini in Mikkeli (ebenfalls unter Gergijev) hörte ich mir diverse Gesamteinspielungen an und kam immer wieder zu den Live-Mitschnitten zurueck, die mir mehr von der Atmosphäre vermittelten als die Studioproduktionen. Hier eine Auswahl an empfehlenswerten Mitschnitten :


    - Esposito, Rossi, Vanzo / Bazire (Marseille 1973)
    - Zylis-Gara, Steiner, Bonisolli / Ozawa (Rom 1973)
    - Futral, Galts, Sabbatini / C. Davis (London 1999)
    - Massis, Calts, Smith / Eschenbach (Paris 2003)
    - Bayrakdarian, Jepson, Giordani / Levine (New York 2003)


    dazu aus Florenz mit einem hervorragenden Chris Merrit unter Fedoseyev (1983?).


    Nach Anhören dieser Aufnahmen und der TV-Uebertragung möchte ich mein Urteil der Sängerleistungen etwas differenzieren, besonders ueber Burkhard Fritz. Vorausgesetzt, dass ich mir heute ausser Heppner und evtl. Filianoti keinen guten Cellini-Interpreten vorstellen kann (Shicoff wäre es jedenfalls auf keinen Fall gewesen), war die Ansetzung des Shicoff-Covers Fritz eine naheliegende Entscheidung. Immerhin hatte Fritz mit seinem Faust in Amsterdam/Rotterdam bewiesen, dass der Berlioz-Stil mit dem Einsatz von voix mixte ihm nicht fremd ist. Deshalb - Respekt fuer seine Leistung.
    Auch nach der Teresa wuerde ich Maija Kovalevska eine grosse Karriere prophezeien. Vom Reiz des Timbres her wuerde ich Netrebko vorziehen (auch im Vergleich beider Mimis an der Met); die junge Lettin ist jedoch (wie AN) eine Augen- und Ohrenweide, obwohl mich die manchmal unruhige Stimmfuehrung etwas irritierte.
    Ob Kasarova der bessere Ascanio gewesen wäre, wage ich nach Aldrich zu bezweifeln. Bei dieser Hosenrolle finde ich ein androgynes Timbre wie das von Aldrich passender als das von Kasarova, deren Stimme tiefer gelagert ist.
    Enttäuscht war ich von Mikhail Petrenkos Papst, einem Mariinsky-Sänger, den ich noch nie so schwach, da unpassend besetzt, hörte. Der Papst gehört mit einem satten Bass besetzt, dessen Stärke in der tiefen Lage liegt, nicht mit einem recht hell timbrierten Bassbariton.


    Fazit : Eigentlich ist Cellini heute unauffuehrbar, legte man hohe Qualitätsmassstäbe fuer die Titelrolle an. Gergijev hat mit seinen Besetzungen am Mariinsky-Theater (frueher Zakhozhaev, der heute Tristan singt, heute Semishkur und Amonov) bewiesen, dass ihm wichtiger ist, dass das Stueck aufgefuehrt wird als dass es mit einer idiomatischen Besetzung aufgefuehrt wird.


    Viele Gruesse


    Mikko

  • Zitat

    Original von Elisabeth
    Etwas frustriert habe ich den Fernsehbildschirm abgeschaltet und beschränke mich darauf, der schönen und mir bislang unbekannten Musik zu lauschen.


    Die Frustration hat mich - etwas zeitverzögert, weil Aufzeichnung sehend - auch ergriffen :angry: .


    Das ist halt das Problem: er hatte einen hervorragenden Freischütz hier in Meiningen, aber ihn dann gleich nach Salzburg holen, statt erst mal zu sehn, ob es Können oder ein Glückstreffer war, ist halt SEHR mutig.


    Thomas

    "Dem Volke zur Freude und Erhebung"
    Widmung Georgs II am Giebel des Meininger Theaters

  • Hallo,


    nun, nachdem ich nun meine Aufzeichnung fertig gesehen habe, möchte auch ich etwas hierzu sagen, zuvor jedoch ein paar Bemerkungen:


    1.) Ich kannte die Oper nicht.
    2.) Ich habe wohl mal "La Damnation de Faust" als auch "Les Troyens" vor vielen Jahren (ca. 20) gesehen, vielleicht sogar mal "Romeo et Juliette"...
    3.) Und aus dem "Harold en Italie" habe ich wohl mal Ausschnitte gehört.
    4.) Und die "Symphonie Fantastique" habe ich auch schon mehrfach gehört, ist aber auch schon länger her.


