Baltische Orgelmusik

  • Über Musik aus den drei Baltenrepubliken Estland, Lettland und Litauen ist hier im Forum bisher leider sehr wenig geschrieben worden. Außer dem Namen Arvo Pärt bin ich nur auf einen Beitrag über Peteris Vasks gestossen. Damit sind die beiden wohl bekanntesten Komponisten des Baltikums genannt, doch gibt es dort noch viel mehr zu entdecken, besonders im Bereich der Orgelmusik.
    Zunächst möchte ich kurz erzählen, wie ich zu meiner Leidenschaft zur baltischen Musik gekommen bin und was mir daran eigentlich so besonders gefällt. Angefangen hat alles, wie soll es anders sein, mit Pärts "Annum per Annum", das ich auf einer CD mit estnischer Orgelmusik gefunden hatte.



    Doch auch die anderen Stücke von Peeter Süda, Erkki-Sven Tüür, Edgar Arro, Ester Mägi, Andres Uibo und Rudolf Tobias haben mich so neugierig gemacht, daß ich die CD immer und immer wieder gehört habe, bis ich diese Musik "geschluckt" hatte. Besonders die drei Choralmeditationen von Uibo, der diese CD an der Rieger-Kloss-Orgel in St.Nikolai Tallinn eingespielt hat, fand und finde ich einfach stark. Die Stücke sind unterschiedlich modern, einige eher meditativ, andere wild. Aber auf alle Fälle wirkt die Musik unverkrampft und dadurch zeitlos. Das ist ein Punkt, den ich an baltischer Musik sehr schätze. Die Musik scheint aus der Seele zu kommen, sie soll nicht irgendeine Modeströmung bedienen (Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel!).
    Die nächste CD war im Dom zu Riga aufgenommen: "Festliches Orgelkonzert" (blöder Titel!) mit Irmtraud Krüger und Edward H. Tarr (Trompete). (Wie ich gerade feststellen musste, gibt es diese CD anscheinend nicht mehr - deswegen kein Bild vom Cover!) Auf dieser Aufnahme lernte ich nun das "Zentralinstrument" Lettlands kennen, nachdem ich jenes in Estland bereits erlebt hatte. Ich möchte nicht diese beiden Orgeln vergleichen, aber die Walcker-Orgel im Dom zu Riga ist natürlich ein absoluter Glücksfall! Für mich eine der schönsten Orgeln der Welt!
    Zurück zur Musik: Auf dieser CD sind Werke von
    Margeris Zarins, Alfreds Kalnins, Jekabs Medins, Imants Zemzaris, Peeter Süda und Maija Einfelde enthalten. Wenn man sich ein wenig mit der Materie beschäftigt, stößt man häufiger auf die Namen Peeter Süda und Alfreds Kalnins. Wobei letzterer häufig mit seiner Fantasia von 1902 auf CDs zu finden ist. Dieses hochromantische Stück ist für mich so etwas wie das "565" des Baltikums - natürlich nicht vom Stil her, sondern wegen des "Evergreen-Status"! Das Stück sauge ich geradezu auf!
    Das zweite Werk, das mir in seiner Schlichtheit sofort unheimlich vorkam, waren die "Sechs Pastoralen für eine Sommerflöte" von Imants Zemzaris. Bis auf die fünfte Pastorale, deren Schönheit ich nicht zu beschreiben vermag, fand ich das Werk aber stinklangweilig. Trotzdem (bzw. wegen dieser fünften Pastorale) hörte ich es immer wieder und inzwischen ist es für mich ein Schatz. Falls jemand den Roman "Löwenzahnwein" von Ray Bradbury kennt - irgendwie schlägt das in die gleiche Kerbe (das Buch gibt es übrigens auch nicht mehr - ein Zeichen für die Schlechtheit dieser Welt?)! Stücke, die man fünf oder zehn mal hören muß, bis man sie kapiert, sind einfach die besten! Es muß halt nur beim ersten Hören schon etwas passieren, damit man motiviert dazu ist!
    Die Sechs Pastoralen sind übrigens auch auf dieser CD enthalten:



    Eine empfehlenswerte CD, aber die Pastoralen sind wahrscheinlich auf keiner Orgel so gut darstellbar wie im Dom zu Riga!