    Das Opusverzeichnis von Berlioz habe ich gerade bei Wikipedia nachgelesen, um zu sehen, was ich von Berlioz kenne, und wundere mich gerade, daß dort steht, daß Benvenuto Cellini 3 Akte habe...


    Nun zu meiner Wahrnehmung dessen, was da in Salzburg aufgeführt wurde, und wie es bei mir ankam.


    Kurze Beobachtungen zu dem, was hier schon gesagt wurde:


    1.) Ich stimme Rideamus dahingehend zu, daß die Musik für sich "überlebt".
    2.) Ich stimme ebenfalls mit Rideamus dahingehend überein, daß der erste Akt stärker ist als der zweite (mehr später hierzu).
    3.) Ich stimme ebenfalls Meinungen hier zu, daß man die Filmgeschichte kennen muß, um zu sehen, was alles an Zitaten auf der Bühne verwandt wurde (Mary Poppins wurde schon genannt, Krieg der Sterne ebenfalls. Ich fand noch Blade Runner, Herr der Ringe (den "nachgezeichneten" Zeichentrick-Spiel -Film aus den 80ern), Metropolis, und noch etwas, wo ich noch nicht weiß, was es war (die Szenen im Atelier). Sicherlich ist aber noch viel mehr zitiert worden. Auffällig ist, daß Stölzel sich an "Fantasy" und "Science Fiction" orientiert hat, nachdem er "Märchen" und "Erzählung" als Eingangsstimmung genutzt hatte.).


    Nun zu meinen Beobachtungen.


    Erstens zur Oper an sich:


    Da ich die Oper nicht kannte, auch keine Ahnung von der Handlung hatte, fiel mir die "Dünne" oder "Konstruktion" des Handlungsstrangs im 2. Akt auf (warum wollen die beiden zu einem Duell hinter der Kirche gehen, das dann nie stattfindet? Warum sind urplötzlich ein ganzer "Chor" als Arbeiterschaft im Atelier? Warum ist in der Handlung das Giessen von Perseus so "real", obwohl es viel zu schnell geht?) Die Musik fand ich im 2. Satz (im Gegensatz zu Rideamus) nicht "dünner", sie hatte mehr lyrische Elemente, als der erste Akt, was ich sehr spannend fand, den ersten Akt empfand ich mehr in der "Lied"-tradition stehend, den zweiten dann mehr in der "Musiktheater"-tradition.


    Damit empfand ich die Oper als spannend, im Ganzen aber als unbefriedigend, weil ich mit dem Handlungsstrang im2. Akt unzufrieden war. Ich hätte mir "mehr" gewünscht. Ich denke, die Oper hätte einen 3. Akt vertragen...


    Nun zu dem, was sich auf der Bühne abspielte:


    Mir hat es gefallen!


    Auch, wenn ich viel von dem, was hier schon gesagt wurde, nachvollziehen kann, möchte ich sagen, daß ich das, was auf der Bühne passierte, als spannend, abwechslungsreich, zum Teil auch lustig, und in Summe als der Oper nicht schadend empfand. Es macht Lust auf mehr (und sei es auch nur, die Oper nun mal von Konserve nur zu hören)!


    Warum?


    Sie spielt zur Karnevalszeit, dort herrscht nicht immer ein klassisches Kostümfest, wie wir es aus Venedig kennen, sondern heute gibt es auch die "Ausfälle", wie wir sie aus den "Hochburgen" Köln oder Mainz kennen (ich bin absolut kein Karnevalsfreund!). Oder auch aus Rio de Janeiro... Damit ist das, was im ersten Akt, und am Anfang des zweiten Aktes passiert, sehr wohl begründbar. Damit sind das Michelin-Männchen, Micky-Maus, und all die anderen Figuren sehr wohl verständlich.


    Die Entwicklung der Bühnenaktionen (besser: -lokationen) von Mary Poppins über Star Wars und Blade Runner und dann über Metropolis hin zu "ich weiß noch nicht wo er es zitiert hat", macht für mich auch Sinn, denn es spiegelt eine Entwicklung von "Es war einmal" über "ich wünschte, es wäre" oder "ich wünschte (oder träumte), es würde" hin zu "ich bin gefangen in den Zwängen der Realität" wider (Chaplin's Modern Times).


    Damit hat mich dann aber der Schluß der Oper wieder enttäuscht, ich hätte mir eher eine tragische Endszene von Berlioz, nämlich entweder das künstlerische Versagen (die Statue kann und wird nicht gegossen) oder keine Liebesvereinigung (Teresa und Benvenuto kommen eben nicht zusammen) gewünscht. Daher auch meine Unzufriedenheit mit dem 2. Akt.


    Über Sangesleistungen und musikalische Qualität kann ich nichts sagen, da ich keine Vergleiche habe.


    Schade fand ich nur, daß die Untertitelung etwas "spärlich" war, und daß das "Eiern" des Tones in den letzten 20 Minuten wirklich störend war.


    Also: Kurz zusammengefasst: Mir hat das, was ich sah, sehr wohl gefallen, ich denke, ich habe Euch auch Gründe geben können, warum ich die Inszenierung "gelungen" (in Anführungszeichen!) fand ("interessant" ist mir zu wenig als Begriff für meine Wahrnehmung), und denke, ich werde die Oper gerne noch ein zweites oder drittes Mal hören und sehen wollen, um zu sehen, wie andere Inszenierungen mit den Brüchen im Handlungsstrang umgehen, und die Auseinandersetzungen von "Kirche und Kunst", "Liebe und Künstler", "Neid unter Künstlern", "Künstler und Selbstzweifel", "Künstler und Lebensfreude", als auch "Künstler und Abhängigkeit von Geld (und damit Mäzenen oder Obrigkeiten)" darstellen wollen und werden.


    Matthias

  • Zitat

    Original von pfuetz
    schade fand ich nur, daß die Untertitelung etwas "spärlich" war, und daß das "Eiern" der Tones in den letzten 20 Minuten wirklich störend war.
    Matthias


    Also lag das "Eiern" des Tones nicht an der Festplatte meiner Digi-Boxi hier in Finnland. Habe auch andere diese Feststellung gemacht?


    Nachdem ich insgesamt 2x die TV-Aufzeichnung mitlaufen liess und nun auch die Rundfunk-Uebertragung der Premiere hörte, kann ich mich auch zu Gergijevs Leistung etwas differenzierter äussern.


    Vorweg einige Vorbemerkungen :
    1. Wer Gergijevs Terminkalender kennt, hat damit zu rechnen, dass er weitaus weniger bei Proben anwesend ist als andere Dirigenten. Wenn es Wackelkontakte zwischen Buehne und Orchester gibt, erklären sich diese daraus sowie aus seiner Zeichengebung, die (to put it mildly) gewöhnungsbeduerftig ist.
    2. Wer Gergijev fuer Cellini engagiert, weiss, dass er ein Hochdruckdirigent ist. Von ihm ist keine Ziselierungsarbeit à la Gardiner, Nelson oder Norrington zu erwarten.
    3. Ebenfalls bekannt ist, dass Gergijev zu vielen eigenen Dirigaten seine Mariinsky-Sänger mitbringt, häufig zum Gewinn der Auffuehrung, diesmal (Petrenko) leider nicht.


    Dies vorausgeschickt, kann ich die vielen schlechten Kritiken, die er fuer sein Dirigat erhielt, nicht teilen. Ich sehe Berlioz als einen "masslosen" Komponisten, dessen Werke lange darauf warten mussten, aufgefuehrt zu werden. In diesem Sinne ist ein "massloser" Dirigent wie Gergijev IMO ein durchaus geeigneter Dirigent fuer Berlioz. Fuer mich ist ein wichtiger Gesichtspunkt, dass ein Dirigent, der mit weniger dickem Pinsel gearbeitet hätte, angesichts der Bildueberfuelle hoffnungslos ins Hintertreffen geraten wäre, und das kann man von Gergijevs Dirigat (man mag es mögen oder nicht) nicht behaupten.