    Wie ich schon erwähnt hatte, gefällt mir an der Musik das Zeitlose und Unverkrampfte. Es ist sehr nationale Musik - ich finde, nahezu jeder Musik aus dem Baltikum ist eine ähnliche Grundstimmung eigen. Es ist so eine Art "Weltschmerz", wie ihn Peteris Vasks ja auch selbst in seinen Werkerläuterungen nennt. Da ich überhaupt keine heitere Musik mag, genau das Richtige für mich!


    Ich könnte jetzt hier noch über einige andere Werke palavern, aber ich möchte erstmal abwarten, ob hier überhaupt jemand meine Leidenschaft für baltische (Orgel-)Musik teilt! Ich bin immer auf der Suche nach neuen Entdeckungen - vielleicht hat ja der ein oder andere einen CD-Tipp für mich!


    Baltische Grüße (von der deutschen Küste)
    Münti

  • Hallo!


    Dazu kann ich nur ein einziges Werk beitragen:


    Das "Konzert für Violine und Orgel" von Jaan Rääts. Erschienen ist eine Aufnahme bei Kreuzberg Records (http://www.kreuzberg-records.de), aber man findet die CD auch bei amazon.de:


    Violine und Orgel



    Enthalten sind noch Werke für Violine und/oder Orgel von Mati Kuulberg, Petr Eben, Augustyn Bloch und Krzysztof Meyer.


    Wenn du Rääts kennst, muss ich nicht viel zu ihm sagen, er klingt eh immer gleich :stumm:. Aber das, was er macht, gefällt mir sehr gut. Sein 2. Violinkonzert ist ein echter Schatz. Die Musik Rääts ist ziemlich repetitiv und vom Gesamteindruck "kreisend". Das Ganze geht also in Richtung minimal music und wenn man dafür eine Schwäche hat, wird einem das Werk auch gefallen.

  • Vielen Dank für den CD-Tipp!
    Jaan Rääts kenne ich bisher nur vom Namen. Ich habe mal bei jpc in die CD reingehört, scheint vielversprechend zu sein. Auf jeden Fall steht sie jetzt auf meiner Wunschliste! Und das mit dem 2.Violinkonzert behalte ich im Hinterkopf (leider konnte ich keine Hörbeispiele finden)!


    Gruß
    Münti

  • Andres Uibo hat eine CD mit eigenen Orgelwerken an der Walcker-Orgel im Dom zu Riga eingespielt:



    Enthaltene Stücke:


    Apocalypsis Symphony (2003/2004)
    1 Then I saw
    2 And I heared
    3 He will wipe every tear
    4 The New Jerusalem


    5 Bach im Spiegel (2005)


    6 Licht und Schatten


    Drei Choralmeditationen
    7 Befiehl du deine Wege
    8 Vater unser im Himmelreich I
    9 Vater unser im Himmelreich II


    Aufnahme 2006, erschienen bei Eres Edition


    Ich hatte vor einigen Monaten das Vergnügen, Uibo mit seiner Apocalypsis Symphony im Lübecker Dom zu erleben. Fulminant! Für den ersten Satz hat er den ersten Preis bei einem Wettbewerb für neue Kompositionen in Tallinn gewonnen - für mich absolut nachvollziehbar! Es ist eine geradezu hypnotische und sehr kraftvolle Musik. Die nachfolgenden Sätze sind weniger dynamisch, die Musik hat aber trotzdem ihren Reiz. So z.B. im zweiten Satz, wo plötzlich BWV582 zitiert wird.
    "Bach im Spiegel" ist ein sehr intensives Werk für Orgel und Violoncello, "Licht und Schatten" ist für vier Hände komponiert (zweiter Organist in dieser Aufnahme ist Aivars Kalejs) und ist der Apocalypsis Symphony ähnlich. Die drei Choralmeditationen hatte ich bereits bei der CD "Estnische Orgelmusik" erwähnt.
    Alles in allem eine wunderbar aufgenommene CD mit ebenso wunderbarer zeitgenössischer Musik.


    Gruß
    Münti