    Viele Gruesse


    Mikko

  • Hallo Matthias,


    vielen Dank für diese detaillierten und detailliert begründeten Beobachtungen, zumal sie eine Position repräsentieren, die gegen den bisher sehr einheitlichen Tenor steht.


    Gerade angesichts Deiner Probleme mit dem Verständnis der Handlung, die wohl alle hatten, welche die Oper nicht gut kennen, interessiert mich aber, was die wesentlichen Kriterien Deines dennoch positiven Befundes sind. Der reine BIlderrausch wäre mir jedenfalls zu wenig, auch und gerade für jemanden, der gelernt hat, Filmbilder zu "lesen".


    Ist es nicht eine der selbstverständlichsten Aufgaben einer Operninszenierung, dass wenigstens der Inhalt einer Oper nachvollziehbar vermittelt wird, wenn man sich schon nicht um den Gehalt schert?


    Zugegeben, die in der Tat mehr als dürftige Untertitelung von 3-SAT hat da einigen zusätzlichen Schaden angerichtet, zumal die Oper mit wenigen Ausnahmen von allen Beteiligten dermaßen unidiomatisch vorgetragen wurde, dass selbst Leute mit ordentlichen Französischkenntnissen so gut wie nichts verstehen konnten.


    Um so wichtiger ist jedoch die Bild-Führung des Regisseurs, womit nicht die bei diesem Zirkus höchst respektable TV-Regie und Kameraführung des ORF gemeint ist, sondern Stölzl, dem es aber anscheinend völlig egal war, was sich gerade auf der Bühne abspielte, solange er noch einen Gag draufpacken konnte. Und noch einen... Und noch einen.....


    Die Entschuldigung des Karnevals, von mir aus auch im ersten Bild, obwohl das kaum von Libetto und Musik gestützt wird, scheint mir etwas dünn, denn gerade unter solchen Voraussetzungen ist es die Pflicht des Regisseurs, Auge und Verständnis des Zuschauers zu lenken. Aber wenn ein Regisseur alle Zugänge zum Stück dermaßen verbaut, dass einem keine andere Wahl bleibt als entweder seine grandiose Einfallskraft zu bewundern oder dauernd darüber zu verzweifeln, dann ist das eine maßlose Anmaßung, die im Fall dieser Inszenierung nicht einmal durch starke Bilder und Einfälle gestützt wird. Masse und Vielfalt allein entschädigen keineswegs für einen Mangel an Substanz. Sie kaschieren ihn nicht einmal hinreichend.


    Wenn Du einmal das LIbretto nachliest - hier findest Du es das deutsche: http://www.opera-guide.ch/oper…?uilang=de&first-letter=B -, wirst Du feststellen, dass es alle Deine offenen Fragen durchaus stringent und nachvollziehbar beantwortet. Man muss nicht mit allem darin glücklich sein, aber gerade solche Stellen zu deuten und ggf. sinnvoll zu machen, ist für meinen Geschmack die Aufgabe der Regie, nicht die Selbstbefriedigung eines visuellen Exhibitionisten.


    Ich wünsche mir mit Dir, dass wir noch reichlich Gelegenheit bekommen werden, Vergleiche mit anderen Inszenierungen zu ziehen, aber ich fürchte genau diese Möglichkeit hat die Aufführung mindestens erheblich reduziert. Darin vor allem liegt ihr eigentlicher Skandal.


    :hello: Rideamus


  • Da das Ganze in Dolby Digital 5.1 übertragen wurde (was ich nicht empfangen kann, habe "nur" klassisches analoges Kabel, und nutze gelegentlich DVB-T auf dem Computer und/oder Laptop, wobei Darmstadt "noch" am Rand des Zimmerantennenempfangsgebietes ist, ich bräuchte also eine Dachantenne, um es wirklich befriedigend zu empfangen), hat es mich noch mehr verblüfft. Das Bild hat nicht geleiert, nur der Ton. Und ich dachte immer, wenn etwas in Dolby Digital gesendet wird, so muß (sollte?) die Quelle auch in Digital aufgenommen worden sein. Und daß man "so" digital leiern kann, ohne es bewußt herbeizuführen, hat mich dann doch verwirrt...


    Matthias

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